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Abschnitt B

1. Lieblosigkeit des Königs Hui von Liang

Mong Dsï sprach: »Ungütig fürwahr war König Hui von Liang! Der Gütige läßt die Art, wie er einen geliebten Menschen behandelt, auch den Ungeliebten zuteil werden. Der Ungütige behandelt auch die, die er liebt, wie Ungeliebte.«

Gung-Sun Tschou fragte: »Was heißt das?«

Mong Dsï sprach: »König Hui von Liang ließ um eines Stück Landes willen seine Leute zu Brei zermalmen in den Schlachten, in die er sie schickte. Er erlitt eine schwere Niederlage, da wollte er es wiederholen; aber aus Furcht, er könne nicht den Sieg erringen, trieb er seinen eigenen Sohn mit in Schlacht und Tod. – Das heißt es, wenn ich sagte, er habe seine Geliebten behandelt wie die, die er nicht liebte.« Hier zum Schluß noch einmal ein Rückblick auf den König Hui von Liang, der in Buch I, A, 1 die Schriften des Mong Dsï eröffnet. Der hier genannte Vorfall ist in I, A, 5 vom König Hui selbst erwähnt worden.

2. Die Kriege der Frühlings- und Herbstannalen

Mong Dsï sprach: »In dem Buch vom Auf- und Niedergang der Staaten sind keine gerechten Kriege erzählt, wenn auch der eine besser sein mochte als der andere. Eine Züchtigung kann nur vom obersten Herrn angeordnet werden gegen einen untertänigen Staat zu dessen Strafe. Gleichgeordnete Staaten Das Buch von dem Auf- und Niedergang der Staaten, die sogenannten Tschun Tsiu (Frühlings- und Herbstannalen), behandelt die Zeit, da nach dem Niedergang der Zentralgewalt der Reihe nach die fünf Schogune oder Ba die Vorherrschaft im Reiche ausübten. Vgl. zur Sache VI, B, 7. können keine Züchtigungen gegeneinander unternehmen.«

3. Das Buch der Urkunden

Mong Dsï sprach: »Wenn man in allen Stücken dem Buch der Urkunden trauen wollte, da wäre es besser, wenn das ganze Buch der Urkunden nicht vorhanden wäre. In dem ganzen Abschnitt von der »Vollendung des Kriegs« nehme ich nur zwei, drei Stellen als glaubwürdig an. Denn ein gütiger Mann hat keinen Feind auf Erden. Wenn nun der Gütigste den Grausamsten züchtigt, wie sollte es da möglich sein, daß soviel Blut vergossen wird, daß es bis an den Rand der Mörser geht?« Diese kritische Bemerkung des Mong Dsï über den Schu Ging ist sehr interessant; denn sie zeigt, daß auch schon vor der Bücherverbrennung durch Tsin Schï Huang gegen den Text des Schu Ging Bedenken geltend gemacht wurden. Nun ist allerdings das Bedenken des Mong Dsï mehr von der Art eines moralischen Postulats als eine textkritische Untersuchung. Und es zeigt in erster Linie eine ähnlich freie Stellung gegenüber der »Schrift«, wie sie Luther manchen neutestamentlichen Briefen gegenüber einnahm. Eine Nachprüfung der Bemerkung des Mong Dsï ist übrigens heute nicht mehr möglich, da der genannte Abschnitt im heutigen Schu Ging nicht zu den 28 gehört, die mit einiger Wahrscheinlichkeit als genuin bezeichnet werden können. Heute ist in Schu Ging V Buch III die Sache so dargestellt, als ob das Blutvergießen durch die eigenen Soldaten des Dschou-Sin hervorgerufen worden wäre, indem die vorderen Reihen sich gegen ihre eigenen Hintermänner gewandt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß diese Darstellung eine Folge der Kritik des Mong Dsï ist.

4. Gegen den Krieg

Mong Dsï sprach: »Es gibt Leute, die sagen: ›Ich bin geschickt im Aufstellen der Schlachtordnung. Ich bin geschickt im Schlagen.‹ Das ist die größte Sünde. Wenn ein Landesfürst Milde liebt, so findet er auf Erden keinen Feind. Als Tang sich nach Süden wandte, um die Fürsten zu züchtigen, da beklagten sich die Grenzvölker im Norden. Als er sich nach Osten wandte, um die Fürsten zu züchtigen, da beklagten sich die Grenzvölker im Westen und sprachen: ›Warum nimmt er uns zuletzt dran?‹ Als König Wu das Haus Yin strafte, da hatte er nur 300 Kriegswagen und an Leibgarden 3000 Mann. Der König sprach: ›Fürchtet euch nicht! Ich will euch Ruhe geben, ich komme nicht als Feind des Volks.‹ Da war es, als fielen ihre Hörner ab, und sie verneigten sich vor ihm. Züchtigen kommt von Zucht. Aber jedermann will, daß er in Zucht und Ordnung kommt. Was bedarf es dazu des Krieges?« Vgl. zu den verschiedenen Sätzen IV, A, 14; I, A, 5; I, B, 11. Noch nicht vorgekommen ist die Schilderung des Vorgehens des Königs Wu gegen Dschou-Sin. Eine Parallele, die aber sehr stark abweicht, findet sich in Schu Ging V, I, II, 9. Am Schluß steht ein Wortspiel mit dschong (hier übersetzt mit Züchtigung) und dschong (recht machen, in Ordnung bringen, hier übersetzt mit Zucht).

5. Was sich überliefern läßt

Mong Dsï sprach: »Ein Zimmermann und ein Wagner können ihrem Lehrling wohl Zirkel und Richtmaß in die Hand geben; aber Geschicklichkeit können sie ihm nicht geben.« Vgl. VII, A, 41 und auch die Geschichte von Wagner Flach in Dschuang Dsï XIII, 10. Über die genannten Handwerker vgl. III, B, 4.

