Robert Musil
Essays
Robert Musil

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Philosophie und Ästhetik

Anmerkung zu einer Metapsychik
(Walther Rathenau: Zur Mechanik des Geistes)
[1914]

Die Vorstellung, daß die guten irdischen Werke irgendwie unsre Jenseitsexistenz bilden – diese Lieblingsidee der heutigen spiritualistischen Philosophie, welche sich persönliche Unsterblichkeit nicht mehr zu garantieren getraut – hat etwas von dem Bedürfnis des Kinds, das sein Spielzeug ins Bett und in das schwarze Loch des Schlafs abends mitnehmen will. Es hat, wenn es sich mit zweckwidriger Lehrhaftigkeit verbindet, etwas zerstörend Komisches wie bei Eucken und manchmal selbst bei Bergson. Hat bei Novalis – der nie vergißt, daß die Gedanken, die in ihm sind, einst, als deren Gehirn sie nachstammelnd bildete, im Leibe seiner kleinen Geliebten waren – Über-Sinnlichkeit, berührte Gesteigertheit, blühsamenhaftes Streichen durch die Gedankenwelt wie durch eine Wolke dunkelrosigen Laichs. Oder es hat – diese Vorstellung von der Ewigkeit eines den persönlichen umfassenden Gesamtgeistes – ein Ethos fürs Diesseits in sich, ein Lied in der Marschkolonne mit verschlungenen Armen, ein Brudermenschglück, Marseillaise eines angsterheitert aus dem Dunkel ins Dunkel ziehenden Schwarms. Wie ein wenig bei Emerson. Ich führe das an, um etwas von der Gefühlsmannigfaltigkeit zu zeigen, die in diesen Fragen wohnt, und ein wenig an die Verantwortung zu erinnern, die das Jenseits dem Diesseits gegenüber hat. In Rathenaus Buch spüre ich von solchen Möglichkeiten die des sich zu den andern Bekennens. Errate, daß manche Vorstellungen, von denen es beherrscht wird, in Stunden vor der begrifflichen Niederschrift von daher geströmt, daß sie dahergeströmt kamen; finde aber andre Menschenmöglichkeiten nicht genug gesehn.

 

Wenn Rathenau sagt, der richtige Mensch – er nennt ihn den seelenvollen – neigt zur Liebe, zur Entäußerung, zur Idee, zur Intuition, zur furchtlosen Wahrheit; sein Charakter sei Treue, Großmut, Unabhängigkeit; sein Benehmen Sicherheit, heitere Ruhe und Festigkeit; er sei eher stark als klug, selbstbewußt als erfahren; er habe heitere Freiheit des Lebens, Hang zu transzendenter Erhebung, intuitive Frömmigkeit –: so ist darin anzuerkennen das Programm eines Menschentypus, der – in einem Kunstwerk aufgestellt oder mit der gleichen, einer letzten, inneren Reserve in einem Essay beschrieben – wertvoll sein kann, je nachdem wie sich seine Eigenschaften durch Verknüpfung untereinander und mit andren näher bestimmen. Wird aber davon nicht ein Individuum gemalt, sondern schon für die bloße Palette, ausschließlich für dieses Sortiment moralischer Farben Herrschaft beansprucht, so liegt der Fall anders und es stürmt in die Erinnerung: daß Dostojewski ein Epileptiker war, daß Flaubert es war und daß in tiefen Momenten ihres Daseins ihr Benehmen nicht »Sicherheit und heitere Freiheit des Lebens« gewesen sein dürfte. Daß Horaz aus der Schlacht davonlief. Daß Schopenhauer eine Gallspritze war. Nietzsche, Hölderlin Narren. Wilde ein Zuchthäusler. Verlaine ein Trinker. Daß van Gogh sich eine Kugel in den Bauch schoß. Sind das Ausnahmen, so möchte man die Regel sehn, aber das frühe Griechentum, das Rathenau dafür anruft, hat neben dem Achilleus den Odysseus geliebt, Nietzsche lehrte von dem apollinischen den dionysischen Typus zu scheiden und selbst die Überlieferung von dem vermeintlich größten aller Apolliniker, Goethe, ist – wie Bahr in einer älteren Arbeit gezeigt hat – eine Legende. Die Ausnahmen scheinen also doch irgendwie in die Regel verflochten zu sein.

Und wird behauptet, Ägypten und Ostasien hätten nur seelenlose Kunst hervorgebracht, während man doch an die seltsamen Seelen denkt, die in Stichen und Steinen von dort zu uns kamen; heißt es von seelenhaften Völkern, ihr Geist schwebe über der Erscheinung und erhebe sich zur souveränen Anschauungsform des Humors, die »scheinbar sorglos und unbeteiligt und dennoch voll höchsten Verstehens sich der Geschöpfe annimmt«, während man sich doch erinnert, daß Dante, Goethe, Beethoven, Dostojewski wenig Humor besaßen, hingegen der liebenswürdige Thackeray viel von solchem; wird erwähnt, daß Frankreich kein einziges Gedicht hervorgebracht habe, daß große Kunst immer einfach sei und das Absolute spiegle, während man weiß, daß diese Kunstfragen nahe betrachtet doch – weniger einfach liegen; heißt es von seelenvollen Völkern, es herrschten bei ihnen Glaube, Treue, Krieg, positive Ideale und fern seien ihnen Materielles, Friede, Gelehrsamkeit, Analyse, während man mit vielen heute fühlt, daß es kriegerische Tugenden auch in der Gelehrsamkeit geben könne, weiß, daß Friede und Glaube meist eine Einheit bilden, dafür kämpft, daß Ideale nicht vor die Analyse gesetzt werden, sondern nach ihr erwachsen mögen –: so erkennt man, daß hier trotz aller Modernität die Welt wieder einmal in Himmel und Hölle zerschnitten wird, während zwischen beiden, aus irgendeiner Mischung, gerade aus einer, freilich noch sehr zu untersuchenden Mischung von gut und böse, krank und gesund, egoistisch und hingebend . . . die Fragen der Erde blühn.

 

Rathenaus Buch hat dafür eine wertvolle Entschuldigung. Jene Gruppe menschlicher Zustände, die man mit einem in der Essayistik heimisch gewordenen Ausdruck das Erlebnis der Seele oder der Liebe nennt. Seine Beschreibung in diesem Buch ist schön, wenn sie stofflich auch kaum etwas Neues bieten kann. Es ist das Grunderlebnis der Mystik.

Dieses Erlebnis entsteht, Rathenaus Beschreibung ist an dieser Stelle meisterhaft, durch ein der Liebeskraft analoges Streben, eine namenlose Konzentrationskraft, ein inneres Sammeln, Vereinigen der intuitiven Kräfte. Weder eine Kraft, noch eine Trägheit, noch ein Schmerz muß überwunden werden, sondern Erstarrung. Diese Liebe versenkt sich in die Natur und verliert sich nicht; sie ruht gleichsam mit ausgebreiteten Schwingen über der Erscheinungswelt. Das Wollen löst sich, wir sind nicht wir selbst und doch zum erstenmal wir selbst. Die Seele, die in diesem Augenblick erwacht, will nichts und verspricht nichts und bleibt dennoch tätig. Sie bedarf nicht des Gesetzes, ihr ethisches Prinzip ist Erweckung und Aufstieg. Es gibt kein ethisches Handeln, sondern nur einen ethischen Zustand, innerhalb dessen ein unsittliches Tun und Sein nicht mehr möglich ist. Zwischen dem, was wir hoch, und dem, was wir tief bewerten, zwischen dem, was wir lieben und hassen, preisen und verachten, ist der Unterschied sehr gering und besagt nur eines: ob das Werden der Seele gehemmt oder gefördert wird. – In diesen Sätzen ist kein Winkel, der nicht erfüllt wäre von Erleben. Wer den Zustand nicht kennt, dem ist er nicht zu bezeichnen. Wer ihn kennt, weiß, daß Gefühlserkenntnisse, große innere Umlagerungen, Lebensentscheidungen oft in solchen Augenblicken wie aus dem Nichts aufgetaucht vor dem Erlebenden stehen. Man erkennt dann alles, was man vordem mit unberührtem Verstand gedacht hat, als völlig belanglos. Man ist im Zustand der Erweckung, den alle Mystiker als den Eintritt in eine neue Existenz gepriesen haben. An dem Sinnenbild der Welt, das wir empfangen, sind zentrale Faktoren ja stets beteiligt; in diesem veränderten Zustand liegt ein seltsamer Gefühlston über der Welt, sie erscheint selbst verändert. Und man fühlt, daß die wunderbare Bewegung schon zu erstarren beginnt, [so]wie sie der Verstand in Worte fassen will.

Von daher, wenn man sich nachfühlend in den Bann solcher Stimmungen versetzt, kann man die Abneigung gegen Verstand und Analyse begreifen, die vermeinte Einfachheit, die Laienfrömmigkeit, die kinderäugigen Ideale, die Geringschätzung alles Häkichten; sie gehören nicht notwendig hinzu, aber verständlich, und schon die Griechen nannten solchen Zustand mit einem Wort der Liebe die große Ein-Falt. Man erkennt den Umkreis dieser Behauptungen bis zu den vollkommenen Unhaltbarkeiten hinunter, wie er in den Augenblicken solcher Eingebung aufleuchtete, hier deutlich, dort verdämmernd, und flüchtig abgesteckt ward.

Die Aufgabe, die sich Rathenau setzte, war, aus diesem Zustand heraus eine Philosophie zu schreiben. Der Zustand ist menschlich wichtig.

Es gäbe drei Wege. Man kann das Erlebnis als ein seltenes und fragiles betrachten, was es auch ist, dessen Bedingungen man untersucht, dessen Gehalt man an andren Lebensgehalten erprobt, für das man nach dem gebührenden Platz in sich sucht. Wobei trotz aller zu beschleichenden Seelenwinkel die normalen Innenzonen Richtzentrum bleiben. Oder man versucht den Zustand des inneren Schauens zum Lebenszustand zu verlängern und gibt die Normalität für ihn preis. Die religiösen Mystiker hatten dafür die Konvention Gott. Sie sanken in Gott hinein und wurden aus ihm wieder hinausgeworfen, aber Gott blieb als ständige Möglichkeit, als manchmal erreichte Wirklichkeit und der Zustand erhielt durch die Anknüpfung an seine Existenz Breite und Stete. Das ist heute nicht möglich, aber es bleibt ein dritter Weg: weil man in Höhepunkten das Treiben des Verstands als wertlos erkennt, die Konsequenz zu ziehen und zu trachten, daß man aus dem einen Erlebnis heraus den Geist des dazugehörenden Menschen konstruiere und mit diesem Geist dann statt mit dem Verstande die Welt denke. Dies zu versuchen ist der Vorsatz des Buchs. Wahrscheinlich hoffnungslos, ist das Wagnis einer solchen Aufgabe doch von mehr als gewöhnlichem Verdienst.

Bei der Ausführung fehlte jedoch – das Erlebnis und an Stelle der Gefühlsmystik trat eine rationale. Diese Verschiebung ist absolut typisch für alle systematischen Versuche auf diesem Gebiet. Von der seelischen Berührung bleibt dann nur das anstrengende Festhalten einiger in intimsten Augenblicken gebildeter Begriffe, zwischen die alles übrige mit einem Geist interpoliert wird, der naturgemäß außer trance ist und sich von dem wissenschaftlichen Verstand eigentlich nur dadurch unterscheidet, daß er auf dessen Tugenden der Methodik und Genauigkeit verzichtet. Die Evidenz der Intuition entgleitet zur Unverbindlichkeit des Aperçus; was eben noch als Aphorismus, als esprithafter Einfall daherkam, gilt wenige Zeilen später als gefestetes Material für neuen Weiterbau und es entsteht eine außerordentlich merkwürdige Pseudosystematik, eine Art erbittertes Ordnungsspiel, bei dem es aus einer Anzahl bestimmter Steine vorausbestimmte Figuren zu formen gilt. Wird überdies ein schwieriger innerer Zustand mit Gewalt festgehalten, wie es hier zur Zentrierung der Einfälle immer wieder nötig ist, so entsteht hinter der Aufmerksamkeitsspannung ein gewisses Vakuum der Gefühle und der seelische Gehalt verläuft sich. Immer aber treten dann an die Stelle innerer Verluste äußere Gefühlshilfen; Metaphysik als Nobilitierung und heraldische Spekulation, die die entleibte Haut des Erlebnisses an die Sterne hängt. Auch Rathenaus Buch macht von diesem Schicksal keine Ausnahme; es läßt sich das nicht im einzelnen erweisen, denn es ist das Verhängnis des Ganzen. Das Unglück will, daß die Menschen, die heute für solche Fragen in Betracht kommen, wenig Verständnis für die Tugenden scharfen Denkens haben und kaum fühlen werden, daß hier alles wieder verlorengeht, während die andern, die dieses Verständnis besäßen, meist keine Ahnung haben, was hier ein Griff in der Tiefe erfaßte, dem es auf dem Weg zur Oberfläche wieder entrann. – Wir Deutschen haben – außer dem einen großen Versuch Nietzsches – keine Bücher über den Menschen; keine Systematiker und Organisatoren des Lebens. Künstlerisches und wissenschaftliches Denken berühren sich bei uns noch nicht. Die Fragen einer Mittelzone zwischen beiden bleiben ungelöst.

