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Achter Gesang.

Der Engel schloß und ließ der Stimme Zauber
Zurück in Adam's Ohr, daß der ein Weilchen
Ihn noch zu hören dacht' und lauschend horchte;
Dann, wie auf's neu erwacht, dankbar erwiedert:

»Wie Danks genug, wie angemessnen Lohn
Kann ich dir zollen, göttlicher Erzähler,
Der du so reichlich mir den Durst gelindert,
Den ich nach Kenntniß hegte, mir gewährt,
Herab dich lassend, freundlich zu berichten.
Was sonst mir unerforschlich wär', und was
Ich staunend und entzückt vernahm, darob
Dem höchsten Schöpfer schuld'ge Ehr' erweisend?
Doch etwas noch von Zweifel bleibt zurück,
Den du allein im Stande bist zu lösen.
Betracht' ich diesen Wunderbau, die Welt,
Die Erde nebst dem Himmel, und erwäge
Derselben Größe; diese Erd' ein Fleckchen,
Ein Staubkorn, mit dem Firmament verglichen
Und den zahllosen Sternen, die durchrollen
Unfaßbar große Räume (denn dies läßt
Ihr Abstand und die schnelle Wiederkehr
An jedem Tag uns schließen), blos um Licht
Der dunkeln Erde, diesem kleinen Punkte,
Täglich zu bringen, sonst in all der Weite
Nutzlos: bewundr' ich oft, bedenkend,
Wie die so weis' und sparsame Natur
Im Mißverhältnis mit Verschwendungshand
So viele höhre Körper schaffen konnte,
Und so viel größre, zu dem einen Zweck,
Denn so erscheint's, und auflegt' ihren Kreisen
Den ruhelosen Umschwung, Tag für Tag
Stets wiederholt; indeß die feste Erde,
Die leichter sich in kürzrer Bahn bewegte,
Bedient von edlern, als sie selbst, ihr Ziel
Bewegungslos erreicht, und als Tribut
Stets Wärm' und Licht erhält, ihr zugebracht
Durch unberechenbare Tagereisen
Von unsagbarer, körperloser Schnelle.«

So sprach der Ahnherr und nach seiner Miene
Schien er auf Ernstes einzugehn; drum Eva,
Dies merkend, wo sie etwas seitwärts saß,
Mit würd'ger Scheu und Anmuth, daß, wer's sah,
Ihr Bleiben wünschte, sich vom Sitz erhob
Und fort zu ihren Blumen ging und Früchten,
Zu sehn, wie sie gediehen, Knosp' und Blüthe,
Die Pfleglinge; sie sproßten, als sie nahte,
Und wuchsen freud'ger unter ihrer Hand.
Doch ging sie nicht, als hätt' ein solch Gespräch
Sie nicht ergetzt, als wär' ihr Ohr empfänglich
Für Hohes nicht; sie sparte das Vergnügen
Für den Bericht auf, den ihr Adam gäbe:
Sie zieht den Mann als den Berichterstatter
Dem Engel vor, und will von ihm es lieber
Erfragen; denn er würde, weiß sie, süße
Abschweifungen einmischen, Hohes lösen
Durch ehlich Kosen. Seiner Lippen Worte
Freun nicht allein sie. – Wo ist jetzt solch Paar,
Vereint durch Lieb' und gegenseitige Achtung? –
Mit göttergleicher Haltung schritt nicht ohne
Gefolg sie; denn wie einer Königin,
Folgt ihr ein Chor reizvoller Huldgöttinnen
Und sendet um sie her der Sehnsucht Pfeile
In jedes Aug', sie stets im Blick zu wünschen.
Und gütig und geneigt erwiedert nun
Raphaël auf Adams vorgebrachten Zweifel:

»Ich tadle nicht dein Fragen oder Forschen.
Als Gottes Buch liegt vor dir da der Himmel,
Zu lesen seine Wunder drin, zu lernen
Jahrszeiten, Stunden, Tage, Monden, Jahre.
Hierzu – mag Himmel sich und Erde drehen –
Bedarf's nur, daß du rechnen kannst; das Andre
Verbarg dem Menschen und dem Engel weislich
Der große Meister, daß nicht sein Geheimniß
Durch die ergrübelt werde, die's vielmehr
Bewundern sollten; lüstete sie's aber,
Zu grübeln – nun, so gab den Himmelsbau
Er ihrem Streite preis, vielleicht um nochmals
Ob der gelehrten Meinungen zu lächeln,
Wenn an des Himmels Nachbild sie sich wagen.
Die Sterne zählen; wie sie drehn sich lassen
Den mächt'gen Bau, ihn baun, umbaun, und sinnen,
Den Schein zu retten; wie die Sphär' umgürten
Mit Linien nach und von dem Mittelpunkte,
Cyklus und Epicyklus, Kreis' in Kreisen.
Aus deinem Schließen seh' ich's schon voraus:
Du, als der Ahnherr deiner Gattung, meinst:
Nicht sollten größre, lichte Körper dienen
Den kleinern, dunklen, noch im Flug der Himmel
Hinjagen, wenn die feste Erd' allein
Den Vortheil hat. Bedenk zunächst, daß groß
Und licht kein Vorzug ist. Obschon die Erde,
Verglichen mit dem Himmel, nur so klein
Und glanzlos, hegt sie doch des wahren Guten
Mehr als die Sonne, die unfruchtbar leuchtet,
Und deren Kraft nichts auf ihr selber zeugt,
Nur auf der fruchtbarn Erde; dort erst üben,
Unthätig sonst, die Strahlen ihre Wirkung.
Doch nicht der Erde sind die hellen Lichter
Zu Diensten, sondern dir, dem Erdbewohner.
Des Himmels weiter Umfang aber sage
Dir von des Schöpfers Macht, der so geräumig
Gebaut und so weit ausgedehnt den Raum,
Daß nicht der Mensch ihn für sein Wohnhaus halte.
Ein Bau, zu groß für ihn, ihn zu erfüllen;
Ihm ist ein kleiner Theil bestimmt; das Andre
Für Zwecke, die sein Herr am besten kennt.
Die Schnelle dieser unzählbaren Kreise
Schreib seiner Allmacht zu, die fast die Schnelle
Der Geister körperlichem Stoff verlieh.
Du wirst gewiß mich nicht für langsam halten,
Der ich dem Himmel, wo Gott seinen Thron hat,
Zur Morgenstund' enteilt', und noch vor Mittag
Nach Eden kam, ein Abstand, unaussprechlich
Durch Zahlen, die man spricht. Dies sag' ich nur,
Zu zeigen – giebt man zu des Himmels Schwung –
Daß, was dich zweifeln ließ, unhaltbar ist.
Nicht daß ich dies behaupt', obgleich es dir
So vorkommt, der du hier auf Erden wohnst.
Gott, daß den Menschen seine Plän' er berge,
Schied Erd' und Himmel so, daß Menschenvorwitz
In Dingen irrte, die für ihn zu hoch,
Und nichts gewänne. Wie nun, wenn dies Centrum
Der Welt die Sonne wär', und andre Sterne
Durch eigne und der Sonn' Anziehungskraft
Dies in verschiednen Kreisen rings umtanzten?
Den Irrlauf, hoch jetzt, tief dann, nun verborgen,
Vorschreitend, dann zurück, dann stille stehend,
Siehst du bei sechs; wie, wenn als siebenter
Der Erdplanet, wie standfest er erscheint.
Unmerklich dreierlei Bewegung hätte?
Sonst mußt du dir verschiedne Sphären denken,
Die sich, entgegenlaufend, schief durchkreuzen;
Auch, um der Sonne Müh zu sparen, jenen
Vorausgesetzten schnellen Tag- und Nachtkreis,
Ob allen Sternen unsichtbar, das Rad
Von Tag und Nacht; was nicht zu glauben nöthig:
Die Erde holt beflissen selbst sich Tag,
Gen Osten reisend, und der Theil hat Nacht,
Der abgewandt der Sonn', indeß der andre
Stets hell von ihrem Strahl. Wie, wenn das Licht,
Das weit sie durch die klare Luft hinsendet
Bei Tag, dem Erdenmond als Stern erschiene,
Der ihn erleuchtet, so wie er bei Nacht
Die Erde? gegentheils nun, wenn dort Land,
Au'n und Bewohner wären. Wolken ähnlich.
Siehst du dort Flecken; Wolken können regnen,
Und Regen zeugt im weichen Boden Frucht,
Jemand zur Nahrung dienend. Andre Sonnen
Erspähst du dort vielleicht mit ihren Monden,
Mittheilend männlich Licht und weibliches.
Denn durch die zwei Geschlechter lebt die Welt,
Versehn vielleicht in jedem Stern mit Leben.
Denn daß so großer Raum in der Natur
Entblößt von Leben und verlassen wäre,
Und schiene blos, um kärglich mitzutheilen
Jedwedem Stern ein Fünkchen, weit hersendend
Zu dem bewohnbarn hier, der ihnen dann
Licht wiedergiebt, darob ist leicht zu streiten.
Doch ob sich so die Ding', ob nicht verhalten;
Es geh die Sonn', als Herrscherin des Himmels,
Auf ob der Erde, oder dies' ob jener;
Mag jen' im Ost den Flammenpfad beginnen,
Mag diese sich von Westen still bewegen
In ruhigem Schritte, der an sanfter Axe
Sich wendend schläft, indeß gemach sie hinschwebt
Und lind dich hinträgt durch die glatte Luft:
Bekümmre nicht Verborgnes deinen Sinn;
Gott überlaß es; dem in Ehrfurcht diene.
Ob andern Kreaturen, wo sie seien,
Laß seinen Willen schalten. Freue dich
An dem, was er dir giebt: dies Paradies,
Dein schönes Weib. Zu hoch ist dir der Himmel,
Zu wissen, was dort ist; sei weis' in Einfalt.
Bedenk' nur, was dich angeht und dein Wesen;
Träum' von Geschöpfen nicht in andern Welten,
Wie ihre Lag', ihr Zustand oder Rang ist,
Begnügt mit dem, was nicht nur von der Erde,
Nein, auch vom höchsten Himmel du erfuhrst.«

