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1. Bild

Von Buden, Karussells, Jahrmarktständen umrahmter, freier, etwas hügeliger Platz vor dem Wetterturm, der mit dem danebenstehenden Windrad die Mitte des Hintergrundes einnimmt. Ein in modernster Architektur ausgeführter, fensterloser, massiver Turm, an dessen Vorderseite eine große Windrose mit Zeiger angebracht ist. Das Windrad, dessen Schwanzflügel schräg zur Bühne steht und dessen Gerüst die gleiche Höhe hat wie der Turm, dreht sich anfangs ziemlich langsam, bleibt bald stehen. Zwischen Turm und Rad zu beiden Seiten ist breiter Raum. Man sieht im Hintergrund dörfliche Dächer, Bäume und Feld.

Rechts vorn die Schießbude von Berta. Dahinter der Wurststand von Steinbott, links etwas in die Szene hineinragend die Luftschaukel von Wolff. Unmittelbar hinter dem Windrad ein großes Zeltdach, das als Bierzelt kenntlich ist. Vor den Buden rechts stehen im Gespräch Berta, Frau in den Vierzigern, Wolff, Steinbott, Paula, junges Bauernmädchen, das im Bierzelt bedient. Brunner und Hantke kommen auf die Gruppe zu.

Berta: Regen gibts heute nicht? Wie?

Brunner: Das kommt aufs Wetter an.

Steinbott: Die Genossenschaft arbeitet?

Hantke: Die Regierung hat ja Feiertag gewünscht.

Steinbott: Dann wird wohl auch das Wetter schön bleiben.

Paula: Niedermayer wird doch nicht das ganze Fest verderben?

Hantke: Das glaub ich nicht, daß der viel danach fragt. Uns Landarbeitern kann man wohl mal einen Tag schenken, und die Ziegelei kann auch mal Sonntag machen. Aber das Wetter geht so weiter, wie es festgesetzt ist.

Berta: Wenn es regnet, kann ich meine Schießbude einfach zumachen.

Wolff: Hätten alle Leute Luftschaukeln, dann wäre jeden Tag Sonnenschein.

Hantke: War Niedermayer noch nicht hier?

Paula: Er muß im Turm sein. Die rote Otti ist schon früh runter.

Berta: Es war ihr gar nicht recht, aber sie soll mit dem Jugendchor den Festzug hierauf begleiten.

Brunner: Die hohe Obrigkeit will immer Zirkus haben. Aber andere sollen ihn machen.

Paula: Otti hat es doch bloß getan, weil ja auch das Volksfest ist und nachmittags der ganze Ort herkommt.

Wolff: Dann wird es jedenfalls schön bleiben heute.

Steinbott: Von mir aus kann es den Bonzen ins Maul regnen. Die haben noch nie gefragt, ob bei uns zuhaus das Dach dichthält oder ob es uns in die Betten tropft.

Brunner: Dir schadet es sowieso nicht. Warme Würstchen schmecken am besten, wenn vom Himmel Dreck fällt.

Aus dem Turm kommen Arbeiter und Arbeiterinnen, darunter Peilmeister Peters, Monteur Fischer, Jenny, Buchhalterin, etwa 30 Jahre, und Annie, junge Arbeiterin. Die Mehrzahl verteilt sich zwischen die Buden im Hintergrund. Einige stellen sich zu der Gruppe.

Wolff: Feierabend? Gleich morgens?

Fischer: Pause. Niedermayer sagt, die Paragraphenhengste, die nicht wissen, was arbeiten ist, brauchen uns nicht bei der Arbeit zu sehen.

Jenny: Sie müssen doch bald kommen.

Brunner: Sie bürsten erst ihre Zylinder.

Peters: Vielleicht springt für das Werk was raus.

Steinbott: Die gucken doch bloß, ob für sie was rausspringt.

Paula: Ich meine, für Niedermayer wird es viel Ehre geben.

Wolff: Was er sich dafür kauft!

Brunner: Ein Ständchen mit lauter falschen Tönen wirds geben.

Fischer: Denk mal, was sie ihm all die Jahre für Knüppel zwischen die Beine geschmissen haben, bis das Werk im Gang war.

Jenny: Bis die Franzosen sich dafür interessierten. Da rückten ein paar Millionäre das nötige Geld heraus.

Hantke: Die Wohltäter! Wir wissen Bescheid.

Peters: Wenn die Genossenschaft nicht wäre, hätten die Kerle aus dem Wetter längst ein Geschäft für Aktionäre gemacht.

Niedermayer kommt aus dem Turm mit kurzer Pfeife und Windjacke.

Annie: Fein, da kommt er.

Berta: Muß er sich denn nicht noch anziehen?

Annie: Das hat der doch nicht nötig.

Niedermayer: So, jetzt ein Glas Bier!

Paula: Ich hol eins, Herr Niedermayer. ( ab)

Niedermayer: War gute Arbeit heut nacht, was, Herr Peters?

Peters: Alles aufgenommen und gepeilt.

Niedermayer: Das Hoch von den Azoren kommt uns gut zupaß. ( blickt auf die Windrose und das Rad, das sich mit Unterbrechungen ganz langsam dreht)

Alles im Lot. Hat sich das Fräulein Otti nicht sehen lassen?

Steinbott: Die kommt ja mit dem Besuch.

Niedermayer: Richtig. Kann also nicht mehr lange wegbleiben, sie muß noch die Meldung von der Islandwarte abhören.

Fischer: Schön, Herr Niedermayer. ( Paula mit Bier)

Paula: Zum Wohl, Herr Niedermayer.

Niedermayer: Aller Wohl! ( trinkt) Daß der Rummel gnädig vorbeigeht.

Hantke : Im Volksblatt steht, die Regierung wollte heute einen Erlaß verkünden.

Niedermayer: Ich fürchte, sie wollen uns eine Behörde vor die Nase setzen.

Jenny: Wozu denn? Die Genossenschaft hat doch immer genügt, um uns bei der Wetterbestimmung zu beraten.

Fischer : Gerade. Wenn es nicht klappte, hätten sie uns verrecken lassen und gesagt, der Staat hätte ja gleich dagegengestanden. Jetzt ist alles zufrieden, jetzt besinnen sie sich auf einmal auf die Grundsteinlegung und möchten die Wetterbildung womöglich den Parteibonzen übergeben.

Brunner: Was die fingern, davon wird nicht Tag und nicht Nacht.

Niedermayer: Mir steht dieses von oben gewünschte Fest bis zum Halse. Mir ist die Arbeit im Turm jeden Tag von neuem eine Feier. Plötzlich will die Regierung mitfeiern. Das ganze ist nur eine Störung, hoffe ich. Und nichts Schlimmeres.

Peters: Ich sprach mit der roten Otti darüber. Die denkt genau so.

Annie: Wir alle, Herr Niedermayer, jeder Arbeiter und jedes Mädel im Turm.

In der Ferne Trommel und Pfeifen.

Berta: Sie kommen!

Hantke: Das dauert noch was, bis sie oben sind.

Steinbott: Ich will lieber gleich Feuer unter den Wurstkessel machen.

Die Ministerialrätin Dr. Tankhafen tritt mit Zeichen hastiger Erregung auf: mit äußerster Geschmacklosigkeit auf jugendlich hergerichtetes, welkendes Fräulein mit Kneifer, spitziger und bellender Sprache. Hinter ihr neugierige Dorfkinder.

Tankhafen: ( fuhrwerkt auf die Gruppe los) Aha, hier ist der Festplatz. Der berühmte Wetterturm ... so. Der ist ja nicht beflaggt! Wer ist hier verantwortlich?

Jenny: Suchen Sie jemanden?

Tankhafen: Ich sehe auch nirgends ein Rednerpult. Der Herr Minister braucht doch eine angemessene Erhöhung.

Brunner: Paula, roll ein Bierfaß her.

Wolff: Meine Luftschaukel wär auch eine ganz schöne Kanzel.

Niedermayer: Was wünschen Sie eigentlich und wer sind Sie überhaupt?

Tankhafen: Mit Ihnen habe ich nichts zu schaffen. Wo ist der Herr Diplomingenieur Niedermayer?

Niedermayer: Der bin ich.

Tankhafen: Sie? Aber die hohen Herrschaften sind ja schon auf dem Wege hierher.

Niedermayer: Bitte sehr.

Tankhafen: Sie werden sie doch nicht so empfangen wollen, im Arbeitskittel?

Niedermayer: Ich komme eben aus dem Maschinenhaus. Die Herrschaften wollen, denke ich, mein Werk besichtigen und nicht meinen Sonntagsrock.

Tankhafen: Es wird nicht den besten Eindruck machen.

Peters: Wollen Sie uns nicht gefälligst sagen, was Sie hier verloren haben?

Tankhafen: Ich verbitte mir diesen Ton! Mit welchem Recht stellen Sie Fragen an mich?

Peters: Ich bin der Peilmeister im Turm.

Tankhafen: Und ich bin Mitglied der Staatsregierung. Ministerialrätin Dr. Henriette Tankhafen vom Ministerium für Ruhe, Ordnung und Sicherheit.

Brunner: Ich hielt Sie für einen weiblichen Verkehrsschutzmann.

Tankhafen: Es erweist sich als recht gut, daß ich vorausgeeilt bin, um nach dem Rechten zu sehen. Kein Rednerpult – und nicht einmal eine Fahne auf dem Wetterturm.

Niedermayer: Der Turm ist für meteorologische Zwecke gebaut worden. An die Notwendigkeit, Fahnenstangen anzubringen, hatten wir nicht gedacht.

Tankhafen: Ließe sich nicht die Mühle da noch beflaggen?

Fischer: Das Windrad? Wollen Sie das ganze Werk stillegen?

Das Trommeln und Pfeifen wird wieder hörbar.

Tankhafen: Es ist höchste Zeit. Wo sollen sich denn die Redner hinstellen?

Annie: Geht es nicht von dem Hügel da? ( führt sie zu einer erhöhten Fläche vor dem Windrad)

Tankhafen: Das wird gehen! ( steigt hinauf, prüft) Verehrte Festversammlung ... ( die Kinder lachen) törichte Rangen, euch wird man noch zu gesitteten Menschen erziehen müssen.

Berta: Die möchte ich als Figur für meine Schießbude.

Hantke: Hat die Regierung sonst noch was zu bestellen?

Tankhafen: Die Bewölkung gefällt mir nicht. Läßt sich das nicht ändern? Sie haben doch das Telegramm von Geheimrat Stechbein erhalten, Herr Ingenieur?

Niedermayer: Hab ich bekommen.

Tankhafen: Da war doch wolkenlose Klarheit für den ganzen Tag erbeten?

Niedermayer: Der Wind weht, wie er wehen muß, und der Regen fällt, wie er fallen muß.