Geist und Erfahrung
Anmerkungen für Leser, welche dem Untergang des Abendlandes entronnen sind
[1921]

I

Schiller in der Abhandlung über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen: »Belletristische Willkürlichkeit im Denken ist freylich etwas sehr Übles.«

Mathematische Kapitel aber haben vor andren den Vorzug, daß sie diese bei belletristischen Geistern sich auf jedem Wissensgebiet rasch einstellende imitatorische Belesenheit von Sachlichkeit leicht unterscheiden lassen. Spengler schreibt: irgend etwas »mag in den populären Teilen einer Mathematik weniger hervortreten, aber die Zahlengebilde höherer Ordnung, zu denen jede von ihnen . . . alsbald aufsteigt, wie das indische Dezimalsystem, die antiken Gruppen der Kegelschnitte, der Primzahlen und der regelmäßigen Polyeder, im Abendland der Zahlkörper, die mehrdimensionalen Räume, die höchst transzendenten Gebilde der Transformations- und Mengenlehre, die Gruppe der nichteuklidischen Geometrien . . .« usw. und das klingt so gewiegt, daß ein Nichtmathematiker sofort durchschaut, so kann nur ein Mathematiker reden. Aber in Wahrheit ist, wie Spengler da Zahlengebilde höherer Ordnung aufzählt, nicht fachkundiger als ob ein Zoologe zu Vierfüßlern die Hunde, Tische, Stühle und Gleichungen vierten Grades zusammenfassen würde! Oder Spengler schreibt: »Aus dieser großartigen Intuition . . . folgt die letzte und abschließende Fassung der . . . abendländischen Mathematik, die Erweiterung und Vergeistigung der Funktionentheorie zur Gruppentheorie.« Aber in Wirklichkeit ist die Gruppentheorie gar keine Erweiterung der Funktionentheorie! Oder Spengler definiert: »Gruppen sind . . .«, aber was er definiert, sind keine »Gruppen«, sondern unter Umständen eine »Menge« und sonst überhaupt nichts Präzises! Definiert er aber eine »Menge«, nämlich »den Inbegriff einer Menge gleichartiger Elemente«, irrt er sich und glaubt, daß dies die Definition eines Zahlkörpers sei! Oder er schreibt: »Innerhalb der Funktionentheorie dagegen ist der Begriff der Transformation von Gruppen von entscheidender Bedeutung und der Musiker wird bestätigen, daß analoge Bildungen einen wesentlichen Teil der neueren Kompositionslehre ausmachen«, aber natürlich gibt es den Begriff Transformation von Gruppen in der Funktionentheorie überhaupt nicht, sondern es gibt nur den geistigen Gegenstand Transformationsgruppen und den nicht in der Funktionentheorie, sondern in der Gruppentheorie. Was gleichzeitig ein Beispiel für die Universalität und den Stil der Beweisführung ist.

II

Man kann nach solchen Beispielen wohl nicht glauben, daß ich mich auf Buchstabengerechtsame versteife. Aber man wird es tun. Denn es besteht in – ich möchte das Wort geistig gebrauchen – sagen wir also in geistigen Kreisen, – ich meine aber die der Literatur, ein günstiges Vorurteil über Verstöße gegen Mathematik, Logik und Genauigkeit; sie werden unter den Verbrechen wider den Geist gern zu den ehrenvollen politischen gezählt, wo der öffentliche Ankläger eigentlich in die Rolle des Angeklagten gerät. Seien wir also generös. Spengler meint es quasi, arbeitet mit Analogien und in irgendeinem Sinne kann man da immer recht haben. Wenn ein Autor die Begriffe durchaus mit falschen Namen belegen oder selbst verwechseln will, so kann man sich schließlich daran gewöhnen. Aber ein Chiffrenschlüssel, irgendeine zuletzt eindeutige Verbindung des Gedankens mit dem Wort muß durchgehalten werden. Auch diese fehlt. Die vorgeführten, ohne lang suchen zu müssen aus vielen herausgegriffenen Beispiele sind nicht Irrtümer in Einzelheiten, sondern eine Art des Denkens!

Es gibt zitronengelbe Falter, es gibt zitronengelbe Chinesen; in gewissem Sinn kann man also sagen: Falter ist der mitteleuropäische geflügelte Zwergchinese. Falter wie Chinesen sind bekannt als Sinnbilder der Wollust. Zum erstenmal wird hier der Gedanke gefaßt an die noch nie beachtete Übereinstimmung des großen Alters der Lepidopterenfauna und der chinesischen Kultur. Daß der Falter Flügel hat und der Chinese keine, ist nur ein Oberflächenphänomen. Hätte ein Zoologe je auch nur das geringste von den letzten und tiefsten Gedanken der Technik verstanden, müßte nicht erst ich die Bedeutung der Tatsache erschließen, daß die Falter nicht das Schießpulver erfunden haben; eben weil das schon die Chinesen taten. Die selbstmörderische Vorliebe gewisser Nachtfalterarten für brennendes Licht ist ein dem Tagverstand schwer zugänglich zu machendes Relikt dieses morphologischen Zusammenhangs mit dem Chinesentum. –

Was mit solchen Mitteln bewiesen werden soll, ist ja eigentlich ganz gleich; ich wollte am Beispiel der Mathematik zeigen, von dem Spengler selbst sagt, daß es das einzige sei, an dem sich seine Beweisführung erhärten lasse, welches Vertrauen sie verdient.

III

Ich übergehe zu den erkenntnistheoretischen Schlüssen, die Spengler aus der Betrachtung der Physik zieht.

Er behauptet, »daß schon Worte wie Größe, Lage, Prozeß, Zustandsänderung spezifisch abendländische Bilder darstellen, die den Charakter der wissenschaftlichen Tatsachen, die Art des Erkanntwerdens beherrschen, ganz zu schweigen von komplexen Begriffen wie Arbeit, Spannung, Wirkungsquantum, Wärmemenge, Wahrscheinlichkeit, welche jeder für sich eine physikalische Gesamtanschauung in nuce enthalten«. »Das Experiment, die systematische Handhabung der Erfahrung ist höchst dogmatisch; ein spezieller Naturaspekt ist schon vorausgesetzt.« »Der in sich geschlossene, höchst überzeugende Komplex unumstößlicher Wahrheiten ist in einem sehr bedeutsamen Sinne von dem Entwicklungsgang, den allgemeinen, nationalen und privaten Schicksalen . . . abhängig. Jeder große Physiker, der als Persönlichkeit seinen Entdeckungen doch immer eine eigene Richtung und Farbe gibt, jede Hypothese, die ohne einen individuellen Beigeschmack ganz unmöglich ist, jedes Problem, das in die Hände gerade dieses und keines andren Forschers geriet, bedeuten ebensoviele Schicksalsfügungen für die Gestalt der Lehre. Wer das bestreitet, der ahnt nicht, wie viel Bedingtes in den absoluten Momenten der Mechanik steckt.«

Mit solchen Bemerkungen hat Spengler, von einigen Zweideutigkeiten abgesehen, vollkommen recht. Er irrt sich nur darin, daß er sie für neu hält; ihr Inhalt ist jedem, der von den erkenntnistheoretischen Arbeiten der letzten fünfzig Jahre etwas weiß, geläufig.

Wenn er aber daraus folgert, es handle sich bei physikalischen Entscheidungen »um Stilfragen . . . Es gibt physikalische Systeme, wie es Tragödien und Sinfonien gibt. Es gibt hier Schulen, Traditionen, Manieren, Konventionen wie in der Malerei«: so macht er aus einem gallus Mattiae einen Gallimathias.

Spengler sagt: Es gebe keine Wirklichkeit. Natur sei eine Funktion der Kultur. Kulturen seien die letzte uns erreichbare Wirklichkeit. Der Skeptizismus unserer letzten Phase müsse historisch sein. Warum haben aber die Hebel zur Zeit des Archimedes oder die Keile im Paläolithikum genau so gewirkt wie heute? Warum vermag sogar ein Affe einen Hebel oder einen Stein so zu gebrauchen, als wüßte er von Statik und Festigkeitslehre, und ein Panther aus der Spur auf die Beute zu schließen, als wüßte er von der Kausalität? Will man nicht annehmen, daß eine gemeinsame Kultur auch Affe, Steinmensch, Archimedes und Panther verbindet, so bleibt wohl nichts anderes übrig als ein gemeinsames Regulativ anzunehmen, das außerhalb der Subjekte liegt, also eine Erfahrung, die der Erweiterung und Verfeinerung fähig sein könnte, die Möglichkeit eines Erkennens, irgendeine Fassung von Wahrheit, des Fortschritts, Aufstiegs, kurz gerade jene Mischung subjektiver und objektiver Erkenntnisfaktoren, deren Trennung die mühselige Sortierarbeit der Erkenntnistheorie ausmacht, von der sich Spengler dispensiert hat, weil sie dem freien Flug der Gedanken ganz entschieden hinderlich ist.

Spengler hebt einmal hervor, die Erkenntnis sei nicht nur ein Inhalt, sondern auch ein lebendiger Akt: was er in ungeheuerlichem Maß vernachlässigt, ist, daß sie auch ein Inhalt ist. Was unsre geistige Lage kennzeichnet und bestimmt, ist aber gerade der nicht mehr zu bewältigende Reichtum an Inhalten, das angeschwollene Tatsachenwissen (einschließlich der moralischen Tatsachen), dieses Auseinanderfließen der Erfahrung an der Oberfläche der Natur, das Unübersehbare, das Chaos des Nichtwegzuleugnenden. Wir werden daran zugrunde gehn oder als ein seelisch stärkerer Menschenschlag es überwinden. Darum hat es auch menschlich keinen Sinn, diese ungeheure Gefahr und Hoffnung wegzueskamotieren, indem man durch eine falsche Skepsis den Tatsachen das Gewicht ihrer Tatsächlichkeit stiehlt.

IV

Da ein großer Teil der Naturgesetze das Ergebnis räumlicher Messungen ist, wäre es natürlich ein verblüffender Erfolg, wenn es gelänge, am Wesen des Raums zu zeigen, daß er in jeder Kultur nicht nur anders erlebt wird, sondern etwas anderes ist; die Behauptung, daß die Natur eine Funktion der Kultur sei, wäre damit gewissermaßen samt der Wurzel herausgehoben.

Tatsächlich beansprucht Spengler, »die Illusion des einen, bleibenden, alle Menschen umgebenden Raums, über den man sich begrifflich restlos verständigen könnte, zerstört« und »eine Ausgedehntheit an sich . . . unabhängig vom spezifischen Formgefühl des Erkennenden« als »eine Illusion« erwiesen zu haben.

Er verweist auf die Existenz nichteuklidischer Geometrien. Aus ihr folgt, daß es mehrere Raumbegriffe gibt, die eben dadurch definiert sind, daß diese Geometrien in ihnen gelten. Nennen wir sie mathematische Räume. Sie sind dadurch entstanden, daß gewisse Eigenschaften des überlieferten euklidischen Raumbegriffs variiert worden sind, und wir fügen hinzu, daß sie sich trotzdem für den rechnungsmäßigen Ausdruck physikalischer, also wirklicher Tatsachen verwenden lassen. Gewöhnlich unterscheidet man da aber: Der für die Darstellung gewählte Raum ist, genau so wie andre mathematische Symbole, zunächst nur eine begriffliche Brücke für Vorgänge in einem andren Raum, dem der profanen Wirklichkeit. Nennen wir ihn den empirisch-metrischen, denn er ist nichts als der Erfahrungsraum unter dem vorwaltenden Aspekt des Messens, wovon man sich leicht überzeugen kann, indem man sich vergegenwärtigt, daß es neben und in gewissem Sinn vor dem empirisch-metrischen Raum noch gesehene, getastete und gehörte Räume in allen Abstufungen vom primären Eindruck bis zur vollbewußten Wahrnehmung gibt. Diese Räume sind durchaus nicht euklidisch, im Sehraum z. B. schneiden sich Parallele[n], die Länge ist abhängig von der relativen Lage einer Strecke, die drei Dimensionen sind nicht gleichwertig und es treten spezifische Täuschungen auf, die sich oft erst durch das Zusammentreffen mit Erfahrungen aus andrem Sinnesgebiet als Täuschung erweisen. Es ist nicht meine Absicht, das weiter auszuführen und zu zeigen, wie daraus der volle Erfahrungsraum entsteht, warum dieser für euklidisch gilt und mit welcher Kompetenz vertiefte mathematisch-physikalische Erfahrung es wieder in Frage stellt. Es genügt mir festzustellen, daß dies den Inhalt zahlreicher erkenntnistheoretischer und psychologischer Arbeiten bildet, deren Ergebnisse die Lösung zwar noch nicht bedeuten, wohl aber voraussehen lassen. Spengler hat also nicht nur darin recht, daß es eine Mehrzahl mathematisch-physikalischer Räume gibt, sondern es gibt in der Tat auch die von ihm behauptete »Mehrheit variabler Anschauungsgebilde« und er irrt sich nur darin, daß er dies für eine neue Grundlage der Raumtheorie hält. Er hat auch hier den Ausgangspunkt einer Denkarbeit für ihr Ende gehalten. Würde er die »albernsten Methoden der experimentellen Psychologie« nicht für einen seiner unwürdigen »Jagdgrund mittelmäßiger Köpfe« und erkenntnistheoretische Arbeiten nicht für »akademische Belanglosigkeiten« erachten, so wäre ihm das nicht so leicht gefallen. Ich übergehe die analogen Betrachtungen über die Zeit, ebenso das »Geheimnis der Raumwerdung« zugunsten eines weiteren Zusammenhangs, da sich im einzelnen doch immer bloß das gleiche Bild wiederholt.

V

Vorher eine Zwischenanmerkung.

Es ist bisher wiederholt die Instanz der Erfahrung angerufen worden. Es gibt Menschen, die darauf mit Achselzucken antworten: empiristische Philosophie! Also eine philosophische Richtung, die eben auch nur eine unter vielen und nicht besonders privilegiert zum Besitz der Wahrheit ist. Spengler würde das Pochen auf Tatsächlichkeit nachsichtig als ein westliches Zivilisationssymptom abtun. Der Chor der Geistkämpfer und Seelenvollen aber – von angeblich Goethe bis zum kleinsten geistigen Moritz und Gottseibeimir von heute – hat längst einstimmig intuitiert: es gibt überhaupt nichts Erbärmlicheres als Empirismus.