6. Der Lage entsprechend

Mong Dsï sprach: »Schun aß seinen Hirsebrei und sein Gemüse, als gäbe es für ihn sein Leben lang nichts anderes. Als er dann Herr der Welt geworden war und gestickte Kleider hatte, die Laute spielte und zwei Prinzessinnen ihm aufwarteten, da nahm er alles hin, als habe er es von jeher besessen.« Hirsebrei, aus Sorghum oder Negerhirse bereitete Nahrung, die geringste, die es gibt. Die gestickten Kleider sind die Kaiserlichen Obergewänder. Die Untergewänder waren bemalt. Die beiden Prinzessinnen waren die Töchter Yau's. Sie kommen ebenso wie die Laute Schun's in Buch V, A, 2 vor.

7. Die Folgen des Tötens

Mong Dsï sprach: »Von nun an weiß ich, welch' schwere Folgen es hat, die Nächsten anderer Leute zu töten. Wenn einer den Vater eines andern tötet, so wird der andere auch seinen Vater töten. Wenn einer den Bruder eines andern tötet, so wird der andere auch seinen Bruder töten. Wie gering ist der Unterschied, als wenn er selbst sie getötet hätte!« Der Ausspruch ist wohl aus einem bestimmten, heute nicht mehr feststellbaren Anlaß getan. Der letzte Satz hat die Bedeutung: Er ist davon, daß er seine eignen Verwandten getötet hat, nur durch ein Zwischenglied geschieden. Er hat sie also indirekt tatsächlich getötet.

8. Defensive und Offensive

Mong Dsï sprach: »In alter Zeit befestigte man Pässe, um Gewalttat abzuhalten. Heutzutage befestigt man die Pässe, um selbst Gewalttat zu üben.« Der Sinn ist ohne weiteres klar. Und es ist höchst überflüssig, daß Legge dem Mong Dsï hier wieder etwas am Zeug flickt. Vgl. zur Sache I, B, 5 und II, A, 6. Die Untersuchung der Ankömmlinge hatte eben den Zweck, zweifelhafte und gewalttätige Menschen fern zu halten, während zu Mong Dsï's Zeit die eingeforderten Abgaben eben eine Gewalttätigkeit waren. Aber man muß diese Punkte zugleich in ihrer strategischen Bedeutung ins Auge fassen. In alter Zeit waren es Defensivstellungen gegen feindliche Überfälle, zu Mong Dsïs Zeit waren sie Ausfallstore zur Bedrohung der Nachbarn.

9. Vernunft als Bedingung für Gehorsam

Mong Dsï sprach: »Wenn man selbst nicht der Vernunft gemäß handelt, so bringt man nicht einmal Weib und Kind dazu, danach zu tun. Wenn man andern Befehle gibt, die der Vernunft widersprechen, so können sie nicht einmal von Weib und Kind ausgeführt worden.« Der erste Satz bezieht sich darauf, daß man die Befolgung von Prinzipien, die man selbst nicht befolgt, auch nicht bei andern durchsetzen kann, nicht einmal bei den Nächsten, bei Weib und Kind – weil einem die sittliche Autorität fehlt. Der zweite Satz geht einen Schritt weiter. Wenn man Unvernünftiges von andern verlangt, so können sie gar nicht gehorchen, selbst wenn sie den besten Willen dazu hätten.

10. Nutzen des Vorrats

Mong Dsï sprach: »Wer wohl versorgt ist mit irdischen Gütern, den kann auch ein böses Jahr nicht töten. Wer wohl versorgt ist mit geistigen Gütern, den kann auch ein verkehrtes Geschlecht nicht verwirren.«

11. Unmöglichkeit der Verstellung in kleinen Dingen

Mong Dsï sprach: »Ein ehrgeiziger Mensch kann wohl den Thron eines Großstaates ausschlagen. Wenn er aber nicht der Mann dazu ist, so wird es bei einer Schale Reis oder einem Teller Suppe zum Vorschein kommen.« Ehrgeizig ist in schlechtem Sinn gebraucht. Dschu Hi bemerkt sehr gut dazu: »Man darf die Leute nicht beurteilen nach Dingen, bei denen sie sich Mühe geben, sondern nach solchen, die ihnen unwichtig sind. Da erst wird man herausfinden, wie es ihnen wirklich zumute ist.«

12. Was einem Staate nottut

Mong Dsï sprach: »Wenn man den Guten und Weisen nicht traut, so ist alles eitel im Staate.

Ohne Ordnung und Recht kommen Hoch und Niedrig in Verwirrung.

Ohne gesetzliche Einrichtungen reichen die Güter nicht aus zum Gebrauch.« Drei Aphorismen von losem Zusammenhang. Der erste bezieht sich auf die Menschen, der zweite auf die Sitten, der dritte auf die staatlichen Einrichtungen. Die chinesische Staatswirtschaft beruhte auf dem Grundsatz, daß die Einkünfte das Maß für die Ausgaben abgeben müssen. Die moderne Staatswirtschaft sieht in der Beschaffung der Mittel immer erst die zweite Frage. China war bis in die neueste Zeit Agrarstaat, wo sich die regulären Einnahmen nicht beliebig vermehren ließen.

13. Grenzen der Möglichkeit

Mong Dsï sprach: »Daß ein Ungütiger sich in den Besitz eines Landes gesetzt hat, das kam schon vor, daß aber ein Ungütiger das Erdreich gewonnen, das hat es noch nie gegeben.« Die Usurpation des Staates Tsi durch das Haus Tiän, die Aufteilung des Staates Dsin unter die Geschlechter Dschau, We und Han (letztere der Anfang der »streitenden Reiche«) waren zu Mong Dsïs Zeit schon Tatsache. Sie stritten nun um die Weltherrschaft, und Mong Dsï hielt es für unmöglich, daß sie einem von ihnen durch bloße politische Machenschaften zufallen könnte. Durch Tsin Schï Huang wurde dieser Glaube Mong Dsïs zerstört. Immerhin bemerken chinesische Kommentare mit Recht, daß keine Dynastie, die ohne innere Berechtigung auf den Thron kam, sich lange gehalten habe.