Drauf Adam so, der Zweifel ledig, sprach:
»Wie völlig hast du mich befriedigt, reine
Intelligenz des Himmels, heitrer Engel;
Von Grübeln mich befreit; belehrt, ganz ruhig
Zu leben und mit Fehlgedanken nicht
Des Lebens Süßigkeit zu stören. Gott
Gebot den Sorgen, fern von uns zu bleiben,
Zur Last uns nicht zu sein, wenn wir nicht selbst
Mit wirrem Sinnen, eitlem Wahn sie suchen.
Doch zaumlos möchten Phantasie und Geist
Stets schwärmen und des Schwärmens ist kein Ende,
Bis sie durch Warnung und Erfahrung lernen,
Daß nicht die reiche Kenntniß ferner Dinge,
Spitzfindig, nutzlos, dunkel, sondern dessen,
Was in dem Tagesleben vor uns liegt,
Der Weisheit Kern ist. Rauch ist nur das Mehr;
Nur Hohlheit oder thörige Anmaßung,
Macht uns in dem, was uns zunächst betrifft,
Unbrauchbar, ungeübt, zu steten Grüblern.
Drum laß von dieser Höh herab uns senken
Zu niedrerm Flug, von nahen Dingen sprechen,
Die nützen und vielleicht auf etwas führen,
Wornach zu fragen nicht unpassend ist,
Wenn's deine Güte, wie gewohnt, gestattet.
Ich hörte dich berichten, was geschah
Vor meinem Denken. Höre die Geschichte
Von mir nun an, die du wohl nicht vernahmst.
Der Tag ist noch nicht hin; bis dahin – siehe,
Wie schlau ich dich zurückzuhalten sinne –
Ersuch' ich dich, zu hören den Bericht,
Und hoffe freudig, daß du mir erwiederst;
Denn während du hier bist, schein' ich im Himmel
Zu sein, und süßer ist dem Ohr dein Sprechen,
Als Palmbaumfrucht' erquickend bei dem Durst
Und Hunger nach der Arbeit, in der Stunde
Des süßen Mahls; bald sättigt ihre Süße.
Doch deine göttlich anmuthsvolle Rede
Ersättigt nie in ihrer Süßigkeit.«