Bevor ich antworte, will ich aber sagen, daß ich es für unerlaubt hielte, ein Werk mit Bedeutung und eignem Leben – als ein solches empfinde ich auch Spenglers Buch – erst wegen seiner Schwächen lächerlich zu machen und dann das eigne Töpfchen an den Herd zu rücken und rasch das eigne Besserwissen darin zu kochen; noch viel oberflächlicher natürlich, als es der Autor tat, weil Raum, Zeit und Bewußtsein der Wichtigkeit knapp sind. Ich stelle daher fest, daß ich Spengler nicht abwäge, sondern daß ich ihn angreife. Ich greife ihn an, wo er typisch ist. Wo er oberflächlich ist. Wenn man Spengler angreift, greift man die Zeit an, der er entspringt und gefällt, denn seine Fehler sind ihre. Zeiten sind aber nicht zu widerlegen; nicht aus Agnostizismus ist dies gesagt, sondern weil kein Mensch die Zeit hat sich damit abzugeben. Man kann nicht mehr tun, als ihnen auf die Finger zu sehn und auch hie und da daraufzuklopfen.

Die Erfahrung, welche dies bei Spengler besorgt, hat mit philosophiegeschichtlichen Unterscheidungen nicht das geringste zu tun. Kein Gedankensystem darf zur Erfahrung oder [zu] richtigen Schlüssen aus ihr in Widerspruch stehn: in diesem Sinn empiristisch ist jede seriöse Philosophie. Wie hierbei der Begriff der Erfahrung mit Genauigkeit zu fassen ist, wie man apriorische Elemente von Erfahrungselementen in engerer Wortbedeutung trennt und in welchem Sinn überhaupt von einem Apriori geredet werden darf, das freilich schließt weitläufige und noch lange nicht beendete Erörterungen ein. Sie können aber auch aus dem Grund beiseite gelassen werden, weil sich die verbreitete Abneigung, von der die Rede war, ohnedies nicht gegen theoretische Arbeiten richtet, welche die wenigsten kennen, sondern gegen eine bestimmte Geisteshaltung, die, von den Erfolgen der Naturwissenschaften begünstigt, seit dem 18. Jahrhundert in steigendem Maße die zivilisierte Menschheit beherrscht. Erfahrung, welche für die Wissenschaftler in Betracht kommt – es gibt ja auch Denker, die behaupteten Gott erfahren zu haben –, ist jene, die unter bestimmbaren Umständen jedem gewährleistet ist. Ich möchte daher, nicht ohne Freude am Bösen, hinzufügen, daß sie eine triviale Erfahrung ist. In diesem Sinn empiristisches Denken engt natürlich den Geist ein. Angewiesen auf den Aufbau von unten nach oben, auf das Sichere, Zugängliche, Geschlichtete – die großen theoretischen Gedanken sind verhältnismäßig selten –, erwirbt er mit der Exaktheit leicht auch eine gewisse Philiströsität; der ständig erste Griff nach dem Niederen vor dem Höheren wird, da das zweite nicht oft gelingt, zur einzigen Geste. Es gehört ein gewisses philosophisches Phlegma zu ihm – dort, wo er nicht zur hohen geistigen Tugend wird –; man leimt Erfahrungsbruchstücke zusammen, gewärtig, daß einmal ein System daraus werden wird, was keineswegs erwiesen ist. Man dreht sich im Kreis und bescheidet sich darin, wenn man Erscheinungen immer wieder nur in Gruppen andrer Erscheinungen einordnet. Und wenn es auch dabei um die Befriedigung des metaphysischen Bedürfnisses durchaus nicht so aussichtslos zu stehen braucht, wie man gemeinhin annimmt, daß man sich sehr häufig mit dem Schein befriedigt, ist nicht zu leugnen, daß dem Zurückführen zuliebe oft unwesentlich zurückgeführt wird und Erklärungen gegeben werden, die sozusagen nur dem Jargon nach stimmen. Das sind die Paradefälle des Kampfes gegen den engen wissenschaftlichen Geist, Intellektualismus, Rationalismus usw. Aber natürlich führt jede Geistesart ihren Troß von Karikaturen mit sich und jener der Gegenseite ist unendlich viel größer. Sieht man im Empiristen nur den von Gott in die Tiefe gebannten Luzifer, so möge man doch nicht vergessen, was das Hauptargument für ihn ist: die Unzulänglichkeit aller philosophischen Engel. Zur Ehre eines Höheren einen solchen, so gut wie ich es vermag, in teilweise gerupftem Zustand zu zeigen, nahm ich Spengler als Beispiel.

VI

Erkenntnistheoretische Einwände gelten natürlich nur unter der Voraussetzung, daß erkannt werden soll. Wird denn aber stets erkannt? Wenn man Emerson, Maeterlinck oder Novalis liest, auch Nietzsche rechne ich dazu und um ein Beispiel von heute zu geben, sei Rudolf Kaßner genannt, – erfährt man stärkste geistige Bewegung: aber erkennen kann man dies nicht heißen. Es fehlt die Konvergenz zur Eindeutigkeit, der Eindruck läßt sich nicht komprimieren und zum Niederschlag bringen, es sind intellektuelle Umschreibungen von etwas, das man sich menschlich aneignen, aber nur in intellektuellen Umschreibungen wieder ausdrücken kann.

Die Ursache liegt darin, daß die Vorstellungen in diesem Interessenkreis keine feste Bedeutung haben, sondern mehr oder minder individuelle Erlebnisse sind, die man nur soweit versteht, als man sich ähnlicher erinnert. Sie müssen jeweils wiedererlebt werden, werden immer nur teilweise wiedererlebt und keineswegs ein für allemal verstanden. Vorstellungen, die nicht das feste Fundament des sinnlich Wahrnehmbaren oder der reinen Rationalität haben, sondern auf Gefühlen ruhn und schwer wiederholbaren Eindrücken, sind immer so. Selbstverständlich gehören alle Äußerungen des praktischen Lebens dazu; jede Unterredung, jedes Überzeugen, jeder Entschluß, jede Beziehung zwischen zwei Menschen ruht, wie man zu sagen pflegt, auf Imponderabilien. Faßt man solche Vorstellungen und Sachverhalte in ebensolchen Zusammenhang – wie es der Essay tut, die »Meinung«, die »persönliche« Überzeugung –, so entstehen komplizierte Gebilde, die natürlich ebenso leicht zerfallen wie hochzusammengesetzte Atomgruppen.

Sowie man dieses Gebiet betritt, erweist sich logische Methodik als entthront. Je höher in dieser Reihe ein Gedanke steht, desto mehr tritt der Anteil des Verstandes gegenüber dem des Erlebnisses zurück. Ich habe es deshalb einst das nicht-ratioïde Gebiet genannt (im 4. Band der Zeitschrift Summa [s. S. 781/85: Zum Selbstbildnis / Skizze der Erkenntnis des Dichters, 1918], wo man einige Gelegenheitsbemerkungen mehr darüber finden kann), aber selbstverständlich gilt das nur in dem soeben angegebenen Sinn. Anstelle des starren Begriffs tritt die pulsierende Vorstellung, anstelle von Gleichsetzung treten Analogien, an die der Wahrheit Wahrscheinlichkeit, der wesentliche Aufbau ist nicht mehr systematisch, sondern schöpferisch. Das Gebiet umfaßt alle Grade der Abstufung vom fast Wissenschaftlichen, wie es dem Essay Taines oder Macaulays, schließlich aber auch fast jeder Geschichtsschreibung eignet, bis zu Ahnung und Willkür oder jenen nur noch Anregungsreize spendenden Abhandlungen, wie sie heute manchesmal Dichter schreiben. Dementsprechend konvergiert der Gehalt bald bis zum fast Eindeutigen, bald divergiert er bis zur vollen Disparatheit und schafft nur Denkdispositionen und diffuse Bewegtheit.

Wer sich an solchen Arbeiten gebildet hat, wird wissen, wieviel durch Ordnung, Analyse, Vergleich, kurz Denken, aus ihnen extrahiert zu werden vermag, trotzdem die feinste Substanz dabei verlorengeht; wird auch wissen, wieviel Rationalität in ihnen selbst steckt, ungeachtet der ganz selbstverständlichen, die schon zum bloßen Ausdruck nötig ist. (Ich sehe von dem Fall ab, wo plötzlich Domänen fast ganz vom Verstand erobert werden, in denen vordem nur die Idee oder gar die Dichtung herrschte, wie im Fall der Psychoanalyse.) Wäre es angesichts des Mißverhältnisses, in dem die Leistungen auf nicht-ratioïdem Gebiet zu den rein rationalen der Wissenschaft heute stehn, nicht vermessen, so würde ich sagen, daß der Verstand dort, wo er sozusagen all seiner Bequemlichkeiten beraubt ist, desto elastischer sein und dort, wo alles fließt, desto schärfer unterscheiden und fassen muß. Es ist ein unheilvolles Mißverständnis, welches den Geist in Gegensatz zum Verstand setzt; die menschlich wesentlichen Fragen werden durch das Geschreibe von Rationalismus und Antirationalismus nur verwirrt, die einzig mögliche Sehnsucht, wo man nicht ebensoviel verliert wie gewinnt, ist Überrationalismus.

Zur Klärung dieser grundlegenden Fragen geschieht sehr wenig. Den Philosophen liegt die Erforschung der Methodik eines Gebiets nicht recht, dessen Tatsachen in Erlebnissen bestehn, die den meisten von ihnen nicht in der nötigen Mannigfaltigkeit bekannt sind. So gibt es meines Wissens überhaupt keinen Versuch, die Logik des Analogischen und Irrationalen zu untersuchen. »Es gibt wissenschaftliche Erfahrung und Lebenserfahrung«, sagt Spengler, »es besteht ein selten gewürdigter Unterschied zwischen Erleben und Erkennen.« »Die Vergleiche könnten das Glück des historischen Denkens sein . . . Ihre Technik müßte unter der Einwirkung einer umfassenden Idee und also bis zur wahllosen Notwendigkeit, bis zur logischen Meisterschaft ausgebildet werden.« Ich bewundere den leidenschaftlichen Vorsatz, der die ganze Weltgeschichte in neue Denkformen pressen will. Daß es nicht gelingt, ist nicht nur Spenglers Schuld, sondern liegt auch am Mangel jeder Vorarbeit.

VII

Hat man sich einmal klargemacht, daß je nach dem Gegenstande entweder die Begrifflichkeit oder der fluktuierende Charakter des Erlebnisses die Hauptsache am Gedanken ist, so versteht man jenen Unterschied, den nicht nur Spengler zwischen lebendem und totem Erkennen macht, ohne alle Mystik. Was man wie in der Schule lernen kann, Wissen, rationale Ordnung, begrifflich definierte Gegenstände und Beziehungen, kann man sich aneignen oder nicht, man kann es gegenwärtig haben oder vergessen, es kann wie ein wohlgekanteter, sauber abgeschliffener Würfel in uns hineingestellt werden oder wieder herausgenommen: solche Gedanken sind in gewissem Sinne tot; das ist die Kehrseite des Gefühls, daß sie unabhängig von uns gelten. Genauigkeit, Richtigkeit töten; was sich definieren läßt, Begriff ist, ist tot, Versteinerung, Skelett. Ein Nur-Rationalist hat in seinem Interessenkreis wohl niemals Gelegenheit das zu erleben. In Geistesgebieten aber, wo der Satz gilt: Erkennen ist Wiedererinnern (oder – worauf ich früher einmal hingewiesen habe – der Hegelsche Dreischritt: Thesis, Antithesis, Synthesis [s. auch S. 355: Tagebuch – Heft 34], der gerade dort nicht gilt, wo er ihn anwandte, nämlich auf ratioïdem Gebiet), macht man diese Erfahrung bei jedem Schritt. Das Wort soll dort nichts Fixiertes bezeichnen. Es ist das lebendige Wort, voll Bedeutung und intellektueller Beziehung im Augenblick, von Wille und Gefühl umflossen; eine Stunde später ist es nichtssagend, obwohl es alles sagt, was ein Begriff sagen kann. Ein solches Denken mag man wohl lebend nennen.

VIII

Spengler sagt: »Zerlegen, definieren, ordnen, nach Ursache und Wirkung abgrenzen kann man, wenn man will. Das ist eine Arbeit, das andre ist eine Schöpfung. Gestalt und Gesetz, Gleichnis und Begriff, Symbol und Formel haben ein sehr verschiedenes Organ. Es ist das Verhältnis von Leben und Tod, von Zeugen und Zerstören, das hier erscheint. Der Verstand, der Begriff tötet, indem er ›erkennt‹. Er macht das Erkannte zum starren Gegenstand, der sich messen und teilen läßt. Das Anschauen beseelt. Es verleibt das Einzelne einer lebendigen innerlich gefühlten Einheit ein. Dichten und Geschichtsforschung sind verwandt, Rechnen und Erkennen sind es auch . . . Der Künstler, der echte Historiker schaut, wie etwas wird. Er erlebt das Werden in den Zügen des Betrachteten noch einmal.«

Das führt außerdem auf etwas, das mit dem Unterschied zwischen lebendem und totem Erkennen oder, wie Spengler sagt, zwischen Anschauen und Erkennen eng zusammenhängt: ich habe es einmal den Unterschied zwischen Kausalität und Motivation genannt. Kausalität sucht die Regel durch die Regelmäßigkeit, konstatiert das, was sich immer gebunden findet; Motivation macht das Motiv verstehen, indem sie den Impuls zu ähnlichem Handeln, Fühlen oder Denken auslöst. Das fundiert die schon erwähnte Unterscheidung von wissenschaftlicher Erfahrung und Lebenserfahrung. Ich möchte aber erwähnen, daß auf dieser Linie auch die Verwechslung von gelehrter und dichterischer Psychologie liegt, die so oft begangen wird. Um 1900 wollte jeder Dichter ein »tiefer Psychologe« sein, um 1920 gilt Psychologie als Beschimpfung. Das ist ein Kampf mit Einbildungen. Denn kausale Psychologie war stets ein selten angewandtes Kunstmittel; was man aber sonst Psychologie nennt, ist einfach Menschenkenntnis und Fähigkeit der Motivation. Und zwar nicht die Menschenkenntnis eines Roßhändlers, die auf der menschlichen Typik ruht, sondern die des Menschen, dem nichts vorenthalten oder erspart blieb.