14. Woraus ein Staat besteht

Mong Dsï sprach: »Das Volk ist am wichtigsten, die Götter des Landes und Kornes kommen in zweiter Linie, und der Fürst ist am unwichtigsten. Darum wer die Gunst des Landvolks erlangt, der wird der Herr der Welt; wer die Gunst des Herrn der Welt erlangt, wird Landesfürst. Wer die Gunst eines Landesfürsten erlangt, wird hoher Rat. Wenn ein Landesfürst die Altäre des Landes und Korns in Gefahr bringt, so wird er abgesetzt und ein anderer für ihn eingesetzt. Wenn die Opfertiere vollkommen waren, wenn die Opferhirse und die Opfergefäße rein waren, wenn das Opfer zur Zeit dargebracht war, und es tritt dennoch Dürre oder Hungersnot ein, so werden die Götter des Landes und Kornes abgesetzt und andere für sie eingesetzt.« Einer der demokratischen Aussprüche des Mong Dsï. Eigentlicher Souverän im Staate ist das Volk, dessen Gnade auch dem Himmelssohn erst die Herrschaft verleiht, denn Gottes Gnade zeigt sich eben in des Volkes Gnade. Eben deshalb, weil die Stellung des Fürsten die am meisten abgeleitete ist, kann er am leichtesten entfernt werden, wo es höhere Gesichtspunkte wie das Staatswohl erfordern. Der Grundsatz: »l' état c'est moi« widerspricht der chinesischen Auffassung diametral. Vollziehendes Organ des Volkswillens ist allerdings nicht ein Parlament, sondern hohe Räte, die mit der Volksautorität bekleidet vorgehen. – Die Götter des Bodens und Korns sind die geistigen Repräsentanten der Naturbasis eines Staates. Jeder Berg, jeder Fluß, jede Gemarkung und so auch jedes Land hat außer der sichtbaren, äußeren Seite auch noch ein Seelisches, Bewußtes. Die himmlischen Genien heißen Schen (die Aktiven, die Ausdehnenden), die chthonischen Gottheiten heißen Ki, die menschlichen Ahnen heißen Gui (die sich Zusammenziehenden, Passiven), doch kommt auch Gui-Schen (Dämonen und Götter) in allgemeiner Bedeutung vor. Jeder himmlische oder irdische Gott nun, der an sich dem Menschlichen zu fremd und unfaßbar wäre (ein Berggott z. B. hat nicht eine besondere Leiblichkeit wie in Griechenland die Naturgeister, sein Leib ist vielmehr eben der Berg, in dem sein Seelisches wohnt, wie die Menschenseele in ihrem Leib), erhält von den Ahnengeistern einen beigeordnet, der die Vermittlung zwischen ihm und den Menschen herstellt. So ist der Ahn des Weltherrschers dem Himmelsgott beigeordnet, weshalb der Herrscher den Namen Himmelssohn führt, und so sind auch den Naturgeistern eines Landes menschliche Vertreter beigegeben. Wenn nun trotz gewissenhafter Erfüllung der religiösen Pflichten Störungen im Naturverlauf eintreten, so werden zunächst die Altäre niedergerissen und an einem andern Platz errichtet. Der Bund mit den Überirdischen wird gleichsam aufgelöst und neu geschlossen. Schon darin liegt eine gewisse Remonstration. In schlimmen Fällen endlich wird der menschliche Vertreter abgesetzt und dem Naturgeist ein neuer beigegeben, wie das einmal mindestens unter dem Vollender Tang geschah, als infolge schlechter Jahre der dem Korn beigeordnete Geist abgesetzt und Gou Dsï, der Ahn der späteren Dschoudynastie, an seine Stelle gesetzt wurde.

15. Der Einfluß der Heiligen

Mong Dsï sprach: »Ein Heiliger ist der Lehrer von hundert Geschlechtern. So steht es mit Be-I und Liu-Hia Hui. Über Be-I und Liu-Hia Hui vgl. V, B, 1. Darum wenn sie von Be-I erzählen hören, so werden die Abgestumpftesten in ihrem Gewissen geschärft, und die Schwächlinge lernen Entschlüsse fassen; wenn sie von Liu-Hia Hui erzählen hören, werden Kleinliche großartig und Engherzige weit. Sie taten sich hervor vor hundert Geschlechtern, und hundert Geschlechter nach ihnen werden gestärkt und erhoben, wenn sie von ihnen hören. Könnte außer einem Heiligen sonst noch jemand solche Wirkungen ausüben? Und wie muß erst ihre Wirkung auf die gewesen sein, die sich unmittelbar an ihrem Feuer wärmen konnten!«

16. Die Menschlichkeit

Mong Dsï sprach: »Menschlichkeit ist Menschenart. Menschlichkeit ist der Weg des Menschen.« Der Text ist etwas dunkel. Wörtlich heißt es: »Menschlichkeit« (Jen) kommt von »Mensch« (jen). Zusammengefaßt in einem Wort heißen sie »Weg« (dau). Die Erklärung des Tschong Dsï ist: Die Menschlichkeit als Ideal zusammengenommen mit dem Menschen als Erscheinung, als empirischem Individuum, wird der »Weg« genannt. Dschu Hi erwähnt eine auswärtige Mong Dsï-Ausgabe, in der noch ein Einschub enthalten ist, der den ganzen Zusammenhang aufklärt: »Menschlichkeit ist Menschenart, Gerechtigkeit ist, was recht ist, Ordnung ist, was unsere Schritte ordnet, Weisheit ist Wissen, Wahrhaftigkeit ist Wirklichkeit: alle zusammen werden sie als Weg bezeichnet.«

17. Kung Dsï in Lu und Tsi

Mong Dsï sprach: »Als Meister Kung von Lu wegging, da sprach er: ›Langsam, langsam will ich gehen.‹ Das ist die Art, wie man sein Vaterland verläßt. Als er von Tsi wegging, nahm er den gewaschenen Reis ungetrocknet mit und ging. Das ist die Art, wie man ein fremdes Land verläßt.« Vgl. V, B, 1.