Drauf himmlisch mild antwortet Raphaël:
»Nicht sonder Anmuth ist, Ahnherr der Menschen,
Nicht unberedt die Zunge dir; denn Gott
Hat seine Gaben reich auf dich geströmt,
Sein schönes Bild nach innen wie nach außen.
In Red' und Schweigen ziert dich Schicklichkeit
Und Anmuth, so in Worten wie Geberden.
Nicht minder schätzen wir im Himmel dich,
Als unsern Mitknecht auf der Erd' und forschen
Froh nach den Wegen Gottes mit dem Menschen.
Denn Gott, so sehn wir, ehrte dich, und schenkte
Dem Menschen gleiche Lieb'; erzähle denn.
Ich war den Tag abwesend, wie sich's traf,
Auf einer Fahrt, die dunkel und beschwerlich,
Auf weitem Ausflug nach der Hölle Thoren;
Befehl war, in geschloßner Legion
Zu sehn, daß dort als Späher oder Feind
Niemand entschlüpf', indeß Gott war im Schaffen,
Damit er nicht, erzürnt ob solchen Ausbruchs,
Erschaffen und zugleich zerstören möchte.
Nicht daß sie ohn' Erlaubniß es gewagt;
Doch sendet er uns oft auf sein Geheiß,
Als Hofstaat seiner Macht und zu erproben
Den willigen Dienst. Wir fanden sonst verriegelt
Ganz fest die Unheilsthor' und stark verrammelt;
Doch hörten wir beim Nahen innerhalb
Geräusch, nur nicht den Ton von Sang und Tanz,
Nein Qual und laute Klag' und wüthend Toben.
Froh kehrten heim wir zu des Lichtes Küsten
Vor Sabbath Abend: so ward uns Befehl.
Doch nun erzähle; denn nicht minder Lust
Gewährt mir dein Bericht, wie dir der meine.«