IX

Die Gegensätze Leben und Tod, Anschauen und Erkennen, Gestalt und Gesetz, Symbol und Formel wurden bereits erwähnt; ich füge hinzu die Paare Werden-Gewordenes, Bewegung-Ruhe, Eignes-Fremdes, Seele-Welt, Richtung-Raum, Zeit-metrische Zeit, Wille-Erkennen, Schicksal-Kausalität, organische Logik-Logik (auch als Logik der Zeit und Logik des Raums gegeneinandergesetzt), Physiognomik-Systematik: es sind damit fast vollzählig die konstruktiven Ideen beisammen, mit deren Hilfe Spengler Profile durch das Grundfaktum legt, welches im Wesen das gleiche bleibt, von welcher Seite immer er es anpackt.

Ich widerstehe der Versuchung, das darzustellen, weil es mich in die Schwierigkeiten verwickeln würde, an denen Spengler vorübergegangen ist. Übrigens kann jedermann nach einem bitter einfachen Schema Spenglers Philosophie nacherzeugen. Man nehme die Prädikate »ist in gewissem Sinne«, »wird in gewissem Sinne« und »hat in gewissem Sinne«, vernachlässige unwesentliche Unterschiede der Ausdrucksform, und kombiniere nun jeden der angeführten Begriffe mit allen andren, bejahe die Kombinationen aller an erster Stelle in ihrem Paar stehenden Begriffe und ebenso die aller an zweiter Stelle stehenden untereinander, verneine jede Kombination eines an erster Stelle stehenden mit einem an zweiter Stelle stehenden Begriff: bei gewissenhafter Befolgung ergibt sich Spenglers Philosophie von selbst und sogar noch einiges mehr. Zum Beispiel: Leben wird angeschaut, hat Gestalt, ist Symbol, ist Werden usw. Kausale Beziehung ist tot, wird erkannt, hat Gesetz, ist Gewordenes usw. Leben hat keine Systematik, Schicksal wird nicht erkannt und so und so. Spengler wird sagen, da zeige sich der Mangel der Rationalität; aber eben das sage ich auch.

Nur gegen den Vorwurf uneingestandener Anlehnung an Bergson, den man gegen Spengler erhoben hat, muß man – Bergson in Schutz nehmen. Bei ihm ist die Sache doch anders. Was aber das Grundproblem selbst betrifft, so gehört es weder Spengler noch Bergson allein an, sondern reicht über die deutsche romantische Philosophie und Goethe (auf den sich Spengler ja beruft) noch weiter zurück.

X

Eine Frage für sich ist die Intuition. Ich beantrage, alle deutschen Schriftsteller möchten sich durch zwei Jahre dieses Wortes enthalten. Denn heute steht es so damit, daß jeder, der etwas behaupten will, was er weder beweisen kann, noch zu Ende gedacht hat, sich auf die Intuition beruft. In der Zwischenzeit möge jemand die zahllosen Bedeutungen dieses Wortes aufklären.

Man wird dann wohl etwas mehr beachten, was jetzt so gern übersehen wird, daß es auch rein rational eine Intuition gibt. Der entscheidende Einfall, mag er noch so methodisch vorbereitet worden sein, springt auch da wie von außen plötzlich vor das Bewußtsein. Durch erhöhte Gemütszustände wird auch das rein rationale Denken, das mit Gefühl scheinbar gar nichts zu tun hat, gefördert. Wieviel mehr jenes, das hier das nicht-ratioïde Denken genannt worden ist, dessen Penetranz und innere Fortpflanzungsgeschwindigkeit geradezu von der Vitalität der Worte abhängt, einer um den belanglosen Begriffskern gelagerten Wolke von Gedanke und Gefühl. Oder man denke an jene Erkenntnisse, die »mit einem Schlage das Leben erhellen«, – Paradefälle der Intuition; aber auch da wird man sehn, daß es sich nicht um eine plötzlich ausbrechende andre Art Geistestätigkeit handelt, sondern um einen längst gewordenen kritischen Zustand der ganzen Person, der endlich umschlägt, wobei der aktuelle, vermeintlich zündende Gedanke gewöhnlich nur der Explosionsblitz ist, der das große innere Umreagieren begleitet.

»Etwas, das sich nicht erkennen, beschreiben, definieren, . . . nur fühlen und innerlich erleben läßt, das man entweder niemals begreift oder dessen man völlig gewiß ist«, »mit einem Schlage, aus einem Gefühl heraus, das man nicht lernt, das jeder absichtlichen Einwirkung entzogen ist . . ., das in seinen höchsten Momenten sich selten genug einstellt,« sagt Spengler. Das ist nur ein Grad auf der großen Skala, die von da über den Zustand des Gläubigen, des Liebenden, des Ethischen zur Haplosis, zur visio beata und den andren großen Formen der Weltempfängnis führt; mit einem sehr bemerkenswerten Nebenast im Pathologischen, der von der verbreiteten Zyklothymie bis zu schweren Wahnzuständen reicht.

Das ist eine analytische Haltung gegenüber dem Vorgang Intuition. Man wird einwerfen, das interessiere die Gelehrten, die es unter sich ausmachen mögen, menschlich handle es sich nicht um Analyse einer psychologischen Form, sondern um die Synthese der in ihr gewonnenen Inhalte. Die Welt, in der wir leben und gewöhnlich mitagieren, diese Welt autorisierter Verstandes- und Seelenzustände, ist nur der Notersatz für eine andre, zu der die wahre Beziehung abhanden gekommen ist. Zuweilen fühlt man, daß von all dem nichts wesentlich ist, für Stunden oder Tage zerschmilzt es in der Glut eines andren Verhaltens zu Welt und Mensch. Man ist Strohhalm und Atem, und die Welt die zitternde Kugel. In jedem Augenblick erstehen alle Dinge neu; sie als feste Gegebenheiten zu betrachten, erkennt man als inneren Tod. Das Pferd vor dem Wagen und der Vorübergehende kommunizieren. Oder wenigstens Mensch und Mensch messen sich nicht, beschnüffeln einander nicht wie Kundschafter, sondern wissen voneinander wie Hand und Bein an einem Körper. Das ist die Stimmung philosophisch schöpferischer oder philosophisch eklektischer Zustände. Man kann sie intellektuell als verspäteter Christ auslegen oder das Fließen des Heraklit an ihr demonstrieren, überhaupt allerlei heraus- und hineinlesen, unter anderem auch ein ganz neues Ethos. Glauben wir daran? Nein. Wir spielen damit Literatur. Galvanisieren Buddha, Christus und andre Ungenauigkeiten. Ringsum tobt die Vernunft in Tausenden von PS. Man trotzt ihr und behauptet, in einem verschlossenen Kästchen eine andre Autorität zu haben. Das ist der Sammelkasten Intuition. Man öffne ihn doch endlich und sehe, was darin ist. Vielleicht ist es eine neue Welt.

Man findet selten so schöne, kraftvolle Ansätze der Gestaltung wie bei Spengler. Aber daß schließlich der ganze Inhalt der Intuition darauf hinausläuft, daß man das Wichtigste nicht sagen und behandeln kann, daß man bis zum Extrem skeptisch in ratione ist (also gerade gegen das, was nichts andres hat als daß es wahr ist!), dagegen unerhört gläubig gegen alles, was einem gerade einfällt, daß man die Mathematik bezweifelt, aber an kunsthistorische Wahrheitsprothesen glaubt wie Kultur und Stil, daß man trotz Intuition beim Vergleichen und Kombinieren von Fakten das gleiche macht, was der Empirist macht, nur schlechter, nur mit Dunst statt der Kugel schießt: das ist das klinische Bild des durch übermäßigen fortgesetzten Intuitionsgenuß erweichten Geistes, Schöngeistes unserer Zeit.

XI

Der Gedanke, daß Kulturen an innerer Erschöpfung schließlich zugrunde gehn, ist plausibel auch ohne Metaphysik. Daß einander entsprechende Phasen in Auf- und Niederstieg unterschieden werden können, auch.

Seelische Spannung hält aufrecht; ist sie nicht mehr nötig und vorbei, bricht der Organismus zusammen. Daß es ähnliches im Leben der Gesellschaft gibt, ist nicht zu bezweifeln. Sie wird zum Haufen, wenn keine richtenden Kräfte mehr auf sie wirken.

Nun sind alle Kulturen in verhältnismäßig kleinen Räumen und Gesellschaften entstanden und haben sich von dort ausgebreitet. Darin liegt eine Verdünnungs- und Erschöpfungstendenz; die gleiche liegt in der zeitlichen Wirkung durch Generationen. Ideen (Nicht-Ratioïdes) lassen sich nicht übergehen wie Wissen; sie erfordern gleichen seelischen Zustand und in Wirklichkeit ist höchstens ähnliche seelische Disposition vorhanden: so sind sie ständig der Veränderung unterworfen. Solang sie neu sind, werden sie dadurch vielleicht bereichert, später korrumpiert. Sie realisieren sich unterwegs allerdings in Einrichtungen und Lebensformen; aber eine Idee verwirklichen heißt sie schon teilweise zerstören. Alle Verwirklichungen sind Zerrbilder und in höherem Alter werden sie immer leerer und unverständlicher, denn Form und Idee haben ein ganz verschiedenes Lebenstempo; so ragen immer die Formen einer älteren Schicht in die Ideen einer neueren herein und konkurrieren mit ihnen an Einfluß.

Das ist ein Teil der Gründe, warum späte Zeiten so uneinheitlich sind und in solchen Zivilisationszeiten die Kulturen zerfallen wie Gebirge.

XII

Die Entwicklung selbst ist nichts, was sich in einer einheitlichen Linie auswirkt. Mit der natürlichen Abschwächung, welche die Idee durch ihre Ausbreitung erleidet, kreuzen sich Einflüsse aus neuen Ideenquellen. Der innerste Lebenskern jeder Zeit, eine neblige, quellende Masse, ist eingebettet in Formen, die der Niederschlag viel älterer Zeiten sind. Jede Gegenwart ist gleichzeitig schon hier und noch um Jahrtausende zurück. Dieser Wurm bewegt sich auf politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, biologischen und unbegrenzt viel andren Gliedern, deren jedes ein anderes Tempo hat und einen anderen Rhythmus: das kann man als einheitliches Bild sehn und aus einem Grund entwickeln, gleichsam in Zentralperspektive wie es Spengler tut, aber man kann auch gerade am Gegenteil Geschmack finden. Es ist kein Plan darin und keine Vernunft, gut; ist das wirklich häßlicher als wenn solche darin wären? Ist Agnostizismus behaglich? Er kann wahr sein oder falsch, denn er ist eine rationale Angelegenheit, scharfsinnig oder oberflächlich; aber ob er menschlich tief ist oder nicht, das ist doch gar nicht mehr eine Eigenschaft der Erkenntnis, sondern eine der – in meiner Abkürzung gesprochen, nicht-ratioïden – Komplexe, die sich auf solcher rationalen Überzeugung aufbauen. Eine solche Verwechslung hat sich z. B. in der Bewertung des (philosophischen) Materialismus geradezu verewigt, der noch heutigentags als seicht und gemütseng gilt, obgleich er natürlich gerade so gefühlvoll sein kann wie der Glaube an die Engel. Danach wird man vielleicht verstehn, was ich mit dem Wunsche meine, daß solche Theorien (sofern sie nicht ausgesprochen wahr oder falsch sind) nicht anders denn als intellektuelle Versuchsgrundlagen für die Gestaltung des inneren Lebens behandelt werden mögen, statt – wie es heute immer geschieht – der Theorie so einfach und plump einen Gefühlscharakter zuzuschreiben. Was man Intellektualismus im üblen Sinne nennt, die modische intellektuelle Hast unserer Zeit, das Abwelken der Gedanken vor der Reife, hat darin einen Grund, daß wir mit unseren Gedanken Tiefe suchen und mit unseren Gefühlen Wahrheit und ohne die Verkehrtheit zu merken, jede Weile darüber enttäuscht sind, daß es uns schließlich nicht gelingt. – Weit ausholende ideologische Versuche wie der Spenglers sind sehr schön, aber sie leiden heute darunter, daß viel zu wenig innere Möglichkeiten vorbearbeitet sind. Man führt ja auch den Weltkrieg oder unsren Zusammenbruch bald auf diese, bald auf jene Ursachengruppe zurück. Aber das ist Täuschung. Ebensolcher Schwindel, wie wenn man ein einzelnes physisches Ereignis auf eine Ursachenkette zurückführt. In Wirklichkeit zerfließen die Ursachen schon bei den ersten Gliedern der Kette in eine unübersehbare Breite. Im Physischen haben wir uns geholfen (Funktionsbegriff). Im Geistigen sind wir ganz ohnmächtig. Die Intellektualität läßt uns im Stich. Aber nicht, weil der Intellekt seicht ist – als ob uns nicht auch alles andre im Stich ließe! –, sondern weil wir nicht gearbeitet haben.

XIII

Es ist eine alte und wie mir scheint recht unfruchtbare Streitfrage, wie man Kultur und Zivilisation unterscheidet. Ich glaube, wenn man unterscheiden will, ist es am besten, Kultur zu sagen, wo eine Ideologie herrscht und eine noch einheitliche Lebensform, Zivilisation dagegen als den diffus gewordenen Kulturzustand zu definieren. Jeder Zivilisation ist eine Kultur vorausgegangen, die in ihr zerfällt; jede Zivilisation ist ausgezeichnet durch die gewisse technische Beherrschung der Natur und ein sehr kompliziertes, sehr viel Intelligenz forderndes, aber auch schluckendes – System sozialer Beziehungen.

Es wird der Kultur fast immer eine unmittelbare Beziehung zu den Wesenheiten zugeschrieben, eine Art schicksalhafter Sicherheit der menschlichen Haltung und noch instinktive Sicherheit, der gegenüber dann der Verstand, das Zivilisationsgrundsymptom, eine etwas klägliche Unsicherheit und Indirektheit besitzen soll. Man kennt die Symptome, worauf sich das stützt. Der große, besonders aus der Ferne geschlossen wirkende Gestus von Mythos und Religion, andrerseits die Umständlichkeit, mit dem Verstand das zu sagen, was ein Blick, Schweigen, ein Entschluß viel besser ausdrücken. Der Mensch ist eben nicht nur Intellekt, sondern auch Wille, Gefühl, Unbewußtheit und oft nur Tatsächlichkeit wie das Wandern der Wolken am Himmel. Die aber nur das an ihm sehen, was die Vernunft nicht bewirkt, müßten schließlich das Ideal in einem Ameisen- oder Bienenstaat suchen, gegen dessen Mythos, Harmonie und intuitive Taktsicherheit alles Menschliche vermutlich nichts ist.