Tankhafen: Was soll das heißen?

Niedermayer: Um 12 Uhr und 7 Minuten setzt Sprühregen ein.

Tankhafen: Das ist unmöglich! Knipsen Sie sofort die Sonne an, Herr Peilmeister. ( steuert auf den Turm zu)

Fischer: ( stellt sich vor den Eingang) Bleiben Sie bei der Politik. Vom Wetter verstehen Sie nichts.

Brunner: Es ist kaum 11 Uhr. In einer Stunde können ein paar Minister und Abgeordnete mehr zusammenreden, als ein ganzes Volk bezahlen kann.

Tankhafen: Es ist empörend! Und kein Mensch hat einen Regenschirm bei sich ... ( stapft der jetzt nahe einsetzenden Musik entgegen)

Berta: Soll das Fest denn wirklich verregnen?

Niedermayer: Es dauert nur anderthalb Stunden. Das haben die Tomaten- und Gurkenzüchter zu verlangen. Nachher ist bis in die Nacht trockener Westwind.

Hantke : Der kleine Schauer wird uns wohl nicht weh tun.

Jenny: Wenn er uns die lieben Ehrengäste wegschwemmt, wirds erst ein Volksfest.

Wolff: Schade bloß, daß mir die Tankhafen als Kundschaft mit wegläuft. Die hätte ich gern mal in der Schaukel strampeln lassen.

Der Festzug tritt auf. Voran der Jugendchor, junge Männer und Mädchen aus dem Arbeiter- und Bauernstand, sonntäglich gekleidet. Am Flügel der ersten Reihe Otti Jungbleib, einfach und sehr kleidsam angezogen, dunkle Augen, rote Haare. Dr. Tankhafen, neben dem Zug herlaufend, spricht auf sie ein. Es folgt das Trommler- und Pfeiferchor, dessen Musik während des Aufmarsches alles andere übertönt. Hierauf die Regierungs- und Parlamentsmitglieder in loser Gruppe. Minister Dr. Blödel neben dem sozialistischen Abgeordneten Hustenreiz, einem dürren Schulmeister. Geheimrat Stechbein, etwa 50jähriger Lebemann, mit dem behäbigen Abgeordneten Pfarrer Biederhold von der Kirchenpartei und der Abgeordneten Frau Möhre von der christlichen Reformpartei, einer altmodisch aufgemachten Frömmlerin, deren Blicke fortwährend zum Regierungsassessor Dr. Hornbriller schweifen, der stark gestikulierend und mit der Aktentasche fuchtelnd auf den 80jährigen Dorfschulzen Schönbrod einspricht, dessen zerfurchtes Bauerngesicht gänzlich unbewegt bleibt. Er gibt nur manchmal mit einem Achselzucken zu verstehen, daß er kein Wort versteht. Der General von Stiefengrat in Uniform bildet mit dem Abgeordneten Krachhahn von der Grundbesitzerpartei und dem Abgeordneten Barde von der rassischen Erneuerungspartei eine Gruppe. Eine andere setzt sich zusammen aus dem liberalen Selters, dem Industriellen Speicherer und der Abgeordneten Frau Wachtel von der Hausfrauenpartei, einer rundlichen Dame, die etliche Tücher über dem Arm trägt, die sie fröstelnd immer wieder abwechselnd umlegt. Der Landtagspräsident Krampf läuft zwischen den Gruppen hin und her. Den Schluß des Zuges bildet ein Verein mit blauer Fahne, bestehend aus Kleinbürgern, Beamten, Kriegsveteranen und ähnlichen. Der Zug wird von Männern und Frauen aus dem Ort begleitet, teilweise in ländlicher Tracht. Besonders neben Schönbrod und Hornbriller gehen Dorfbewohner, die gespannt den Dorfschulzen beobachten.

Der Zug umschreitet den Festplatz. Auf ein Zeichen des Tambourmajors bricht die Musik, ab. Der Zug bleibt stehen und löst sich auf. Die Ehrengäste werden von Tankhafen zur Erhebung geleitet, die sich nun wie eine Art Feldherrnhügel ausnimmt. Die anderen Teilnehmer des Zuges zerstreuen sich im Hintergrund zwischen den Zelten. Niedermayer, Peters und Fischer gehen in den Turm. Die übrigen stehen in losen Gruppen in der Nähe der Wurstbude. Steinbott verteilt Würstchen unter sie – das Windrad ist in ziemlich rasche Bewegung übergegangen.

Tankhafen: ( vom Hügel herunter auf Otti zu, die links vorn den Jugendchor aufgestellt hat) Ich bringe es nicht fertig, es dem Herrn Minister mitzuteilen. Er wird außer sich sein. Sie sind doch aber die Gehilfin des Herrn Niedermayer. Haben Sie denn so wenig Einfluß, daß Sie nicht die Anordnung eines Regengusses an diesem Festtage entgegen dem ausdrücklichen Wunsche der Regierung hätten verhindern können?

Otti: Ich finde die Feldbestellung wichtiger als das Fest.

Tankhafen: Wenn Ihr Chor in der kurzen Zeit jetzt keine Gelegenheit findet, den Lenkern unseres Staates seine Künste vorzuführen, wird er ja wissen, bei wem er sich zu bedanken hat.

Otti: Annie!

Annie: ( kommt gelaufen) Ja, Otti?

Otti: Du bist Arbeiterin im Werk und singst und tanzt im Chor. Was tust Du lieber?

Annie: Das ist beides wunderschön.

Otti: Fräulein Ministerialrat meint, wenn ihr wegen des Regens heute mittag nicht mehr dazu kommt, vor den Geheimräten und Abgeordneten zu singen, würdet ihr auf Herrn Niedermayer böse sein.

Annie: Wir brauchen doch die Regierung nicht zum zuschauen, wenn wir uns freuen wollen.

Otti: ( zum Chor) Wollt ihr, daß ich Herrn Niedermayer bitte, er soll den Wetterkalender umstoßen, den wir mit der Gemeinde und den Genossenschaften zusammen aufgestellt haben, damit die Regierung euch tanzen sieht?

Alle: Nein!

Otti: Dann lauft jetzt auf dem Festplatz herum. Wenn wir noch gewünscht werden sollten, lasse ich Signal blasen.

Tankhafen: Hier scheint ja alles zusammenzuhalten.

Otti: Das ist allerdings richtig.

Hornbriller: ( kommt vom Hügel) Pardon, Fräulein Doktor, ich muß konstatieren, daß die Honoratioren peu a peu indigniert scheinen. Die Organisation hier ist ja total direktionslos. Wer ist überhaupt maitre de plaisir? Der senile Ortskommandant manifestiert sich als kompletter Abderite. Sein naives Desinteressement an der Festivität ist direkt katastrophal. Und der Jubilar fand es selbst nicht einmal opportun, die Honeurs zu machen.

Otti: Herr Niedermayer hat im Turm zu tun. Ihm geht die Pflicht über die Höflichkeit.

Tankhafen: Es bedarf keiner Belehrung, Fräulein. Ich bin selbst Sozialistin.

Otti: Da kommt er schon aus dem Turm. ( geht ihm entgegen)

Hornbriller: Wie – der Mann in dem legeren Habit? Der so nonchalant auf uns zukommt?

Tankhafen: Jawohl, der Mensch in der gelben Windjacke. Was sagen Sie dazu?

Hornbriller: Dieses saloppe Individuum – der Repräsentant des epochalen Mirakels? Tableau!

Tankhafen: Sie kommt mit ihm hierher.

Hornbriller: Tant mieux!

Niedermayer: ( auf dem Wege) Wenn Du dann die Meldung von Island aufgenommen hast, gib die letzten Sendungen zur Neufundlandstation weiter.

Otti: Hast Du neue Funksprüche oben?

Tankhafen: Sie duzen sich. Hören Sie?

Hornbriller: Ostentativ und coram publico. Es kann irrelevant sein.

Tankhafen: Es ist bezeichnend.

Niedermayer: Ostfriesland verlangt Südwind wegen der Versuche mit Kokospflanzen.

Otti: Haben die Lofoten Anweisung?

Niedermayer: Die Berichte über die letzten Peilungen im Golfstrom erwarte ich noch diese Woche.

Hornbriller: Pardon, Herr, wenn ich Sie aus dem Konzept bringe. Aber ließe sich ihr interessanter Dialog nach Absolvierung der pressanten Formalitäten fortsetzen? – Regierungsassessor Hornbriller!

Niedermayer: Angenehm. Ich heiße Niedermayer. ( flüchtiger Händedruck )

Tankhafen: Der Herr Regierungsassessor glaubt, Sie nun unverzüglich dem Herrn Minister und den übrigen Herrschaften vorstellen zu sollen.

Niedermayer: Kommt es denn auf meine Person an? Die Dame hat vorhin schon meine Kleidung bemängelt.

Hornbriller: Oh, man wird die originellen Usancen einer ingenieusen Individualität chevaleresk tolerieren.

Niedermayer: Zur Begrüßung ist doch als Vertreter der Gemeinde und der Genossenschaft der alte Herr Schönbrod bei den Herren.

Otti: Du wirst schon selbst hinaufgehen müssen. Laß dich wenigstens vorstellen. Ich sehe nach dem Rechten.

Niedermayer: Peters und Fischer sind ja im Turm.

Tankhafen: Die Zeit vergeht. Man kann nicht länger warten lassen.

Hornbriller: Also sans phrase, Herr Diplomingenieur. Allons! Exzellenz von Stiefengrat hält auf akkurate Präzision. Und wir dürfen auch die anderen illustren Persönlichkeiten nicht quasi antichambrieren lassen. Es wäre ja fast ein Affront.

Niedermayer: Ich verlasse mich auf dich, Otti, ( mit Hornbriller zum Hügel)

Krampf: Mit wem kommt denn da der Herr Regierungsassessor?

Stiefengrat: Wahrscheinlich ein Arbeiter, der unsere Befehle betreffs der Windrichtung entgegennehmen soll.

Frau Möhre: Eine wunderbare Errungenschaft mit Gottes Hilfe.

Stechbein : Ein Wunder der Technik!

Selters: Der menschliche Geist vollbringt immer Erstaunlicheres.

Speicherer: Wir leben im Zeitalter der Kultur und Zivilisation.

Blödel: Es ist das Zeitalter der Demokratie.

Hustenreiz: Und des sozialen Aufschwungs.

Krachhahn: Die nationalen Belange nicht zu vergessen!

Barde: Und die völkische Erneuerung.

Biederhold: Amen!

Hornbriller: ( bleibt mit Niedermayer unter der Anhöhe stehen) Herr Minister, Herr Landtagspräsident, verehrte deligierte Herren und Damen! Endlich ist es mir gelungen, den genialen Konstrukteur des atmosphärologischen Institutes zu eruieren. Hier präsentiere ich Ihnen ... Herrn Diplomingenieur Niedermayer.

