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3. Bild

Der Platz vor dem Wetterturm. Vom Dorf und von den Feldern ist nichts mehr zu sehen. Stattdessen überall nüchterne Beamtenhäuser. Rechts neben dem Windrad eine kleine geschmacklose Kirche. Schräg dahinter ist die Fassade des riesigen Verwaltungsgebäudes zu sehen. Links ragt die Terrasse des im Schweizerstil gehaltenen Restaurants in die Bühne hinein. Der Platz ist planiert, vorn rechts ist ein Teil eingezäunt. Sämtliche Gebäude sind mit Girlanden geschmückt. Aus dem Turm ragen zwei Fahnenstangen auf, die mit verschiedenen, übereinander befestigten Flaggen versehen sind – darunter die Schwarzweißrote, die Schwarzrotgoldene, die Hakenkreuzfahne und mehrfach die Landesfarben: grün und violett.

Geburtstag des Staatspräsidenten. Strahlendes, warmes Wetter. Im Vordergrund der Terrasse in bekränztem Lehnstuhl Präsident Wimmerzahn, auf Stühlen im Halbkreis um ihn herum die Ehrengäste. Links und rechts vom Präsidenten Minister Blödel und General Stiefengrat, unter den übrigen: Krampf, Krachhahn, Barde, Speicherer, Selters, Hustenreiz, Frau Möhre, Frau Wachtel. Hinter den Parlamentariern gedeckte Tische mit Festteilnehmern. Alle in Frack, Gesellschaftstoilette, Galauniform. Zwischen ihnen tänzelt Stechbein herum, jetzt Staatssekretär und höchster Beamter des Wetteramtes. Paula, in herrschaftlicher Kellnerinnentracht, bedient. Vor dem Turm Beamte und Angestellte des Werks. Teilweise uniformiert, teilweise in Sonntagsanzügen, einige Arbeiter in Arbeitskitteln. Otti, Peters, Fischer, Annie, Niedermayer sind gekleidet wie im 1. Bild. Die Beamten des Verwaltungsgebäudes stehen teils in Festtagsuniform, teils in Zylinder und Gehrock, die Damen in sonntäglicher Bürgerlichkeit eng gedrängt in dem Raum zwischen Turm und Restaurant.

Hinter der Abzäunung Dorfbewohner, darunter Jenny: Arbeiterin, Berta: Bauersfrau, Steinbott: Bauer, Brunner: Arbeiter, Hantke: Landarbeiter. Vor dem Zaun hält ein Schutzmann Wache. Vor der Kirche stehen weitere Schutzleute und ein Polizeileutnant.

Ein Maskenzug bewegt sich vom Hintergrund aus im Bogen am Staatspräsidenten vorbei. Man sieht Papierhelme, Allegorien der Jahreszeiten, der Gestirne und dergleichen, durch Kopfschmuck oder auf die Kleidung genähte Hindeutungen bezeichnet. Die Feen, Elfen, Engel und die im Märchenspiel auftretenden Figuren bilden die Prunkgruppe des Zuges. An der Spitze bewegen sich, rückwärtstrippelnd und unentwegt mit den Händen taktangebend Hornbriller und Tankhafen, beide festlich angetan.

Tankhafen: Eins, zwei, links, rechts –

Hornbriller: Tempo, Takt. Tempo, Takt! Korrekte pas, speziell die die Tete.

Tankhafen: Links, rechts, eins, zwei – aufpassen! Genau zehn Schritte vor dem Präsidenten.

Hornbriller: Präzise aufs Signal das Chanson intonieren.

Tankhafen: Achtung – links, rechts, eins zwei ... ( große Gebärde) drei!

Gesang: ungepflegte Stimmen, unreine Töne, falsche Akkorde, ungleiches Einsetzen, gänzlich ausdrucksloser, schleppender und plärrender Vortrag.

In den Tälern, auf den Höhn,
ei, wie ist die Luft so schön.
Welches Licht und welche Pracht.
Ei, wer hat denn das gemacht?
Wars der liebe Gott allein –
alles liegt in seiner Hand.
Doch den menschlichen Verstand
läßt er sich behilflich sein.
Darum ist heut Sonnenschein.

Jedes Ding hat seine Zeit.
Trockne Luft wie Feuchtigkeit.
Strahlts von oben oder gießts –
die Regierung – hei! beschließts,
die des Volkes Bestes kennt.
Also dankt nun insgesamt
Gott und auch dem Wetteramt.
Heiter bleib das Firmament,
heiter auch der Präsident.

Wimmerzahn: ( macht täppisch Winkewinke) Danke, danke. Sehr schön. Ja – danke.

Möhre: Nein, wie reizend.

Selters : Da wird man neugierig, wer der begnadete Dichter ist.

Hustenreiz: Verrate ich ein Geheimnis, Herr Staatssekretär?

Stechbein: Ich bitte Sie –

Blödel: Unser Herr Staatssekretär! In der Tat, sehr hübsch.

Stechbein: Nicht doch! Ist ja nicht der Rede wert.

Krachhahn: Wieso denn? Ausgezeichnete Dichtung. Höchst gemütvoll. Hätt ich ihnen gar nicht zugetraut.

Der Zug geht noch einmal um den Platz. Hornbriller und Tankhafen regeln mit erhobenen Fingern den gleichen Schritt und Tritt.

Hantke: Affenparade.

Berta: Und das dumme Geplärr.

Steinbott: Ewige Feiertage und nie ein Tropfen Regen.

Berta Dafür schüttet es in der Erntezeit, daß alles verfault. Ich an Niedermayers Stelle hätte ihnen den Dreck längst vor die Beine geschmissen.

Hantke: Das ist leicht gesagt. Schließlich haben doch er und Peters und die rote Otti das alles hingestellt.

Jenny: Otti hat gestern wieder so geweint.

Steinbott: Wir auf dem Feld können das gar nicht begreifen, wo die Beamten eigentlich mit ihrem Wetter hinwollen.

Brunner: Paß auf: Was die Beamten in ihrem Hirn haben, das nennt man Staatskunst. Wenn ihr damit misten könntet, brauchtet ihr keinen Kunstdünger.

Der Zug bleibt in der Mitte des Platzes stehen.

Tankhafen: Halt. So – jetzt muß der Zug sich auflösen. Wer im Stück nicht mitspielt, stellt sich vor dem Turm auf. Die anderen bleiben hier. ( läuft überall ordnend herum und verwirrt alles)

Vor dem Turm

Hier muß aber Platz gemacht werden. Das ist für unseren Festzug. Die Arbeiter und Angestellten müssen weiter zurück. Bis ganz an die Kirche bitte! ( Murren) Da können sie immer noch sehen – –

Fischer: Wär auch schade, wenn uns was entginge. ( Langsame Umgruppierung)

Hornbriller: ( kommt hinzu) Dalli, dalli! ( stößt auf Niedermayer und Otti) Parbleu! Die technische Direktion auf dem Galerieplatz? Aber der Herr Diplomingenieur sollte doch bei den Experten plaziert werden! Für Herrn Wetterrat und sein Fräulein Assistentin müssen a tempo auf der Terrasse separierte Plätze reserviert werden.

Niedermayer: Lassen Sie mich nur da bleiben, wo meine Windjacke keinen Anstoß erregt.

Hornbriller: Kommen Sie ungeniert zu den Honoratioren. Ihre Meriten dispensieren Sie von der Konvention. Das Genie hat das Prä, originell sein zu dürfen.

Niedermayer: Danke – wirklich. Ich gehe hinter die Absperrung. Otti, kommst Du mit?

Setzt sich mit Otti in Bewegung, gefolgt von Peters, Fischer Annie und anderen. Nur die uniformierten und aufgeputzten Angestellten gehen an den Platz zwischen Windrad und Kirche, die die Tankhafen ihnen anweist.

Hornbriller: ( begleitet Niedermayer auf ihn einredend) Nicht so desolat. Die Prominenzen reflektieren auf ihre Teilnahme beim Cercle. Ihre Zelebrität ist eine Attraktion. Das Exterieur ist dabei relativ irrelevant. Ohne Komplimente – –

Niedermayer: Sie bemühen sich unnötig, Herr Regierungsassessor.

Hornbriller: Sie sind intolerant. Weil Ihnen in der Administration des Institutes kein plein pouvoir mehr konzediert werden konnte, fühlen Sie sich degradiert. Der casus muß sine ira et studio ventiliert werden.

Otti: Dann hören Sie nur mal bei den Arbeitern und Bauern herum.

Hornbriller: Auch Sie sind präokkupiert, Mademoiselle. Man kann doch den populären Sentiments ad libitum Konzessionen machen. Das Primat hat das Staatsinteresse. Das ist eine generelle Maxime.

Sie sind bei der Absperrung angelangt und verschwinden in der Menge.

Wolff: ( drängt sich mit einer bunt beklebten Leiter von links her durch) Wo soll das Dings zu stehen kommen?

Tankhafen: Aha, die Bühne! Hierher – ( weist einen Platz vor der Terrasse an)

Wolff: Platz da!

Wachtel: ( kommt suchend von der Terrasse herunter) Au! Sie stoßen mir ja mit der Leiter in den Leib –

Wolff: Galten Sie doch ihren Bauch woanders hin.

Wachtel: ( ruft zu Paula hinauf) Um Gotteswillen, Fräulein, wo ist denn das hier?

Paula: Durchs Lokal. Ich gebe ihnen den Schlüssel.

Wachtel: Schrecklich. Das kann ja ein Unglück geben.

Wolff: Na, denn laufen Sie man, ehe das Unglück geschehen ist.

Tankhafen: Herr Regierungsassessor, da sind Sie ja! Hier rennt alles durcheinander. Auf mich hört kein Mensch.

Hornbriller: Die Inszenierung darf nicht inkommodiert werden. Das Terrain im Zentrum nur für die Akteure! Das Requisit direkt dem Parkett vis-a-vis. Monteur, evakuieren Sie die Arena!

Wolff: Platz – weg da!

Gedränge

Stiefengrat: Das dauert ja unheimlich. Da fehlt der soldatische Schmiß.

Barde: Unsere ganze Kunst ist jüdisch verseucht.

Möhre: Gott, es sind ja nur Liebhaber.

Hustenreiz: Wie ich gehört habe, wirken nur Damen von hiesigen Beamten mit.

Krachhahn: Ist das Stück, das Sie da steigen lassen wollen, auch von ihnen, Herr Staatssekretär?

Stechbein: Im Vertrauen, Herr von Krachhan – das Stück ist von Fräulein Ministerialrätin selbst. Ich habe nur bei den Reimen nachgeholfen.

Blödel: Muß sehr schwierig sein. Etwas Ungereimtes bringt unsereiner ja eher fertig.

Hornbriller: ( tritt dazu) Einen Moment noch, dann ist alles perfekt.

Selters: Viel Arbeit für Sie heute, Herr Regierungsassessor.

Hornbriller: Inspezieren, die Defekte der Regie korrigieren. Sind ja alles Amateure.

Speicherer: Gingen Sie nicht mit dem Wetterrat da hinunter? Wollen er und das schöne Fräulein uns nicht beehren?