Wie schon gesagt, halte ich das Wachstum der Anzahl daran beteiligter Menschen für die Hauptursache des Übergangs von Kultur in Zivilisation. Es ist klar, daß hundert Millionen Menschen zu durchdringen ganz andre Aufgaben stellt als hunderttausend. Die negativen Seiten der Zivilisation hängen zum größten Teil damit zusammen, daß diesem Volumen des sozialen Körpers seine Leitfähigkeit für Einflüsse nicht mehr entspricht. Man betrachte den Höhepunkt vor dem Krieg; Eisenbahn, Telegraph, Telephon, Flugmaschine, Zeitung, Buchhandel, Schul- und Fortbildungssystem, Wehrpflicht: alles völlig unzureichend. Der Unterschied zwischen Großstadt und schwarzgeistigem Land ist größer als der zwischen Rassen. Vollkommene Unmöglichkeit, selbst in der eigenen Schicht in die Voraussetzungen eines andren Gedankenkreises einzudringen außer unter ungeheurem Zeiteinsatz. Folge: schmale Gewissenhaftigkeit oder impetuose Oberflächlichkeit. Mit dem Wachstum der Zahl hält die geistige Organisation nicht Schritt: darauf sind achtundneunzig vom Hundert aller Zivilisationserscheinungen zurückzuführen. Keine Initiative vermag den sozialen Körper auf weitere Strecken zu durchdringen und empfängt Rückwirkung von seiner Totalität. Man kann tun, was man will, Christus könnte auf die Erde wieder niedersteigen: es ist ganz ausgeschlossen, daß er zur Wirkung käme. Die Frage auf Leben und Tod ist: geistige Organisationspolitik. Das ist die erste Aufgabe für Aktivist wie Sozialist; wird sie nicht gelöst, so sind alle andren Anstrengungen umsonst, denn sie ist die Voraussetzung dafür, daß die überhaupt wirken können.

XIV

Ich fasse mich zusammen; noch nie in meinem Leben habe ich nötig gehabt, es hinterdrein zu tun.

Ich habe also ein allgemein beliebtes Buch angegriffen.

Ich hatte mir versprochen – ich rezensiere ja nicht – am berühmten Einzelfall Zeitfehler zu demonstrieren. Oberflächlichkeit; Mantelwurf der Geistigkeit, unter dem die Gliederpuppe steckt; Überfließen einer lyrischen Ungenauigkeit in die Gevierte der Vernunft. Denn so groß auch z. B. der Unterschied zwischen dem explosiven Weltanschau[er?] ist, der zu »Ballungen« verdaut, was geistig in der Luft liegt, und dem Bücherwurm, der nach Wurmart täglich das Vielfache seines geistigen Eigengewichts frißt, Wissenschaften konsumiert und das natürlich nur in lockerer Form von sich geben kann –: es sind bloß konträre, dem Sinn nach aber gleiche Erscheinungen einer Zeit, die ihren Verstand nicht zu gebrauchen weiß. Die nicht zuviel Verstand hat, wie es immer heißt, sondern den Verstand nicht am rechten Flecke. Diese Zeit hat mit dem Expressionismus, um ein andres Beispiel von ihr zu geben, eine Urerkenntnis der Kunst veräußerlicht und verflacht, weil die nicht denken konnten, welche den Geist in die Dichtung einführen wollten. Sie konnten es nicht, weil sie in Luftworten denken, denen der Inhalt, die Kontrolle der Empirie fehlen; der Naturalismus gab Wirklichkeit ohne Geist, der Expressionismus Geist ohne Wirklichkeit: beides Ungeist. Auf der andren Seite aber kommt bei uns gleich die gewisse Dörrfischrationalität und die beiden Gegner sind einander würdig.

Ich weise noch einmal auf den Unterschied von ratioïd und nichtratioïd hin, den ich nicht erfunden, sondern nur so übel benannt habe. Hier steckt die Wurzel, aus der die verhängnisvolle Frage der Intuition wächst und des gefühlsmäßigen Erfassens, die nichts andres sind als Eigentümlichkeiten des nicht-ratioïden Gebiets, falsch verstanden. Hier liegt der Schlüssel zur »Bildung«. Hier sind der rachitische Idealismus unsrer Tage und ihr Gott ausgekommen. Hier wäre zu verstehn, warum der ergebnislose Kampf in der heutigen Zivilisation zwischen dem wissenschaftlichen Denken und den Ansprüchen der Seele nur durch ein Plus zu lösen ist, einen Plan, eine Arbeitsrichtung, eine andre Verwertung der Wissenschaft wie der Dichtung!

Und Oswald Spengler erkläre ich öffentlich und als Zeichen meiner Liebe, daß andre Schriftsteller bloß deshalb nicht so viele Fehler machen, weil sie gar nicht die beide Ufer berührende Spannweite haben, um so viele unterzubringen.

Ansätze zu neuer Ästhetik
Bemerkungen über eine Dramaturgie des Films
(Béla Balázs: Der sichtbare Mensch)
[1925]

I

». . . Ich weiß, daß die Theorie gar nicht grau ist, sondern für jede Kunst die weiten Perspektiven der Freiheit bedeutet. Sie ist die Landkarte für den Wanderer der Kunst, die alle Wege und Möglichkeiten zeigt, und was zwingende Notwendigkeit zu sein schien, als einen zufälligen Weg unter hundert anderen entlarvt. Die Theorie ist es, die den Mut zu Kolumbusfahrten gibt und jeden Schritt zu einem Akt freier Wahl macht.

Warum das Mißtrauen gegen die Theorie? Sie muß gar nicht stimmen, um große Werke zu inspirieren. Fast alle großen Entdeckungen der Menschheit gingen von einer falschen Hypothese aus. Auch ist eine Theorie sehr leicht zu beseitigen, wenn sie nicht mehr funktioniert. Aber die praktischen Erfahrungen des Zufalls verrammen wie schwere, undurchsichtige Wände den Weg. Noch nie ist eine Kunst groß geworden ohne Theorie.

Damit will ich nicht gesagt haben, daß der Künstler unbedingt ›gelehrt‹ sein muß, und ich kenne auch die allgemeine (allzu allgemeine!) Ansicht vom Werte des ›unbewußten Schaffens‹. Doch kommt es darauf an, auf welchem Bewußtseinsniveau des Geistes einer ›unbewußt‹ schafft . . .«

Ich habe diesen ausgezeichneten Einleitungsworten nichts hinzuzufügen, außer daß unter uns Deutschen ihr Geist nicht sehr verbreitet ist. Wir haben zwar für die wissenschaftliche Durchforschung der Kunst recht wohl unsere Männer gestellt, und auch die unverbindliche »Klein-aber-Meinungsbildung« des in Atelier und Kaffeehaus schaffenden Künstlers ist sehr bunt und entwickelt, aber die Denker, welche zwischen den beiden Gefilden anregend und ordnend vermitteln könnten, fehlen uns nahezu. Das gibt Balázs' Buch eine Bedeutung, die weit über den Film hinausreicht. Er ist – in Ungarn ein Dichter von Namen, unter uns ein Fremder, da die Beziehungen zwischen der ungarischen und der deutschen Literatur sehr dürftig sind – nach Wien gekommen, als in seinem Vaterland die Reichsverwesung begann, mußte sein Brot als Journalist suchen und wurde so unter anderem Filmkritiker: diesem Umstand verdankt er die große Erfahrung und die einfache, überzeugende Darstellung, welche sein Buch zu einer überaus sachkundigen Führung durch die dramaturgischen Haupt- und Nebenprobleme des Films machen. Die Fähigkeit aber, das Erlebnis nicht nur scharf, sondern auch zärtlich zu beobachten, die geistreiche Darstellung, welche als gut leitende Atmosphäre sofort jeden Eindruck in Beziehung zu vielen anderen setzt, vor allem aber die klare, tiefe, geordnete Schichtung dieser Atmosphäre sind persönliche Eigenschaften des Dichters Balázs. Er erzählt wie ein Jäger, der sich herangeschlichen hat, vom Leben der Filmstücke, die in endlosen Rudeln durch unsere Kinos ziehn, aber beschreibt sie gleichzeitig als erster Anatom und Biologe. Und indem er dies tut, immer gleichzeitig im Erlebnis und in der Reflexion, schafft sein ungewöhnliches Talent auf dem wüsten Gebiet der Filmkritik ein unerwartetes Paradigma auch für die Kritik der Literatur, die er überall dort berührt, wo er den Film von ihr abgrenzt.

Die Bemerkungen, die ich im folgenden anfüge, gelten hauptsächlich dieser Berührungs- und Abgrenzungsfläche. Die Frage, ob der Film eine selbständige Kunst sei oder nicht, bei Balázs der Ausgangspunkt für Bemühungen, ihn zu einer zu machen, regt Fragen an, die allen Künsten gemeinsam sind. In der Tat ist der Film die Volkskunst unserer Zeit geworden. »Nicht in dem Sinn, leider, daß sie aus dem Volksgeist entsteht, sondern daß der Volksgeist aus ihr entsteht«, sagt Balázs. Und es haben die Kirchen und Gottesstätten aller Religionen in Jahrtausenden die Welt mit keinem so dichten Netz überzogen, wie das Kino es in drei Jahrzehnten tat.

II

Vor allem – so könnte man jede Beweisführung dafür, daß der Film eine Kunst sei, paradox ergänzen – spricht für ihn sein verstümmeltes Wesen als ein auf bewegte Schatten reduziertes Geschehen, das dennoch eine Illusion des Lebens erzeugt. Denn jede Kunst ist eine solche Abspaltung. Stumm wie ein Fisch und bleich wie Unterirdisches schwimmt der Film im Teich des Nursichtbaren; aber die Malerei ist stumm und starr, noch deutlicher geben zwanzig in einem Raum vereinigte gotische oder barocke Skulpturen, mit ihren wie Säbel gekreuzten Gebärden, den Eindruck einer Katatonikerversammlung in einem Irrenhaus, und wenn man die Klangbewegungen selbst eines klassischen Musikstücks, unbefangen von Musik, unter dem Gesichtspunkt sozialer Äußerung betrachtet, erweisen sie eine noch unbeschriebene Manie, deren Merkwürdigkeit nichts an die Seite zu stellen ist. Weshalb eine solche, im Grunde seltsame Abspaltung vom vollen Leben zur Kunst wird? Wir können die Antwort heute schon tasten, besitzen sie aber noch nicht. Wahrscheinlich hängt es mit den, untereinander eng verwandten, Vorgängen zusammen, welche die Psychologie Verdichtung und Verschiebung nennt, wobei entweder heterogene, aber unter gleichem Affekt stehende Bilder zu Konglomeraten zusammengeballt werden, an denen gewissermaßen die Affektsumme haftet (z. B. Tiermenschen und multiple Tiere der primitiven Kulturen, Traum- und Halluzinationsbilder, wo gleichfalls zwei oder mehr Personen in einer erscheinen), oder umgekehrt, ein einzelnes Bild (Teil) als Repräsentant eines Komplexes auftritt und mit dem unerklärlich hohen Affektwert des Ganzen geladen erscheint (magische Rolle von Haaren, Fingernägeln, Schatten, Spiegelbild udgl.).

Ein damit verbundener Entwicklungsschritt, den jede Kunst tut, ist wenigstens in seiner Richtung aus bekannten Eigentümlichkeiten des Erkennens besser zu verstehn. Es liegt ja nahe, daß im allgemeinen, je eindrucksärmer ein der Wahrnehmung dargebotenes Material ist, desto deutlicher die darin enthaltenen Beziehungen hervortreten werden. Der Rhythmus wird am skandierten Vokal deutlicher als am Wort und am deutlichsten am Klopfgeräusch, das zwar akustisch kompliziert, aber sozusagen seelisch einfach ist; ebenso treten an einer Statue die linearen und flächigen Zusammenhänge deutlicher hervor als am lebenden Körper. Im Alltagssprachgebrauch bedeutet abstrahieren soviel wie absehen von etwas oder auch alles andere vernachlässigen bis auf eine Seite der Sache; in dieser Seite treten dann Beziehungen ohne unser besondres Zutun hervor, weshalb der passive Name Abstraktion, der die Einseitigkeit und Abgespaltenheit der Kunst ausdrückt, auch dafür beibehalten werden kann, obgleich es sich ebensosehr um einen Zuwachs an Eindrücken handelt wie um eine Reduktion. Soweit Kunst Abstraktion ist, ist sie schon dadurch auch Zusammenfassung zu einem neuen Zusammenhang. Bleibt er auf die sinnliche Oberfläche des Lebens beschränkt, so entstehen jene Farb-, Flächen-, Klang-, Rhythmus- usw. Beziehungen, deren weitere Durchbildung dann im allgemeinen die formale Entwicklung einer Kunst bedeutet. Wieweit die entsprechenden formalen Gebilde eigne Gefühle erregen (ein »Gefallen« etwa), wieweit die vorhin angenommenen Grunderlebnisse in sie einstrahlen oder beide Wirkungen sich untereinander und mit andren verbinden, mag beiseite bleiben: jedenfalls existiert die formale Seite, in der man so oft das Wesentliche der Kunst, das eigentliche Objekt der Ästhetik gesehen hat, niemals selbständig. Was von einem Gedicht nach Abzug der logischen Bedeutung übrigbleibt, ist bekanntlich ebenso ein Trümmerhaufen wie das, was von seinem Sinn übrigbleibt, wenn man den Vokalismus und Rhythmus mit einem alltäglichen vertauscht; ähnliches gilt in allen Künsten. Treten die formalen Beziehungen einer Kunst plötzlich isoliert hervor, so entsteht, wovon vorhin halb im Scherz die Rede war, jenes schreckhafte Staunen vor einer irrsinnigen Welt.