18. Kung Dsï in Tschen und Tsai

Mong Dsï sprach: »Warum der Edle in solche Gefahr kam zwischen Tschen und Tsai, das ist, weil weder Obere noch Untere sich um ihn kümmerten.« Der »Edle« ist Kung Dsï. Über die Not in Tschen und Tsai vgl. Lun Yü XI, 2.

19. Trost bei Verkennung

Mo Gi sprach: »Alle Menschen haben etwas an mir zu tadeln.«

Mong Dsï sprach: »Das tut nichts. Die Gebildeten haben meist unter dem Gerede der Menge zu leiden. Im Buch der Lieder heißt es:

›Mein Herz ist traurig und unruhig in mir,
Die Rotte der Narren, sie trachtet nach mir.‹

So ist es Meister Kung gegangen.

›Konnt' er auch ihren Groll nicht stillen,
So gab er doch nicht seine Ehre preis.‹

So ist es König Wen gegangen.« Von Mo Gi ist weiter nichts bekannt. Die Übersetzung der Antwort des Mong Dsï folgt der Konjektur des Dschau Ki, die auch Dschu Hi übernommen hat und die in den Zusammenhang paßt. Wörtlich würde es heißen: »Der Gebildete haßt diese Schwätzer«. Das erste Zitat steht Schï-Ging I, III, 1 v. 4; es bezieht sich dort auf einen viel verleumdeten Mann (oder Frau) aus We. Das zweite Zitat steht Schï-Ging III, I, 3 v. 8, wo es sich auf den großen König und sein Verhältnis zu den Kun-Barbaren bezieht.

20. Verschiedene Aufklärung

Mong Dsï sprach: »Die Weisen machen durch ihre eigene Erleuchtung die Menschen erleuchtet. Heutzutage macht man durch die eigene Umnachtung die Menschen erleuchtet.«

21. Der Bergpfad

Mong Dsï sagte zu dem Schüler Gau Dsï: »Auf den Bergpfaden sind die Fußspuren selten. Werden sie aber in einer bestimmten Richtung begangen, so wird ein richtiger Weg daraus. Nach einer Weile kommt der etwa wieder außer Gebrauch, dann überwuchert ihn das Gras wieder. So hat das Gras dein Herz überwuchert.« Der Schüler Gau Dsï, der, wie Dschau Ki zu berichten weiß, dem Mong Dsï untreu wurde, ist nicht zu verwechseln mit dem alten Gau, über den Mong Dsï in VI, B, 3 redet, noch mit dem Sophisten Gau Dsï, der im Chinesischen ganz anders geschrieben wird. Die Übersetzung gründet sich auf Mong Dsï Dschong I.

22. Falscher Schluß

Gau Dsï sprach: Die Musik des Yü ist der des Königs Wen überlegen.«

Mong Dsï sprach: »Woraus schließt du das?«

Gau Dsï sprach: »Weil der Glockenhenkel des Yü schon ganz durchgerieben ist.«

Mong Dsï sprach: »Daraus folgt noch nichts. Die Geleise in einem Torweg sind auch nicht von einem einzelnen Zweigespann so tief geworden.« Es ist hier derselbe Gau Dsï genannt wie im letzten Abschnitt, von dessen Torheit wohl ein Beispiel gebracht werden soll. Er schließt daraus, daß die Glocke des großen Yü mehr abgenützt sei als die des Königs Wen, darauf, daß die Musik des ersteren besser sei, während Mong Dsï darauf hinweist, daß sie älter sei, daher die Abnützung sich erkläre. Im übrigen wird man sich bei dem Abschnitt mit dem Ausspruch des Dschu Hi zufrieden zu geben haben: »Der Text dieses Abschnittes ist aus sich selbst vollkommen unverständlich. Die wiedergegebene Erklärung beruht auf der seit alters überlieferten Tradition. Wir geben sie wieder, ohne zu wissen, ob sie richtig ist oder nicht.«

23. Tempora mutantur

In Tsi war eine Hungersnot. Tschen Dschen sprach zu Mong Dsï: »Die Leute im Land denken alle, Ihr würdet wieder für sie die Kornspeicher von Tang öffnen lassen, Meister. Aber so etwas läßt sich wohl nicht wiederholen?«

Mong Dsï sprach: »Da würde ich es machen wie Fong Fu, der geschickt war mit Tigern zu kämpfen. Schließlich aber war er ein bekannter Gelehrter geworden. Da kam er einmal in eine wilde Gegend; da war eine Menge Menschen, die einen Tiger verfolgten. Der Tiger zog sich in einen Felswinkel zurück, und niemand wagte sich an ihn heran. Da sahen sie den Fong Fu in der Ferne; sie eilten ihm entgegen. Und wirklich, Fong Fu schwang die Arme und stieg vom Wagen. Die Masse war sehr zufrieden mit ihm. Aber die Gebildeten lachten ihn aus.« Tschen Dschen ist ein schon mehrfach genannter Jünger des Mong Dsï. Dieser hatte anläßlich einer Hungersnot in Tsi einmal den König veranlaßt, die Kornspeicher in Tang (im heutigen Kreis Tsimo) öffnen zu lassen. Eine Wiederholung lehnt er ab. Aus welchem Grunde sagt er nicht. Statt dessen erzählt er zur Befriedigung des Schülers eine Anekdote. Der Abschnitt ist ein Beispiel, wie Mong Dsï gelegentlich auch redend schweigen konnte.