Hornbriller: Total obstinat. Fraternisieren mit der Galerie.

Krachhahn: Da gehören sie auch hin.

Hornbriller: Dieser pathologische Ingenieur kokettiert aus Ressentiment mit seinem ramponierten Prestige. Ein infantiler Querulant. Und die Personnage mit der roten Coiffure akkompagniert ihn mit effektvollen Vulgärargumenten.

Blödel: Sie haben also die Form gewahrt und sie hergebeten?

Hornbriller: Ohne succes. Meine superlativischen Elogen reüssierten nicht. Die simple Gratulation mit Nonchalance ignoriert. Man will sich a tout prix mit der misera plebs solidarisieren.

Stiefengrat: Diese Leute hätten längst von hier entfernt werden müssen.

Barde: Sehr richtig.

Stechbein: Das hätte böses Blut gemacht. Niedermayers Absetzung von der Leitung wird uns schon als Undank ausgelegt.

Biederhold: Dann konnte man ihm in Gottes Namen einen Ruhesold aussetzen und eine Straße nach ihm benennen.

Hornbriller: Ein fait accompli, ohne das Dekorum zu lädieren

Hustenreiz: Die Unversöhnlichen hätten die Massen doch verhetzt.

Speicherer: Die breite Masse findet sich mit Tatsachen immer ab. Der Lärm der Gasse schreit sich vor tauben Ohren müde.

Selters: Die Hauptsache ist, daß dem Manne die Bestimmung der Witterung entzogen ist.

Wachtel: Wenn ich nur an das Grundsteinjubiläum denke! Es zog so, daß mir wochenlang elend zumute war.

Möhre: Dafür haben wir heute umso schöneren blauen Himmel.

Wimmerzahn: Prächtig. Jawohl, ganz prächtig.

Stiefengrat: Das wahre Hohenzollernwetter.

Tankhafen: Die Engel, Feen und Elfen jetzt im Halbkreis um die Leiter. Sonnnenscheinchen und Schönwetterchen verbergen sich hinter den Kleidern der etwas beleibteren Damen, die Tierstimmen ebenso.

Sausewind: Und wir?

Sausewind, Schnee und Regen gehen bis zur Schutzmannskette zurück.

Tankhafen: Richtig. Bleiben Sie aber beim Herrn Polizeileutnant stehen, damit Sie nicht den Leuten da hinter der Absperrung zu nahe kommen. Und wo ist der Gnom? Sie stellen sich nur einfach vor den Masken auf, Fräulein. Sitzt ihr Bart auch gut? Schön. Jetzt noch der Laubfrosch. Sie setzen sich also auf die Erde neben der Leiter und blicken sinnend hinauf. ( läuft anordnend von einem zum andern)

Jenny: Sie, Herr Schutzmann, wir wollen doch noch was anderes sehen, als ihre Hinteransicht.

Schutzmann: Ich muß aufpassen, daß die Sperre nicht durchbrochen wird.

Peters: Die Engel da vorn kriegen wir doch auch bloß von hinten zu sehn.

Berta: Laßt doch den Herrn Niedermayer und Otti mal durch.

Niedermayer: Ist nicht so wichtig für mich. Aber Otti kann vielleicht von der Tankhafen was für ihren Chor lernen.

Otti: Soviel wie Du vom Stechbein fürs Wetter.

Annie: Wir müßten denen mal mit dem Jugendchor einfach dazwischen tanzen. Guck dich mal um, Otti. Hier hinten fehlt fast keiner von uns.

Otti: Wir wollen uns lieber vorläufig mit dem Dorfplatz unten begnügen. Hier oben tanzen wir erst wieder, wenn wir hier oben wieder mitzureden haben.

Hantke Die Zeit kommt auch.

Wolff: ( kommt und stellt sich außerhalb der Sperre) So, jetzt kann der Zauber losgehen.

Hornbriller: ( steigt mit einem Gong auf die Leiter) Ist die die Szenerie parat? Silentium! Absolute Ruhe für das Ensemble. ( schlägt den Gong)

Wolff: Ein dutzend Mal hab ich es schon bei den Proben gesehen.

Otti: Ein hartes Los.

Das Spiel beginnt:

Laubfrosch: Ein hartes Los, fürwahr ward mir zuteil. Am frühen Morgen, wenn die Hähne krähn –

Tierstimme: Kikeriki!

muß ich schon wissen, was der Himmel plant.
Denn Mensch und Tiere wolln es von mir wissen.
Kulturbeleckt die Großstadtpflanzen nur
befragen lieber ihre Barometer.
Der Bauersmann dagegen und die Rinder,
wenn freudig blökend sie zur Weide ziehn –

Tierstimme: Muh!

die kommen nur zu mir. Ei, lieber Laubfrosch,
verrate uns, was für ein Wetter wird.
Soll lichter Glanz die Felder überfluten,
beziehungsweise soll, ob Flur und Rain,
des Regens Naß die liebe Erde tränken?
Ich Ärmster bin die reinste Auskunftei!
Quecksilbrig muß ich auf- und abwärts turnen:
denn die Insekten, die mir Mahlzeit sind ...
bei trüber Wittrung sumsen sie am Boden –

Tierstimme: Summsummsumm!

bei klarer Luft hingegen steigen sie
beseligt auf in das azurne Blau.
Grasmückchen zirpt –

Tierstimme: Zizizizizi!

Der Vögel muntre Schar,
sie hüpft von Zweig zu Zweig und zwitschert –

Tierstimme: Ztschztschzi!

Pfeift –

Tierstimme: Fftiffitff!

Und tiriliert –

Tierstimme: Tirilietirilie!

Und treibt der Kurzweil viel.
Indeß, ich grüner Tor, da schwätz ich nun,
verträume meine Zeit und weiß noch nicht,
soll ich mich hurtig auf die Leiter schwingen,
und also sonnig Wetter prophezein?
Soll ich inmitten ihrer Sprossen sitzen,
daß jeder wähnt: Aha – veränderlich?
Hinwiederum, weil ich am Fuß derselben
und künde klagend Hagel und Gewitter?
Der Laubfrosch darf nicht nach Belieben amten.
Verantwortsvolle Zuverlässigkeit,
sei immerdar die Richtschnur seines Waltens.

(schaut sinnend in die Ferne)

Speicherer: Das ist wirklich mal etwas außerordentlich Liebenswürdiges.

Barde: Muß selber zugeben – einfach ulkig.

Fischer: Das ist ja – um Junge zu kriegen – –

Laubfrosch:

Sieh da, Herr Gnom, der gute Geist der Menschen
und auch der himmlischen Gewalten Freund,
der wird gewiß mich nicht zum Besten halten.

Der Gnom kommt heran.

Heda, kommt doch mal näher, guter Gnom!
Was steht geschrieben denn am Himmelsdom?
Der heutge Tag, wird trüb er oder heiter?
Wo nehm ich Platz auf meiner Wetterleiter?

Gnom: Grüß euch, Gevatter Laubfrosch, schmeckt die Fliege?

Laubfrosch: Wo kommt ihr her?

Gnom: Von Esel, Schaf und Ziege –

Tierstimmen: Iiiah!

Bääh!

Meckmeck!

Brunner: Der scheint vom Landtag zu kommen.

Laubfrosch:

Und wußten die, wies Wetter wird, Bescheid?
Oh, sagt es mir, Gevatter.

Gnom:

Tut mir leid.
Wißt ihr denn noch nicht, daß die Menschen jetzt
ihr Wetter trefflich selber machen können?
Prunkvolle Bauten haben sie errichtet,
auch einen Turm, ein Windrad steht daneben,
ein Kirchlein gar, daß alles wohl gedeihe.

Biederhold: Lobenswert von der Sozialistin, dessen zu gedenken.

Gnom:

Hoch ragen Warten, fern in Afrika,
auf zackigem Grat und in den fernen Kordilleren
belauschen sie so Wind wie Meereswogen –

Peters: Die peilen den großen Ozean auf dem Chimborasso aus.

Gnom:

auf daß sie hierzuland das Wetter haben,
wie es das Volk am besten brauchen kann.

Jenny: Um Hunger zu leiden.

Laubfrosch:

Wohl hörte ich davon. Doch leider, leider
fehlts an Beziehung mir zum Wetteramt.
Ich muß die Nase in die Lüfte recken,
um zu ergründen, wie die Winde gehn.

Möhre: Sie befinden sich wieder wohler, Kollegin Wachtel? Ja?

Laubfrosch:

Euch aber, Vetter Gnom, bleibt nichts verborgen.
Bleibt ihr auch unsichtbar den Menschenkindern,
so dürft ihr doch dabeisein, wie sies halten,
beglaubigt als des Erdgeists Botschaftsrat.

Krachhahn: Famos, was?

Selters : Diese Anspielungen! Ebenso geistreich wie zartsinnig.

Gnom:

Das stimmt. Jedoch in dieser Eigenschaft
bin streng ich zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Wies Wetter wird, verfügt die Staatsregierung ...
das Nähere bestimmt das Wetteramt.

Otti: Die Verse geschehen ihnen ganz Recht.

Niedermayer: Na, Otti, sei nicht so grausam.

Gnom:

Zu aller Heil regiert, der Präsident,
vom Volk erkoren, wie es Recht und Brauch.

Laubfrosch: Dann ists das Volk, das sich das Wetter aussucht?

Gnom:

Des Volkes Laune gleicht der Wetterfahne,
die sich nach jeder Himmelsrichtung dreht,
und ohn zu fragen, wer es wohl versteht,
wählt es heut Umsturz, morgen vaterländisch.
Doch die Regierung ist nicht wetterwendisch ...
beschließt sie Schneesturm oder Windestille,
wie sie es vorschreibt, ists des Volkes Wille.
Denn sei es Sonnenglanz, seis Sturmgebraus:
die Staatsgewalt, sie geht vom Volke aus!

( heftiges Händeklatschen)

Blödel: Ausgezeichnet! Ganz allerliebst.

Krachhahn: Trotz gewisser demokratischer Wendungen gar nicht übel.

Stiefengrat: Man muß sogar zugeben ... das mit der wetterwendischen Volksmeinung – ist ein durchaus nationaler Gedanke.

Möhre: Und die entzückenden Reime! Unser Herr Staatssekretär ist ein gottbegnadeter Dichter.

Stechbein: Ja, ja. Was einem die Muse so eingibt.

Jenny: Sieh doch mal rüber, Annie – die Paula! Die stirbt ja vor Lachen. ( Paula steht in Hintergrund der Terrasse und schüttet sich aus vor Lachen)

Wolff: Der ist die wahre Kunst noch nicht aufgegangen.

Berta: Wenn die es bloß nicht merken!

Brunner: Die Obrigkeit merkt nie, daß man über sie lacht.

Laubfrosch:

Doch weiß ich noch nicht, wird es grau, wirds heiter,
und wohin tret ich auf der Wetterleiter?

