Jean Baptiste Molière
Tartüff
Jean Baptiste Molière

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Dritter Akt

Erster Auftritt

Damis. Dorine.

Damis. Der Blitz soll auf mich niederschlagen,
Ein Schurke will ich sein vor jedermann,
Wenn alle Macht der Welt mich zwingen kann,
Dies Treiben länger zu ertragen.

Dorine. Nur nicht so aus dem Häuschen, bitte!
Ihr Vater sprach vorerst nur von dem Plan:
Gesagt ist lang noch nicht getan,
Und von dem Wunsch zum Ziel sind tausend Schritte.

Damis. Doch diesem Schuft von geistlichem Berater,
Dem Schleicher sag' ich was ins Ohr.

Dorine. Nur Ruhe! Gegen ihn und Ihren Vater
Rückt besser Ihre Mutter vor.
Ihr Einfluß auf Tartüff ist nicht geringe;
Was sie befiehlt, er tut's gewissenhaft;
Ich wette, daß er sich in sie vergafft.
Gott geb's! Dann sitzt er in der Schlinge.
Sie nimmt ihn einfach ins Gebet,
Erforscht aus seinem eignen Munde,
Wie er sich stellt zu diesem Ehebunde,
Und macht ihm klar, was zu befürchten steht,
Falls er auf diesen Vorsatz nicht verzichtet. –
Sobald er seine Andacht hat verrichtet,
Sagt mir sein Diener, kommt er hier herein.
Drum gehen Sie, die beiden nicht zu stören.

Damis. Ich wünsche dies Gespräch zu hören.

Dorine. Kein Dritter darf . . .

Damis.                                 Ich werde ruhig sein.

Dorine. Sie ruhig? Sie? Wir kennen Ihre Schwäche!
Ihr Ungestüm wär' grade gut dafür.

Damis. Wenn ich mich doch zu mäßigen verspreche!

Dorine. Er kommt! Sie Unglücksmensch – durch diese Tür!

(Sie drängt ihn nach dem Kabinett im Hintergrund)

 

Zweiter Auftritt

Tartüff. Dorine.

Tartüff (spricht, sobald er Dorine bemerkt, zu seinem Diener in die Szene zurück)
Lorenz, das Bußkleid und den Strick schließ ein!
Gott schütze deine Seele vor Bedrängnis!
Wer nach mir fragt – ich gehe zum Gefängnis
Und bring' den Ärmsten ein paar Pfenniglein.

Dorine (beiseite).
Windbeutel du! Wer glaubt dir dies Gebimmel?

Tartüff. Was wünschen Sie?

Dorine.                                   Ich wollte . . .

Tartüff (zieht ein Taschentuch hervor).           O mein Himmel!
Ich bitte, nehmen Sie zunächst dies Tuch!

Dorine. Wozu?

Tartüff.             Um Ihren Busen zu bedecken!
Auf solchem Anblick lastet Gottes Fluch!
Das könnte sündige Gedanken wecken.

Dorine. Sie scheinen für Versuchung sehr empfänglich,
Sehr leicht erregt von Fleisch und Blut:
Merkwürdig rasch geraten Sie in Glut.
Ich meinesteils bin dafür unzugänglich.
Ich würde von Versuchung nicht gepackt,
Und, säh ich Sie auch splitternackt.

Tartüff. Ich bitte Sie, mehr Anstand zu bewahren,
Sonst geh' ich auf der Stelle fort.

Dorine. Das will ich Ihnen gern ersparen:
Ich gehe selber schon; nur noch ein Wort:
Madame läßt fragen, ob sie hoffen kann,
Daß Sie ihr eben jetzt ein Stündchen schenken.

Tartüff. Ei, ei, sehr gerne!

Dorine (beiseite).                 Darauf beißt er an.
Das konnt' ich mir wahrhaftig denken.

Tartüff. Und kommt sie bald?

Tartüff.                                   Da hör' ich sie gerade!
Jawohl, sie ist's. Ich ziehe mich zurück.