24. Notwendigkeit und Freiheit

Mong Dsï sprach: »Das Bedürfnis des Geschmacksinns nach Leckerbissen, das Bedürfnis des Gesichtsinns nach schönen Farben, das Bedürfnis des Gehörsinns nach schönen Tönen, das Bedürfnis des Geruchsinns nach Wohlgerüchen, das Bedürfnis des Leibes nach Ruhe und Behagen: das alles sind Bedürfnisse unserer Natur. Aber sie werden beschränkt durch den göttlichen Willen; darum redet der Edle nicht von schrankenlosem Ausleben seiner Natur. – Daß die Liebe walte zwischen Vater und Sohn, daß die Pflicht walte zwischen Herrscher und Diener, daß der Anstand walte zwischen Gast und Wirt, daß die Weisheit walte zur Erkenntnis der Würdigen, daß der Heilige walte über des Himmels Weg: das alles sind Gebote des göttlichen Willens. Aber der Mensch besitzt in seiner Natur die Freiheit zu ihrer Erfüllung. Darum redet der Edle nicht untätig von der Notwendigkeit, mit der der göttliche Wille herrsche.« Der Abschnitt behandelt das Verhältnis zwischen Freiheit bezw. Naturanlage (sing) und Notwendigkeit bezw. Gottes Wille (ming). Auf der einen Seite steht die sinnliche Natur mit ihren Bedürfnissen. Aber diese Natur bedarf, um nicht das Ziel zu überschreiten, der Beherrschung durch das Sollen. Auf der andern Seite stehen die Gebote des Sollens, die als Ausdruck göttlichen Willens mit der Macht von Naturgesetzen sich auswirken. Aber ihre Erfüllung ist zugleich in der menschlichen Natur angelegt; der Mensch besitzt die Freiheit, nach ihnen zu handeln. Darum stellt er ihnen nicht quietistisch gegenüber. Vgl. dazu: »Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern; denn Gott ists, der in euch wirket beides, das Wollen und das Vollbringen.«

25. Stufen des Menschenwesens

Hau-Schong Bu-Hai fragte den Mong Dsï und sprach: »Was für ein Mensch ist Yo-Dschong Dsï?«

Mong Dsï sprach: »Ein guter Mensch, ein wahrer Mensch.«

Jener sprach: »Was heißt gut, was heißt wahr?«

Mong Dsï sprach: »Einer, der liebenswürdig ist, heißt gut; wer das Gute in sich selbst besitzt, heißt wahr; wer das Gute in voller Wirklichkeit besitzt, heißt schön; wer es in voller Wirklichkeit besitzt, sodaß es von ihm ausstrahlt und leuchtet, heißt groß; wer groß ist und Schöpferkräfte entfaltet, heißt heilig; wer heilig ist und unerforschlich, heißt göttlich. Yo-Dschong Dsï ist in der Mitte zwischen den beiden ersten und unterhalb der vier letzten Stufen.« Hau-Schong Bu-Hai war nach Dschau Ki ein Mann aus Tsi. Der Vorname Bu-Hai kommt auch sonst vor. Yo-Dschong Dsï ist der Jünger, auf dessen Anstellung in Tsi Mong Dsï so große Hoffnungen gesetzt hatte. Vgl. VI, B, 13 und I, B, 16.

26. Behandlung von Konvertiten

Mong Dsï sprach: »Wer dem Mo Di entgangen ist, fällt sicher dem Yang Dschu anheim. Wer auch dem Yang Dschu entgangen ist, der fällt sicher der rechten Lehre anheim. Wenn er uns zufällt, so soll man ihn einfach ohne weiteres aufnehmen. Aber die Leute, die mit den Anhängern von Yang Dschu und Mo Di disputieren, die machen es, als liefen sie einem davongegangenen Schweine nach. Wenn's in ihren Stall gegangen ist, so kommen sie noch und binden es an.« Mong Dsï redet hier nicht ohne Humor über die Schuldisputationen mit den Ketzern, deren man sich nach ihrer Bekehrung noch besonders versichern wollte.

27. Vorsicht in Auferlegung von Abgaben

Mong Dsï sprach: »Es gibt Leistungen an Linnen und Seide, es gibt Leistungen an Korn und Schrot, es gibt Leistungen an Fronarbeit. Der Fürst sollte jeweils nur eine beanspruchen und die beiden andern verschieben. Verlangt man zwei zur selben Zeit, so kommt das Volk in Not; verlangt man alle drei, so lösen sich alle gesellschaftlichen Bande auf.« Der Frühling, die Zeit der Feldarbeit, war frei von Abgaben und sonstigen Leistungen für den Staat. Leinwand und Seide mußten im Sommer geliefert werden, ungeschältes und geschältes Korn im Herbst (mi ist ursprünglich Hirse, erst später im Sinn von Reis gebraucht), die Fronarbeiten waren für den Winter aufgespart. »So lösen sich alle gesellschaftlichen Bande« wörtlich: »Vater und Sohn verlassen einander«.

28. Der Reichtum der Fürsten

Mong Dsï sprach: »Drei Schätze haben die Fürsten: ihr Land, ihr Volk und ihre gesetzlichen Einrichtungen. Wer aber Perlen und Edelsteine für seine Schätze hält, dem naht das Unheil sicher.« Vgl. »Der reichste Fürst« von J. Kerner.

29. Voraussage

Als Pen-Tschong Guo im Lande Tsi Beamter wurde, da sagte Mong Dsï: »Pen-Tschong Guo ist ein toter Mann.«

Als Pen-Tschong Guo später wirklich getötet wurde, da fragten den Mong Dsï seine Jünger und sprachen: »Woher wußtet Ihr, Meister, daß Pen-Tschong Guo getötet werden würde?«

Mong Dsï sprach: »Er war ein Mensch mit kleinlicher Schlauheit; da er aber keine Ahnung hatte von den großen Grundsätzen eines höheren Menschen, so besaß er gerade genug, um sich den Tod zuzuziehen.« Pen-Tschong Guo soll einmal eine Zeitlang Schüler des Mong Dsï gewesen sein. Er gehörte zu der Klasse von Leuten, von der Kung in Lun Yü XV, 16 spricht.