Gnom:

Je nun, Gevatter Frosch, ihr dauert mich.
Erratet drum, was ich euch nicht darf sagen:
Ich war in Wetterborn und sah geschäftig
Beamte dort und Angestellte schalten.
Girlanden zogen sie den First entlang
und hißten Fahnen auf des Turmes Zinnen.
Mann, Weib und Kindlein tragen Festgewand
und Lust und Frohsinn lacht aus aller Augen.
Ein jeder winkt dem andern freudge Zeitung:
Geburtstag nämlich ist in Vorbereitung.

Laubfrosch: Und feiert ihn, wen Hoch und Niedrig kennt?

Gnom: Ei ja, Herr Frosch, des Staates Präsident!

Laubfrosch:

Hurra! Da wirds nicht hageln und nicht blitzen –
hoch droben kann ich auf der Leiter sitzen!
Doch wehe, schon erfüllt mich neues Bangen –
kommt da nicht Meister Nebel angegangen?

( Nebel tritt suchend auf)

Nebel:

Ach bitte, saht ihr meine drei Kollegen,
die Brüder Schnee und Sausewind und Regen,
sind sie heut früh noch nicht vorbeigekommen?

Laubfrosch: Hier nicht.

Nebel:

Dann haben sie Reißaus genommen.
Wo sie nicht sind, da bin ich auch nichts nütze,
muß niederlegen mich als feuchte Pfütze.
Nur wenn ein nasser Wind weht in den Zweigen,
darf ich als Wolke in den Himmel steigen.

( legt sich nieder)

Laubfrosch:

Ha, dieser stirbt. Doch seht nur, hell besonnt
naht eine Lichtgestalt am Horizont:
Juchhe, das ist ja unser Sonnenscheinchen –
voll Anmut hebt es seine Strahlenbeinchen!

Biederhold: Schade, einen solchen Ausdruck hätte ich gern vermieden gesehen.

Stechbein: Er war des Reimes wegen unvermeidlich, Hochwürden.

Gnom:

Ja, ihr habt Recht. Grad kommt es auf uns zu,
freudig begrüßt von Hühnern, Geis und Kuh.

Tierstimmen:

Krähen –
Gluckern –
Meckern –
Blöken.

Steinbott: Das klingt ja so, als ob die Kühe Gänse wären.

Wolff: Sind sie ja auch.

Sonnenscheinchen tritt auf.

Gnom: Wie glitzert ihr der Garbe Gold im Arm!

Laubfrosch: Ich steige auf die Leiter. Mir wird warm.

Sonnenscheinchen:

Ich werfe Lichter auf das Festgewimmel.
Niederkommen bin ich grad vom Himmel.

Brunner: Senkrecht aus dem Wochenbett, Leute.

Gnom: Nun wird im ganzen Lande Freude sein.

Sonnenscheinchen: Seht nur, schon kommt mein trautes Schwesterlein –

Schönwetterchen tritt auf.

Gnom:

Schönwetterchen im blauen Florgewand,
ein Füllhorn, bunt von Blumen, in der Hand.
Geht, Laubfrosch, gleich noch höher ein paar Stufen.

Schönwetterchen: Das menschliche Genie hat uns gerufen.

Laubfrosch:

Dann fürcht ich heut nichts mehr von den Wettern
und will sofort zur höchsten Stufe klettern.

Sonnenscheinchen:

Ja, seit der Staat in Obhut uns genommen,
ists uns vergönnt, gar oft zu euch zu kommen.

Gnom:

Ihr labt uns nun schon viele frohe Wochen.
Das bös Gewölk, es hat sich ganz verkrochen.
Nur selten war die Welt so lange Zeit
ohn Unterlaß von euch, ihr Zwei, erfreut.

Niedermayer: Da hat er ja mal Recht, der Gnom.

Schönwetterchen:

Doch heut hat uns das Wetteramt beschieden
zu leuchten über Freude, Glück und Frieden.
Den Präsidententag soll gar nichts stören.

Gnom: Die Glockenblümlein kann ich läuten hören.

( helles Gebimmel)

Laubfrosch: Weh, seh ich recht

Gnom: Das Glöcklein jäh verstummt!

Sonnenscheinchen:

Die argen Feinde schleichen her vermummt:
Schnee, Sausewind und Regen, die Gesellen,
sie wollen das Geburtstagsfest uns vergällen.

Regen mit Gießkanne, Schnee mit Kopfkissen und Sausewind mit Besen treten auf.

Gnom : Was führt; euch her? Die Lust uns zu verdrießen?

Regen: Ich bin der Regen, will das Land begießen.

Schnee: Ich bin der Schnee und will mein Kissen schütteln.

Sausewind:

Ich, Sausewind, will an den Bäumen rütteln.
Mein Besen soll das Fest zusammenfegen –

Schnee : Hol du den Laubfrosch mal herunter, Regen!

Laubfrosch: Ich will ja ganz allein heruntergehn –

Schönwetterchen: ein andermal könnt ihr ja schnein und wehn.

Regen: Der Boden ist schon viel zu lange trocken.

Schnee : Mein Sack ist bis zum Rande voll von Flocken.

Sausewind:

Und meine Lungen werden bald asthmatisch.
Nur lauter schöne Tage tun nicht gut.

Gnom:

Klugschwätzer du, dies Land ist demokratisch.
Nur die Regierung weiß, was nötig tut.

Blödel: Man kann sagen, was man will: dies ist ein vorzügliches Stück.

Möhre: Ich bin so gespannt, wie es weitergeht.

Jenny: Man müßte denen mal ein Stück vorspielen, aus dem sie sehen können, was sie mit der Dürre wirklich anrichten.

Brunner: Wenn die das begreifen sollen, mußt du sie beim Zusehen bis zum Halse in heißen Sand einbuddeln.

Sonnenscheinchen:

Wolln sie von selber nicht von dannen ziehn,
solln sie vor unserer Kraft und Schönheit fliehn.
Herbei, ihr Feen, ihr Engel und ihr Elfen,
ihr sollt die Bösen uns verjagen helfen.

Feen, Engel und Elfen laufen herbei und schlagen mit Pfauenfedern und ähnlichen Waffen auf die drei ein.

Stiefengrat: Jetzt kommt doch Leben in die Bude.

Barde: Immer feste druff!

Sausewind:

Oh weh, wir sind der Übermacht erlegen.
Ich führ euch fort. Kommt mit mir, Schnee und Regen.

Nebel: ( steht auf) Auch ich enteile hinter Ried und Busch –

Sie fliehen, verfolgt von den Feen, Engeln und Elfen.

Engel: ( alle zusammen): Fort mit euch Unheilstiftern.

Feen: fort – husch, husch!

Elfen:

Gnom: Hei! Siegreich sind sie in die Flucht geschlagen.

Schönwetterchen: Komm, Sonnenscheinchen, jetzt soll Freude tagen.

Sonnenscheinchen:

Ja, Schwesterchen, nun wir diesen Spuk verscheuchten,
soll Jubelglanz dem Präsidenten leuchten!

Sie zünden bengalische Zündhölzer an. Hornbriller und Tankhafen, beiderseits vor der Terrasse postiert, werden hell beleuchtet.

Krachhahn: Alle Wetter! Hochkünstlerische Wirkung.

Otti: Bei der Beleuchtung kommen die Tankhafen und der Hornbriller als die Eckpfeiler des Staates erst zur rechten Geltung.

Gnom:

Ihr Elfen, Engel, Feen all hervor!
Zum Ringelreihen singen wir im Chor.

Alle Mitwirkenden stellen sich vor der Terrasse auf, machen, von Tankhafen und Hornbriller wie zuvor mit den Händen dirigiert, hopsende Tanzschritte, worauf der Gesang beginnt, in den auch die vor dem Turm aufgestellten Zugteilnehmer einstimmen.

Gesang:

Lieblich ist der Ede Pracht,
wenn die Sonne freundlich lacht,
wenn der liebe Himmel blaut,
treulich uns ins Auge schaut.
Heute strahlt das Firmament,
weil der erste Mann im Staat,
Heißa! den Geburtstag hat.
Unsre Liebe heiß entbrennt –
Hoch des Staates Präsident!

Die Mitwirkenden vollführen einen Ringelreihen und flattern an der Leiter vorbei rückwärts über den Platz zurück und verschwinden hinter dem Windrad. Großer Beifall auf der Terrasse und bei den Beamten. Lautes Gelächter hinter der Absperrung.

Stechbein: Es ist jetzt aber Zeit, den Herrn Staatspräsidenten aufzuwecken. Ich werde dann wohl am besten gleich mit der Festrede beginnen.

Hustenreiz: Fangen Sie ruhig an, Herr Staatssekretär. Ich bemühe mich inzwischen um den Präsidenten. Herr Präsident – –

Polizeioffizier: ( geht vor die Sperre) Benehmen Sie sich hier anständig! ( zu Wolff) Was haben Sie außerhalb der Sperre zu suchen?

Wolff: Nicht weniger als die Ochsen und Schafe in dem Stück.

Polizeileutnant Unterlassen Sie derartige Bemerkungen. Zurück hinter den Zaun!

Wolff: ( kriecht durch, von drüben) Und die Laubfroschleiter tragen Sie wohl weg, Herr Leutnant. Hingestellt hab ich sie.

Polizeileutnant: Aha, Sie sind hier beschäftigt. Das kann ich ihnen doch nicht ansehen.

Wolff: Das nächste Mal zieh ich mich richtig an. Zylinder auf dem Kopf, Flügel am Buckel oder Riemen um den Bauch – –

Krampf: Wacht der Herr Präsident jetzt?

Wimmerzahn: Ach so, freilich, ( steht auf) Es ist mir ein Herzensbedürfnis ...

Hustenreiz: ( zieht ihn auf den Stuhl zurück) Noch nicht, Herr Präsident.

Krampf: Ich bitte nunmehr den Herrn Staatssekretär Stechbein, das Wort zu nehmen.

Stechbein: Hochverehrter Herr Staatspräsident! Verehrte Festversammlung. Jahre sind vergangen, seit diese Stätte zum letzten Male der Schauplatz eines Staatsbesuches war. Unter Führung des Herrn Minister Dr. Blödel erschienen auch damals hier die Vertreter der Regierung und des Parlaments, um die Fünfjahresfeier der Grundsteinlegung zum Wetterturm zu begehen und zugleich namens der Staatsregierung den Beschluß anzukünden, die noch junge Kunst, das Wetter zu beherrschen, durch die Schaffung eines eigenen staatlichen Wetteramtes der Erfüllung ihrer Aufgaben für die Menschheit erst zuzuführen. An jenen ersten Besuch hier knüpfen sich peinliche Erinnerungen –

Otti: Die haben es noch nicht verschmerzt.

Stechbein: – die zu erwecken deshalb gestattet sei, weil der heutige Tag kein anderes Gefühl als das der Freude und Genugtuung aufkommen läßt, zumal heute zum ersten Mal der Herr Staatspräsident in eigener Person hier weilt, um durch die Wahl von Wetterborn zur Begehung seines Geburtsfestes unser Werk in sinniger Form zu ehren.

Selters: Bravo!