(Geht ab Tür links, durch welche Elmire eintritt)

 

Dritter Auftritt

Elmire. Tartüff.

Tartüff. Mög' Ihnen durch des Himmels reiche Gnade
Gesundheit stets erblühn und Seelenglück;
Dies wird in sein Gebet alltäglich flechten
Der niedrigste von Gottes Knechten.

Elmire. Ich bin für Ihren frommen Wunsch verbunden.
Doch wär' es nicht bequemer, Platz zu nehmen?

Tartüff (setzt sich).
Ihr Unwohlsein ist hoffentlich verschwunden?

Elmire (setzt sich).
Durchaus; das Fieber ließ sich rasch bezähmen.

Tartüff. Zwar ist es schwerlich mein Verdienst gewesen,
Wenn Sie des Himmels Huld so schnell befreit;
Jedoch zu Gott hab' ich die ganze Zeit
Inbrünstiglich gefleht, daß Sie genesen.

Elmire. Ihr Eifer nahm die Sache viel zu schwer.

Tartüff. Man kann Ihr Wohl niemals zu eifrig lieben;
Tät's not, ich gäb' dafür das meine her.

Elmire. Das heißt die Christlichkeit sehr weit getrieben;
Ich fühle mich als Ihre Schuldnerin.

Tartüff. Mein dürftiges Bemühn kann niemals wagen . . .

Elmire. Ich muß Sie etwas im Vertrauen fragen;
Drum gut, daß ich allein mit Ihnen bin.

Tartüff. O, mich entzückt dies Wort aus Ihrem Munde:
Allein mit Ihnen, ungestört!
Wie bat ich Gott um eine solche Stunde!
Doch hat er mich bis heute nicht erhört.

Elmire. Bei dieser Unterredung säh' ich gern,
Daß Sie ganz offen sind und nichts verschweigen.

(Damis öffnet unbemerkt die Tür des Kabinetts, um das Gespräch zu belauschen.)

Tartüff. Ich preise meines Glückes Stern,
Der mir erlaubt, mein Innerstes zu zeigen.
Und wenn ich zürnend gegen Artigkeiten
Der lästigen Besucher schalt und focht,
Bei Gott, nicht Haß hat mich dazu vermocht;
Nur Übereifer konnte mich verleiten
Und ein Gefühl . . .

Elmire.                           Ich will es nicht verdammen,
Wenn's meinem Seelenheile widerfuhr.

Tartüff (ergreift ihre Hand und drückt sie).
O, sicherlich! Und meiner Inbrunst Flammen . . .

Elmire. Au! Sie tun weh . . .

Tartüff.                               Aus Übereifer nur.
Ich Ihnen weh tun! Vielmehr möcht' ich hoffen,
Daß ich . . . (Er legt die Hand auf Elmirens Knie)

Elmire.               Was hat da Ihre Hand zu tun?

Tartüff. Ich bin ein Freund von weichen Kleiderstoffen.

Elmire. Und ich bin kitzlig; lassen Sie das nun!

(Elmire rückt mit ihrem Stuhl fort; Tartüff rückt ihr nach)

Tartüff (befühlt Elmirens Halstuch).
Mein Gott, wie ist das hübsch gestickt;
Man ist jetzt wirklich weit in diesem Fache;
Nie hab' ich etwas Ähnliches erblickt.

Elmire. Ja, ja; doch kommen wir zur Sache!
Es heißt, mein Mann, der schon sein Wort verpfändet,
Will Sie zum Schwiegersohn. Was ist daran?

Tartüff. Er sagt's; doch wenn ich offen reden kann,
Dies ist das Glück nicht, das mich blendet.
Ganz anderswo erblick' ich Seligkeiten
Und suche sie mit sehnsuchtsvoller Pein.

Elmire. Durch Erdenlust sind Sie nicht zu verleiten.

Tartüff. Es wohnt in meiner Brust kein Herz von Stein.

Elmire. Ich weiß, Sie sind im Himmel nur zu Haus,
Und nichts von dieser Welt kann Sie bewegen.