30. Erlebnis in Tong

Als Mong Dsï nach Tong kam, wurde ihm eine Wohnung angewiesen im Obergeschoß des Schlosses. Dort hatte ein halbfertiger Schuh unter dem Fenster gelegen, der Hausmeister suchte ihn und fand ihn nicht. Da fragte einer den Mong Dsï: »So, so? Den hat wohl einer von denen, die mit Euch gekommen sind, weggenommen.«

Mong Dsï sprach: »Denkt Ihr, wir seien gekommen, um Schuhe zu stehlen?«

Jener sprach: »Allerdings wohl nicht. – Ja, Meister, Ihr lehrt die Leute und sucht keinen zu halten, der gehen will, und weiset keinen ab, der kommen will. Wenn einer redlichen Herzens kommt, den nehmt Ihr einfach ohne weiteres an.« Eine Anekdote aus dem Aufenthalt des Mong Dsï bei dem Herzog Wen von Tong. Die Geschichte wurde wohl aufgezeichnet wegen der Schlußwendung, wo der Hausmeister von der Art, wie Mong Dsï seine Schüler um sich sammelte, eine Beschreibung machte, die dieser als treffend akzeptierte. Vgl. Lun Yü VII, 28. – Statt »Obergeschoß des Schlosses« findet sich auch die Auffassung, daß »Schang gung« ein Ortsname gewesen sei. Eine alte Lesart macht ferner aus dem »Meister« im letzten Satz ein »Ich«. Danach wäre es ein Ausspruch des Mong Dsï über sich selbst. Doch paßt diese Auffassung nicht so recht in den Zusammenhang.

31. Die Anlage zum Guten

Mong Dsï sprach: »Alle Menschen haben Dinge, die sie nicht mit ansehen können – ohne daß sich ihr Mitleid regt. Diese Gesinnung auch übertragen auf die Dinge, die sie ruhig mitansehen, ergibt die Liebe. Alle Menschen haben Dinge, die sie unter keinen Umständen tun. Diese Gesinnung übertragen auf die Dinge, die sie ohne Bedenken tun, ergibt das pflichtmäßige Handeln. Wenn die Menschen die Gesinnung, die andern keinen Schaden zufügen möchte, zu voller Entfaltung bringen würden, so könnte man die Liebe gar nicht alle aufbrauchen. Wenn die Menschen die Gesinnung, die ihnen verbietet, einen Einbruchsdiebstahl zu begehen, zu voller Entfaltung bringen würden, so könnte man die Pflichttreue gar nicht alle aufbrauchen. Wenn die Menschen das Gefühl, sich nicht in frecher Weise duzen zu lassen, zu voller Wirklichkeit entfalteten, so würden sie nirgends, wohin sie gehen, von ihrer Pflicht abweichen. Aber wenn ein herumziehender Gelehrter Dinge schwätzt, die er nicht sagen sollte, leckt er schwätzend mit seiner Zunge nach Gewinn. Wenn er Dinge verschweigt, die er sagen sollte, so leckt er schweigend mit seiner Zunge nach Gewinn. Das alles gehört in dieselbe Klasse wie der Einbruchsdiebstahl.« Hier ist der Grundsatz von II, A, 6 in mehr humorvoller Weise ausgeführt. Die Entstehung der Pflichttreue ist an zwei Instanzen gezeigt, einer ganz groben, dem Einbruchsdiebstahl (Durchgraben und Obersteigen der Mauern), dessen sich jedermann schämt, und einer ganz unbedeutenden, dem Unbehagen, sich duzen zu lassen. Dieses Schamgefühl wird zu dauernder Selbstachtung führen. Der Schluß bezieht sich auf die Wandersophisten, die durch ihr Geschwätz oder unter Umständen durch ihre Geheimniskrämerei den Fürsten zu imponieren suchten, um dadurch »mit ihrer Zunge (Gewinn) aufzulecken«. Die Übersetzung Speichellecker liegt nahe, trifft aber den Sinn nicht ganz genau.

32. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister

Mong Dsï sprach: »Worte, die von Nahem handeln und doch auf Fernes deuten, sind gute Worte. Sich auf das Wichtigste beschränken und doch ins Breite wirken, das ist ein guter Grundsatz. Die Worte des Edlen gehen nicht über den Gürtel hinunter, und doch ist die ganze Wahrheit darin enthalten. Woran der Edle sich hält, das ist die Veredlung seines eigenen Lebens; dadurch kommt die ganze Welt zum Frieden.

Der Fehler der Menschen ist, daß sie ihre eigenen Felder liegen lassen und auf anderer Leute Felder Unkraut jäten, daß sie Schweres von andern verlangen und sich selbst nur Geringes zumuten.« »Die Worte des Edlen gehen nicht über den Gürtel hinunter.« Dazu bemerkt Dschu Hi: »Im Altertum richteten die Leute ihre Blicke nicht tiefer als den Gürtel. Was also oberhalb des Gürtels ist, das sind die alltäglichen, immer vor Augen liegenden Dinge, in denen aber auch die höchste Vernunft zum Ausdruck kommt.«

33. Ziel der Sittlichkeit

Mong Dsï sprach: »... Wenn jede Miene und jede Bewegung dem Anstand entspricht, das ist die höchste Stufe völliger Herrschaft des Geistes. Man soll die Toten beweinen aus aufrichtiger Trauer, nicht um der Lebenden willen. Man soll unentwegt der Tugend folgen ohne Rücksicht auf äußere Beförderung. Man soll in seinen Worten stets zuverlässig sein, ohne die Absicht, sich in den Ruf eines gerechten Wandels zu bringen. Der Edle handelt nach dem Sittengesetz und nimmt sein Schicksal gelassen entgegen.« Sittlichkeit um ihrer selbst willen ohne äußere Triebfeder wird hier gefordert. Im chinesischen Text stehen zu Beginn noch die Worte: »Yau und Schun hatten es von Natur, Tang und Wu bekehrten sich dazu«, die aus VII, A, 30 hierher versprengt zu sein scheinen.