Stechbein: Welche Errungenschaften seit jener mißglückten Feier! Stolz erhebt sich das mächtige Verwaltungsgebäude vor Ihren Blicken, in welchem das damals noch ungeborene Wetteramt in emsiger Arbeit seine Pflicht erfüllt. Wahrlich, das Wetteramt darf mit Stolz auf seine Leistungen zurückblicken. An ihm hat sich das parlamentarische System unseres Staatswesens glänzend bewährt.

Tankhafen: Sehr richtig!

Stechbein: Schwierigkeiten bei der Ämterbesetzung zu Anfang, da jede Partei den berechtigten Anspruch erhob, gemäß ihrer Stärke an der Verantwortung teilzunehmen –

Jenny: Und Gehälter einzusacken.

Stechbein: – konnten durch die politische Einsicht aller Beteiligten behoben werden. Die Befriedigungskoalition, welche alle staatserhaltenden Parteien erfaßt – von der Arbeiter-Rasssenpartei bis zu den Sozialisten ... ( Beifall) ist nicht zuletzt dem Bestreben zu danken, gerade im Wetteramt die Referate gerecht und niemand zu Leide zu verteilen. Die Notwendigkeit, alle Richtungen – mit der einzigen Ausnahme der Umsturzpartei – im Verhältnis ihrer Mandatszahl zu berücksichtigen, ergab sich nach dem Ergebnis der letzten Wahlen von selbst. Der Umstand, daß die Unversöhnlichen seither über die absolute Mehrheit im Landtag verfügen, konnte unbeschadet unserer demokratischen Auffassungen nicht dahin mißdeutet werden, daß nun etwa ihnen der geringste Einfluß auf eine so wichtige Staatseinrichtung einzuräumen wäre.

Hustenreiz: Sehr wahr!

Otti: Nette Demokratie.

Stechbein: Die Grundlagen seiner Wirtschaftsordnung darf ein pflichtbewußter Staat auch von einer Wählermehrheit nie und nimmer antasten lassen.

Speicherer: Vortrefflich!

Stechbein: Wer aber war es, der die Staatsnotwendigkeit sogleich zielsicher erkannte und mit würdiger Festigkeit den gordischen Knoten zerhieb?

Selters: Unser Präsident Wimmerzahn.

Stechbein: Sie sagen es. Präsident Wimmerzahn rief auf zur Sammlung aller Wohlgesinnten und zögerte nicht, die verfassungsmäßigen Machtmittel anzuwenden, welche ihm bei Gefahr in Verzug in die Hand gegeben sind, um gegen eine entartete Parlamentsmehrheit den gesunden Menschenverstand zum Siege zu führen. ( Beifall)

Steinbott: Wozu haben wir eigentlich gewählt, möchte ich wissen.

Hantke: Das hättet ihr euch vor der Wahl fragen sollen.

Stechbein: Indem so der Präsident die Stimmen nicht zählte, sondern wog, setzte er das Wetteramt und namentlich die Personalreferentin, Fräulein Ministerialrätin Dr. Tankhafen, in die Lage, überall den rechten Mann an den rechten Platz zu stellen und die hohen Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik den Erfordernissen des Vaterlandes und der Parteien anzupassen. Konnten wir heute am Geburtstage des verehrten Präsidenten, gleich den albischen Wesen in unserem Märchenspiel, die dräuendem Geister des Unwetters siegreich in die Flucht schlagen –

Otti: Oh Gott, wie sinnig!

Möhre: Himmlisch!

Stechbein: – so gebührt dem Geburtstagskinde selbst dafür der Dank! Glück, Segen, Gesundheit und langes Leben sei sein Lohn. Unser allverehrter Herr Staatspräsident – er lebe hoch ... hoch ... hoch!

Wimmerzahn: War sehr schön. Vollständig zutreffend. Jawohl, danke. Danke –

Otti: Für den Schöpfer des Ganzen, für die Arbeiter im Werk – nicht ein Wort.

Wolff: Der eine richtet die Schüssel an, der andre frißt sie leer!

Brunner: Klar – oder haben vielleicht die Brüder da, die das Kracheisen für uns locker halten, das Schießpulver erfunden?

Krampf: Ich bitte nun um allgemeine Aufmerksamkeit für Herrn Staatspräsidenten Wimmerzahn.

Rufe: Ah!

Ruhe!

Hornbriller: Silentium!

Wimmerzahn richtet sich langsam auf.

Niedermayer: Meinetwegen können die sich an unserem Kuchen sattfressen. Aber wenn es im Turm da für alle Zeiten bloß noch nach Parteiengunst und Börsenkursen gehn soll, dann kann der Tag kommen, wo ich mein eigenes Werk in die Luft sprenge.

Schutzmann: Ruhe da! Der Staatspräsident redet –

Annie: Aber nicht für uns.

Wimmerzahn: Es ist mir ein Herzensbedürfnis – jawohl, Ihnen allen meinen wärmsten Dank auszusprechen. Ja, wärmsten Dank also. Wenn ich heute meinen dreiundsiebzigsten Geburtstag – wie? Ach ja – den vierundsiebzigsten Geburtstag in seltener geistiger Frische zurückzulegen vermag, ja – so verdanke ich das ... verdanke ich also dem – der – dem – –

Stiefengrat: Dem Vaterlande!

Hustenreiz: Der Liebe des Volkes!

Biederhold: Gottes Hilfe!

Krachhahn: Dem Roggenbrot –

Wimmerzahn: – in erster Linie dem schönen Wetter, das mir in meinem schweren Amt – jawohl, die Gelegenheit gibt, von den Staatsgeschäften gewissermaßen auszuruhn. Ich wollte vielmehr sagen ... im Sonnenschein spazierenzugehen – jawohl. An dieser Stätte, wo das Wetter also im Dienste der Gesamtheit, der Gemeinschaft, ja –

Jenny: Der Gemeinheit –

Wimmerzahn: – wie ich sagen möchte, seine Weisungen empfängt, ist es mir also vergönnt, in verhältnismäßig jugendlicher Frische, nicht wahr ... und Rüstigkeit unter dem blauen Himmel des Wetteramtes gewissermaßen die Spitzen des Vaterlandes ja – um mich versammelt zu sehn. Eine Pflegestätte der Pflichttreue gewiß und der Gewissenhaftigkeit – möge denn unser herrliches Kulturwerk eben sozusagen auch fernerhin dem ganzen Volke als Vorbild einer, ich möchte sagen, moralischen Anstalt also voranleuchten. Gerührt von den vielen Beweisen, jawohl ... treuer Anhänglichkeit und, nicht wahr, erhebender Staatsgesinnung – erwidere ich gewissermaßen die dargebrachten Wünsche und das anmutige, ja eben – die sinnige Darbietung des schönen Märchens jawohl, Märchenspieles und spreche den Dank und die gewissermaßen vertrauensvolle Anerkennung des Vaterlandes aus – allen, denen es ... nun ja, obliegt, den Wetterdienst – also sozusagen den Belangen des ... ich möchte sagen: des Volksganzen eben einzuordnen. In diesem Sinne unser teures Vaterland ... also und natürlich, jawohl unser ... nun denn – treffliches Wetteramt: Hoch, hoch, hoch!

(setzt sich)

Die Terrasse, die Beamtenschaft und der Maskenzug stimmen in das Hoch ein.

Tankhafen und Hornbriller gehen auf Wimmerzahn zu.

Hornbriller: Akzeptieren Herr Präsident mit den Ovationen der enthusiasmierten Gratulanten auch unser Kompliment. Die labile Eloquenz Ihrer Rhetorik ist sans phrase exzeptionell.

Tankhafen: Es war eine wahrhaft staatsmännische Rede.

Wimmerzahn: Danke. Sehr aufmerksam. Jawohl, danke. Auch Ihr Stück sehr schön. Wirklich sehr reizend, gewiß ja.

Hornbriller: Eine pittoreske poetische Allegorie.

Wimmerzahn: Ganz richtig. Ja, sehr gut. Sie gehören der Kirchenpartei an – der Kirchenpartei, Fräulein Ministerialrätin, nicht wahr?

Tankhafen: Ich bin Sozialistin, Herr Präsident.

Wimmerzahn: Soso – Sozialistin, natürlich ... ja. Sehr ehrenwert, jawohl, sehr ehrenwert, wie Sie ihre Gesinnung in dem Stück eben sozusagen ... zu verbergen gewußt haben.

Tankhafen: Zu liebenswürdig, Herr Präsident. Aber wo dem Staatswohl gedient werden soll, dürfen Überzeugungen keine Rolle spielen.

Krampf: Der Herr Abgeordnete Biederhold macht den Vorschlag, nunmehr den Kirchgang folgen zu lassen. Wie denken Herr Präsident darüber?

Wimmerzahn: Kirchgang? Jawohl, Gottesdienst – verstehe. Gewiß doch.

Stechbein: Vielleicht will noch einer der Herren vorher ein Glas Bier trinken? Ich werde inzwischen das Notwendige anordnen.

Biederhold: Zu einem Gläschen hat es freilich Zeit. Aber dann gedenken wir unverweilt des Höchsten.

Rechts an der Kirche erscheint Schönbrod an der Spitze einer Bauernabordnung.

Schutzmann: Halt! Hier kommt keiner mehr durch.

Schönbrod: Wir gehn da durch! Daß Sie das man wissen.

Schutzmann: Es ist streng verboten, den Platz zu betreten.

Schönbrod: Das ist einerlei. So kriegen wir die nie wieder zusammen. Jetzt wird mit denen geredet.

Schutzmann: Keinen Schritt weiter, sag ich!

Hantke: Was ist denn da bei der Kirche los?

Niedermayer: Der alte Schönbrod – –

Polizeileutnant läuft hinzu.

Barde: Wirtschaft – Bier!

Paula: Bitte ...

Krachhahn: Mir auch – und einen Korn dazu.

Biederhold: Dann will ich mich doch ebenfalls stärken, liebes Fräulein.

Wachtel: Wollen Sie mir bitte einen Magenbitter bringen?

Paula: ( schreibt die Bestellung auf) Sofort! ( will gehn, sieht hinaus, geht an die Brüstung, bleibt gebannt stehen)

Barde: Wirds bald? – Was geht denn da hinten vor – –

Polizeileutnant: Zum letzten Mal: zurück!

Schönbrod: Wir wollen durch. Ich steh für nichts – –

Jenny: Es wird ernst, glaub ich – –

Schönbrod: Weg da! Vorwärts – –

Polizeileutnant: ( faßt ihn an die Brust) Halt! ( gibt Pfeifensignal. Schutzleute kommen im Laufschritt heran)

Berta: Sie wollen den Schulzen verhaften.

Krachhahn: Scheint Klamauk zu geben da drüben.

Paula läuft mit rascher Kehrtwendung ins Lokal.

Polizeileutnant: Nehmen Sie den Alten fest! ( Schutzleute stürzen sich auf Schönbrod)

Niedermayer: Wir müssen ihm helfen – –

Otti: Die Latte runter!

Die Sperre wird durchbrochen. Alle laufen auf die Polizisten zu. Getümmel.

Speicherer: Das sieht ja ordentlich gefährlich aus da.

Möhre: Das werden wohl wieder Betrunkene sein.

Krachhahn: Genügend Polizei ist ja da. Brauchen uns nicht stören zu lassen.