Niedermayer: Guten Tag! ( allgemeine Verblüffung, vielsagende Blicke)

Krampf: ( geht auf ihn zu, die anderen folgen zögernd. Das Weitere spielt sich auf der Mitte der Bühne ab. Otti, die Budenbesitzer und Arbeiter ziehen sich in den Hintergrund der Buden zurück.)

Nach der parlamentarischen Ordnung heiße ich Sie in unserer Mitte willkommen. Wir verstehen, daß Ihnen die gesellschaftlichen Gebräuche bei festlichen Anlässen, zu denen die Parteien des Landtages ihre Vertreter entsenden, nicht geläufig sind.

Möhre: Aber das macht ja nicht viel aus.

Niedermayer: Achso, meine Kleidung! Das Wetterwerk erlaubt mir keine Feiertage.

Selters: Wir freuen uns trotzdem.

Blödel: Natürlich – sehr.

Stechbein: Außerordentlich!

Speicherer: Gewiß doch! Aber vielleicht übernimmt die mir vom Landtag zugedachte Begrüßung des Herrn doch einer der mehr dem Volkstümlichen zuneigenden Kollegen.

Krachhahn: Wen haben wir denn da?

Stiefengrat: Für solchen Fall wäre schließlich der Abgeordnete Hustenreiz der gegebene Mann.

Barde: Sehr richtig!

Krampf: Es erhebt sich kein Widerspruch? Dann darf ich Sie bitten, Herr Abgeordneter, sich als Beauftragten des Landtags zu betrachten.

Hustenreiz: Sehr ehrenvoll! Unvorbereiteterweise, verehrter Herr Diplomingenieur, entledige ich mich dennoch gern der Aufgabe, Ihnen im Namen der gesetzgebenden Körperschaften unseres Heimat- und Vaterlandes Gruß und Glückwunsch zu entbieten. Selbst durch das Vertrauen des werktätigen Volkes ins Parlament gewählt und von der sozialistischen Fraktion desselben heute zu ihrer Vertretung hierher entsandt, glaube ich mich umsomehr berufen, Ihnen an dem Tage, an welchem vor nunmehr 5 Jahren der Grundstein zu Ihrer umwälzenden Kulturschöpfung gelegt wurde, Dank und Anerkennung des ganzen wahlberechtigten Volkes zu übermitteln. Wie hoch unser republikanischer Freistaat Ihre Verdienste schätzt, bewies Ihnen die Regierung bereits vor Jahresfrist, als sie Ihnen, trotz mangelnder Vorbildung, auf Anregung des Vorstandes des Allgemeinen Gewerkschaftstrustes, den Titel eines Diplomingenieures unter Erlaß der Fachprüfung ehrenhalber verlieh. Sie, der den Menschen die Zügel in die Hand gab, um Wolken, Wind und Wellen zu lenken, stehen heute im schlichten Gewande der Arbeit vor den höchsten Vertretern der Nation. Der Herr Minister für Ruhe, Ordnung und Sicherheit selber ist herbeigeeilt, und mit ihm, unter Führung ihres Präsidenten, die Abgesandten des Landtages – –

Stiefengrat: ( hüstelt und rasselt mit dem Säbel)

Hustenreiz: – – auch ein hervorragender Führer unserer vaterländischen Wehrmacht ... hat es sich nicht nehmen lassen, an der Feier teilzunehmen. Wenn Sie selber auch den Sinn lediglich auf Nutz und Frommen ihrer arbeitenden Mitmenschen gerichtet, dem Empfang der Spitzen unseres Staates fernblieben und dem greisen Landmann hier ihre Begrüßung überließen, so denkt doch unsere Regierung, gebildet aus Parteien verschiedener Denkart – und auch wir Sozialisten sind in dieser Koalition vertreten – sozial genug, um Ihnen nicht zu grollen. Arbeit kann auch dann noch ehren, wenn sie die Anforderungen des Taktes einmal zu kurz kommen läßt. Ja, ungeachtet alles dessen beabsichtigt der Herr Minister Dr. Blödel heute noch eine besondere Überraschung – – –

Krampf: Ich möchte Sie doch bitten, Herr Kollege Hustenreiz, dem offiziellen Regierungsakt nicht vorzugreifen. Ihre Aufgabe erstreckt sich allein darauf, dem Herrn Jubilar die vorläufigen Empfindungen der Ehrengäste zum Ausdruck zu bringen. Dies ist wohl in Ihren Darlegungen mit allgemeiner Zustimmung geschehen, so daß Sie nun gütigst zum Schluß kommen wollen und die Jubelfeier alsdann ohne Verzug abgerollt werden kann.

Stechbein: Sehr wahr!

Hustenreiz: So spreche ich Ihnen denn, verehrter Herr Diplomingenieur, noch einmal die hohe Genugtuung des Hohen Hauses sowie der Hohen Regierung über den hohen Aufschwung aus, dem Sie ihrer hohen Kunst, das Wetter zu regeln, zu geben vermocht haben. Ich bitte Sie, mir zum Zeichen der innigen und unlösbaren Zusammengehörigkeit von Staat und Volk ihre schwielige Hand zu reichen.

Krampf: Der Händedruck ist erfolgt. Ich stelle das fest. Herr Regierungsassessor Dr. Hornbriller wird jetzt die Freundlichkeit haben, uns die Reihenfolge des vorgesehenen Festprogramms mitzuteilen.

Hornbriller: Das konstituierende Komitee, dem ich präsidiert habe, hat folgende provisorischen Dispositionen skizziert, für deren exakten Verlauf rasantes Tempo freilich conditio sine qua non wäre. Wir haben momentan – ( sieht angestrengt auf die Windrose) – die Konstruktion des Chronometers da irritiert mich – – –

Niedermayer: Das ist ein Windzeiger. Es ist jetzt 11 Uhr und 13 Minuten.

Hornbriller: Merci. Das Programm wird also präludiert durch ein Referat des Herrn Geheimrats Dr. Stechbein über die zivilisatorische und kulturelle Mission des atmosphärologischen Instituts. Hierauf werden die Herrn Abgeordneten Selters und Speicherer als Parlamentarier vom Metier die Konsequenzen einer eventuellen Nationalisierung der meteorologischen Etablissements für die Bilanz des Etats sowie die Chancen für die merkantilen respektive finanztechnischen-privatökonomischen Interessen ausbalancieren. Dann ein patriotischer Appell Seiner Exzellenz, des Herrn Deligierten des Militärministeriums, General von Stiefengrat. Als Clou des rhetorischen Programms erteilt hierauf der Chef der Institute, unser Jubilar in Person, prinzipielle Informationen über die funktionellen Prämissen der atmosphärologischen Phänomene.

Niedermayer: Das kann ich nicht.

Hornbriller: Sie brauchen nur in vulgären Explikationen in nuce einen authentischen Kommentar zu geben.

Niedermayer: Ich bin kein Redner.

Hornbriller: Ultra posse nemo obligatur! Auf oratorische Rekorde reflektiert niemand. Eventuell dozieren Sie die Details später bei der Inspektion der maschinellen und administrativen Installationen des Institutes und des Laboratoriums. Davon können wir den prädestinierten Mentor, den Inspirator und Organisator der Revolutionierung des Kosmos, eo ipso nicht dispensieren. Es folgt die Produktion der gesangsartistischen und choreographischen Piecen des lokalen Jugendchors unter dem Arrengement der Assistentin des Herrn Diplomingenieurs, Mademoiselle Ottilie Jungbleib ... und als Finale des opulenten Programms – last not least – die Regierungsdemarche, die der Herr Minister Blödel urbi et orbi proklamieren wird und die in der Initiative kulminiert, die Institution unter das Protektorat der Republik zu stellen. Ein Souper inklusive Fidelitas ist das happy end. Zur Retourfahrt sind Autos reserviert, auch steht auf der Station ein Extrazug parat.

Krampf: Ich danke Herrn Regierungsassessor Dr. Hornbriller für die lichtvolle Erläuterung des Tagesplans. Sind im Anschluß daran noch weitere Ausführungen oder Ergänzungen gewünscht?

Biederhold: Für diejenigen Festteilnehmer, welche das Jubiläum zum Anlaß nehmen möchten, den Segen des Allerhöchsten für das Vorhaben der Regierung zu erflehen, ist im Anschluß an die Besichtigung eine Weiheandacht dort hinter dem Würstchenzelt vorgemerkt.

Krachhahn: Selbstverständlich wird sich kein stubenreiner Mensch einem solchen Seelenbade entziehen. Aber bei der Vorführung der Anlagen im Turm, darf ich wohl ersuchen, daß Sie, Herr Direktor, vielleicht ein kurzes Gewitter einlegen werden.

Niedermayer: Das ist in wenigen Minuten nicht möglich.

Barde : Donnerwetter, warum haben Sie sich denn auf sowas nicht vorbereitet? Wir wollen doch sehen, wie der Zauber hier vor sich geht.

Stiefengrat : Die Armee legt den größten Wert darauf, Aufschluß zu erhalten, ob und in welcher Zeit im Ernstfalle für die Belange der obersten Heeresleitung ein Erdbeben oder eine Überschwemmungskatastrophe auf Anforderung geliefert werden können.

Niedermayer: Meine Arbeit hat nie anderen Aufgaben gegolten, als den Schäden, die die gemeinnützige Wirtschaft auf dem Lande und in den Städten durch ungünstige Witterung erleidet, durch die künstliche Beeinflussung des Wetters abzuhelfen.

Speicherer: Dann sind also die eigentlichen Nutzaufgaben des Unternehmens noch nicht einmal in Angriff genommen worden!

Wachtel: Ich hätte eine Bitte an den Herrn Diplomwettermacher: hier ist es so zugig. Ließe sich nicht der Ventilator dort abstellen?

Niedermayer: Das ist ein Windrad. Damit wird der elektrische Strom für den Wetterturm erzeugt.

Wachtel : Achso. Aber können Sie nicht ein bißchen Sonne durchlassen? Wissen Sie, ich bin so empfindlich mit meinem Magen.

Hustenreiz : Wahrscheinlich beabsichtigt unser Herr Gastgeber eine plötzliche Überraschung. Das Gewölk, das in der Tat augenblicklich den Himmel trübt, wird bald mit einem einzigen Hebelgriff verschwunden sein

Niedermayer: Sie verkennen den Zweck – – –

Tankhafen: ( plötzlich dazwischentretend) Worauf warten Sie eigentlich? In einer halben Stunde ist der Regen da.

Blödel: Regen? Wieso Regen?

Tankhafen: Sie wissen immer noch nichts? Der Herr Niedermayer und sein Fräulein Jungbleib haben es für richtig befunden, das Jubiläum des Wetterturms trotz telegrafischer Sonnenscheinbestellung verregnen zu lassen. Ich enthalte mich jedes eigenen Urteils über ein solches Verfahren.