Tartüff. Die Liebe, die wir für den Himmel hegen,
Sie löscht die Glut der irdischen nicht aus.
Und sollen unsre Sinne nicht entflammen
Für Gottes höchstes Meisterstück?
Strahlt es nicht seine Göttlichkeit zurück?
Strömt nicht sein hellster Glanz darauf zusammen?
Er gab der Frauenschönheit den Beruf,
Den Blick zu rühren und das Herz zu wärmen;
Für sein vollendetes Geschöpf zu schwärmen
Heißt ihn anbeten, der es schuf:
So lieb' ich Sie, sein schönstes Ebenbild,
So lieb' ich Sie, bereit für Sie zu sterben! –
Erst fürchtet' ich, der Teufel sei gewillt,
Durch diese Leidenschaft mich zu verderben;
Ich war entschlossen, Sie zu fliehn,
Aus Angst vor der Versuchung, die mir drohte.
Doch dies Gefühl, das mir so sündig schien,
Hält Leidenschaft mit Sittsamkeit gepaart
Und lästert keine heiligen Gebote;
Drum hab' ich länger nicht mein Herz bewahrt,
Wohl ist es tollkühn, Ihnen zu vertraun,
Wie heiß dies Herz für Sie erglühte;
Wohl darf ich auf mein schwaches Flehn nicht baun;
Doch bau' ich um so mehr auf Ihre Güte.
Sie sind mein Heil, mein Hort, mein Traum, mein Wachen,
Sind meine Seligkeit und meine Qual;
Bei Ihnen, nur bei Ihnen steht die Wahl,
Ob Sie mich glücklich oder elend machen.

Eimire. Das ist ja eine artige Erklärung,
Die mich doch ziemlich in Erstaunen setzt.
Ich meine doch, daß grade Sie zuletzt
Berechtigt sind zu dieser Art Verehrung,
Sie, der als Frommer überall bekannt . . .

Tartüff. Ein Frommer bin ich, doch ein Mensch daneben,
Und wer sich Ihrer Schönheit hingegeben,
Der ist gefesselt ohne Widerstand.
Mit Staunen hören Sie mich also sprechen:
Ja, glaubten Sie, daß ich ein Engel sei?
Statt über mich den Stab zu brechen,
Verklagen Sie sich selbst der Zauberei!
Seit mich Ihr überird'scher Glanz umflossen,
Beherrschen Sie mein Herz als Königin;
Seit diese Himmelsanmut mir erschlossen,
Schmolz alle meine Festigkeit dahin.
Ich rang in Tränen, Fasten und Gebeten
Vergeblich gegen Ihrer Reize Macht!
Was tausend Blicke, tausend Seufzer flehten,
Ich hab' es nur in Worte noch gebracht.
Ach, wär' Ihr gütiges Erbarmen
Nicht gegen Ihres Knechtes Notschrei taub,
Und wollten Sie in mitleidvollen Armen
Mich Niedrigsten emporziehn aus dem Staub,
O glauben Sie mir, süßes Weib, ich wäre
Von grenzenloser Treue bis zum Tod;
Verbürgen wollt' ich mich, daß Ihrer Ehre
Niemals Verrat, niemals Entdeckung droht.
Weltliche Männer, die den Fraun gefallen,
Berühmen laut sich der Verführungskunst;
Sie lassen ihre Siege widerhallen
Und brüsten sich mit der genoßnen Gunst;
Durch prahlerische Redefluten
Entweihn sie keuscher Opferung Altar.
Bei Leuten unsres Schlags droht nie Gefahr;
Die nähren schweigend die geheimen Gluten.
Besorgt um unsern Ruf in tiefster Brust
Entziehn wir der Geliebten jedes Bangen;
Von uns und nur von uns läßt sich erlangen
Lautlose Lieb' und angstbefreite Lust.

Elmire. Ich hörte ruhig Ihren Redeschwung;
Er ließ an Deutlichkeit nicht viel vermissen.
Wie aber, ließ' ich zur Erwiderung
Ihr zart Geständnis meinen Gatten wissen?
Die Kunde dieser Liebesglut
Vermöchte wohl die Freundschaft abzuschwächen.