Paula kommt zurück, Tablett ohne Getränke in der Hand. Blickt angestrengt hinaus.

Barde: Was heißt denn das? Bekommen wir nicht endlich unser Bier?

Paula: ( schmeißt ihr Tablett zwischen die Abgeordneten) Holt euch euer Gesöff selber!

( stürzt hinunter dem Gedränge zu)

Tankhafen: Das ist ja unbeschreiblich!

Hornbriller: Man scheint aggressive Tendenzen zu haben.

Blödel: Ja, die Trunksucht – die leidige Trunksucht.

Polizeileutnant: Zurück! Die Schutzleute werden von der Masse bedrängt, fangen an zu weichen. Pistolen heraus!

Niedermayer: Begehen Sie keine Unbesonnenheiten, Mensch!

Otti: Der ganze Platz ist voll von Unbeteiligten.

Polizeileutnant: Gehen Sie aus dem Wege.

Niedermayer: Herr Polizeileutnant – ich bin der Wetterrat Niedermayer.

Polizeileutnant: ( stutzt) Gut. Ich werde den Staatssekretär anfragen, ob ich die Leute durchlassen soll.

( spricht leise mit einem Schutzmann, der zur Terrasse läuft)

Schönbrod: Dann wollen wir den Augenblick noch zuwarten.

Die Masse bleibt in drohender Haltung stehen.

Schutzmann: ( vor der Terrasse) Der Herr Leutnant läßt bitten, von der Schußwaffe Gebrauch machen zu lassen.

Barde: Na, selbstredend.

Krampf: Geschossen soll werden? Dagegen würden immerhin Bedenken angemeldet werden können.

Hustenreiz: Vor übereilten Schritten möchte ich doch warnen.

Krachhahn: Keine Schwäche vor dem Gesindel.

Möhre: Daß es nur nicht grade zum Geburtstag Tote gibt!

Stiefengrat: Ohne weiteres scharf schießen – wäre ja noch schöner!

Wachtel: Ach Gott! Schüsse können meine Darmnerven nicht aushalten.

Stechbein: Die ganze schöne Feier wird uns verdorben.

Blödel: Wenn ich mich nicht irre, ist da an der Spitze der weißbärtige Unruhestifter von der Jubelfeier.

Tankhafen: Sie sind alle dabei. Natürlich auch das rothaarige Frauenzimmer. Ich habe sie eben deutlich erkannt.

Schutzmann: Soll denn nun geschossen werden?

Speicherer: Soll doch der Herr Staatspräsident selbst entscheiden. Ach so, er schläft.

Tankhafen: Um Gotteswillen – da läuft ja eine Fee mitten über den Platz.

Hornbriller: Das Terrain müßte vor der Offensive sondiert werden, damit keine Passanten blessiert werden.

Selters: Der Herr Regierungsassessor sollte mit den Leuten verhandeln.

Biederhold: Vor allem, damit uns der Weg zur Kirche nicht versperrt wird.

Hornbriller: Disponieren Sie also, ob Sie mich als Parlamentär zu den Demonstranten delegieren wollen.

Krampf: Widerspruch erhebt sich nicht.

Tankhafen: Ich will lieber mitgehen ...

Krachhahn: Ein Dolmetscher wird nötig sein.

Schutzmann mit Hornbriller und Tankhafen begeben sich zur Polizeikette.

Hornbriller: Ich kann es nur als Infamie charakteresieren, inmitten der Gratulationscour Tumulte zu inszenieren.

Schönbrod: Was wollen Sie hier? Wir wollen mit dem Minister sprechen.

Hornbriller: Ich bin als Mandatar der Regierung designiert. Decouvrieren Sie ihre Querelen.

Niedermayer: Unter vorgehaltenen Pistolen verhandeln wir nicht.

Tankhafen: Herr Polizeileutnant, lassen Sie die Waffen wegstecken. Der Herr Staatspräsident wünscht an seinem Geburtstag keine Leichen.

Polizeileutnant: Dann lehne ich jede Verantwortung ab.

Hornbriller: Wer ist der spiritus rector dieser Manifestation?

Schönbrod: Mit Ihnen haben wir nichts zu schaffen. Hundertmal haben wir nach einem von den Herren gefragt. Ja, Husten! Wenn die Geheimräte oder Generäle vorfahren, dann springen sie alle. Heute sollen sie mal hören, was der Bauer denkt.

Niedermayer: Die Abordnung muß unbedingt vorgelassen werden. Werktätige, Erwerbslose, brotlos gemachte Landarbeiter fordern täglich Gehör bei denen, die sie zugrunde richten. Entschließungen gegen das Wetter werden massenhaft an das Wetteramt, an den Landtag, an die Regierung gesandt –

Otti: – und gar nicht gelesen.

Niedermayer: Zu uns kommen sie dann und klagen. Aber wir müssen ja die Befehle des Amtes ausführen, so blödsinnig und verbrecherisch sie sind.

Hornbriller: Herr Diplomingenieur – Sie wählen despektierliche Vokabeln. Ich bin konsterniert, Sie als Advokaten für diese Revolteure plädieren zu hören.

Tankhafen: Ihr Auftreten hat natürlich die fristlose Entlassung zur Folge.

Fischer: Dann schmeißen Sie nur alle raus.

Tankhafen: Wer an diesem Aufruhr teilnimmt, kann sich als entlassen betrachten.

Allgemeines Gelächter.

Otti: Morgen stellen Sie sich wohl an die Maschinen!

Tankhafen: Kein Mensch ist unersetzlich.

Paula: Sie bei ihrem Stechbein gewiß nicht.

Annie: Der will mit jeder schmieren.

Tankhafen: Elende!

Hornbriller: Auf der Basis ordinärer Insinuationen können wir nicht diskutieren.

Schönbrod: Wir haben Ihr Geschnack auch längst satt. Sollen wir zu den Herren hin oder nicht?

Tankhafen: Das kann gar nicht in Betracht kommen.

Hornbriller : Ein kompletter Nonsense.

Schönbrod: Also los, Kinnings!

Lärm. Die Schutzleute werden abgedrängt. Die Masse dringt vor.

Hornbriller: Herr Polizeileutnant, kommandieren Sie doch zur Attacke!

Polizeileutnant: Wenn ich nicht schießen lassen kann, geht mich die ganze Geschichte nichts mehr an. Antreten! Links um – marsch!

Die Polizei marschiert ab.

Die Menge geht mit dem Ausdruck verhaltener Entschlossenheit bis etwa zur Leiter. Die Beamten neben der Terrasse drücken sich nach rückwärts, viele verschwinden. Vereinzelte Masken schwirren ängstlich umher.

Stechbein: Was soll das bedeuten?

Steinbott: Oh, wir wollen auch bloß ein bißchen was abhaben von der Geburtstagsfeier.

Wimmerzahn: Wollen gewiß gratulieren kommen, die guten Leute, natürlich. Ja – danke. Dankeschön!

Blödel: Aber es ist offener Aufstand, Herr Präsident!

Wimmerzahn: Aufstand? Nicht möglich, Herr Minister Blödel. Sehr gut, Aufstand. Nein doch – sehr gut.

Stiefengrat: Warum geschieht denn nichts zur Abwehr? Werde mal selber – ( geht hinunter) Wer wagt hier, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen? Unerhört Frechheit! Ich befehle – –

Wolff: Hanswurst! ( gibt ihm eine Ohrfeige)

Stiefengrat: ( taumelt rückwärts) Das mir! Herr Staatspräsident, verhängen Sie augenblicklich das Standrecht!

Wachtel: Entsetzlich! Fräulein ... ach Gott, wo ist denn das Fräulein? Den Schlüssel bitte! ( rennt suchend ins Lokal)

Schönbrod: ( ist auf die Leiter gestiegen) Ruhe mal!

Paula: Ruhe für Vater Schönbrod!

Stechbein: ( vor der Terrasse) Der Herr Ortsschulze wünscht sein Anliegen vorzutragen.

Biederhold: Läßt sich das nicht hinausschieben? Wir wollten doch gerade zum Gottesdienst aufbrechen.

Otti: Ihr Herrgott wird wohl in einer halben Stunde auch noch zu sprechen sein.

Schönbrod: Hätten Sie uns gleich vorgelassen und nicht die Polizei gegen uns gehetzt, dann hätten wir auch mit uns reden lassen. Jetzt reden wir ... wann und wie wir wollen. Das Maß ist voll!

Hantke: Ja, das Maß ist voll.

Schönbrod: Ihr Präsident soll das selber hören.

Peters : Der schläft ja –

Schönbrod: – auch gut. Ich wollte bloß sagen: als der auf die Welt kam vor vierundsiebzig Jahren, da hab ich hier in meinem Heimatdorf das Vieh gehütet. Hier bin ich Knecht gewesen und Großknecht und Bauer geworden, und das ist über dreißig Jahre her, daß sie mich zum Schulzen gewählt haben. Ich weiß hier Bescheid. Denn ein Dorfschulze ist kein Bonze, wie man das wohl nennt. Der karrt seinen Mist auf den Acker wie alle. Das ist kein leichtes Brot, und dazumal konnten sie das Wetter noch nicht selber machen. Mal gab es zuviel Naß für die Kartoffeln, dann verhagelte mal der Hafer – oder daß die Hitze zu doll war und immer bloß Sonne so wie jetzt – und eh daß wir heuen und ernten konnten, war alles verbrannt. Das kam immer mal vor, aber im allgemeinen war Verlaß auf die Natur, und wir wußten doch, wann Frühling und Herbst war und Sommer und Winter. Bloß nach dem großen Krieg ist der Himmel ja wohl selber verrückt geworden. Hatten sie nun mit all dem Knallen die Stratosphäre oder wie das Ding heißt durcheinander gefuhrwerkt – oder kommt das von dem Radio, wo sie um die ganze Erde mit rumfunken? Ich weiß das nicht. Na, zu Niedermayer seiner Erfindung war es jedenfalls allemal hohe Zeit, und da hatten wir ja das Glück, daß wir den Turm hierher kriegten. Die paar Jahre, wo der hier das Wetter bestellt hat mit der roten Otti und Peilmeister Peters und allen anderen, und wir das alles zusammen in der Genossenschaft besprachen, und daß auch anderswo immer die rechte Zeit war – das waren die schönsten Jahre in meinem langen Leben. Nicht eine Mißernte! Nein, der Boden gab dreimal mehr her, und im ganzen Land haben sie fremde Früchte angebaut, die sonst wohl bloß da wachsen, wo der Doktor seine Sprache her hat. ( Heiterkeit)

Na – und danach haben sie uns ja die Kirche hergesetzt und die Terrasse da und den Steinbaukasten und den ganzen Kram, und das Werk haben sie von der Gemeinde weggerissen, wenn ihnen das auch man nur schwach geglückt ist, denn zusammenstehn tun wir doch, das sehn Sie ja. Aber unserm Niedermayer haben Sie sein eigenes Werk aus den Fingern gespielt, und er muß mit ansehen, wie hier die Regierungsräte und Parteisekretäre umspringen und das ganze Pack, das da mit Zylinderhüten rumsteht und sich weiß Gott was einbildet auf Dummheit und Niedertracht.