Krampf: Im Namen des Ältestenrats des Landtages frage ich Sie, Herr Diplomingenieur, ist das wahr?

Niedermayer: Die mit den Bauern getroffenen Vereinbarungen müssen wir unter allen Umständen einhalten.

Krachhahn: Unglaublich!

Barde: Doll!

Stechbein: An die planmäßige Abwicklung des Programms ist demnach nicht zu denken?

Möhre: Das ist ja ganz furchtbar.

Hornbriller: Die eklatante Sabotage aller unserer Dispositionen!

Selters: Man muß sich an den Kopf fassen.

Hustenreiz: Herr Diplomingenieur Niedermayer, schämen Sie sich!

Wachtel: Jetzt zieht es wirklich ganz entsetzlich. Das ist also Absicht? Pfui!

Speicherer : Hier scheint allerhand im Argen zu liegen.

Krampf: Sie haben also die Selbstsucht einiger Bauern über den Volkswillen gestellt? Die Regierung und das Parlament nämlich sind die Träger des Volkswillens.

Niedermayer: Solange ich mit meinen Gehilfen und mit der Genossenschaft der Bauern und Arbeiter hier zu bestimmen habe – –

Krachhahn: Das muß jetzt auch die längste Zeit gedauert haben.

Stechbein: Es scheint allerdings notwendig, daß die Staatsgewalt nach dem Rechten sieht.

Möhre: Ich bin fassungslos. Was soll nur geschehen?

Biederhold: Mein Vorschlag geht dahin, daß wir nach Verrichtung eines stillen Gebets diese Stätte verlassen sollten.

Tankhafen: Schon um unserer Würde willen, dürfen wir uns nicht dem Unwetter aussetzen.

Wachtel: Und wegen der Erkältungsgefahr! Wenn man darmleidend ist ...

Blödel: Andererseits haben wir doch nach den Weisungen des Ministerrats zu verfahren. Ich muß mich unbedingt meines amtlichen Auftrags entledigen.

Hornbriller: Eine fatale Situation.

Hustenreiz: Zur Geschäftsordnung!

Krampf: Zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Hustenreiz!

Hustenreiz: Angesichts der tiefbedauerlichen Wendung, welche die Festveranstaltung bedroht, angesichts auch der vom Vertreter der Kirchenpartei, Herrn Abgeordneten Pfarrer Biederhold begründeten, von der Ministerialrätin Fräulein Dr. Tankhafen sowie der Vertreterin der Hausfrauenpartei, der Frau Abgeordneten Wachtel unterstützten Anregung, die ganze Feier kurzerhand abzubrechen, jedoch wiederum mit Rücksicht auf den vom Herrn Minister selbst erhobenen Einwand gegen diese Anregung, erlaube ich mir folgenden Vorschlag zu machen, den ich hiermit zum Antrag erhebe: der Herr Landtagspräsident wolle eine Unterbrechung der gegenwärtigen Erörterungen herbeiführen, damit in vertraulicher Beratung erneut zur Tagesordnung Stellung genommen werde beziehungsweise deren Neufestsetzung für die noch verbliebene Frist bis zum Inkrafttreten des Niedermayerschen Niederschlages in Betracht gezogen werden könne.

Krampf: Erhebt sich kein Widerspruch? Herr Regierungsassessor, bitte!

Hornbriller: Um die Explikationen des Herrn Abgeordneten Hustenreiz zu arrondieren, nicht um gegen sie zu polemisieren, appelliere ich an Ihre politische Intelligenz, weitere prekäre Eventualitäten a priori zu eliminieren. Wir stehen unter den Auspizien einer force majeur. Das unqualifizierbare Attentat auf die Souveränität der Regierung unter legislativen Instanzen konterkariert alle Intentionen des Programmkomitees. Akzeptieren Sie nun die Proposition Hustenreiz, so müssen implicite Garantien geschaffen werden, die neue Komplikationen coute que coute unmöglich machen. Affairen, wie die aktuelle, involvieren die latente Gefahr, im Status der Diskussion Temperamente explodieren zu lassen. Die Debatte über die res agenda gibt sub specie der illoyalen Methoden des Herrn Diplomingenieurs pessimistischen Prognosen Raum. Der Diskussion der Konferenz muß daher die absoluteste Diskretion garantiert werden. So delikat es sein mag, eine solche Resolution zu motivieren, muß ich es doch um unserer Reputation willen als inopportun charakteresieren, nach den passierten Antecedentien die Assistenz des Jubilars bei dem Konsilium zu koncedieren. Der interne Charakter und die relative Gefahr eines Publikwerdens der Kommissionsberatung zwingt mich zu der Proposition: die Spezialkonferenz möge ihre Exklusivität durch die expresse Deklaration evident machen, daß Funktionäre des atmosphärologischen Instituts an ihrer Diskussion generell nicht partizipieren sollen. Ein respektives formelles Votum bitte ich dem Antrag Hustenreiz als Amandement zu substituieren

Speicherer: Sehr vernünftig.

Barde: So ist es richtig. Das heißt deutsch gesprochen!

Stechbein: Weitere Auseinandersetzungen sind nach den überzeugenden Darlegungen der beiden Vorredner entbehrlich. Ermächtigen Sie den Herrn Präsidenten durch Zuruf, gemäß den Anträgen zu verfahren.

Biederhold: Einverstanden.

Krampf: Widerspruch wird nicht erhoben. Es ist indessen meine demokratische Pflicht, Herrn Diplomingenieur Niedermayer zu fragen, ob er selbst sich etwa zur Sache äußern will.

Stiefengrat: Das ist wohl eine übertriebene Langmut.

Niedermayer: Fürchten Sie nicht, daß ich mich Ihnen aufdrängen werde. Ich habe nur eine Erklärung abzugeben.

Selters: Hört, hört!

Niedermayer: Die Jubiläumsfeier ist von der Leitung des Wetterwerks weder angeregt noch mit ihrer Befragung in ihrem Verlauf vorbereitet worden. Der Regenfall heute ist nach Verständigung mit der Gemeindevertretung dieses Ortes auf ausdrückliches Verlangen des Allgemeinen Tomaten- und Gurkenzüchterverbandes festgesetzt. Die Veranstalter der Kundgebung hätten durch einfache Anfrage jederzeit Auskunft erhalten, welcher Tag für ihre Absichten die geeignetste Witterung aufweisen würde. Daß das unterblieb, fällt nicht mir zur Last. Der Wetterturm mit allen dazu gehörigen Anlagen gehört einer Genossenschaft werktätiger Bauern und Arbeiter, die mir das Vertrauen schenkt, mit selbstgewählten Hilfskräften nach freiem Ermessen das von mir erdachte und erschaffene Werk in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Von andern Stellen oder von obenher befohlene Sonderfeiertage kann ich in meinen Berechnungen nicht berücksichtigen. Es ist mir nur erwünscht, wenn Sie sich ihr neues Programm ebenso wie das vorige ohne meine Mitwirkung ausdenken wollen. Da der Ortsschulze, mein Freund Schönbrod, der auch Vorsitzender der Wettergenossenschaft ist, wohl nicht von ihrer Beratung ausgeschlossen wird, sind die Angelegenheiten des Werks und der Gemeinde auch ohne mich gut vertreten.

Tankhafen: So spricht nun ein Mann, dessen Name einmal in die Schullesebücher kommen sollte.

Möhre: Da sei Gott vor!

Blödel: Der Ton schien auch mir recht ungehörig zu sein.

Krampf: Gegen die Teilnahme des Herrn Ortsschulzen besteht wohl kein Widerspruch?

Schönbrod: Doch! In ihrem Konventikel oder wie Sie dazu sagen – wir auf dem Lande nennen das man einfach einen Verein – da wüßt ich nicht, was ich da reinzuschnabeln hätte. Ich bin all über 80, und das können Sie sich man sagen lassen: seit daß wir hier den Turm zu stehen haben, kriegen unsere Bauern Jahr für Jahr gute Ernten. Und die Arbeiter kriegen davon zu tun, und da sind wir mit zufrieden. Die letzten zwei Jahre haben wir von der Regierung keinen roten Heller mehr für die Gemeinde verlangt, bloß daß die Regierung von uns immer mehr Steuern und Abgaben verlangt. Das sag ich Ihnen, und wenn Sie noch so große Herrschaften sind, wenn Sie hier sonst nichts wollen, als Unfrieden machen und das Wetterwerk aus dem richtigen Gang bringen, dann hätten Sie man getrost zuhaus bleiben können.

Stiefengrat: Unglaublich!

Schönbrod: Bei uns, da bestimmen vorerst wir selber, das merken Sie sich man. Und wir, das heißt die Genossenschaft und die Gemeinde, wir stehen wie ein Mann zu unserem Freund Niedermayer und zu unserer roten Otti und zu Peilmeister Peters und der ganzen Belegschaft im Turm. Die wissen, was für die Bauern und Arbeiter nottut. Und Sie wissen das nicht, daß Sie das man wissen!

Speicherer: Das sind tatsächlich sehr bedenkliche Zustände hier.

Selters: Sie scheinen ja nicht einmal einen ordnungsmäßigen Aufsichtsrat zu haben.

Stechbein: Die Regierung wird sich um die Dinge kümmern müssen.

Speicherer: Sagen Sie, Herr Schulze, was schüttet denn ihre Genossenschaft eigentlich für eine Dividende aus?

Schönbrod: Da verstehe ich nichts von.

Niedermayer: Das Wesen der Genossenschaft beruht darauf, daß der Gesamtertrag des Werkes den arbeitenden Genossen selbst zugute kommt.

Selters: Das ist die reinste Anarchie!

Krachhahn: Da muß mit eisernem Besen zwischengefahren werden!

Hustenreiz: Wir wollen das, was Sie gesagt haben, nicht auf die Goldwaage legen, Herr Schönbrod. Sie sind ein alter Mann, andernfalls könnte eine solche Sprache vor den Spitzen des Staates und der Behörden in keiner Weise geduldet werden – –

Schönbrod: Das ist mir einerlei.

Hornbriller: Charmant, a la bonheur! Haben Sie denn keinen Respekt vor Autorität und Staatsräson?

Schönbrod: Sie gehen mich nichts an. Mich geht die Gemeinde und die Genossenschaft was an. Und was die angeht, geht Sie nichts an!

Stiefengrat: Mit solchen Hetzern im Hinterland sollen wir den nächsten Krieg gewinnen!

Biederhold: Möge der Allmächtige die Verblendeten auf den Weg der Demut geleiten.

Möhre: Wenn es nur nicht schon zu spät ist.

Tankhafen: Wir werden mit dem Alten noch so lange die Zeit vertrödeln, bis der Wolkenbruch uns hier wegspült.