Tartüff. O, dazu sind Sie viel zu gut,
Um meine Kühnheit so zu rächen.
Ich weiß, wenn dies Gefühl Sie auch beleidigt,
Daß Sie nicht unbarmherzig sind
Und daß Ihr eigner Spiegel mich verteidigt;
Denn ich bin nur ein Mensch und bin nicht blind.

Elmire. Nun, andre würden anders sich betragen;
Ich aber hab' im Leben nie geschwätzt
Und werde meinem Mann nichts wiedersagen;
Jedoch als Gegendienst verlang' ich jetzt,
Daß Sie Mariannens Heirat mit Valer
Mit offner Stirne Beifall zollen,
Daß Sie verzichten und sich niemals mehr
An eines andern Gut vergreifen wollen,
Und . . .

 

Vierter Auftritt

Vorige. Damis.

Damis (tritt aus dem Kabinett hervor).
              Nein! Ich werd's der Welt berichten!
In diesem Winkel hört' ich jedes Wort:
Durch Gottes Fügung war ich dort,
Um dieses Heuchlers Pläne zu vernichten,
Um mir den Weg der Rache zu erhellen
Und einen Schurken, der uns frech verhöhnt
Und Ihnen gar von Liebe stöhnt,
Dem Vater in das rechte Licht zu stellen.

Elmire. Nein, Damis, nein, er wird schon in sich gehn
Und meiner Langmut nicht den Dank versagen.
Was ich versprach, das soll geschehn;
Ich will's vermeiden, Lärm zu schlagen.
Dummheiten sind's, die eine Frau verlacht;
Doch stört sie nicht damit des Mannes Frieden.

Damis. Sie haben es nach Ihrer Art gemacht,
Ich habe nach der meinigen entschieden.
Ihm zu vergeben wäre Spott und Hohn!
Sein Gleisnerhochmut hat zu lange schon
Dem Zorn getrotzt, den ich mit Recht empfand,
Zu lange sich im Haus als Herr gebärdet,
Den Vater dreist geführt am Gängelband,
Mir und Valer das Lebensglück gefährdet.
Daß er entlarvt wird, ist die höchste Zeit.
Der Himmel selbst scheint uns zu unterstützen
Und bietet freundlich die Gelegenheit;
Sie ist zu günstig, um sie nicht zu nützen:
Die Huld verdient' ich wahrlich schlecht,
Wollt' ich sie müßig aus den Händen lassen.

Elmire. Damis! . . .

Damis.                   Ich bin in meinem guten Recht!
Noch weiß ich mich vor Freude nicht zu fassen,
Daß ich mich endlich, endlich rächen kann!
Vergebens suchen Sie mich zu bewegen;
Kein Aufschub mehr, kein Überlegen!
Da kommt der Vater; nun wohlan!

 

Fünfter Auftritt

Vorige. Orgon.

Damis. Mein Vater, da Sie selber hier erschienen,
Vernehmen Sie das Neuste, was es gibt:
Wie man gehäufte Wohltat zu verdienen
Und Ihre Güte zu belohnen liebt.
Der Herr, der so von frommem Eifer brannte,
Sie zu beschimpfen hegt er jetzt Begier:
Ich hörte, wie er Ihrer Gattin hier
Verbrecherische Leidenschaft bekannte.
In ihrer Sanftmut macht sie mir's zur Pflicht,
Geheimzuhalten sein Verschulden;
Doch würd' ich schweigend solche Frechheit dulden,
Dann schlüg' ich Ihrer Ehre ins Gesicht.

Elmire. Mir scheint, daß man mit Reden dieser Art
Nicht seines Mannes Ohr beleidigt,
Und daß die Ehre sich am besten wahrt,
Solange sie sich selbst verteidigt.
So sagt mir mein Gefühl, und Damis sprach,
Weil meine Wünsche ihm nichts galten.

 

Sechster Auftritt

Orgon. Damis. Tartüff.

Orgon. O Himmel! Soll man's denn für möglich halten!