III

Darin aber, daß wir dieses Staunen vor Kunstwerken als komplizierten, unpraktischen, geradezu grotesken Gebilden bekanntlich nicht mitempfinden, liegt der Hinweis auf die wichtige Tatsache, daß wir die Gleichgewichtsstörungen des Wirklichkeitsbewußtseins, welche jedes Kunstwerk bedeutet, sofort nach einer anderen Richtung ausgleichen und – die amputierten Beziehungen fortlassend den Teil zu einem neuen Ganzen, das Abnorme zur neuen Norm, das gestörte zu einem andren Seelengleichgewicht ergänzen. Man ist zwar gewohnt, die Wirkung des Kunstwerks als einen gehobenen, wohl auch als einen erleichterten Lebenszustand beschrieben zu finden, früher nannte man ihn gern Phantasie und heute Illusion, aber man trifft selten oder nie auf die Auswertung der Möglichkeit, daß diese Illusion bei aller Verschiedenheit eine Analogie zu dem ist, was die Psychiatrie unter einer Illusion versteht; also eine »Störung«, bei der Elemente der Wirklichkeit zu einem unwirklichen Ganzen ergänzt werden, das Wirklichkeitswert usurpiert. Man sieht die Kunst lieber als einen Schnörkel, denn eine Verneinung des wirklichen Lebens an. Die Begriffe der zwecklosen Schönheit oder des schönen Scheins, die in unserer Kunstauffassung immer noch eine große Rolle spielen, haben etwas von Erholung an sich; wenn ich nicht irre, liegt die Wurzel davon im Herrschaftsbeginn des Christentums, wo die Kunst unter der Eifersucht der Glaubensstrengen litt und von ihren Verteidigern gleichsam in ein Leben zweiten Ranges geflüchtet wurde, während die Ästhetik unserer klassischen Zeit, die unter dem Serenissimustum litt (wie seltsam oft die Mischung von Kühnheit und Vorsicht in Schiller!), ihre Bemühungen mehr darauf richtete, diesem »zwecklosen Schein« wieder einen bürgerlichen Platz und Würdigung zu sichern, als daß sie seinen lebensverneinenden Charakter betont hätte.

Dennoch zeigen diesen Gegensatz zur normalen Welthaltung offenkundig, wenn auch als harmlos hingestellt, schon die Mittel, deren sich die Künste bedienen. Von Verdichtung und Verschiebung abgesehen, die beide einer vorzivilisatorischen Phase der Menschheit entspringen, zielen zum Beispiel Rhythmik und Monotonie, die eine so große Rolle spielen, auf eine Einengung des Bewußtseins, die der leichten Hypnose ähnlich ist, mit dem gleichen Ziel, die präsentierte Suggestion durch Herabdrücken der seelischen Umgebung überwertig zu machen. Ihre letzte Wurzel haben alle diese Mittel in sehr alten Kulturzuständen und insgesamt bedeuten sie eine außerbegriffliche Korrespondenz des Menschen mit der Welt und abnormale Mitbewegung, deren man übrigens in jedem Augenblick inne werden kann, wenn man, vertieft in ein Kunstwerk, plötzlich kontrollierendes Normalbewußtsein einschaltet. Liest man die genialen Beschreibungen, welche Levy-Brühl in seinem Buch Les fonctions mentales dans les sociétés inférieures vom Denken der Naturvölker gegeben hat, namentlich die Kennzeichnung jenes besonderen Verhaltens zu den Dingen, das er Partizipation nennt, so wird der Zusammenhang mit dem Kunsterlebnis an vielen Stellen derart fühlbar, daß man glauben kann, in diesem eine späte Entwicklungsform jener Frühwelt vor sich zu haben; es wäre ungemein wichtig, wenn die ästhetische Forschung der Aufklärung dieser Zusammenhänge – die auf der anderen Seite tief mit der Psychopathologie verbunden sindAnregend: Ernst Kretschmer, Medizinische Psychologie. Dieses kleine Buch, hier vielfach benützt, gibt wertvolle Ansätze zur Psychologie der Gefühle, die bisher von der experimentellen Psychologie mit zu wenig Erfolg, von der Psychoanalyse zu einseitig behandelt worden ist. – ihre Aufmerksamkeit schenken wollte. Natürlich sind diese Grunderlebnisse in der Entwicklung längst umgebogen worden, haben sich verfärbt, mit anderem vermengt, sind kaum noch zu zerlegen und erhielten eine neue soziale Einbettung – eben die, Kunst zu sein, das ist etwas in seinen sozialen Beziehungen und seiner Bedeutung scheinbar so sehr Bestimmtes, daß man über das Wesen dieser Beziehungen nachzudenken kaum noch ein Bedürfnis empfindet.

Im Kern steckt aber darin ein andres Verhalten zur Welt. Zitiere leise für dich ein Gedicht in der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft, und diese wird augenblicklich ebenso sinnlos werden, wie es das Gedicht in ihr ist.

IV

Ein merkwürdiges Beispiel liefert ein zum Film gehörendes Grunderlebnis, jenes in Balázs' Buch beschriebene ungewohnte Leben, welches die Dinge in der optischen Einsamkeit gewinnen. »In der Welt des sprechenden Menschen sind die stummen Dinge viel lebloser und unbedeutender als der Mensch. Sie bekommen nur ein Leben zweiten und dritten Grades und das auch nur in den seltenen Momenten besonders hellsichtiger Empfindlichkeit der Menschen, die sie betrachten . . . In der gemeinsamen Stummheit werden sie mit dem Menschen fast homogen und gewinnen dadurch an Lebendigkeit und Bedeutung. Das ist das Rätsel jener besonderen Filmatmosphäre, die jenseits jeder literarischen Möglichkeit liegt.« Man könnte versucht sein, darin nur einen Aufmerksamkeitsakzent beschrieben zu sehn, aber der folgende Zusatz kehrt die Meinung ganz unzweideutig heraus: »Voraussetzung dafür ist, daß das Bild jedes Gegenstands eigentlich einen inneren Zustand bedeutet«, daß »alle Dinge im Film eine symbolische Bedeutung haben . . . Man könnte einfach Bedeutung sagen. Denn symbolisch heißt ja soviel wie Bedeutung haben, über seinen eigenen Sinn hinaus noch einen weiteren Sinn meinen. Das Entscheidende dabei für den Film ist, daß alle Dinge, ohne Ausnahme, notwendigerweise symbolisch sind. Denn alle Dinge machen auf uns, ob es uns bewußt wird oder nicht, einen physiognomischen Eindruck. Wie Zeit und Raum aus unserer Erfahrungswelt niemals auszuschalten sind, so haftet das Physiognomische jeder Erscheinung an. Es ist eine notwendige Kategorie unserer Wahrnehmung«.

Was ist dieser »physiognomische Eindruck«, dieses »symbolische Gesicht« der Dinge?

Zunächst ist es gewiß etwas, das sich im Umfang der normalen Psychologie erklären läßt; irgendein Gefühlston, der mit den Vorgängen zusammenhängt, die als Abstraktion und Abspaltung erwähnt worden sind. Indes sind psychologische Zusammenhänge fast immer so verflochten, daß ein Ganzes zwar durch seine Einzelheiten bestimmt wird, die Einzelheiten aber auch durch das Ganze; deshalb, wenn Eindrücke überwertig und befremdlich werden, sobald sie sich aus ihrer gewohnten Umrahmung lösen, deutet es die Vermutung eines andren, apokryphen Zusammenhangs an, in den sie eintreten. In diesem Fall wäre es gewissermaßen eine nachgiebige Stelle in unserem, mit dem Anschein unerschütterlicher Festigkeit sich umgebenden Weltbild, denn was zitiert worden ist, erinnert sehr an jene Veränderung unseres Bewußtseins, dem Novalis und seine Freunde ihre großen und wundersamen Erlebnisse verdankt haben.

Man könnte in der Tat dieses symbolische Gesicht der Dinge, wenn es im Schattenreich der lebenden Photographie mehr als eine Episodistenrolle spielte, die Mystik des Films oder zumindest seine Romantik nennen. Das Merkwürdige ist, daß ein Buch aus der Praxis des Films überhaupt dahin kommt und voll bewußt diese Grenze zweier Welten berührt.

V

Ihr ungewisser Verlauf ist leider noch niemals frei von Vorurteilen – sei es von vernünftelnden, sei es von glaubenssüchtigen – verfolgt und dargestellt worden; es scheint aber, daß sich durch die ganze Geschichte der Menschheit eine Zweiteilung zieht, in zwei Geisteszustände, die einander zwar mannigfach beeinflußt haben und Kompromisse eingegangen sind, sich jedoch nie recht gemischt haben. Den einen der beiden kennt man als den Normalzustand unserer Beziehungen zu Welt, Menschen und eigenem Ich. Wir haben uns – wenn man ihn gleich mit Rücksicht auf den andren beschreibt – durch die Schärfe unsres Geistes zu dem entwickelt, was wir sind, Herren einer Erde, auf der wir ursprünglich ein Nichts zwischen Ungeheurem waren; Aktivität, Tapferkeit, List, Falschheit, Ruhelosigkeit, Böses, Jägerhaftigkeit, Kriegslust und dergleichen sind die moralischen Eigenschaften, denen wir diesen Aufstieg verdanken. Wir haben sie heute zwar, sobald sie innerhalb unserer Interessengemeinschaften im Übermaß auftreten, zu Untugenden herabgesetzt, aber sie beherrschen nicht nur den Verkehr der Interessenverbände untereinander noch immer (Krieg, Ausbeutung und dergleichen), sondern – was viel schwerer zu ändern ist – sie durchdringen auch die geistige Haltung des Menschen unserer Zivilisation bis ins letzte. Das Messen, Rechnen, Spüren, das positive, kausale, mechanische Denken, das an Menschen unserer Tage so oft beklagt wird, ist der gleiche Ausdruck urverwurzelten Mißtrauens und Daseinskampfes wie die herrschende Rolle des Geldes als Regulator einer Welt, in der nur die niederen Eigenschaften des Menschen für fest und berechenbar gelten, sozusagen als das einzige solide soziale Baumaterial verwendet werden. Die beliebte Aufgabe, den Menschen zu »verbessern«, ist weit schwieriger, als man es gemeinhin voraussetzt, und keinesfalls nur mit jener guten Gesinnung zu lösen, die das Böse meiden will, denn ohne seine bösen Eigenschaften bleibt vom Menschen, der wir sind, nichts übrig als ein gestaltloser Haufe. Sogar die Moral selbst ist in ihrer eigensten Natur völlig durchsetzt und kompromittiert von den scharfen und bösen Grundeigenschaften unseres Geistes; schon ihre Gestalt als Regel, Norm, Befehl, Drohung, Gesetz und Gut wie Böse quantifizierende Abwägung zeigt den formenden Einfluß des metrischen, rechnenden, mißtrauischen, vernichtungswilligen Geistes.

Diesem Geisteszustand steht jedoch ein andrer gegenüber, der historisch nicht minder nachweisbar ist, wenn er sich auch unsrer Geschichte weniger stark aufgeprägt hat; er ist mit vielen Namen bezeichnet worden, die alle eine unklare Übereinstimmung tragen. Man hat ihn den Zustand der Liebe genannt, der Güte, der Weltabgekehrtheit, der Kontemplation, des Schauens, der Annäherung an Gott, der Entrückung, der Willenlosigkeit, der Einkehr und vieler andrer Seiten eines Grunderlebnisses, das in Religion, Mystik und Ethik aller historischen Völker ebenso übereinstimmend wiederkehrt wie es merkwürdig entwicklungslos geblieben ist. Dieser andere Geisteszustand wird immer mit ebenso großer Leidenschaft wie Ungenauigkeit beschrieben, und man könnte versucht sein, in diesem schattenhaften Doppelgänger unserer Welt nur einen Tagtraum zu sehn, wenn er nicht seine Spuren in unzähligen Einzelheiten unseres gewöhnlichen Lebens hinterlassen hätte und das Mark unsrer Moral und Idealität bilden würde, das zwischen den harten Fasern des Bösen liegt. Man muß es sich, wenn man nicht eigene eingehende Forschungen zur Grundlage hat, heute versagen, mehr über Bedeutung und Wesen dieses anderen Zustands sagen zu wollen, denn unser Wissen von ihm war bis vor kurzem noch so, wie unser übriges Weltwissen ungefähr im zehnten Jahrhundert war; hebt man aber aus den reinen Beschreibungen in seiner jahrtausendealten Literatur einige übereinstimmende Hauptkennzeichen heraus, so findet man immer wieder das Dastehn einer andern Welt, wie ein fester Meeresboden, von dem die unruhigen Fluten der gewöhnlichen zurückgetreten sind, und im Bilde dieser Welt gibt es weder Maß noch Genauigkeit, weder Zweck noch Ursache, gut und böse fallen einfach weg, ohne daß man sich ihrer zu überheben brauchte, und an Stelle aller dieser Beziehungen tritt ein geheimnisvoll schwellendes und ebbendes Zusammenfließen unseres Wesens mit dem der Dinge und anderen Menschen.

Dieser Zustand ist es, in dem das Bild jedes Gegenstandes nicht zum praktischen Ziel, sondern zu einem wortlosen Erlebnis wird, und die Beschreibungen vom symbolischen Gesicht der Dinge und ihrem Erwachen in der Stille des Bilds, die vorhin zitiert worden sind, gehören zweifellos in seinen Umkreis. Es ist ungemein interessant, auf dem Terrain des Films, das doch noch ein Spekulationsterrain im gemeinsten Sinn ist, schon die flüchtige Spur dieser Erlebnisse entdeckt zu sehn. Man würde sich irren, wollte man in der plötzlich erblickten Physiognomik der Dinge bloß die Überraschung durch das isolierte optische Erlebnis bemerken; die ist nur Mittel, es handelt sich auch da um die Sprengung des normalen Totalerlebnisses. Und diese ist ein Grundvermögen in jeder Kunst.