34. Verkehr mit Fürsten

Mong Dsï sprach: »Wer den Großen raten will, der muß sie verachten und darf nicht ihr vornehmes Gepränge ansehen. Ein Saal, viele Klafter hoch mit einem viele Fuß weit hervorragenden Dach: wenn ich alle meine Wünsche erfüllt bekäme, ich fragte nichts danach. Eine reichbesetzte Tafel und Hunderte von Knechten und Mägden: wenn ich alle meine Wünsche erfüllt bekäme, ich fragte nichts danach. Große festliche Weingelage und der Lärm der Jagden mit Tausenden von Wagen im Gefolge: wenn ich alle meine Wünsche erfüllt bekäme, ich fragte nichts danach. Alles, was sie haben, ist etwas, nach dem ich nichts frage. Was ich habe, das sind alles die Werke der Alten. Warum also sollte ich ehrfürchtige Scheu vor ihnen haben?«

35. Wunschlosigkeit

Mong Dsï sprach: »Um sein Gemüt zu bilden, gibt es nichts Besseres als seine Wünsche wenig zu machen. Ein Mann, der wenig Wünsche hat, wird wohl auch einmal die Gewalt über sein Herz verlieren, aber doch selten. Ein Mann, der viele Wünsche hat, wird wohl auch einmal die Gewalt über sein Herz behalten, aber doch selten.«

36. Meister Dsong's Trauer um seinen Vater

Dsong Si aß gerne Schafdatteln. Sein Sohn, der Meister Dsong, brachte es – nach dem Tode seines Vaters – nicht mehr fertig, Schafdatteln zu essen.

Gung-Sun Tschou befragte den Mong Dsï darüber und sprach: »Was schmeckt besser, gehackter Braten oder Schafdatteln?«

Mong Dsï sprach: »Gehackter Braten, natürlich.«

Gung-Sun Tschou sprach: »Warum aß dann der Meister Dsong gehackten Braten, während er sich der Schafdatteln enthielt?«

Mong Dsï sprach: »Gehackter Braten ist eine gemeinsame Speise aller Menschen, während Schafdatteln eine besondere Lieblingsspeise seines Vaters gewesen waren. Nach dem Tode des Vaters vermeidet man ja auch den Rufnamen auszusprechen, während man den Geschlechtsnamen nicht vermeidet, weil der Geschlechtsname etwas Gemeinsames, der Rufname aber etwas Besonderes ist.« Schafdatteln sind eine Art von kleinen wilden Parsimonen, die in Nordchina wachsen. Dsong Dsï wurde durch diese Lieblingsspeise seines verstorbenen Vaters an ihn erinnert und vermochte sie daher nicht zu essen. Zu dem Beispiel des Mong Dsï ist zu bemerken, daß, ähnlich wie im alten Israel der Gottesname, so in China der persönliche Name des jeweiligen Kaisers, sowie innerhalb der einzelnen Familien der Vorname des verstorbenen Vaters, vermieden wird.

37. Die Jünger der Wahrheit und die Weltmenschen

Wan Dschang fragte den Mong Dsï und sprach: »Als Meister Kung in Tschen war, sagte er: ›Warum gehe ich denn nicht heim? Meine jungen Freunde zu Hause sind enthusiastisch und großartig, sie machen Fortschritte und sind aufnahmefähig und vergessen nicht, was sie früher gelernt.‹ Als Meister Kung in Tschen war, warum gedachte er da der enthusiastischen Jünglinge von Lu?«

Mong Dsï sprach: »Da Meister Kung keine Leute fand, die in der Mitte wandelten, um mit ihnen zu sein, so wollte er wenigstens Leute von Enthusiasmus und Entschiedenheit. Die Enthusiasten machen Fortschritte und sind aufnahmefähig. Die Entschiedenen haben Grenzen, die sie nicht überschreiten. Es war keineswegs so, daß Meister Kung Leute, die in der Mitte wandelten, nicht wünschte! Aber er konnte keine finden, darum gedachte er derer auf der nächsten Stufe.«

Der Schüler sprach: »Darf ich fragen: Wie waren die, die man als Enthusiasten bezeichnen kann?«

Mong Dsï sprach: »Es sind die Leute wie Kiu Dschang, Dsong Si und Mu Pi, die Meister Kung als Enthusiasten bezeichnete.«

Wan Dschang fragte: »Weshalb bezeichnete er sie als Enthusiasten?«

Mong Dsï sprach: »Sie hatten großartige Ziele. Sie sagten: ›Die Alten, die Alten!‹ Aber wenn man ihren Wandel daraufhin abwog, so entsprach er ihren hohen Reden nicht. Und wenn er selbst keine Enthusiasten finden konnte, so wünschte er Leute zu finden, die Unreines unter ihrer Würde hielten, um mit ihnen zusammen zu sein. Das sind die Entschiedenen, sie stehen noch eine Stufe tiefer.