Tartüff. Ja, ja, mein Bruder, ich bin schlimm genug,
Ein Missetäter voller Schuld und Schmach,
Der größte Schelm, den je die Erde trug.
Mein Leben ist verbrecherisch und schändlich,
Mit allen Freveln, allem Schimpf befleckt,
Und ich erkenne, daß der Himmel endlich
Die Strafe solchen Tuns an mir vollstreckt.
Mag man der größten Schandtat mich verklagen,
Mich zu verteid'gen heg' ich nicht den Mut:
Sie dürfen's glauben, dürfen mich voll Wut
Wie einen Schurken aus dem Hause jagen;
Und stieße mir die größte Schande zu,
Sie reicht nicht, meine Frevel auszumerzen.

Orgon (zu seinem Sohn).
Verräter, mit Verleumdung wolltest du
Die Reinheit seiner Tugend schwärzen!

Damis. Wie, was? Sie fallen in die plumpe Grube,
Die dieser Heuchler . . .

Orgon.                                 Schweig, verwünschter Bube!

Tartüff. Nein, lassen Sie ihn reden immerhin!
Sie täten besser, Glauben ihm zu schenken.
Warum nach solcher Tat an Milde denken?
Denn, ahnen Sie, wozu ich fähig bin?
Ja, Bruder, wenn mein Äußeres allein
Sie gläubig und vertrauend mir gesellte,
So ließen Sie sich täuschen von dem Schein;
Denn ich bin leider nicht, wofür ich gelte;
Wenn mich die Welt als braven Mann verehrt,
In Wahrheit bin ich keinen Heller wert.
    (Wendet sich zu Damis)
Nur zu, mein Sohn, behandeln Sie mich munter
Als Lumpen, Gauner, Mörder, Dieb,
Und wenn ein schlimmres Scheltwort übrig blieb,
Ich hab's verdient und schluck' es still hinunter.
Ja, schmähen Sie drauf los; zu Ihren Füßen
Will ich die Sünden meines Lebens büßen.
    (Er kniet)

Orgon (zu Tartüff).
Zu viel, mein Bruder! (Zu seinem Sohn) Bleibst du unbeweglich,
Verräter?

Damis.             Wie? Verführt Sie dies Geschwätz?

Orgon. Schweig, Lümmel! (Hebt Tartüff auf)
                                    Bruder, das ist nicht Ihr Platz! (Zu seinem Sohn)
Schamloser!

Damis.                 Wenn er doch . . .

Orgon.                                             Schweig!

Damis.                                                             Unerträglich!

Orgon. Nur noch ein Wort, dann brech' ich dir die Knochen!

Tartüff. Um Gott, mein Bruder, nicht so eifervoll!
Ich will mich jeder Marter unterjochen,
Bevor man ihm ein Härchen krümmen soll.

Orgon (zu seinem Sohn).
Du Unmensch!

Tartüff.                   Gnade! Auf den Knieen will
Ich für ihn flehn . . .!

Orgon (wirft sich gleichfalls auf die Knie und umarmt Tartüff).
                                O, wie Sie mich beschämen!
    (Zu seinem Sohn)
Schurk, dank ihm!

Damis.                         Aber . . .

Orgon.                                       Ruhe!

Damis.                                                   Wenn doch . . .

Orgon.                                                                            Still!
Ich weiß, warum du strebst, ihn zu verfemen.
Ihr haßt ihn all'; ich sehe gegen ihn
Frau, Kinder, Dienerschaft verbunden;
Kein Mittel habt ihr zu gemein gefunden,
Um einen edlen Freund mir zu entziehn.
Je mehr ihr gegen diese Freundschaft sprecht,
Um so beredter bitt' ich ihn zu bleiben,
Und meine Tochter geb' ich ihm erst recht!
Ich will euch den Familienstolz vertreiben.

Damis. Nach solch erzwungner Ehe steht Ihr Sinn?