Krampf: So dürfen Sie aber nicht von ehrenwerten Beamten sprechen.

Schönbrod: Ich sprech wie mir der Schnabel gewachsen ist. Und die ehrenwerten Beamten? Wie sieht es denn auf unsern Feldern aus? Zur Aussaat eine Sandwüste, und zur Erntezeit ein Schwimmbad! So im ganzen Land. Was waren das hier für frohe Menschen! Und jetzt? Die Genossenschaft kann keinen Auftrag mehr weggeben. Die Männer arbeitslos, und die Frauen schleichen rum und wissen nicht, wie sie ne Suppe auf den Tisch bringen sollen. Und die Kinder haben Hunger und die englische Krankheit. Das hat nun lange genug gedauert. Wem niemand helfen will, muß sich selber helfen. Sonst ist ihm nicht mehr zu helfen.

Jenny: Selbsthilfe! Ja –

Wolff: – aber nicht wieder bis wer weiß was warten!

Stechbein: Drohungen verfangen nicht. Nennen Sie ihre Forderungen. Das Wetteramt wird sich nicht unzugänglich zeigen.

Schönbrod: Bis jetzt hat das Wetteramt seine gepolsterten Kanzleitüren noch nie für uns aufgemacht. Und nun wollen Sie wissen, was wir verlangen. Das will ich Ihnen sagen: Die Leute, die das Werk geschaffen haben, sollen auch im Werk zu sagen haben. Der Turm muß an das Volk zurück, und wie das Wetter wird, bestimmen wir selber. Der Staatssekretär mit allen Schüsselfressern, mit allen Nichtstuern und Antreibern und Klugscheißern, die nichts gelernt haben außer Papier vollschmieren, Feste feiern und den Armen die Haut von den Knochen ziehn – die gehen allesamt dahin zurück, wo sie hergekommen sind. Die Genossenschaft wird wieder in alle Rechte eingesetzt, und morgen früh ist Herr Niedermayer Leiter der ganzen Anlagen und läßt endlich den Regen fallen, den unsere Äcker und das Vieh braucht!

Steigt herunter von der Leiter. Viele schütteln ihm die Hand.

Hantke: Jetzt müssen wir aber dahinter stehen. Genossen, ich bin Landarbeiter, und das da sollen die Herrschaften sich merken: unter uns hier ist nicht einer, Bauer oder Arbeiter, Mann oder Frau, der nicht wüßte, was er zu tun hat, wenn es hier nicht sofort anders wird.

Speicherer: Das ist ja allerhand.

Stechbein: Sie wollen uns doch nicht im Ernst zumuten, daß wir die uns aufgrund der Verfassung anvertrauten Ämter einfach im Stich lassen!

Otti: Gerade das muten wir Ihnen zu. Und zwar sofort!

Hornbriller: Ein rabiates, auf den Vulgäreffekt spekulierendes Ultimatum.

Möhre: Wie Menschen nur so undankbar sein können!

Hustenreiz: Die Bewegung zeigt, daß das Wetteramt unter eine andere Leitung gehört.

Rufe:

Hoch Niedermayer!
Nieder mit dem Wetteramt!
Nieder mit der Regierung!

Niedermayer: Der Staatssekretär hat sich auf die demokratische Verfassung bezogen. Die Demokratie gilt für die herrschende Macht grade so lange, wie sie ihr nützt. Die Partei, die eben die demokratische Mehrheit hat, ist, weil die Arbeiter sie gewählt haben, einfach von jeder Mitbestimmung ausgeschlossen worden. An diesen Methoden ändern wir nichts, wenn wir den demokratischen Einrichtungen andere Leiter geben. Die Staatsämter sind nur dazu da, Bonzen zu ernähren, und das Wetteramt hat gewiß keine edleren Aufgaben. Wir brauchen keinen Ersatz für den Staatssekretär Stechbein und die Ministerialrätin Dr. Tankhafen. Ein Chaffeur auf dem Bock macht aus einer Eselsfuhre noch kein Automobil. Weg mit der ganzen Bescherung! Weg mit der Kuponschere von unserer Arbeit –

Rufe: Nieder!

Weg damit!

Niedermayer: Wo ein Amt waltet, hat das Leben keinen Atem. Bürolampen schaffen keinen Sonnenschein. Aus Tintenfässern fließt kein Regen, der es auf den Äckern wachsen läßt. Von Aktenbergen steigt kein frischer Wind zum Himmel. Unsere Hand hat die Wettermaschinen entworfen, unsere Hand stellt ihre Hebel. Aber Bürokratie und politischer Schacher haben ihr Handschellen angelegt, und so ist aus dem Segen für die Menschheit ein Fluch geworden. Wir wollten die Fruchtbarkeit des Bodens vervielfachen um der Freiheit des Volkes willen, Sie aber schänden das Werk und lassen die Erde verdorren, um des Wuchers willen, um dem Volk das Brot, den Kindern die Milch zu stehlen. Wir haben gewarnt, aber man wollte nicht hören. Wir haben gefordert, aber man hat uns die Tür gewiesen. Zum ersten Male stehen wir heute den Spitzen des Staates und der Wetterbehörde Auge in Auge gegenüber. Wir mußten den Zugang zu ihnen gewaltsam erzwingen. Und nun frage ich die Regierung: wollen Sie, die Sie hier nicht zur Arbeit versammelt sind, sondern zu einer Geburtstagsfeier – wollen Sie gutwillig dem Volke zurückgeben, was dem Volke gehört? Wollen Sie widerstandslos das Werk, das Sie nicht geschaffen haben und das Sie nicht braucht, verlassen, damit es die Zwecke erfüllen kann, für die es bestimmt ist und die fern von Ihren Zwecken und Gedanken sind? Wollen Sie ohne zu feilschen und bedingungslos den Platz räumen, der Ihnen nicht gebührt und den Sie ohne die Hilfe von Geld- und Waffenmacht niemals hätten besetzen können? Die Bauern und Arbeiter hier sind die wahren Besitzer dieser Anlagen, sie sind die Träger der Genossenschaft, der Sie die Früchte ernster und freudiger Arbeit geraubt haben. Diese Arbeiter und Bauern sind entschlossen, heute das ihrige zurückzunehmen. Ihre Geduld ist zuende. Ihr Ingrimm dagegen groß! Jetzt kennen Sie unsere Forderungen – entscheiden Sie sich!

Hornbriller: Ein Nonplusultra der Arroganz.

Hustenreiz: Wir müssen uns doch wenigsten beraten können.

Niedermayer: Wenn es sehr schnell geht – bitte. Aber wir spaßen nicht!

Krampf: Wir unterbrechen demzufolge die Geburtstagsordnung und treten in die Aussprache ein.

Die Demonstranten verteilen sich in losen Gruppen über den Platz.

Selters: Eingedenk der bedrohlichen Lage werden wir gezwungenermaßen einlenken müssen.

Speicherer: Es kommt in diesem Augenblick nur auf eins an: Zeit gewinnen!

Möhre : Vielleicht können wir sie bis nach dem Kirchgang hinhalten.

Stechbein: Den Schein unserer Autorität müssen wir um jeden Preis wahren.

Hornbriller: Ein prekäres Problem. Durch blamable Konzessionen könnte sich die Regierung irreparabel diskreditieren.

Stiefengrat: Man muß die Unbotmäßigen zu Paaren treiben!

Hornbriller: Die Statuierung eines Exempels wäre allerdings ein Risiko. Ein Desaster wäre eine Katastrophe von gar nicht taxierbaren Dimensionen.

Stiefengrat: Mit der Krapüle verhandelt man nicht.

Hustenreiz : Exzellenz – ich bin immerhin Sozialist!

Barde: ( hüstelnd) Auch ich möchte darauf hinweisen, daß mich das Programm meiner Partei zu einer gewissen Arbeiterfreundlichkeit verpflichtet.

Krachhahn: Wenn allerdings die Geschichte schon so steht, dann werden wir ja wohl zunächst mit dem Zuckerbrot kommen müssen. Wie wärs denn, wenn der Herr Staatssekretär oder meinetwegen der Minister selbst erklären würde, daß morgen ein Ministerrat die Angelegenheit in besonderer Sitzung beschnarchen wird?

Tankhafen: Der Herr Abgeordnete von Krachhahn täuscht sich über den Ernst der Lage. Die Leute sind viel zu gereizt, als daß sie ohne Zusagen auseinander gehen würden.

Stechbein: Ich kann doch aber nicht hier auf dem Festplatz ohne weiteres das Wetteramt auflösen und die Beamten, die sich gerade zum Kirchgang rüsten, mit ihrer Entlassung konfrontieren.

Hornbriller: Eine groteske Idee: die Administration solle stante pede in corpore sans facon demissionieren. Direkt ridikül!

Biederhold: Wenn der Herr Minister für Ruhe, Ordnung und Sicherheit dazu bereit wäre, so glaube ich, wird es am zweckdienlichsten sein, er gäbe namens des Staatspräsidenten – wir brauchen ihn dazu nicht im Schlummer zu stören – die Erklärung ab, die Staatsregierung werde morgen zusammentreten und die Forderungen in wohlwollende Erwägung ziehen. Er kann dabei nötigenfalls gleich zusichern, daß von Massenregelungen Abstand genommen werden soll.

Selters: Ausgezeichnet! Das ist ein in jeder Hinsicht befriedigender Vorschlag.

Speicherer: Natürlich. So geben wir nichts aus der Hand und gewinnen Zeit.

Hustenreiz: Würdige Festigkeit gepaart mit weiser Mäßigung.

Hornbriller: Und im Effekt mit eminenter Psychologie auf die Massenmentalität ausbalanziert.

Blödel: Der Herr Staatssekretär wird mir wohl bei dem schweren Gang zur Seite stehen.

Krampf: Wenn sich kein Widerspruch erhebt –

Stiefengrat: Elende Krebserei! Ich telefoniere nach Truppen – – ( ab)

Blödel und Stechbein treten vor die Terrasse. Die Menge sammelt sich.

Wolff: Genossen – aufpassen!

Brunner: Letztes Auftreten der Wetterborner Komiker –

Stechbein: Der Herr Minister für Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Herr Doktor Blödel, wünscht im Namen des Herrn Staatspräsidenten –

Paula: – der schläft ja.

Stechbein: – sowie der Regierung eine Erklärung abzugeben.

Steinbott: Man zu!

Blödel: Die Staatsregierung als die Sachwalterin und Vertraute des ganzen Volkes –

Jenny: So seht ihr aus!

Blödel: – ist von jeher von dem Bestreben erfüllt, berechtigten Wünschen desselben weittunlichst Rechnung zu tragen. Sie verschließt sich daher keineswegs der Erwägung, daß das bei der gegenwärtigen freudigen Veranlassung zutage getretene Mißvergnügen einiger ortsansässiger Personen –

Hantke: Aller!

Blödel: – sowie eines Teiles der technischen Belegschaft des Wetterturmes –

Fischer: Der ganzen Belegschaft!