VI

Diese Betrachtung, scheinbar weit abliegend, berührt ein gefährliches Feld von heute allgemein verbreiteten Irrlehren; es ist das Versuchsfeld der zeitgenössischen Anstrengungen, im Tanz, auf der Bühne, durch Gegenstandsfreiheit der Darstellung in Malerei, Skulptur, Lyrik, durch intuitives Besinnen, Erziehung der Sinne, religiöse Renaissance und dergleichen mehr den Geist des Menschen vom Verstand zu befrein und wieder in ein unmittelbares Verhältnis zur Schöpfung einzusetzen. Heute scheinen diese Bemühungen eine Sehnsucht auszudrücken, die erst zusammen mit verwandten Bestrebungen des Expressionismus groß geworden ist. Blickt man aber einige Jahrzehnte weiter zurück, so erkennt man, daß dieser gegen den »Verstand« gerichtete Ausbruchsversuch der »Seele«, der ihr zu unmittelbarerem Ausdruck verhelfen möchte, als es das entleerte und von Begrifflichkeit vergitterte Wort erlaubt, und den menschlichen Geist auf allen Nebenwegen, nur nicht auf dem Hauptweg ins Freie führt, auch zu jener Zeit schon da war. Die eigentlichen Wurzeln dieser Emanzipationsbestrebungen liegen schon im sogenannten Impressionismus, wenigstens soweit er Literatur ist, und wurden von den Einwirkungen der deutschen Romantik, Emersons und des mystischen Eklektikers Maeterlinck gepflanzt. Auch die religiöse Renaissance, deren Welle ihren Höhepunkt heute wahrscheinlich überschritten hat, war damals im Anstieg. Eingestandenermaßen handelte es sich um eine Auflehnung gegen die zunehmende Mechanisierung des Daseins, die Krisis einer Midasexistenz, der jedes, wenn nicht zu Geld, so zu Eisenbeton wurde; aber der fernere, uneinbekannte Sinn davon war nichts als einer der immer wiederkehrenden Versuche, größere Annäherung an den »anderen Zustand« zu suchen, der in seinen Abformen als Kirche, Kunst, Ethik, Erotik mit ungeheuerer Mächtigkeit in unser Dasein hereinragt, aber völlig verworren und korrupt geworden ist.

Nur wurde – und wird heute noch – der entscheidende Irrtum begangen, daß man als das, was es zu verdrängen gilt, das »Denken« ansah; vor allem im Kunstbereich ist das bis heute ein lebendiges Vorurteil geblieben. Das ist aber eine schiefe, nicht auf die Mitte des Problems zielende Angriffsrichtung, es hängt viel davon ab, die richtigen Gegensätze zu bestimmen, und da diese Schwierigkeiten noch in die geistige Diskussion unserer Tage verflochten sind, erscheint es mir erlaubt, sie etwas zu erörtern.

Vor allem muß festgehalten werden, daß nicht nur unser Verstand, sondern auch schon unsere Sinne »intellektuell« sind. Bekanntlich sehen wir, was wir wissen: Chiffren, Sigel, Abkürzungen, Zusammenfassungen, die Hauptattribute des Begriffs; durchdrungen und getragen bloß von einzelnen dominanten sinnlichen Eindrücken und einer vagen Fülle der übrigen. Beim Hören geschieht ähnliches; wenn unser Verständnis nicht dem Klang voraus ist wie der Souffleur dem Schauspieler, macht uns der Sinn Mühe, in einer uns nicht geläufigen Sprache zum Beispiel auch dann, wenn uns die Worte einzeln bekannt sind. Auch an Bewegungen nimmt man allgemeine Kennzeichen wahr, aber das Untypische erfaßt man so schlecht, daß z. B. nichts größere Mühe macht, als Gebärden so zu beschreiben, daß andre ein Bild davon haben. Selbst Gerüche und Geschmäcke unterscheidet man ohne Hilfe einer Gegenstandsbeziehung schlecht, wenn sie nicht sehr penetrant sind, und erst recht gilt ähnliches von wirklich seelischen Erlebnissen, von denen man durchwegs behaupten kann, daß die Gestalt, welche sie in verschiedenen Menschen annehmen, die der Vorstellung ist, die sich diese vorher von ihnen gemacht haben. Dies geht so weit, daß ohne präformierte stabile Vorstellungen, und das sind Begriffe, eigentlich nur ein Chaos bleibt, und da anderseits die Begriffe wieder von der Erfahrung abhängen, entsteht ein Zustand des gegenseitigen Sichformens wie zwischen Flüssigkeit und elastischem Gefäß, ein Gleichgewicht ohne Widerhalt, für das wir noch keine rechte Beschreibung gefunden haben, so daß es im Grunde so unheimlich ist wie die Decke eines Sumpfes.

Wir befinden uns also in einem zwiespältigen Verhältnis. Es ist nicht das Denken, sondern einfach schon die Notwendigkeit praktischer Orientierung, was zur Formelhaftigkeit treibt, und zwar zur Formelhaftigkeit der Begriffe nicht mehr als zu der unsrer Gebärden und Sinneseindrücke, die sich nach ein paar Wiederholungen genau so einschleifen wie die an Worte geknüpften Vorstellungsabläufe. Dann aber darf sich auch die Gegnerschaft nicht gegen das Denken richten, wie es in solchen Zusammenhängen fast immer geschieht, sondern muß sich von dem praktischen und faktistischen Normalzustand des Menschen zu befreien versuchen. Geschieht jedoch dies, so bleibt nichts als das dunkle Gebiet des »anderen Zustands«, in dem vorläufig alles aufhört. Dies ist die wahre und anscheinend unentrinnbare Antithese.

Man beachte in diesem Zusammenhang, daß alle Versuche, ihr zu entrinnen, wie sie vorhin erwähnt worden sind, negativ definiert werden: zweck freie Bewegung ist das Wesen des Tanzes, gegenstands freies Sehn das der revolutionären Malerei; das zugehörige Positum, die aktive Wesensbestimmung fehlt oder ist Atelierquatsch. Dies weist weiter zurück auf den Begriff der zweck losen Schönheit und Kunst überhaupt; scheinbar eine Welt für sich, ist die der Schönheit doch ungeschlossen, abgesprengt und im geheimen negativ. Was am ehesten darüber täuschen kann, ist das seelische System der Musik mit seiner formalen Scheintotalität, und in der Tat war es auch das nicht immer eingestandene, aber stets nachweisbare Vorbild der »– freien« Versuche in den andern Künsten. Hier ist scheinbar eine ganze Welt, unabhängig vom Verstand, reines Empfinden und Fühlen, und ohne Zweifel zeigen auch die andren Künste dieses erhöhte Bemerken und diese erhöhte Reaktion, die sich in einem luftdicht vom gewöhnlichen abgemauerten Seelenraum abzuspielen scheinen. Doch Kunst als Form ist wohl eine besondere Begrenzung und Gruppierung des gewöhnlichen Lebensinhalts, sie bereichert ihn, aber sie bleibt in seinem Umkreis. Die Zwischentöne, Schwingungen, Schwebungen, Lichtstufen, Raumwerte, Bewegungsachsen, in der Dichtung der irrationale Simultaneffekt sich gegenseitig bestrahlender Worte: wie in einem alten Gemälde, wenn man es firnißt, Geschehnisse hervortreten, die unsichtbar waren, so sprengen sie das stumpfe, eingeschlagene Bild und die Formelhaftigkeit des Daseins. Aber man denke an den Pinsel von einem Maler, der nichts in der Welt sieht als Motive, an den Dichter, welchem aus dem umgeschütteten Becher des Wortes ungeordnet alle Vorstellungen quellen, die der Begriff fest zusammengeballt hatte, an den Musiker, dem der kleinste Tonknacks eine metaphysische Erschütterung bedeutet: und man kommt rasch an der anderen Grenze an. Sie alle, diese Übersensiblen machen den Eindruck geschwächter Opiatiker, alter Trinker, die nüchtern überhaupt keinen Halt haben. So befreit die Kunst zwar aus der Formelhaftigkeit der Sinne und Begriffe, aber dieser Zustand läßt sich nicht zur Totalität »strecken«. So wenig wie das mystische Erlebnis ohne das rationale Gerüst einer religiösen Dogmatik, und die Musik ohne Lehrgerüst.

Damit ist das Wesen allzu optimistischer »Befreiungsversuche« gerichtet.

VII

Nun bedingt allerdings – und darauf lassen sich einige Hoffnungen bauen, daß der Film zu einer neuen sinnlichen Kultur beitragen werde – die Möglichkeit, uns auszudrücken, im voraus schon die Gedanken und Gefühle, die wir ausdrücken werden. Selbst im Alltagsleben lernen wir durch jedes ansteckende Beispiel, sei es der Shawlschwung des Filmhelden, der dem Straßenlümmel ein Stück Seele schenkt, oder das verliebte Wort, an dem sich die Liebe entzündet, daß der Ausdruck des Daseins das erst erzeugt, was seine Form annimmt; daß Kleider Leute machen, ist ein bis in die Elemente geltender Satz. Indes würde es zu einem phantastischen Irrealismus führen und gänzlich der Erfahrung widersprechen, daß wir uns niemals – durch die Affekthandlung ebensowenig wie durch das Wort – restlos auszudrücken vermögen, wollte man diesen Satz in dem viel gebrauchten Sinn wörtlich nehmen, daß man tanzend, filmend oder wie immer kunstgebärend und »expressiv« ein von Grund aus anderer Mensch wird als durch die Druckerschwärze. Man wird es nicht. Es übernehmen bei jeder dieser »Kulturen«, von denen wir so reich beglückt wurden, besondere Komponenten des normalen Totalerlebnisses die Führung; mit allen, zum Teil sehr erfreulichen Auffrischungen und Ergänzungen, die das zur Folge hat, aber mehr geschieht nicht. Es gibt neue Erlebnisse, aber keine neue Art des Erlebens. Wo mehr davon verlangt wird, entsteht sofort etwas, das man nur die motorische Phrase, das schönkörperliche Geplapper nennen kann.

Diese Gefahr ist natürlich auch die des Films. Das prätentiös Formelhafte der Gebärden macht zum großen Teil den Kitsch im Film aus, wie es ebenso den höheren Kitsch im Tanz bildet; das Unerträgliche in Film und Tanz (übrigens bis zu einem gewissen Grad und mutatis mutandis auch in der Musik) beginnt dort, wo Zorn Augenrollen wird, Tugend Schönheit und die ganze Seele eine Steinallee bekannter Allegorien. Sieht man näher zu, so entdeckt man, daß dies im Film selten dort eintritt, wo es sich um das unmittelbare Erlebnis handelt, dagegen fast immer, wenn die Verbindung und Verarbeitung der Erlebnisse angestrebt wird. In der Schau entfaltet der Film die ganze Unendlichkeit und Unausdrückbarkeit, welche alles Daseiende hat – gleichsam unter Glas gesetzt dadurch, daß man es nur sieht; in der Verbindung und Verarbeitung der Eindrücke dagegen ist er scheinbar stärker als jede andere Kunst an die billigste Rationalität und Typik gekettet. Er macht die Seele wohl scheinbar unmittelbar sichtbar und den Gedanken zum Erlebnis, in Wahrheit hängt dabei die Interpretation jeder einzelnen Gebärde aber von dem Reichtum an Interpretationshilfen ab, den der Beschauer mitbringt, die Verständlichkeit der Handlung wächst (genau so wie beim Theater, wo man das für besonders dramatisch hält) mit ihrer Undifferenziertheit, die Ausdruckskraft also mit der Ausdrucksarmut, und die Typik des Films ist nichts als der vergröbernde Zeiger von der des Lebens. Dadurch, scheint mir, wird der Film in einem Teil seiner Wirkungen mit seinem Niveau immer in einem festen Abstand unter dem Niveau der gleichzeitigen Literatur liegen, und sein Schicksal vollzieht sich nicht als eine Erlösung von ihr, sondern gemeinsam mit dem ihren.