Blödel : Ich muß unbedingt vorher den Auftrag der Regierung vollziehen.

Wachtel: Dabei zieht es immer gräßlicher.

Krampf: Wohin kann man sich denn eigentlich hier zurückziehen?

Schönbrod: Da treten Sie man einfach hinter eine Bude. Das machen wir alle so.

Krampf: Ich meine, wo die Beratung ungestört stattfinden kann ...

Niedermayer: Das Bierzelt steht hinter dem Windrad. Da stört Sie jetzt niemand.

Krampf: Dann bitte ich die Herren und Damen, mir zum Bierzelt zu folgen.

Krachhahn: Endlich ein Lichtblick!

Selters: Sie sollten vielleicht doch mitkommen, Herr Ortsvorsteher.

Stechbein: Ihre unpassenden Bemerkungen wollen wir gern ihren weißen Haaren zugute halten.

Schönbrod: Wo Niedermayer bleibt, bleib ich auch.

Tankhafen : Sie werden ihren Eigensinn noch einmal bereuen müssen.

Schönbrod: Denn man zu!

Die Regierungsvertreter und Parlamentarier setzen sich in Bewegung.

Wachtel: Wo ist denn das Zelt? Ach, dort. Gott sei Dank! ( eilt voraus)

Schönbrod und Niedermayer kommen in den Vordergrund und brechen gleichzeitig in lautes Gelächter aus. Die anderen verschwinden im Hintergrund. Als Letzte folgen Hornbriller mit Frau Möhre, und im Abstand Stechbein mit Tankhafen.

Tankhafen: ( laut) Hören Sie nur, Herr Geheimrat, sie wagen es noch, uns zu verhöhnen, ( leise) Theodor ...

Stechbein: ( laut) Es muß durchgegriffen werden. ( leise) Henriette ... ( er geht, sie am Hintern klopfend, mit ihr den anderen nach)

Möhre: ( laut) Ich hätte nicht geglaubt, daß die Landbevölkerung so verdorben wäre, ( leise) Norbert ...

Hornbriller: ( laut) Ihre Renitenz wird mit Repressalien quittiert werden. ( leise) Malvine ...

( er geht, sie am Hintern tätschelnd, mit ihr den anderen nach)

Niedermayer: ( legt die Hand um den Mund. Ruft in die Richtung hinter der Luftschaukel) Otti! Otti!

Otti: ( unsichtbar) Hallo! Was ist los?

Niedermayer: Komm doch her!

Otti: ( kommt zum Vorschein) Keiner mehr da? Wo sind sie denn alle geblieben?

Niedermayer: Die ganze Obrigkeit sitzt bei Paula im Bierzelt.

Otti: Unsinn!

Niedermayer: Ich durfte nicht mit, weil ich unartig war.

Schönbrod: Und ich hab ihnen den Buckel hingehalten.

Otti: Was heißt denn das?

Niedermayer: Die Tankhafen hat sie geängstigt, daß ihnen ihr wunderschönes Festprogramm verregnen würde.

Otti: Es gibt doch bloß Sprühregen, und nur kurze Zeit ...

Niedermayer : Das werde ich ihnen doch nicht sagen. Sie wollen uns den ganzen Tag versauen. Jetzt bauen sie ein neues Programm, das noch bei gutem Wetter runtergeleiert werden kann.

Otti: Dann müssen sie sich beeilen.

Niedermayer: Den Minister drückt die Regierungserklärung. Sonst wären sie schon wehklagend abgezogen. Jetzt werden sie wohl noch schnell die mir zugedachten Verbeugungen von der Tagesordnung streichen.

Otti: Meinen Chor brauche ich ihnen also auch nicht vorzuführen?

Schönbrod: Die freuen sich da doch nicht an. Das ist so schön, daß da bloß die armen Leute und die Kinder was von haben.

Otti: Eine ekelhafte Bande ist das. Nach dem Empfang unten haben die Zierden sämtlicher Parteien und Ministerien mit mir anzubandeln versucht. Je patriotischer einer war, umso deutlicher.

Niedermayer: Ich möchte mal hören, wie der Hornbriller eine Liebeserklärung macht. Der Kerl quasselt einen mit seinen ewigen Fremdwörtern vollkommen besoffen.

Otti: Sowas regiert uns.

Schönbrod: Haben ja den lieben langen Tag sonst nichts zu tun.

Niedermayer: Wenn sie nur ihre Finger von unserm Werk lassen wollten. Das Protektorat dieses Packs fürchte ich mehr als die Pest.

Schönbrod: Was sollten die riechen können, wenn sie die Nase darein stecken?

Niedermayer: Haben Sie nicht verstanden, was die Frage nach dem Aufsichtsrat und den Dividenden bedeuten sollte? Sie wollen für das Wetterwerk Gesetze machen, damit sie an der Börse – außer mit Giftgas – auch mit dem Barometerstand spekulieren können.

Schönbrod: Dann sollten sie es wohl mit der Gemeinde zu tun kriegen.

Annie: ( kommt zögernd vor, hinter ihr andere Jugendliche) Otti, was wird nun mit dem Chor? Sollen wir ins Dorf gehen und nachmittags wiederkommen, wenn der Besuch weg ist? Da ist ja keiner mehr ...

Otti: Sie kommen wieder. Ja, was machen wir denn jetzt?

Niedermayer: Fangt doch gleich an!

Otti: Aber sie können doch jeden Augenblick wieder hier sein.

Niedermayer: Laß sie doch. Wenn sie ihr Programm ohne uns machen, machen wir unser Programm ohne sie.

Otti: Du hast Recht. Ich lasse antreten. Komm, Annie.

Annie: Fein! ( Otti mit den Jugendlichen rasch ab)

Schönbrod: Die werden gucken!

Niedermayer: Bis die mit ihrer Beratung fertig sind, ist alles vorbei, womöglich auch schon der Regen. Dann hätten wir sie doch den ganzen Tag vom Halse.

Schönbrod: Wissen Sie, was ich meine? Ich meine, Sie sollten reden, auch wenn die das selber gar nicht mehr haben wollen.

Niedermayer : Was könnte ich denn groß sagen? Das will immer nur sich selber reden hören und weiß alles besser, am besten das, wovon es gar nichts weiß. Wie das Werk arbeitet, kann ich jedem einfachen Menschen erklären, aber nicht Leuten, deren geistige Tätigkeit sich in der Frage erschöpft: wie zieht man gemeinschaftlich dem Volk die Haut von den Knochen und betrügt sich dabei gegenseitig?!

Schönbrod: Lassen Sie man. Leicht zu begreifen ist ihr Turm für niemand.

Niedermayer: Natürlich nicht. Um zu verstehen, warum die Maschinen die Luftströme in weiter Entfernung beeinflussen, muß man etwas von Physik, Geographie und Astronomie wissen. Denken Sie, daß von den aufgeblasenen Verbotsfabrikanten ein einziger davon mehr Ahnung hätte als Sie? Oder irgendeine Kuhmelkerin aus dem Dorf?

Schönbrod: Das nicht. Aber wüßte unsereiner nicht vom Zusehen, daß im Turm Wetter gemacht wird, dann wär es für uns schwer, es zu glauben.

Niedermayer: Das stimmt. Die glauben an alles, wenn sie zugleich glauben können, daß es was einbringt. Weiter wollen sie auch von mir gar nichts erfahren. Aber Sie möchten mehr wissen, daher können Sie auch mehr begreifen.

Schönbrod: Ich will gern zuhören.

Niedermayer: Sehen Sie, die künstliche Wetterbildung ist so wenig etwas Unnatürliches wie die Ausnutzung der Sonnenkraft und der Elektrizität der Blitze, die längst gelungen ist. Ich habe mich gefragt, welche Kraft in der Natur selber am stärksten auf die Wetterbildung einwirkt. Das ist dieselbe Kraft, die Ebbe und Flut schafft, die Meereskraft, eine unerschöpfliche Energiemenge, die den ganzen Erdball umkreist.

Schönbrod: Das versteh ich.

Niedermayer: Sie haben vom Golfstrom gehört. Das ist der Wärmespender der Weltmeere. Gelang es, diese ungeheuere Wärmewelle in unsere Gewalt zu bekommen und zugleich die Meereskraft freizumachen, so war die Aufgabe gelöst. Das ist das Geheimnis des Turms, der als erster seiner Art freilich erst in beschränktem Umkreis uns die Atmosphäre gefügig macht.

Schönbrod: Können Sie außer Regen und Sonne noch jede andere Witterung mit der Maschine zuwege bringen? Der General wollte das ja wissen.

Niedermayer: Alle Wetter sind in unsre Hand gegeben.

Schönbrod: Alle Wetter! Da könnt einer schön was mit anrichten.

Niedermayer: Wir haben Wetterwarten in allen Weltgegenden, besonders auf den hohen Bergen. Die zeigen uns die natürlichen Wetterbildungen nach den Beobachtungen der Himmelserscheinungen und der Luftfeuchtigkeit an. Unsere Funkapparate und Peilvorrichtungen erlauben uns, den Wellen- und Windbewegungen nach unseren Wünschen die erforderliche Richtung zu geben.

Schönbrod: Wir auf dem Lande wissen, was das wert ist. Sowas zu erfinden!

Niedermayer: Das denken Sie sich. Die Behörden denken sich, daß man dazu nicht schnell genug einen Paragraphenschraubstock erfinden kann.

Trompetensignal. Der Platz füllt sich schnell. Steinbott aus seiner Bude vortretend.

Steinbott : Gehts los? Warme Würstchen!

Wolff: Nanu, der Hügel ist leer?

Berta: Feiern wir allein Jubiläum? Ist ja viel schöner.

Otti: Hört mal zu: unsere hohen Gönner sind böse, weil wir die liebe Sonne nicht den ganzen Tag auf ihre weisen Häupter scheinen lassen wollen. Jetzt beratschlagen sie beim Glase Bier, wie man im Regen Weihesprüche ableiern kann, ohne naß zu werden. Bis sie das entdeckt haben, wollen wir das Fest feiern, wie es uns gefällt. Einverstanden?

Viele: Ja. Anfangen ...

Otti: Also ... ( erneutes Signal. Schallmeienkapelle stellt sich auf) Seid ihr alle fertig?( ordnet die Reihen des Jugendchors)

Jenny: Vater Schönbrod muß sich auf den Hügel stellen.

Hantke: Niedermayer auch.

Niedermayer: Sollen wir Bonzen spielen?

Brunner: Nein, bloß Kegelkönige.