Blödel: – in gewisser Hinsicht vielleicht nicht vollständig jeder Begründung entbehren mag.

Otti: Zu gütig.

Blödel: Es ist daher in gemeinsamer Beratung mit der Leitung des Wetteramtes und den Vertretern sämtlicher staatsbejahender Landtagsparteien von dem Herrn Staatspräsidenten das folgende angeordnet worden: am morgigen Tage bereits tritt der Ministerrat unter Vorsitz des Herrn Staatspräsidenten und unter Hinzuziehung aller in Betracht kommenden Behörden und Wirtschaftsvertretungen zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen –, ( Gelächter) um eingehend zu den hier vorgebrachten Anregungen Stellung zu nehmen. ( verstärktes Gelächter und Pfiffe) Ich will gleich bemerken, daß die Regierung gewillt ist, nicht nur Ihre Wünsche in wohlwollende Erwägung zu ziehen – ( stürmisches Gelächter. Großer Lärm) sondern auch von Massenregelungen wegen der Zusammenrottung hier in hochherziger Weise Abstand zu nehmen.

( brausendes Gelächter)

Niedermayer: Ist das alles?

Stechbein: Das ist wohl ein Höchstmaß an Entgegenkommen.

Wendet sich mit Blödel zur Terrasse zurück.

Niedermayer: Otti, Du weißt Bescheid. Peters, Fischer – marsch!

Niedermayer, Peters und Fischer im Laufschritt in den Turm.

Stechbein: Diese Menschen sind anscheinend noch immer nicht zufrieden.

Blödel: Unbegreiflich!

Wolff: Jetzt rauf zur Terrasse –

Steinbott: Holt die Sensen –

Berta: Zündet die Bude an –

Hantke: Ruhig Blut! Nicht jeder einzeln vorgehen. Was geschieht, müssen wir gemeinsam machen.

Lebhafte Auseinandersetzungen.

Otti: Vater Schönbrod – auf ein Wort bitte. ( spricht leise mit ihm)

Tankhafen: Es scheint leider noch keine Beruhigung eingetreten zu sein.

Wachtel: ( aus dem Innern des Lokals kommend) Und keine Bedienung. Ich habe schon die Herrentoilette benutzen müssen.

Hustenreiz: Was sollen wir tun? Ich fürchte das Schlimmste.

Krachhahn: Quatsch! Bloß nicht die Nerven verlieren.

Hornbriller: Contennance!

Möhre: Wir wollen lieber beten.

Biederhold: Gottvertrauen! Das ist das Gebot der Stunde.

Otti: Kommt mal näher, Genossen! Hört zu ... dichter heran, die brauchen nicht zuzuhören.

Annie: Kommt doch! Hört, was Otti sagt. ( Getuschel)

Speicherer: Die sind ja so still geworden?

Stechbein: Sie beraten. Dann ist noch nichts verloren.

Hornbriller: Ein Symptom, daß sie deroutiert sind.

Blödel: So hat die Erklärung doch nicht ihre Wirkung verfehlt.

Stiefengrat: ( kommt wütend aus dem Lokal) Sauwirtschaft! Die Leitung ist kaputt. Ich kriege keine Verbindung mit den militärischen Stellen.

Otti: Genossen – nehmt euch zusammen! Jetzt keine Gewalt. Es wird alles recht werden.

Jenny: Wir dürfen ihnen doch keine Zeit lassen, nach Soldaten zu telefonieren.

Paula: Das können sie gar nicht. Ich habe die Leitung durchgeschnitten.

Schönbrod: Das war nicht dumm von dir, lütte Paula.

Otti: Laßt mich mal mit ihnen anstellen, was ich will.

Steinbott: Wir haben doch jetzt mit denen nichts mehr zu bereden.

Schönbrod: Wenn ihr meint, ihr müßt nun zuerst hinlaufen und Feuer legen, eh ihr euch bloß gefragt habt, wo Niedermayer hin ist, dann will ich euch nicht abhalten. Aber wenn ihr auf mich hören wollt, dann sag ich euch: laßt die rote Otti man machen. Ich steh dafür, daß das nicht zu eurem Schaden ist.

Hantke: Wir wollen es mal Otti überlassen. Nachher können wir noch immer tun, was wir wollen.

Otti: ( zur Terrasse gewandt) Wenn die Herrschaften noch zur Kirche wollen, Sie werden in keiner Weise gestört werden.

Jenny: Otti? Was fällt dir ein!

Wolff: Jetzt ist die übergeschnappt –

Stechbein: Allerdings – eine überraschende Wende.

Tankhafen: Sie hat Angst bekommen um ihre Stellung.

Berta: Sie will noch mehr sagen. Begreift ihr das?

Hantke: Sie wird schon wissen, was sie will.

Wolff: Sie hat uns sowenig zu sagen ... wie sonst jemand!

Schönbrod: Ich wiederhole: ich sag gut für Otti. Aber ihr dürft keinen Mucks tun. Was sie auch sagt – wundern könnt ihr euch im Stillen.

Steinbott: Da kann ich nicht klug draus werden –

Jenny: Ich auch nicht.

Paula: Weil ihr Schafsköpfe seid. Oder meint ihr, die Hampelmänner da wären klüger als wir?

Annie : Jetzt versteh ich. Weil sie uns für so dumm genommen haben, sind sie es selber.

Brunner: Jetzt soll Otti aber die Hampelmänner strampeln lassen.

Otti: Meine Freunde haben mich beauftragt, sie wegen ihres unpassenden Betragens um Entschuldigung zu bitten.

Speicherer: Hört, hört!

Otti: Niemand konnte natürlich erwarten, daß die Regierung sofort zu den in der ersten Aufregung gestellten überspannten Forderungen Ja und Amen sagen würde. Umso mehr sind wir beschämt und gerührt, daß der Herr Minister ein so großes Verständnis für die Bitten der Belegschaft und der Bevölkerung gezeigt hat. Daß unsere Wünsche von der Regierung in wohlwollende Erwägung gezogen werden sollen, ja ... daß dabei sogar von Massenregelungen abgesehen werden soll, ist mehr als wir erwarten konnten, vielleicht mehr als wir verdient haben. Man darf nichts Unmögliches fordern, und wir erkennen die höhere Einsicht der vom Vertrauen des ganzen Volkes getragenen Führer unseres Vaterlandes dankbar und ehrfurchtsvoll an und werden uns freudig und gehorsam in alle ihre Entscheidungen fügen.

Krachhahn: Sieh mal an!

Biederhold: Welche Wendung durch Gottes Fügung!

Hantke: Ob sie das nicht merken werden?

Brunner: Keine Bange. Butter und Schmeichelei müssen dick aufgetragen werden.

Otti: Wir hätten noch eine Bitte: auch wir möchten nicht länger zurückstehen und unsere Verehrung für den weisen Staatslenker, Herrn Staatspräsidenten Wimmerzahn an seinem Geburtstag –

Wimmerzahn: ( wacht auf) Wie bitte? Ach ja – das Fräulein sagt ein Gedicht auf. Ja, sehr schön. Wirklich poetisch. Danke, liebes Fräulein. Danke recht schön.

Otti: – durch den Vortrag eines Liedchens zum Ausdruck bringen. Wenn wir dürfen?

Blödel: Aber gewiß, gutes Kind. Wir freuen uns sehr darauf.

Otti: Jugendchor – antreten.

Tankhafen: Lassen Sie sich umarmen, Fräulein Jungbleib. Es soll alles vergeben und vergessen sein.

Otti beginnt den Chor zu ordnen.

Paula: ( sich die Seiten haltend) Sowas Komisches hab ich noch nie erlebt, Otti –

Otti: Ihr seid mir also nicht böse?

Steinbott: Ich kann bloß nicht sehen, wo das hinaus soll.

Schönbrod: Wenn das nicht zum Guten hinausgeht – könnt ihr heut abend Otti und mich mit dem Dreschflegel totschlagen.

Stechbein: So glücklich und reibungslos hätte ich mir den Ausgang selbst nicht erhofft.

Hornbriller: Eine höchst loyale Deklaration. Alles allright.

Hustenreiz: Aber die Ministererratssitzung morgen ist zugesagt und muß stattfinden. Die Regierung wird dabei unbedingt eine Lösung finden müssen, die ein Einlenken in der Richtung der vorgebrachten Forderungen mindestens andeutet.

Krachhahn: Wir sollen dem Geschmeiß wohl auf Staatskosten Speckklösse in den Rachen stopfen?

Selters: Als Aufsichtsratsmitglied muß ich auf jeden Fall Wert darauf legen, daß die etwas leichfertig erweckten Hoffnungen der Leute nicht etwa auf Kosten der Pfandbriefinhaber erfüllt werden.

Speicherer: Im Gegenteil müssen bei einer Änderung in der Verwaltung die Belange der Wirtschaft noch stärker berücksichtigt werden als bisher.

Tankhafen: Wir dürfen die begrüßenswerte Wandlung in der Stimmung dieser unberechenbaren Menschen nicht leichtfertig wieder aufs Spiel setzen. Vielleicht empfiehlt sich sogar eine unverbindliche Fühlungsnahme mit den Unversöhnlichen.

Stechbein: Hätten wir sie gleich heute mit zur Feier zugezogen, so wären uns die unliebsamen Auftritte wahrscheinlich erspart geblieben.

Krampf: Aber der Herr Abgeordnete Widerborst hätte sicherlich wieder durch gröblich die Ordnung verletzende Reden dem Geist der Verfassung zuwidergehandelt.

Hornbriller: Der Minister hat sich in seiner modifizierten Dialektik so rundum salviert, daß von einer kategorischen Obligation der Regierung zur Realisierung der fundamentalen Reorganisation des Wetteramtes nur cum grano salis die Rede sein kann. Die dilatorische Behandlung des Projektes wird die Emotionen der moussierenden Volkspsyche peu-a-peu wieder zur Subordination bringen. Man muß die Courage zur Unpopularität haben:

Barde: ( erhebt sich) Meine Damen und Herren – die Ereignisse des heutigen Tages zwingen zu durchgreifenden Entschlüssen –

Biederhold: Wo will denn das hinaus?

Barde: – es waren Volksgenossen, die die Notlage des Vaterlandes hier vor uns zum Ausdruck gebracht haben. Die Arbeiter-Rassenpartei erblickt in dem Vorgang den Auftakt zur nationalen Revolution, und sie versteht den Ruf, der damit aus den Tiefen an sie als die Retterin des Volkes ergeht. Die Erneuerung des Staates muß erfolgen an Haupt und Gliedern. Wir fordern daher unverzüglich die Abdankung der Regierung, die Auflösung des Landtags, die Entjudung des Vaterlandes und die Brechung der Zinsknechtschaft. Vom morgigen Tage an liegt die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt in den Händen unseres großen Führers Kajetan Teutsch. Das Wetteramt wird sofort allen landfremden Einflüssen entzogen. Um eine den völkischen Belangen gemäße judenreine Wetterbildung zu gewährleisten, übernehme ich selbst die Leitung und gelobe, daß ich die Gestaltung des Wetters von nun an voll und ganz den Anforderungen der Vaterlandsverteidigung anpassen werde. Heil!