Meister Kung sprach: ›Von allen, die an meiner Tür vorbeigehen, ohne in mein Haus zu kommen, sind es nur die Gerechten im Lande, die ich nicht vermisse. Die Gerechten im Lande sind Räuber der Tugend‹.«

Wan Dschang fragte darüber: »Was sind das für Leute, die man die Gerechten im Lande nennt?«

Mong Dsï sprach: »Sie reden über die Enthusiasten: ›Warum so hoch hinaus? Ihre Worte stimmen nicht zu ihrem Wandel, und ihr Wandel stimmt nicht zu ihren Worten. Immer sagen sie: »Die Alten, die Alten!«‹ – Und über die Entschiedenen reden sie: ›Warum sind sie solche Sonderlinge und so kühl und zurückhaltend? Wer in dieser Welt lebt, muß auch mit dieser Welt mitmachen. Wenn man nur anständig ist.‹ So schmeicheln sie wie Eunuchen um die Welt herum, diese Gerechten im Lande!«

Wan Dschang sprach: »Die ganze Gegend nennt sie gerechte und anständige Leute; wohin sie gehen, immer sind sie die gerechten und anständigen Leute. Und dennoch hielt sie Meister Kung für die Räuber der Tugend. Weshalb?«

Mong Dsï sprach: »Will man sie verurteilen, so weiß man nicht wo einsetzen; will man sie verspotten, so ist nichts Komisches an ihnen. Sie schwimmen im breiten Strom der Mode und stimmen überein mit der schmutzigen Welt, und doch heucheln sie in ihrem Dasein Gewissenhaftigkeit und Treue und in ihren Handlungen Unbestechlichkeit und Reinheit. Die Masse ist mit ihnen zufrieden. Sie selbst halten sich für recht, und doch kann man nicht gemeinsam mit ihnen auf den Wegen Yaus und Schuns wandeln. Darum heißen sie Räuber der Tugend.

Meister Kung sprach: ›Ich hasse den falschen Schein, der der Wahrheit gleicht; ich hasse den Lolch, weil er mit Korn verwechselt werden könnte; ich hasse die Redegewandten, weil sie mit Pflichttreuen verwechselt werden könnten; ich hasse die falschen Zungen, weil sie mit Wahrhaftigen verwechselt werden könnten; ich hasse die Klänge von Dschong, weil sie mit Musik verwechselt werden könnten; ich hasse die violette Farbe, weil sie mit Scharlach verwechselt werden könnte; ich hasse die Gerechten im Lande, weil sie mit Tugendhaften verwechselt werden könnten.‹ Der Edle kehrt einfach zurück zum geraden Weg. Ist der gerade Weg in Ordnung, so erheben sich die Massen zum Guten. Erheben sich die Massen zum Guten, so muß Falschheit und eitler Schein verschwinden.« Es sind hier mehrere Stellen aus Lun Yü im Zusammenhang besprochen, die in den heutigen Lun Yü an ganz verschiedenen Stellen stehen. Der Text, den Mong Dsï gibt, weicht in beträchtlicher Weise ab. Auch ist nicht die leiseste Andeutung vorhanden, daß die Stellen aus einem vorliegenden Werke zitiert seien, wie dies bei den Zitaten aus dem Schï-Ging, Schu-Ging und sonst bei verschiedenen Zitaten der Fall ist. Die Zitate sind vielmehr ganz in derselben Art gegeben, wie solche, die nur auf grund einer mündlichen Tradition überliefert waren. Die entsprechenden Stellen aus Lun Yü sind: a) V, 21: Der Meister sprach in Tschen: »Ich muß heim! Ich muß heim! Meine jungen Freunde zu Hause sind enthusiastisch und großartig. Sie sind bewandert in allen Künsten. Aber sie wissen noch nicht, sich zu mäßigen.« b) XIII, 21: Der Meister sprach: »Wenn ich keine Leute finde, die in der Mitte wandeln, um mit ihnen zu sein, so will ich wenigstens Leute von Enthusiasmus und Entschiedenheit. Die Enthusiasten schreiten fort und sind aufnahmefähig. Die Entschiedenen haben Grenzen, die sie nicht überschreiten.« c) XVII, 13: Der Meister sprach: »Jene ehrbaren Leute im Lande sind Räuber der Tugend.« d) XVII, 18: Der Meister sprach: »Ich hasse es, wie das Violett den Scharlach beeinträchtigt; ich hasse es, wie die Klänge von Dschong die Festlieder verwirren; ich hasse es, wie die scharfen Mäuler Staat und Familien umstürzen.«

38. Die Überlieferung der Wahrheit

Mong Dsï sprach: »Von Yau und Schun bis auf Tang waren's über fünfhundert Jahre. Ein Yü und ein Gau Yau haben sie gesehen und erkannt. Tang hat von ihnen gehört und sie erkannt. Von Tang bis auf den König Wen waren's über fünfhundert Jahre. Ein I Yin und Lai Dschu haben ihn gesehen und erkannt; ein König Wen hat von ihm gehört und ihn erkannt. Von König Wen bis auf den Meister Kung waren's über fünfhundert Jahre. Ein Tai Gung Wang und San I Schong haben ihn gesehen und erkannt. Meister Kung hat von ihm gehört und ihn erkannt. Von Meister Kung an bis heute sind's etwas über hundert Jahre. So nahe sind wir noch der Zeit des Heiligen, und so benachbart sind wir dem Ort, wo er geweilt. Und dennoch sollten wir nichts von ihm besitzen, ja, wirklich nichts von ihm besitzen?« Mong Dsï entwirft hier ein Schema, wie der Weg des Lebens und seine Kenntnis von einem Heiligen auf den andern kam. Jedem Heiligen sind zwei Paladine beigegeben, die Augenzeuge seiner Werke waren, und der nächste, der nach Hunderten von Jahren sein Werk fortsetzte. Die Paladine von Yau und Schun sind die beiden Minister Schuns Yü und Gau Yau. Die beiden Paladine des Tang sind der bekannte I Yin und Lai Dschu, den die meisten Kommentare mit dem Minister Tangs, Dschung Hui, identifizieren. Bei König Wen werden Tai Gung Wang genannt, über den man Buch IV, A, 13 vergleiche, und San I Schong, einer seiner Minister, von dem weiter nichts bekannt ist. Wer der Nachfolger Kungs sei, die Frage läßt Mong Dsï offen, doch nicht ohne so deutlich, als es die Bescheidenheit erlaubte, die Verantwortung für die Fortführung seiner Lehren ähnlich wie in II, B, 18 selbst zu übernehmen.


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