VIII

Mit Literatur ist dabei allerdings nicht der spezifische Inbegriff von Gebilden gemeint, der, wie die Kritiker behaupten, andere Formgesetze hat als die Musik oder Malerei, während sich die Ästhetiker zu beweisen bemühen, daß es im Grunde doch die gleichen sind, mit einem Wort also die Dichtung als besondre Kunst, sondern es ist nur gemeint der geistige Besitz, das seelische »Niveau« von Menschen unsrer Zeit, jener vorhin erwähnte Lebensinhalt, dessen Inszenierung und produktive Begrenzung der Sinn der Formen der Kunst ist. In dem berechtigten Bestreben, die Besonderheit der Künste zu erforschen, wird oft übersehen, was sie gemeinsam haben, oder es wird unter einen zu allgemeinen und praktisch leeren Begriff wie den der ästhetischen Reaktion verlegt. Die verschiedenen Künste müssen aber miteinander und sogar mit der sachlichen Rede gemeinsam in irgendeiner Tiefe die Wurzel haben, da sie ja nichts als verschiedene Ausdrucksformen des gleichen Menschen sind; sie müssen deshalb auch irgendwie ineinander übersetzbar und durcheinander ersetzbar sein. Allerdings ist weder ein Bild restlos zu beschreiben, noch selbst ein Gedicht in Prosa wiederzugeben; ja man kann es geradezu als das entscheidende Kennzeichen für die Selbständigkeit einer Kunst ansehn, daß sie, mit Balázs zu sprechen, »eine unersetzbare Ausdrucksmöglichkeit« sei, oder, wie ich es in noch nicht veröffentlichten Studien versucht habe, diese Inkommensurabilität als Kennzeichen für die Wahl eines Ausdrucksmittels gebrauchen. Aber selbst wenn eine Kunst so in sich gekehrt ist wie die Musik, voll gegenstandsloser Gestalt, abnorm gesteigerten Gefühls und unaussprechlicher Bedeutung: irgendwann fragt man sich, was es bedeutet hat, setzt es in Beziehung zur Gesamtperson, ordnet es sich auf irgendeine Weise ein. Und der so oft betonte Gegensatz zur Literatur, als einer vom Intellekt verdorbenen Kunst, verschwindet, wenn man diese Weise analysiert. Denn der Vorgang spielt sich ganz ähnlich in der Literatur selbst ab. Es gibt sehr schöne Gedichte, die wenig Menschen auf den ersten Blick verstehn; im Gegenteil, zuerst versteht man außer Einzelheiten überhaupt nichts; später »dämmert«, wie der sehr gute Ausdruck sagt, der Sinn auf; am Höhepunkt mischen sich erkannte Bedeutung, wahrgenommene sinnliche Gestalt und Gefühlserregung; in der Nachwirkung wird das Erlebnis teils begrifflich assimiliert und fixiert, teils hinterläßt es eine vage, gewöhnlich unbewußte Disposition, die in irgendeiner späteren Lebenssituation plötzlich wieder lebendig werden, aber auch einen unmerkbaren Dauereinfluß ausüben kann. Selbst an einer Seite Prosa, die wirklich diesen Namen verdient, kann man erkennen, daß früher als der Sinn sich eine allgemeine Erregung mitteilt. Sinnlichkeit und Bedeutung haben also in der Literatur bloß ein anderes Gewichtsverhältnis; man kann freilich sagen, daß in ihr sinnliche Gestaltung den Sinn bloß färbe und »hebe«, während er in der Hauptsache durch begriffliche Vorstellungen vermittelt werde, und daß sich zumindest dies bei anderen Künsten umgekehrt verhalte, aber je später der Zeitpunkt ist, in dem man die Wirkung vergleicht, desto mehr verschwindet dieser Unterschied, und es scheint mir, daß man nicht irgendeinen Zeitpunkt der Wirkung als den legitimen auszeichnen darf, also auch nicht den beliebten des unmittelbaren Erlebnisses. Beinahe mehr Anspruch darauf könnte die Zeit der Nachwirkung erheben. Denn der Unterschied zwischen einem geschulten Musiker zum Beispiel und einem musikalisch Ungebildeten mag zwar auch in dem Augenblick enorm sein, wo sie die gleiche Musik hören (nebenbei bemerkt, ist er ein intellektueller, nämlich erhöhtes Bemerken, während die Gefühlserregung, soweit wir dafür überhaupt Maßstäbe haben, keine Unterschiede aufzuweisen braucht), ebenso ist eine Bildfläche in sich viel beziehungsreicher für den Geschulten als den Ungeschulten, aber man darf sich nicht darüber täuschen, daß der schlechte Künstler, der Dilettant oder der sentimentale Betrachter in vielen Fällen ein außerordentlich gefühlstarkes und sensibel gegliedertes Erlebnis haben; es ist geradezu komisch, wieviel sie erleben, und die gleiche Bedeutung hat es wohl, daß anscheinend in Niedergangszeiten die Kunst – aber auch jede andere Funktion außerordentlich subtil, verzweigt, kennerhaft geübt und beurteilt wird. Nietzsche hat dies sehr schön auf die Formel gebracht, die Einzelheit verdunkle das Ganze und wachse auf seine Kosten. Das gilt geschichtlich vom Briefschreiben bis zum Kriegführen, und von der Lyrik bis zum Coitus und zur Gastronomie. Es belastet jeden Versuch, der den Wert des Kunstwerks ästhetisch, in sich, formal, am augenblicklichen Erlebnis bestimmen will. Auch darf man der häufig zu hörenden Meinung nicht glauben, daß das Begriffliche, Intellektuelle ein später Sündenfall der Kunst und das Formale, Sinnliche ihr Paradieseszustand sei; im Gegenteil, das Formale ist verhältnismäßig spät, und alle naive Kunst wie die der Kinder und Wilden hat einen bemerkenswerten Hang zur Darstellung des Gewußten und Gedachten statt des Wahrgenommenen; sie geht »aufs Ganze«. Wie immer dem aber auch sein möge, kommt bei einem Entrückungsvorgang, wie ihn das Erlebnis der Kunst darstellt, der Rückübersetzung, der Berührungsfläche mit dem Normalzustand und dem Übergang in diesen mindestens das gleiche Interesse zu wie dem aktuellen Erlebnis selbst.

IX

Dieser Standpunkt bildet natürlich den extremsten Gegensatz dazu, daß der ästhetische Vorgang als ein unmittelbares Erlebnis betrachtet wird, und darf gewiß nicht mehr als die Geltung eines anderen Gesichtspunktes beanspruchen. Man kann im Gegensatz zu ihm noch weiter gehn und behaupten, daß jedes Kunstwerk nicht nur ein unmittelbares, sondern geradezu ein niemals gänzlich wiederholbares, nicht fixierbares, individuelles, ja anarchisches Erlebnis darbietet. Seine Einmaligkeit und Augenblicklichkeit nimmt es von allem bisher Gesagten aus, es hat überhaupt keine Tendenz, zur Erfahrung zu werden, es erstreckt sich in einer anderen Dimension. Der Tanzende oder Hörende, der sich an den Augenblick der Musik hingibt, der Schauende, der Ergriffene ist aus allem Vorher und Nachher gelöst; er befindet sich in einem andern Verhältnis zu seinem Erlebnis, er nimmt es nicht in sich auf, sondern geht in ihm auf, und gerade dieses andre Verhalten wird oft mit ausschließender Betonung »erleben« genannt.

Es sei nun der Versuch gemacht, nach beiden Seiten gegen das Ende zu gehn.

Als Ausgangspunkt diene jener für ordnungsgemäß geltende mittlere, gewöhnliche Zustand, zu dessen wichtigsten Eigentümlichkeiten es gehört, daß wir Erfahrungen erwerben. Es ist schon gesagt worden, daß zwischen der Erfahrung, die man macht, und den Begriffen, mit deren Hilfe man sie macht, dabei ein eigentümliches labiles Verhältnis besteht; jede neue Erfahrung sprengt die Formel der bisher erworbenen, wird aber zugleich in ihrem Sinn gemacht. Das gilt für die Ethik genau so wie für die Physik oder Psychologie. Was wir unser geistiges Sein nennen, befindet sich unausgesetzt in diesem Vorgang der Ausdehnung und Zusammenziehung. In ihm hat die Kunst die Aufgabe unaufhörlicher Umformung und Erneuerung des Bildes der Welt und des Verhaltens in ihr, indem sie durch ihre Erlebnisse die Formel der Erfahrung sprengt; Musik macht dies mehr dispositionell, am aggressivsten und direktesten macht es die Literatur, weil sie unmittelbar mit dem Material der Formulierung selbst arbeitet. Mag die Kunst auch im allgemeinen einen Zustand fordern, in dem wir weniger Erfahrung als Erlebnis haben, die Aufgabe des Erlebnisses ist unter diesem Gesichtspunkt doch nur die einer Kraftquelle, deren Inhalt von ihr fortfließt. Die Klagen über die Intellektualisierung in der Kunst, welche sich vor allem gegen die Literatur richten, haben insofern damit recht, als diese von allen Künsten dem Denken am nächsten steht und das abstrakte Denken seinem Wesen nach eine formelhafte Verkürzung ist; jeder Begriff bedeutet das, und je allgemeiner die Begriffe sind, desto leerer sind sie von besonderem Inhalt. Dies ist die Entleerung des Lebens durch das Denken, über welche Klage geführt wird. Es zeigt sich aber, daß die Entleerung nicht nur vom Denken gilt, sondern auch vom Fühlen, und man kann ganz analog den Kitsch sowohl wie die moralische Engstirnigkeit als eine formelhafte Verkürzung des Gefühls bezeichnen. Gegen diese Formelhaftigkeit gerichtet ist der Heilige wie der Künstler, der Forscher oder der Gesetzgeber und sie sollten einander nicht entwerten, sondern ihre Anstrengungen vereinen.

Mit diesem Gegensatz des Einzelerlebnisses zur Formel seiner Gruppe ist jedoch durchaus noch nicht jene andere Dimension erledigt, die ihm an sich, ohne Wunsch, Erfahrung zu werden, als reine Zuständlichkeit zukommt. Da ist nicht mehr der Unterschied im Spiel zwischen begrifflicher und ohne Begriffe gemachter Erfahrung (Affektspuren, Gewöhnen, Imitation), die ja beide Erfahrung werden, sondern es handelt sich, wie dies vorhin ausgesprochen wurde, um ein anderes Verhältnis des Erlebenden zum Erlebnis, dessen Inhalt sich nicht zu ändern braucht, aber gewissermaßen ein Lagezeichen, einen Vektor, eine andere Richtung erhält. Nun braucht gewiß nicht eigens beschrieben zu werden, wodurch sich das zuständige Verhalten, denn so kann man es nennen, von jedem anderen unterscheidet, das eine Fortsetzung außer sich selbst hat; wenn ihm aber vorhin auf der Suche nach Ausdruck eine andere Dimension zugeschrieben worden ist, so erscheint es nun richtiger zu sagen, daß es eigentlich dimensionslos ist. Denn strenggenommen ist jede reine Zuständlichkeit ohne allen Zusammenhang mit anderen; gewinnt sie ihn aber, so ordnet sie sich den bewußten Erfahrungen ein oder sie verknüpft sich durch Bahnung mit dem übrigen Ich, mit einem Wort, sie verliert gerade den Charakter, auf den es ankommt. Das ist natürlich nur eine abstrakte Fiktion, aber praktisch entspricht ihr, daß wir die Erlebnisse gehobener Zuständlichkeit als Vergnügen, Erholung, Ausspannung, Entrückung, mit einem Wort nur als Unterbrechung gebrauchen. Wie merkwürdig wird dadurch, daß wir dennoch die Tendenz haben, sie als Bruchstücke einer anderen Totalität zu bewerten, als Elemente eines Erlebens, das sich in einer anderen Dimension erstreckt als das der Erfahrung und ihnen seine Richtung leiht; denn dies setzen alle Versuche voraus, die eine andere Innerlichkeit, eine Welt ohne Worte, eine unbegriffliche Kultur und Seele als erreichbar hinstellen. Es ist dies eine Analogie, welche die Gedanken darauf lenkt, daß auch in der Ethik ein feindlicher Unterschied zwischen den schöpferischen Quellen und ihrer moralischen Normierung besteht (zum Beispiel der Verbrecher als guter Mensch in der Literatur nach Dostojewski), und ein ähnlicher bestand immer zwischen dem religiösen Erlebnis und der Rechtgläubigkeit. Es gibt in der Tat, soweit ich das zu überblicken vermag, nur einen Zustand, der die erhobenen Forderungen und die aus ihnen abgeleiteten Konsequenzen zu befriedigen vermöchte, und das ist jener »andere Zustand« jenseits jener »Grenze zweier Welten«, von der die Rede war.

Wer sich mit seinen Erscheinungen befaßt hat, weiß, daß ihm das Wort Erfahrung fremd ist. Läßt man, wie es sich hier gebührt, jede mystische Auslegung beiseite, so wird man allerdings kaum behaupten können, daß es darin Erfahrung überhaupt nicht gebe, denn dies würde schon physiologischen Vorstellungen widersprechen, dagegen kann man wohl sagen, daß in diesem Zustand Erfahrung als etwas Wesensfremdes und Feindliches empfunden wird; ursächliche und zweckmäßige Verknüpfung der Erlebnisse bauen ihn nicht auf, sondern zerstören ihn. (Beispiel: der flüchtigste profane Gedanke zerstört augenblicklich die Kontemplation.) Gleichzeitig kennzeichnet ihn eine einzigartige Erregtheit durch das Leben. Der gewöhnliche Affekt oder die gewöhnliche Aktualität erlebter Zustände erscheinen im Vergleich mit ihr als etwas Peripheres, was nicht ans Innere reicht; die Empfindungen weisen nicht auf Dinge außerhalb des Ichs, sondern bedeuten innere Zustände; die Welt wird nicht als ein Zusammenhang dinglicher Beziehungen erlebt, sondern als eine Folge ichhafter Erlebnisse. Der Vektor, der Richtungsanzeiger, von dem vorhin die Rede war, hat sich umgekehrt und ist nach innen gerichtet. Man braucht, um sich eine Vorstellung davon zu verschaffen, nicht einmal die mystische Literatur zu bemühen, denn fast jeder Mensch erlebt das irgendwann als »Liebesglut« (zum Unterschied von der Liebes»flamme« des Begehrens), wenn er es auch später für eine vorübergehende Anomalie hält. Nimmt man die Kunst zum Vergleich, so muß man die tiefere künstlerische Erregung ganz ähnlich kennzeichnen; sooft ein Gegenstand aus der Sphäre weltlicher Betrachtung in die des schöpferischen Verhaltens tritt, verändert er sich, ohne sich zu verändern, und man kann scheinbar auch nicht sagen, daß er das Gefühl verändere, sondern das Gefühl verändert ihn; den Unterschied kann man besonders deutlich an Kunstgattungen sehen, die beide Verhaltungsweisen vereinen, wie zum Beispiel der RomanAus solchen Gründen erscheint es mir nicht als aussichtslos, für das, was hier als »anderer Zustand« beschrieben wurde, eine psychologische Erklärung zu suchen, welche die bisher der Mystik vorbehaltene Erlebensweise als eine normale, normalerweise bloß verdeckte erkennen ließe. Und wenn dies geschehen, würde auch der in Kunstbetrachtungen so sehr mißbrauchte Begriff der Intuition – der hier bloß vermieden worden ist, aber stets hinter den Kulissen stak – aus seinem Zwielicht hervorgeholt werden..

So weist das zweite Extrem möglicher Auffassung der Kunst in die Richtung des »andern« Zustands, und es enthält ihre Bewertung als reine Aktualität und Erregung eine über die sinnlich-gefühlhafte Improvisation hinausweisende Komponente, die allem Anschein nach ihm angehört. Bekanntlich ist dieser Zustand, außer in krankhafter Form, niemals von Dauer; ein hypothetischer Grenzfall, dem man sich annähert, um immer wieder in den Normalzustand zurückzufallen, und eben dies unterscheidet die Kunst von der Mystik, daß sie den Anschluß an das gewöhnliche Verhalten nie ganz verliert, sie erscheint dann als ein unselbständiger Zustand, als eine Brücke, die vom festen Boden sich so wegwölbt, als besäß sie im Imaginären ein Widerlager.


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