Schönbrod: Das geht ja noch. ( mit Niedermayer auf die Erhöhung)

Otti: Still jetzt! Kapellmeister ... ( Kapellmeister hebt den Taktstock. Musiker setzen die Instrumente an. Um das Windrad herum kommt in aufgeregter Eile Tankhafen)

Tankhafen: Was haben die Trompetensignale zu bedeuten? ( auf ein Zeichen des Kapellmeisters werden die Instrumente abgesetzt)

Brunner: Die wollen Ihnen bloß zum Frühschoppen aufspielen.

Otti: Wir haben uns mit dem Festprogramm selbständig gemacht.

Tankhafen: Das ist unverantwortlich. Wenn Sie auf mich hören wollen, kann noch alles gut werden.

Annie: Am besten wird es, wenn wir unter uns bleiben.

Niedermayer: Nicht ausfällig werden, bitte. Die Dame scheint uns eine Mitteilung machen zu wollen. Bitte sprechen Sie, Fräulein Ministerialrat.

Tankhafen: Sehr gütig. Die Besprechung dauert zwar noch an, aber Sie dürfen überzeugt sein, daß sie von durchaus versöhnlichem Geiste getragen ist. Herrn Geheimrat Stechbein ist es gelungen, den Herrn Minister zu verständnisvollem Entgegenkommen zu bewegen. Außer Herrn Abgeordneten Hustenreiz habe auch ich selbst für das allerdings recht unpassende Verhalten der Orts- und Werkleitung die Entschuldigung ins Feld geführt, daß den beiden Herrn im Verkehr mit den Spitzen unseres Staatswesens offenbar jede Erfahrung mangelt. So besteht nun erfreulicherweise die Geneigtheit, über das Geschehene den Mantel des Verzeihens zu breiten, und der Herr Minister ließ sich sogar dafür gewinnen, seine Genugtuung über das Gedeihen des Werkes in herzlicher Form zum Ausdruck zu bringen.

Steinbott: Und das alles ganz umsonst?

Tankhafen: Voraussetzung ist nur, daß Sie, Herr Diplomingenieur, auch ihrerseits einlenken und in letzter Minute das Wetter doch noch dem festlichen Anlaß entsprechend aufhellen werden.

( Gelächter)

Berta: Nein, sind Sie ulkig!

Tankhafen: Helfen Sie der Sonne zum Durchbruch, dann werden Sie das häßliche Gewölk nicht nur vom Himmel, sondern auch aus unseren Herzen vertreiben.

Schönbrod: Da schlag einer lang hin!

Peters : Die Wolken sind doch kein Ministerrat, daß sie sich auf einen Pfiff hin ins Bierzelt jagen lassen.

Tankhafen: Das ist ja eine beispiellose Aufsässigkeit! Doch habe ich nicht nach der unmaßgeblichen Meinung der untergeordneten Stellen zu fragen. Herr Diplomingenieur Niedermayer – ich erwarte ihre Äußerung – –

Niedermayer: Los, Otti!

Otti: Musik! ( die Musik setzt ein, Tankhafen fluchtartig ab)

Chor führt Bewegungsspiele auf und singt:

Chor:

Wem der Sinn der Natur ergeben ist,
dem gibt die Natur sich zur Braut.
Wem das Wunder der Erde sein Leben ist,
der hat ihr Geheimnis erschaut.
Oh, Mensch, verlaß nicht der Schöpfung Spur.
Die Erde bleibt Erde. Natur bleibt Natur.
Nur im Bund mit der Sonne, im Bund mit dem Meer
lenkst die Winde Du, ziehst die Wolken her.
Ob die Sonne scheinen soll, ob der Regen weinen soll,
frage Saat und Herde.
Deiner Hände Meisterschaft,
alles, was dein Geist erschafft,
bringe dar der Erde.

Beifall. Gruppentanz.

Paula: ( tritt auf, einen großen Regenschirm in der Hand, wartet haltlos lachend, bis die Musik aufhört) Kinder, ich kann nicht mehr!

Jenny: Was ist denn mit dir los, Paula?

Paula: Ich hab mein Lebtag nicht so gelacht! ( schüttelt sich)

Berta: Erzähl doch ...

Paula: Der Schirm ist für den Minister. Er hat Angst, ihm würde das Ehrendiplom für Herrn Niedermayer vollpladdern.

Niedermayer: Das wollen sie mir immer noch nicht ersparen?

Paula: Es war zum schießen!

Steinbott: Konkurrenz für Berta.

Paula: So eine Fatzkerei. Zuerst hatten sie es mit der Würde des Staates und den vaterländischen Belangen. Bis der lange Sozialist mit seinen unausweichlichen Notwendigkeiten und sozialen Gesichtspunkten kam. Dann der Kerl mit der verrückten Sprache. Den kann man ja nicht nachmachen. Alle zogen gegen Herrn Niedermayer los.

Niedermayer: Nur zu! Sollen doch alle wissen, was ich für ein Monstrum bin.

Paula: Also ... größenwahnsinniger Rüpel und kleiner Techniker, dem ein Erfolg zu Kopf gestiegen war, na – und Lümmel und frecher Bursche und noch viel dergleichen. Und der Regierungsassessor schrie immerfort: Parvenü, Ignorant, Arrivist ... ich hab mir das nicht alles merken können.

Hantke : Wir sind ja auch nun im Bilde.

Paula : Wegen des Programms konnten sie ewig nicht einig werden. Schließlich stellten sie sich in kleinen Gruppen in die Ecken, und bei mir hinten bei den Bierfässern ... erschien mit einem Mal die komische alte Jungfer mit dem Kneifer.

Otti: Die Tankhafen.

Paula: Die! Und hinterher – was meint ihr? Der Geck, den sie Geheimrat nennen. Die hatten in ihrem Versteck nett was zu politisieren. Wißt ihr, was die taten? Ich konnt ja alles vom Ausschank hören ... die haben geknutscht, was das Zeug hielt!

Fischer: Guten Appetit!

Paula: Mein Theodor – meine Henriette. Und meine Henriette – mein Theodor. So ging das immerzu.

Wolff: Wie in meiner Luftschaukel.

Paula: Das Schönste kommt noch. Ich denk gar nichts, da kommt die Dicke angewetzt, die sich all die Tücher um den Bauch wickelt und sucht den stillen Ort. Rennt sie doch genau hinter die Bierfässer, wo die beiden Konferenz haben. Quietscht natürlich und stolpert zu mir zurück. Ich zeig ihr das Häuschen hinten und seh ihr nach, ob sie auch findet. Grad will sie rein – wer kommt da raus? Das Fremdwörterlexikon! Aber auch nicht allein. Sondern mit der frommen Ziege mit dem keuschen Augenaufschlag.

Schönbrod: Kiek mal an ...

Paula: Jetzt kamen ja nun die beiden aus dem Versteck zu mir, weil es klingelte und die Sitzung weitergehen sollte. Erst sie – was die geschnauft hat. Und danach der Herr Geheimrat und will mich doch im Vorbeigehen in den Hintern kneifen! Na, dem habe ich aber eine gelangt.

Peters: Gut gemacht, Paula.

Brunner: Schlankweg ins Antlitz der Obrigkeit.

Paula: Mitten vors Maul. Das fiese alte Ferkel.

Fischer: Scheint aber noch gut bei Kräften zu sein.

Niedermayer: Und was weiter?

Paula: Dann schickten sie, als geblasen wurde, die Person herauf. Na, als die wiederkam – das Geplärr! Skandal und Frechheit und Gesindel ... und einer wollte gleich den Kriegerverein alarmieren und den Turm kaputtschlagen.

Jenny: Das könnte ja ein lustiges Fest werden.

Paula: Die haben mehr Angst vor dem bißchen Regen, als meine Großmutter vorm Gewitter. Bloß der Minister – Blödian heißt er ja wohl – jammerte immerfort: ich muß doch den Staatsakt vollziehen, und der Pfarrer salmte was von Sünde und Frevel, und die Dicke quakte dazwischen, daß sie durch die Rücksichtslosigkeit hier wieder ihren Darmkatarrh kriegen würde.

Brunner: Daher der Name Kabinettssitzung.

Paula: Dann mußte ich zum Minister kommen, und der fragte mich, ob ich einen Regenschirm besorgen könnte, weil er doch keine feuchte Urkunde übergeben möchte, und dabei buckelte der Assessor mit seinem Kauderwelsch um ihn rum, daß ich bald geplatzt wäre.

Steinbott: Was ist denn nun bei dem ganzen Gequatsche herausgekommen?

Paula: Ich mußte ja weg, den Schirm holen. Als ich rausging, redete gerade der schneidige General was von Niedermayers Dolchstoß von hinten.

Niedermayer: Jetzt bringen Sie aber dem Minister den Regenschirm, Fräulein Paula, daß wir die Staatsaktion bald überstanden haben. ( Paula ab)

Annie : Meint ihr, daß der Chor noch Zeit hat, bis sie wiederkommen?

Otti: Das kümmert uns gar nicht. Wir tanzen, solange es noch trocken ist. Alle fertig? ( klatscht in die Hände) Musik!

Chor führt Bewegungsspiele auf, singt.

Chor :

Nur der Mensch, der nicht Herr noch Knecht sein will,
soll das Feld, soll den Acker bestelln.
Nur wer Gleicher in gleichem Recht sein will,
dem fügen sich Winde und Wellen.
Der Erste, der Boden sein Erbgut hieß,
der machte die Erde zum Knechtsverließ.
Weh der Macht, die den Himmel zu Eigen begehrt,
sie trifft unser Fluch, sie fällt unser Schwert.
Was der Menschengeist erschafft, was der Hände Meisterschaft
wachsen läßt auf Erden,
ob der Regen weinen soll,
ob die Sonne scheinen soll –
Freiheit soll draus werden!

Während das Lied gesungen wird, steigen Blödel, Stechbein, Tankhafen, Stiefengrat, Krampf, Biederhold und Hornbriller, der den Regenschirm trägt, zum Hügel herauf und stellen sich ohne Gruß zu Niedermayer und Schönbrod. Entrüstete Blicke aus dem Chor und fragende Gebärden.

Krampf: Die Volksbelustigung da – ist durchaus geschäftsordnungswidrig.

Hornbriller: ( winkt vergeblich mit dem Schirm dem Kapellmeister zu) Das ist die pure Renitenz, Herr Diplomingenieur. Dieser deplazierte Spektakel muß inhibiert werden.

Niedermayer: ( wartet den Schluß des Liedes ab, dann ) Otti, bitte!

Auf Ottis Zeichen brechen Musik und Tanz unvermittelt ab.

Berta: Wo haben sie denn die andern alle gelassen?

Fischer: Die sind zur Strafe in der Kneipe sitzengeblieben.

Wolff: Trauerfeier im engsten Kreise!

Krampf: Verehrte Anwesende – ich bitte um größte Ruhe!

Hornbriller: Silentium!

Krampf: Wie treten in den Weiheakt ein. Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Regierungsassessor Hornbriller.