Stiefengrat: Das ist der Weg zur Rettung.

Krachhahn: Ohne Zweifel der beste Weg.

Speicherer: Jedenfalls ein gangbarer Weg.

Selters : Die Beschreitung dieses Weges wird von einer Befragung des Aufsichtsrates über die Rückwirkungen auf die Kurse der Wetterpapiere abhängig zu machen sein.

Biederhold: Die Kirchenpartei wird sich alle Wege offenhalten.

Hustenreiz: Der verfassungsmäßige Weg darf keinesfalls verlassen werden.

Blödel: Der Regierung wird es obliegen, zu prüfen, ob der Weg der Diktatur mit der in der Verfassung festgelegten Demokratie in Einklang steht.

Stechbein: Die eingearbeitete Verwaltung des Wetteramtes würde jedenfalls die Geschäfte zunächst weiterführen. Einen anderen Weg, die Pensionsansprüche festzustellen, sehe ich nicht.

Tankhafen: Wenn wir uns vom Wege des Rechts entfernen, ist eine Erschütterung der Verfassung unausbleiblich.

Wachtel: Ich bin durch alle die Erschütterungen in einer schrecklichen Verfassung und vollständig erschöpft.

Krampf: Damit wäre die Rednerliste ebenfalls erschöpft –

Möhre : Ob wir nicht den Herrn Staatspräsidenten wecken sollten?

Otti marschiert mit dem Jugendchor auf.

Otti: Also das Lied der Jugend. Aber nicht lachen beim Singen.

Möhre: Herr Präsident! ( rüttelt ihn)

Wimmerzahn: Ja so. Also nächste Woche wieder warm und trocken. Einverstanden. Jawohl.

Tankhafen: Herr Präsident – erwachen Sie doch!

Chor:

Erwache, Jugend, es dämmert der Tag.
Steh auf und führ deinen ersten Hammerschlag.
Schlag kräftig an des Zeitenturms Tor –
Auf, auf! Die Jugend drängt vor.

Und will Verwesung sperren dir den Turm,
erzwing, o Jugend, den Zugang dir im Sturm.
Entwinde den Gespenstern ihren Schatz –
Voran! Die Jugend will den Platz.

Was braucht denn jeden Tag Sonne zu sein,
es fahr auch einmal ein Donnerwetter drein!
Das Leben wächst. Es sterbe, was zerfällt –
Der Jugend Zukunft und Welt!

Betroffene Gesichter. Einsetzender Beifall verstummt sofort. Otti führt den Chor hinter die Leiter, wo er mit Händeklatschen begrüßt wird.

Hustenreiz: Das war ein sonderbares Lied.

Krachhahn: Haarsträubendes Zeug.

Tankhafen: So etwas mit Jugendlichen einzuüben!

Biederhold: Wahrlich, es sind traurige Zeiten des sittlichen Niederganges.

Möhre: Ich hab ja nicht alles verstanden, aber ich fand es empörend.

Selters: Verglichen mit Ihrem allerliebsten Märchenspiel ...

Hornbriller: Inkommensurable Qualitäten! In Ihrem Opus humorvolle Symbolik – hier ein typisches. Tendenzelaborat dilettierender Amateure.

Stechbein: Was macht denn das Windrad da für Bewegungen?

Alle sehn hinauf: Der Schwanzflügel des Windrades, der bisher unbewegt nach rechts stand, ist in starke Bewegung geraten, schleudert das Rad eine Zeitlang hin und her und bleibt endlich, in die entgegengesetzte Richtung zeigend, stehen. Die Radscheibe gerät mit zunehmender Geschwindigkeit in Drehung.

Otti: Das Windrad – seht doch!

Hantke: Und die Windrose!

Der Zeiger der Windrose schwankt heftig, dreht sich mehrmals um das ganze Blatt, wendet sich schließlich nach unten.

Steinbott: Es gibt Regen, Kinder!

Berta: Und Wind! Da zieht es sich schon zusammen –

Schönbrod: Das wird am Ende noch mehr als Regen und Wind.

Jenny: Wo ist eigentlich Niedermayer?

Annie: Mit Peters und Fischer im Turm. Sie machen Wetter!

Otti: Habt ihr endlich begriffen?

Wachtel: Ich weiß nicht – auf einmal zieht es so ...

Der Himmel überzieht sich mit dunklen Wolken.

Biederhold: Es wird Zeit, zur Kirche aufzubrechen.

Barde : Das dritte Reich einzusegnen.

Wetterleuchten.

Möhre: Allmächtiger! Es gibt ein Gewitter.

Stechbein: Das ist undenkbar. Die Apparate sind doch für zehn Tage auf Fortbestand der wolkenlosen Witterung eingestellt.

Hornbriller: Funktionieren denn diese sensitiven Apparate auch mit garantiert exakter Präzision?

Stechbein: Unbedingt! Wo ist der Peilmeister?

Pfeifender Wind. Die Szene verdunkelt sich etwas. Die noch herumstehenden Beamten und Zuschauer ziehen sich mit Zeichen der Unruhe zurück.

Tankhafen: Da kommt ja der Wetterrat mit dem Peilmeister und dem Monteur aus dem Turm.

Hustenreiz: Dann erklärt sich alles.

Hornbriller: Sabotage! Obstruktion!

Biederhold: Was treibt denn die Menge da?

Die Masse bewegt sich drohend auf die Terrasse zu. Das Licht wird schwächer.

Möhre : Sie kommen ja auf uns zu! Polizei – –

Hornbriller: Terror! Man muß Militär requirieren – –

Stiefengrat: Wir sind machtlos. Sie haben das Telefon abgeschnitten!

Biederhold: Ich gehe ein stilles Gebet verrichten. ( ab)

Fortgesetztes Blitzen, Ferner Donner. Verstärkter Wind. Die Masse rückt näher.

Niedermayer: ( tritt vor die Terrasse) Beeilen Sie sich, wenn Sie gesund nach Hause wollen.

Donnerschlag.

Wachtel: Mein Magen kann kein Gewitter vertragen. Stellen Sie doch das Wetter um!

Wimmerzahn: ( aufwachend) Sehr unruhig, heute Nacht. Wirklich recht unruhig.

Krampf: Herr Präsident, kommen Sie rasch zum Auto. Die Sitzung ist aufgehoben. Herr Präsident – bitte!

Krampf und Blödel fassen Wimmerzahn unter die Arme und führen ihn ins Lokal. Die Terrasse entleert sich schnell.

Möhre: Wo ist Regierungsassessor Hornbriller?

Tankhafen: Wo ist Staatssekretär Stechbein?

Die Dunkelheit nimmt zu.

Stiefengrat: Hätte ich nur Soldaten! Euch wollte ich schon helfen –

Schönbrod: Und wenn Sie alle Kanonen der Welt hätten – ( zeigt zum Himmel) vor unserem Geschütz ist das man ein Spielzeug.

Greller Blitz und krachender Donner. Stiefengrat schlotternd ab. Stechbein und Tankhafen erscheinen an der Brüstung.

Tankhafen: Freunde, hört! Wir haben eine wichtige Botschaft. Die Regierung bewilligt alle Ihre Forderungen. Sie stellt sich voll und ganz auf den Boden der gegebenen Tatsachen – –

Schallendes Gelächter, das sich in einen heranbrausenden Windstoß mischt und die beiden wegzufegen droht.

Barde: ( tritt mit Faschistengruß an die Brüstung der Terrasse) Volksgenossen! Die Arbeiter-Rassenpartei erhebt mit euch das Banner der Revolution! Auch wir sind Arbeiter –

Paula: Mit Bügelfalten!

Barde: Wir übernehmen die Führung im Lande. Hiermit rufe ich Kajetan Teutsch zum Diktator aus!

Brunner: Soll herkommen – wenn er gern am Windrad baumeln will!

Ein Windstoß dreht Barde um und befördert ihn durch die Tür ins Lokal.

Schönbrod: Präsidenten und Regierungen und Parlamente und wie das Teufelszeug all heißt – alle wollen man bloß dem Volke helfen, und nun sollen wir das auch noch dem Kerl glauben, der uns allein vom hohen Pferd runter kommandieren will.

Niedermayer: Das Wetter muß gleich hier sein. Auch für uns wird es Zeit.

Schönwetterchen tritt weinend auf.

Schönwetterchen: Ich kann Sonnenscheinchen nicht finden.

Berta: Was fehlt dir denn, Lütting?

Schönwetterchen: Ich bin doch Schönwetterchen. Ich bin bei Sonnenscheinchen zu Besuch.

Peters: Oh weh! Sonnenscheinchen ist weg, und Schönwetterchen hat sich verlaufen. Was machen wir da?

Paula: Komm mit. Wenn Sausewindchen und Gewitterchen weg sind, gehen wir zusammen Sonnenscheinchen suchen.

Die Bühne ist nur noch schwach beleuchtet. Wind und Regen peitschen heftiger. Alle verlassen die Szene.

Fischer: ( im Abgehen) Wer wird wohl morgen der erste sein, der sich den Arbeitern und Bauern anschmieren will?

Otti: ( im Abgehen) Alle Macht den Räten!

In der Ferne jubelnde Stimmen, die sich in Donner und Sturm verlieren.
Es wird noch dunkler, das Wetter lärmender. Stechbein und Tankhafen tasten sich von der Terrasse her über die Bühne.

Stechbein: Nur schnell unter Dach. Der Sturm fegt uns sonst weg.

Tankhafen: Wohin, mein Theodor? Es ist schwarz rundum, und das Amt wird vom Feinde besetzt sein. Der Boden wankt unter mir. Ach, Geliebter!

Stechbein: Hinweg, Henriette! Auf festerem Grund will ich Fuß fassen. Die Revolution ist sieghaft. Deine Partei hat das Volk verraten. Noch morgen vollziehe ich meinen Eintritt in die Partei der Unversöhnlichen. Leb wohl, Henriette!

Tankhafen: Wehe, wehe! ( aus der Ferne) Theodor! ( beide verschwinden)

Wachtel: ( läuft über die Bühne) Der Leib der Erde kracht. Kein Fleckchen mehr, wohin ich mich verkriechen kann. Oh, meine Not! Ich Unselige – ( verschwindet)

Möhre und Hornbriller irren miteinander über die Bühne.

Möhre: Schnell, schnell – mein Geliebter! Das Wetter verschlingt uns.

Hornbriller: Inferno! Die Vehemenz des Orkans demoliert die Etablissements ... lasciate ogni speranza!

Möhre: Gräßlich! Entsetzlich! Ach, mein Norbert ... wirst Du ewig bei mir bleiben?

Hornbriller: Abstruse Illusion! Sauve qui peut – adieu, Malvine!

Möhre: Wehe, wehe! ( aus der Ferne) Norbert! ( beide verschwinden)

Völlige Finsternis. Tosender Lärm von Sturm, Hagel und Gewitter. Scheiben klirren, Gebälk kracht. Der Vorhang bleibt offen. Der Lärm wird schwächer, hört auf. Es dämmert. Schnelles Hellwerden entschleiert das vierte Bild.


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