Orgon. Sie kriegt ihn noch heut abend, euch zum Possen;
Denn zu beweisen bin ich fest entschlossen,
Daß ich der Herr in diesem Hause bin.
Schnell, Spitzbub', widerruf, was du gesagt;
Fußfällig fleh ihn an, dir zu vergeben.

Damis. Ich? Diesen Schwindler, der es wagt . . .

Orgon. Was! Neue Schmähung, neues Widerstreben!
Wo ist mein Stock! (Zu Tartüff, der unbeweglich dasteht)
                                Nein, hindern Sie mich nicht! (Zu seinem Sohn)
Fort! Augenblicklich fort aus meinem Haus,
Und komme mir nie wieder vors Gesicht!

Damis. Nun gut, ich gehe; aber . . .

Orgon.                                             Marsch, hinaus!
Mißratener, du sollst enterbt verkommen,
Und meinen Fluch nimm auf die Reise mit.

 

Siebenter Auftritt

Orgon. Tartüff.

Orgon. So zu verleumden einen wahren Frommen!

Tartüff. Vergib ihm, Gott, was ich durch ihn erlitt!
    (Zu Orgon)
Ach, wüßten Sie, wie namenlos es schmerzt,
Daß man bei meinem Bruder mich verschwatzt . . .

Orgon. O Jammer!

Tartüff.                   Solchen Undank zu erwerben,
Ich kann's nicht denken, tragen kann ich's nicht . . .
Mich packt ein Schauder; meine Stimme bricht . . .
Mein Herz zerspringt . . . Ich werde daran sterben.

Orgon. (Bricht in Tränen aus und läuft zur Tür, aus der er seinen Sohn gejagt hat).
Schurk, mir tut leid, daß ich mit eignen Händen
Nicht lieber auf dem Fleck dich umgebracht.
    (Zu Tartüff).
Fassung, mein Bruder! Nicht mehr dran gedacht!

Tartüff. Nein, nein, wir wollen all den Hader enden.
Ich bin in diesem Haus der Störenfried;
Zum Scheiden fühl' ich mich deshalb gezwungen.

Orgon. Sie scherzen wohl?

Tartüff.                                 Man haßt mich hier, entzieht
Mir Ihr Vertrauen durch Verdächtigungen . . .

Orgon. Was tut's? Bleibt nicht mein Herz dafür verriegelt?

Tartüff. Man wird nicht ruhen, bis das Ziel erreicht,
Und hat man heut Sie noch nicht aufgewiegelt,
Nun, dann gelingt's ein andermal vielleicht.

Orgon. Niemals, mein Bruder, niemals!

Tartüff.                                                     Allzugerne
Leiht man der eignen Frau ein willig Ohr.

Orgon. Nein, nein!

Tartüff.                   Indem ich mich von hier entferne,
Mein Bruder, komm' ich jedem Streit zuvor.

Orgon. Sie bleiben hier! Mein Leben hängt daran.

Tartüff. Das heißt fürwahr ein schweres Opfer bringen;
Doch wenn Sie drauf bestehn . . .

Orgon.                                                 O!

Tartüff.                                                       Nun, wohlan!
Doch eins tut not vor allen Dingen:
Empfindlich ist die Ehre, leicht versehrt;
Die Pflicht befiehlt, der Lästrung vorzubeugen:
Drum meid' ich Ihre Frau, um Sie zu überzeugen . . .

Orgon. Nun will ich grad, daß ihr recht viel verkehrt.
Die Welt zu ärgern ist mein Hochgenuß.
Den ganzen Tag sollt ihr beisammen sein;
Ja, nicht genug: der Rotte zum Verdruß
Erwähl' ich Sie zum Erben, Sie allein.
Ich eile, rechtsverbindlich heute schon
Die Schenkung des Vermögens aufzusetzen.
Ein solcher Freund, ein solcher Schwiegersohn
Ist mehr als Eltern, Kind und Frau zu schätzen.
Ich hoffe doch, Sie haben nichts dagegen?

Tartüff. Was auch der Himmel schickt, ich folge blind.

Orgon. Der Ärmste! – Zum Notare jetzt geschwind;
Die Neider sollen platzen meinetwegen.

 


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