Hornbriller: Wertes Auditorium! Das konstituierende Festkomitee hat das provisorische Programm dieses Meetings faut de mieux radikal umdisponieren müssen. Die Intervention der Regierung, es mögen für die Festivität die simpelsten metereologischen Prämissen präpariert werden, wurden von den lokalen Instanzen zynisch ignoriert.

Hantke : Können Sie nicht deutsch sprechen?

Hornbriller: Meine Diktion bedarf keiner Korrektur. Der seriöse und konziliante Appell an den primitivsten Respekt vor der Staatsautorität begegnete provokatorischer und obstonater Resitenz. Selbst das im kritischsten Moment noch expreß durch Fräulein Ministerialrätin Dr. Tankhafen motivierte Kompromiß, auf der Basis loyalen Pardonierens der Regierung zu akkordieren, wurde unter frivoler Ironisierung einer so urbanen Geste in alle konventionellen Usancen desavouierender Manier als indiskutabel refüsiert.

Steinbott : Ihnen haben sie wohl die Schnauze im Schraubstock verbogen?

Hornbriller: Auf ordinäre Injurien reagiere ich nicht.

Krampf: Mir stehen leider keine geschäftsordnungsmäßigen Mittel zu Gebote, derartige Ungehörigkeiten gebührend zu rügen. Sonst hätte ich den Zwischenrufer einen Ordnungsruf erteilen müssen.

Hornbriller: Wir stehen also vis a vis einer irreparablen Diskrepanz zwischen den Intentionen der gouvernementalen Organe und der Omnipotenz einer intransiganten lokalen Autokratie. Eine Kapitulation der Staatsrepräsentanten vor rabiaten Obstruenten kann nicht einmal ventiliert werden. Rebus sic stantibus ist der Konferenz die zu observierende Taktik direkt oktroyiert worden: nämlich das präsumtive Festprogramm ab ovo zu liquidieren und die offiziellen Formalitäten auf die dem Herrn Minister obligatorisch gemachte Manifestation zu reduzieren. In Konsequenz dessen, wurde auch die Assistenz bei dem Akt limitiert auf die designierten Deligierten der respektiven Ministerien, den Herrn Parlamentspräsidenten und den Repräsentanten der koalierten Parteien, Herrn Abgeordneten Biederhold, dessen Mandat zugleich die Ministration der religiösen Zeremonien involviert. Die in petto gehaltenen Gratulationen und Ovationen, soweit sie nicht den ex officio zu exekutierenden Funktionen immanent sind, werden eliminiert. Dixi!

Krampf: Ich erteile nunmehr das Wort zur Verlesung einer Regierungsverkündigung, dem Herrn Minister für Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Herrn Dr. Blödel.

Blödel: ( kramt Papiere aus seiner Aktentasche) In Anbetracht der bedeutsamen Kulturtat, als welche sich die Meisterung der irdischen Witterung nach mehrjähriger Erprobung einwandfrei erwiesen hat, in Anbetracht ferner, der erhebenden Tatsache, daß die erste mit allen neuzeitlichen Hilfsmitteln der Wissenschaft und Technik ausgestattete Wetteranlage in unserm geliebten Heimatlande ihre Stätte gefunden hat, in Anbetracht drittens des Umstandes, daß die Landesregierung glaubt, sich gegenüber den Belangen des Vaterlandes der gebieterischen Pflicht nicht entziehen zu dürfen über die bisher lediglich einer privaten Organisation unterstellten meteorologischen Einrichtungen ihre schützende Hand auszubreiten, in Erwägung außerdem, daß der Schöpfer und Leiter des unvergleichlichen Kulturwerkes, Herr Diplomingenieur Niedermayer, sich durch seine vorbildliche Arbeit im Dienst der Allgemeinheit den Anspruch auf die unverbrüchliche Dankbarkeit der Lebenden wie der künftigen Geschlechter erworben hat und daß die Regierung die Stimme des Volkes wohl zu deuten weiß, welche von ihr amtliche Schritte erheischt, um dem redlichen Manne für sein vorbildliches Walten im gemeinnützigen Dienste den Dank des Vaterlandes durch besondere Auszeichnung zum Ausdruck zu bringen, hat dieselbe die Feier des 5jährigen Erinnerungstages der Grundsteinlegung zum Wetterturm zum erwünschten Anlaß genommen, in öffentlicher Festkundgebung im Beisein der beglaubigten Vertreter der einschlägigen Ämter und Behörden sowie der gesetzgebenden Körperschaften und angesichts der in vaterländischer Begeisterung festlich versammelten örtlichen Bevölkerung durch den Mund des Ministers für Ruhe, Ordnung und Sicherheit hat folgenden Beschluß kundzutun: a) der Betrieb Wetterturm – eingetragene Genossenschaft – wird mit allem baulichen und sonstigem Zubehör ... ( ängstlicher Blick zum Himmel, es fallen die ersten Regentropfen) vorbehaltlich weiterer Entschließungen unter den Schirm des Staates gestellt.

Hornbriller: ( spannt den Regenschirm auf und hält ihn über Blödel. Lachen in der Menge)

Blödel: b) Ein unter streng demokratischen Gesichtspunkten eigens zu schaffendes Wetteramt wird mit der Aufgabe betraut, die Übereinstimmung der Anordnungen der Werkleitung mit den Belangen des Vaterlandes und des Volkes zu sichern und der bestehenden Genossenschaft beratend und helfend zur Seite zu stehen. c) Der den Wetterturm umgebende Raum einschließlich der Grünflächen bis zu den Grenzen der nächstgelegenen Ortschaften erhält für alle Zeiten den Namen Wetterborn und wird somit unter Loslösung von der bisherigen Zugehörigkeit zum Nachbardorfe zur selbstständigen Gemeinde erhoben.

Schönbrod: ( auffahrend) Wie? Was? Loslösung vom Nachbardorf? Da soll doch gleich der Deuwel reinschlagen!

Krampf: Ich ersuche den Zwischenrufer, den Herrn Minister nicht zu unterbrechen.

Schönbrod: Das ist eine aufgelegte Niedertracht. Da bleib ich nicht länger bei stehen! ( steigt vom Hügel herunter, stellt sich zu Otti)

Steinbott: Das wär noch schöner. Das Werk bleibt beim Dorf.

Peters: Wir lassen uns nicht vom Dorf wegreißen.

Jenny: Die sollen es bloß wagen!

Wolff: Wir lassen das Werk nicht antippen. ( allgemeiner Lärm)

Krampf: Sie dürfen den Herrn Minister nicht inmitten eines Staatsaktes stören.

Hantke: Die Friedensstörer sind Sie!

Stechbein: Das ist ja unausstehlich – dieser Lärm.

Tankhafen: ( zu Niedermayer) Greifen Sie doch ein!

Niedermayer: Lassen Sie mich in Ruhe.

Biederhold: ( zur Menge) Wer nicht gehorcht der Obrigkeit, den wird die Obrigkeit richten! ( großer Lärm)

Berta: Schert euch hier weg! Hier hat keine Obrigkeit was zu suchen.

Stiefengrat: Ich schlage vor, diese Bande unter sich zu lassen und der Polizei das weitere anheimzustellen.

Krampf: Wird zu dem Vorschlag seiner Exzellenz das Wort gewünscht? Herr Regierungsassessor Hornbriller?

Brunner: Achtung, der dumme August als dressierte Nachtigall! ( es wird ruhig)

Hornbriller: Ohne mich durch Invektiven irritieren zu lassen, gehe ich in medias res. Die turbulenten Szenen während einer offiziellen Proklamation des Mandatars unserer Regierung sabotieren auch unser modifiziertes Programm. Inzwischen hat auch Jupiter pluvius interveniert, so daß die Demarche faktisch jetzt schon als ein Fiasko eklatant ist. Die impulsive Intuition seiner Exzellenz ist daher nicht brevi manu ad acta zu legen. Ich will das Votum des Herrn Ministers nicht präjudizieren, doch scheinen mir die Prämissen des ministeriellen Manifestes kaum mehr existent. Wenn wir daher angesichts der tumultuarischen Exzesse und der atmosphärischen Depression die Reputation der Staatsautorität nicht länger diskreditieren lassen und unsere Mission unter Protest quittieren, statt uns ad infinitum koramieren zu lassen, so wird die Regierung tolerant genug sein, uns für die fernere Abstinenz von dieser Orgie impertinenter Provokationen die Indemnität post festum sans phrase zu konzedieren.

Blödel: Nein, das geht nicht. Dem einmütigen Auftrag des Kabinetts muß ich unter allen Umständen entsprechen.

Tankhafen: Dann bleibt nichts anderes übrig, als den Kelch bis zur Neige zu leeren. Ließe sich nicht aber vielleicht jetzt noch der störende Regen wenigstens so lange zurückhalten, bis der Herr Minister seine Pflicht erfüllt hat?

Niedermayer: Wenn die Regierungsverkündung nicht mehr lange dauert, werden Sie nicht übermäßig durchnäßt werden. In etwa einer Viertelstunde setzt allerdings kräftigerer Regen ein.

Wolff: Am besten wär ein ordentlicher Hagelschlag, der ihnen Beine macht.

Stechbein: Haben Sie denn nicht so viel Macht, den Mob da zur Ruhe zu bringen?

Niedermayer: Das ist kein Mob. Das sind meine Freunde. Denen habe ich nichts vorzuschreiben.

Stiefengrat: Unverschämtheit!

Krampf: Die Geschäftsordnungsdebatte ist erschöpft. Ich bitte den Herrn Minister in der Tagesordnung fortzufahren.

Blödel: Mein Leitstern ist: Pflichterfüllung bis zum Äußersten! ( liest): Mit Rücksicht auf seine stets bewährte Pflichterfüllung bis zum Äußersten bleibt Herrn Diplomingenieur Niedermayer die Leitung des Werkes bis auf weiteres auch fernerhin anvertraut. Punkt d. e) Zur Bekräftigung ihrer uneingeschränkten Zufriedenheit mit seinem Wirken und zum Zeichen ihrer Erkenntlichkeit für sein im Verkehr mit den Behörden stets gleichbleibend freundliches, taktvolles, zuvorkommendes, bescheidenes Auftreten und das beispielgebende gute Einvernehmen auch aller seiner Mitarbeiter und der ganzen Bevölkerung mit den amtlichen Stellen, wird die Regierung am Turm zum Wetterborn eine Gedenktafel anbringen lassen, welche den Namen Niedermayer, sowie die Erinnerung an den heutigen Jubeltag, Kindern und Kindeskindern in dauerndem Gedächtnis halten soll – an welchem Regierung und Volk in gegenseitiger Liebe und ungetrübter Harmonie zur 5-Jahresfeier der Grundsteinlegung des Wetterturms sich in strahlendem Sonnenglanze zusammenfanden.

Halten Sie doch den Schirm ordentlich, Herr Regierungsassessor, die Urkunde weicht ja auf.

Hornbriller: Pardon.

Blödel: ( liest weiter): f) Herrn Diplomingenieur Niedermayer wird für seine Treue zum Staat der Titel Wetterrat verliehen.

Niedermayer: Das auch noch.

Blödel: (liest weiter): Die näheren Ausführungen der unter Ziffer a bis f festgesetzten Bestimmungen ergehen durch die zuständigen Ministerien. Das Vaterland über alles! Gezeichnet: Der Staatspräsident, Wimmerzahn. Gezeichnet der Ministerrat: Blödel, Trostreich, Klirrschwert, Schiebling, Schwamm, Funzelmann.

Anschließend obliegt mir noch die Pflicht, dem Herrn Jubilar unter Bekundung der Segenswünsche des ganzen Volkes die urkundlichen Dokumente zu überreichen. Bitteschön! Und ihm die warme Gesinnung der Staatsregierung durch auftragsgemäßen Händedruck auszudrücken. Darf ich Sie bitten, Herr Wetterrat – ( reicht ihm die Fingerspitzen, die er rasch wieder zurückzieht) – was hiermit geschehen ist. ( Gelächter und Lärm)

Krampf: Wir wären damit am Ende der Tagesordnung angelangt. Ich schließe die Kundgebung.

Niedermayer: Bitte noch einen Augenblick.

Stechbein: Wir haben hier nichts mehr zu suchen.

Tankhafen: Jetzt gehen wir. Die haben es selbst nicht anders gewollt.

Biederhold: Auch die Andacht werden wir an einer würdigeren Stelle halten.

Hornbriller: Roma lecuta – causa finita.

Blödel: Kommen Sie, Fräulein Doktor, der Schirm wird uns beide vor Nässe schützen.

Schönbrod: Bleiben Sie jetzt mal alle schön stehen. Wenn Herr Niedermayer was sagen will, wird er wohl wissen, warum.

Stiefengrat: Wie weit soll die Frechheit hier noch getrieben werden? Kehrtmarsch!

Peters: ( mächtig) Halt! stillgestanden – unsere Arbeit hat das Wort.

( lautlose Stille)

Niedermayer: Ich sage der Regierung pflichtschuldigen Dank. Der Herr Minister hat mir Worte des Lobes gesagt, aber das Lob auf meine Mitarbeiter und Helfer unterlassen, oder auf die Genossenschaft, die Gemeinde, vor allem auf unseren alten jugendlichen Dorfschulzen Schönbrod auszudehnen. Ich hole das hiermit nach. Ohne die aufopfernde Unterstützung aller, die mir im gleichen Ziele brüderlich verbunden sind, hätten mir Sonne und Mond, Erde und Meer ihre Hilfe verweigert, das Wetter zu regeln, wie die arbeitenden Menschen es brauchen. Auch unserem Jugendchor danke ich, der für die Freude sorgt, ohne die ein rechtes Werk nicht gedeihen kann. Die Regierung hat die Absicht ausgesprochen, die Turmanlage von der Dorfgemeinde loszulösen – – –

Schönbrod: Niemals!

Niedermayer: Ort und Werk waren, sind und bleiben verbunden. Dafür werden wir alle sorgen, die wir hier vor fünf Jahren den Grundstein gelegt haben. Wir hier – und nicht der Staat! Das Werk gehört zum Ort und bleibt beim Ort, mag kommen, was will!

( großer Beifall)

Stechbein: Das ist stark!

Tankhafen: Das ist die Kriegserklärung gegen den demokratischen Staat.

Otti: Es ist der Treueschwur des guten Kameraden!

Schönbrod: Ja, Deern.

Niedermayer: Da ich vorläufig die Leitung des Werkes behalten soll – –

Fischer: Immer!

Niedermayer: – – so verspreche ich, daß alle Maßnahmen wie bisher ausschließlich von sozialen Notwendigkeiten bestimmt werden sollen. Nie ohne Zustimmung der Gemeinde, denn die Gemeinde, das ist die Genossenschaft – und die Genossenschaft, das ist das Werk. Alle, die am Werk arbeiten, arbeiten mit Begeisterung für unsere Sache, obgleich die Genossenschaft – das sind wir ja selbst – arm ist und keinem von uns den anstrengenden Dienst ausreichend entgelten kann. Aber keiner von uns will mehr als jeder andere. Und wir tragen Entbehrung und Armut gern um der Zukunft derer willen, die ungern und gezwungen Entbehrung und Armut tragen müssen. Jetzt soll unser Werk, was niemand von uns je verlangt hat, gewissermaßen ein staatliches Unternehmen werden. Gut, dann mag das Wetteramt seine Tätigkeit damit beginnen, allen Arbeitern und Angestellten eine ausreichende Lebenshaltung zu sichern.

Hornbriller: Ein Amoklauf der Arroganz.

Niedermayer: Noch eins, Freunde. Ich bin durch die Verleihung eines Titels ausgezeichnet worden. Ich erwarte, daß ihr alle mich weiterhin bei meinem ehrlichen Namen nennt. Statt der Gedächtnistafel am Turm könnten wir besser warme Fußmatten für die Arbeit im Turm brauchen. Hoffen wir, daß das Eingreifen des Staates in die Angelegenheiten des Volkes durch unser kameradschaftliches Zusammenstehen in seinen schlimmsten Gefahren wird abgewehrt werden können. Darin sind wir einig: den Boden, den wir uns gemeinsam geschaffen haben, geben wir nicht wieder preis. Wir werden ihn verteidigen, wenn es sein muß mit unseren Körpern.

Jubelnder Beifall. Niedermayer wird vom Hügel herunter gezogen und von den Jugendlichen fast erdrückt.

Blödel: Es ist jetzt in der Tat genug. Ich werde nicht länger Zeuge solcher Vorgänge bleiben.

Krampf: Nicht einmal die äußeren, parlamentarischen Formen sind diesen Leuten geläufig. Darf ich mich Ihnen anschließen, Herr Minister?

Blödel: Sehr erfreut. Doch, Herr Regierungsassessor, mir scheint, der feine Sprühregen macht den Schirm jetzt entbehrlich. Bis dieser Mensch den Landregen strömen läßt, werden wir wohl unter Dach sein. ( mit Krampf ab)

Hornbriller: ( klappt den Schirm zu) Voilà, es ist noch ganz passabel. Ich werde das parapluie dann en passant der Serviermamsell im Restaurant retournieren.

Stechbein: Was sagen Sie zu der Aufführung des Ingenieurs, Exzellenz, an seinem eigenen Ehrentage?

Tankhafen: Es ist der Gipfel der Undankbarkeit. Im selben Augenblick, in dem die Regierung die Wohltaten geradezu über ihn ausschüttet.

Stiefengrat: Der Kerl muß unschädlich gemacht werden.

Hornbriller: A tout prix. Vorher wird das Etablissement nicht prosperieren.

Stechbein mit Tankhafen ab, Hornbriller folgt ihnen.

Stiefengrat: ( laut in die Menge): Unser wehrhaftes Vaterland – Hurra!

( Gelächter)

Biederhold: Gott schütze es und gebe dieses Werk in die Hände Erleuchteter, die seiner nicht spotten. ( mit Stiefengrat ab)

Schönbrod: Unser Wetterturm, unsre Genossenschaft, unsre Gemeinde – Hoch!

( alle stimmen ein)

Annie: Wird das Wetter noch sehr schlecht?

Otti: Nicht schlechter als jetzt. Davor brauchen wir nicht wegzulaufen.

Hantke: Sagten Sie nicht, es würde noch starken Regen geben?

Niedermayer: Das war nur, um die lieben Gäste zu verscheuchen. Sonst hätte es womöglich noch mehr Ehren gegeben.

Fischer : Laßt uns heute vergnügt sein. Wenn das Wetteramt erst da ist, wirds damit aus sein.

Brunner: Die werden die Sonne an die Kette legen und einen Polizeihund draus machen.

Berta: Nicht bange machen. Wer will mal schießen?

Wolff: Wer will in die Luftschaukel?

Jenny: Erst soll der Jugendchor noch was singen.

Otti: Wollt ihr? Was denn?

Annie: Alle Wetter!

Otti: Gut. Stellt euch auf. ( Chor und Musik stellen sich auf)

Steinbott: Da kommt Paula mit Bier. Die Würstchen sind auch warm.

Niedermayer: Mir gleich ein Glas, Fräulein Paula. Na, ist die feine Kundschaft weg?

Paula: Die meisten sitzen schon im Auto. Sie denken, die Sintflut kommt.

Hantke: Jetzt feiern wir nach unserem Programm.

Brunner: Das Kasperltheater ist schon zuende.

Schönbrod: Still jetzt. Ottis Chor ist all aufgestellt.

Otti: ( gibt das Zeichen: Musik, Bewegungsspiele, Gesang)

Chor:

Die Leidenschaften in der Brust,
noch niemand war, der sie getrennt.
Aus einem Herd flammt Schmerz und Lust.
Haß lodert nur, wo Liebe brennt.
So mischt die Ebbe sich der Flut,
hüllt Goldstaub sich in Asche grau,
in gleichem Wolkenbette ruht
der Schnee bei Hagel und beim Tau.
Aus der Sonne dunstet Unheil,
aus den Blitzen zuckt Erbarmen ...
alle Wetter, alle Wetter
hält der Himmel in den Armen.

Nur wen des Lebens Buntheit schreckt,
der fürchtet sich vorm Untergehn.
Vernichtung ists, die Leben weckt –
und alles Sterben ist Entstehn.
Im müden Stamme frißt der Wurm,
zur Sonne strebt der junge Trieb,
feg ihm die Bahn, Zerstörer Sturm!
So hat der Tod das Leben lieb.
Wolkenbruch und Strahlengluten,
Reif und Frost und Erdenbeben ...
alle Wetter, alle Wetter,
töten und erzeugen Leben.

Tanz

Peters: So, jetzt geh ich in den Turm. Nachmittag wird klarer Himmel.

Otti: Ich geh mit. Muß den Funkspruch von der Islandwarte abhören.

Jenny: Kommt aber bald wieder.

Niedermayer: Ja, heute machen wir Feiertag. Kein Bonzenfest, sondern ein Volksfest.

Paula: Bier, Bier ...

Wolff: Hierher! Zur Luftschaukel – hierher!

Berta: Stutzenschießen ... Scheibenschießen! Bewegliche Ziele ...

Steinbott: Warme Würstchen ...

Jahrmarktstreiben. Die Luftschaukel ist in Bewegung. Ein Karussell dreht sich. Händler mit Luftballons, Pfauenfedern und so weiter. Dazu Drehorgelmusik.

Schönbrod: Das kann das Wetteramt nicht.

Vorhang


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