So sprach die Himmelsmacht, so unser Ahnherr:
»Dem Menschen ist es, wie begann sein Leben,
Zu sagen schwer; denn wer kennt seinen Anfang?
Der Wunsch, mit dir noch länger zu verkehren,
Verlockt mich nur. Wie neu aus tiefstem Schlaf
Erwacht, fand ich mich sanft in Blumen liegend,
In würz'gem Thau, den bald der Sonne Strahl
Wegtrocknet' und vom feuchten Dampf sich nährte.
Flugs wandt' ich meinen Staunensblick zum Himmel
Und sah zur weiten Luft auf, bis, bewegt
Durch schnellen innern Trieb, empor ich sprang,
Wie dorthin strebend, und auf meinen Füßen
Dann aufrecht stand; und sah rings um mich Hügel,
Thal, schattige Wälder und besonnte Flächen,
Und flüssigen Fall geschwätziger Ström'; an diesen
Geschöpfe, die sich regten, gingen, flogen;
Auf Zweigen sangen Vögel; Alles lachte;
Von Duft und Freude war mein Herz geschwellt.
Mich selbst dann prüft' ich und betrachtete
Mich Glied für Glied; ging bald und rannte bald
Mit schmeidigen Schenkeln, wie die Kraft mich trieb;
Doch wer ich sei, und wo, woher entsprungen,
Ich wußt' es nicht; zu sprechen fiel mir ein;
Die Zunge sprach und stracks könnt' ich benennen,
Was ich nur sah. »O Sonne, schönes Licht«,
Sprach ich, »und Erde du, so frisch und heiter,
Ihr Hügel, Thäler, Ströme, Wälder, Ebnen,
Und ihr, ihr lebenden Geschöpfe, sagt,
Sagt, wenn ihr's saht, wie kam ich denn hierher?
Nicht von mir selbst; durch einen Schöpfer also,
Deß Güte groß ist, dessen Macht erhaben;
Wie kann ich ihn erkennen, wie verehren,
Der mir verlieh, daß so ich leb' und bin
Und glücklicher mich fühl', als ich's erkenne.«
So rufend, schweift' ich, unbewußt, wohin,
Wo ich zuerst Luft sog, zuerst erblickte
Dies selige Licht, als keine Antwort kam,
Und ließ auf schattigem Blumenrasen mich
Nachdenklich nieder; dort beschlich zuerst
Mich sanfter Schlaf; ein leiser Druck befiel mir
Schmerzlos die matten Sinne, daß ich glaubte,
Ich fall' unmerklich in den frühern Zustand
Zurück, um alsobald mich aufzulösen.
Da plötzlich stand zu Häupten mir ein Traum,
Deß innres Bild die Phantasie erregte,
Zu glauben, daß annoch ich sei und lebe.
Ein göttlich Wesen kam, so schien's, und sprach:
»Adam, dein Wohnplatz harret dein, steh auf,
Du erster Mensch; von unzählbaren Menschen
Bist du der Ahn; auf deinen Ruf erschein' ich
Als Führer dir nach Eden, deinem Wohnsitz.«
So sprechend, hob er bei der Hand mich auf,
Und über Felder, Wässer, durch die Luft
Schrittlos, sanft gleitend, führt' er mich empor
Zu einem waldigen Berg, deß Gipfel eben,
Ein weiter Raum, umhegt, mit schönen Bäumen
Bepflanzt, mit Gängen, Lauben, daß mir kaum,
Was ich zuvor auf Erden sah, gefiel.
Voll schönster Frucht hing jeder Baum, dem Auge
Verführerisch und plötzlich Lust erregend,
Zu pflücken und zu essen. Drauf erwacht' ich
Und wirklich sah ich's vor mir, wie der Traum
Mir's lebhaft vorgemalt. Hier wär' ich wieder
Umhergeirrt, wenn unter Bäumen nicht
Erschienen wär', der mich heraufgeführt –
Gott war es selbst. Entzückt, jedoch mit Ehrfurcht,
Fiel tief anbetend ich zu seinen Füßen.
Er hob mich auf, und »den du suchst, ich bin's«,
Sprach er mit Milde, »Schöpfer alles dessen,
Was oben du um dich, und unten siehst.
Ich gebe dir dies Paradies; such' es als dein
Dir zu erhalten; iß von seinen Früchten.
Von jedem Baum, der in dem Garten wächst;
Iß frei und freudig; fürchte hier nicht Mangel.
Doch von dem Baume, der Erkenntniß zeugt
Des Guten und des Bösen, den ich pflanzte
Als Pfand für deine Folgsamkeit und Treue,
In Gartens Mitte, bei dem Baum des Lebens,
Gedenk der Warnung! scheue dich zu kosten,
Und scheu die bittren Folgen. Denn vernimm:
Weß Tags du davon issest, überschreitest
Mein einziges Gebot, deß mußt du sterben;
Von diesem Tag an sterblich, sollst verlieren
Du dieses Glück, in eine Welt verstoßen,
Voll Weh und Sorge.« Furchtbar streng und ernst
Sprach das Verbot er aus, das schrecklich noch
Mir tönt im Ohr, steht's auch bei mir, es nie
Zu brechen. Doch bald kam sein heitres Ansehn
Zurück, und huldvoll setzt er seine Rede fort:
»Nicht bloß dies schöne Land, die ganze Erde
Verleih ich dir und deinem Stamm; als Herren
Besitzet es und Alles, was hier ist,
Was lebt in Meer und Luft, Thier, Fisch und Vogel.
Zum Zeichen deß, sieh alle Thier' und Vögel
Nach ihrer Art; ich bringe sie, von dir
Den Namen zu empfahn und dir zu huld'gen
In Unterwürfigkeit. Dasselbe gilt
Auch von den Fischen in dem Wasserreich,
Die ich nicht rufe, da ihr Element sie
Nicht wechseln können mit der dünnern Luft.«
Als er's gesagt, sieh, nahten alle Vögel
Und Thiere, Paar und Paar, die tief sich bückend
Mit Schmeicheln; jeder Vogel senkt die Schwingen.
Ich nannte sie, wie sie vorüberzogen.
Und faßt' ihr Wesen, wozu Gott begabte
Die schnelle Fassungskraft; doch fand in ihnen
Ich nicht, was, wie mich dünkt', ich noch vermißte;
Und kühn sprach ich zur himmlischen Erscheinung:

»Mit welchem Namen – denn ob allen diesen.
Dem Menschen, und was höher noch, erhaben,
Vereitelst mein Benennen du – wie kann ich
Verehren dich, Urheber dieser Welt,
Und all des Glücks des Menschen, dessen Wohle
So reichlich und mit so freigeb'gen Händen
Du alles vorbedacht? Doch seh' ich nicht.
Wer mit mir theilnimmt; und was ist ein Glück
In Einsamkeit? Wer kann allein genießen,
Und wie befriedigt sein, genöss' er Alles?«
So sprach ich kühn; die glänzende Erscheinung,
Wie durch ein Lächeln glänzender, versetzte:

»Was nennst du Einsamkeit? Sind Erd' und Luft nicht
Mit allerlei lebendigen Geschöpfen
Erfüllt, und alle nahn auf deinen Wink
Und spielen um dich her? Verstehst du nicht
Ihr Thun und ihre Sprach'? Auch sie erkennen
Und denken so verächtlich nicht. Mit ihnen
Erlustige dich; beherrsche sie: dein Reich ist groß.«
So sprach der Herr der Welt und schien befehlend.
Ich fleht' um die Erlaubniß ihn, zu reden,
Und sprach demüthig zur Entschuldigung:

»Nicht zürn' ob meinen Worten, Himmelsmacht;
Mein Schöpfer sei mir gnädig, weil ich spreche.
Hast du mich nicht als deinen Stellvertreter
Ob diesen, die tief unter mir, gesetzt?
Was für Gemeinschaft kann Ungleiche denn
Verbinden? welche Eintracht, welch Ergetzen,
Was gegenseitig sein muß, im Verhältniß
Des Gebens und Empfangens? Bei Ungleichen,
Wo Eins zu hoch gespannt, steht schlaff das Andre,
Kann keins wohl passen; überdrüssig werden
Deß beide bald. Ich spreche von Gemeinschaft,
Wie ich sie suche, die an jeder Lust
Vernünftiger Art Theil nimmt, worin das Thier
Nicht kann Genoß des Menschen sein; es freut sich
Mit Seinesgleichen, Löwe mit der Löwin.
So hast du passend sie zum Paar vereint.
Viel weniger als der Vogel mit dem Vieh
Und Fisch verkehren kann, und Ochs und Affe,
Kann's mit dem Thier der Mensch; ja ganz und gar nicht.«

Nicht unzufrieden sprach nun der Allmächt'ge:
»Ein fein'res, edles Glück, das seh ich wohl,
Hast du dir ausgesonnen in der Wahl
Deiner Genossen, Adam, und empfindest
Vergnügen im Vergnügen nicht, wenn einsam.
Was denkst du denn von mir und meinem Zustand?
Schein' ich dir gnugsam glücklich oder nicht,
Der ich allein, seit aller Ewigkeit?
Der ich erkenne keinen neben mir,
Mir ähnlich nur, noch weniger mir gleich?
Mit wem denn also hab' ich zu verkehren,
Als mit Geschöpfen, die ich schuf? und diese
Stehn unter mir, unendlich tiefer noch
Als unter dir die übrigen Geschöpfe.«

Er schwieg, drauf ich demüthig: »Zu ergründen
Die Höh' und Tiefe deiner ewigen Wege,
Reicht, höchstes Wesen, Menschensinn nicht aus.
Du bist in dir vollkommen, und in dir
Besteht kein Mangel. Doch nicht so der Mensch,
Deß Unvollkommenheit des Wunsches Ursach,
Durch Umgang mit den Gleichen sich zu helfen,
Den Mangel zu ersetzen. Du brauchst nicht
Dich fortzupflanzen, ohnedies unendlich,
Völlig in allen Theilen und doch Einer.
Der Mensch muß durch Vermehrung offenbaren
Des Einzlen Unvollkommenheit und Gleiches
Von Gleichem zeugen, daß sein Bild sich mehre,
In Einheit mangelhaft, und deshalb strebt er
Nach gegenseitiger Lieb' und inniger Freundschaft.
Du bist in Einsamkeit, doch nicht allein,
Der beste Umgang dir, und suchest nicht
Geselligen Verein. Beliebt dir's aber,
Kannst dein Geschöpf erhöhn du, wie du willst,
Vergöttlichen zu Einung und Gemeinschaft.
Doch ich kann durch Verkehr nicht die Gebückten
Erhöhn, an ihnen nicht Gefallen finden.«
So sprach ich kühn, mich der erlaubten Freiheit
Bedienend; fand Gehör, so daß mir Antwort
Zu Theil ward von der gnädigen Gottesstimme:

»So weit gefiel mir's, dich zu prüfen, Adam.
Allein ich seh', du kennst nicht blos die Thiere,
Die richtig du benannt, nein, auch dich selbst,
Indem du frei aussprichst den Geist in dir.
Mein Bild, das ich nicht mitgetheilt den Thieren,
Deren Genossenschaft, für dich unpassend,
Mit gutem Grund du frei verwerfen durftest.
Bleib immer so gesinnt. Noch eh du sprachst,
Hielt ich's für gut nicht, daß der Mensch allein sei,
Und nicht bestimmt' ich die Gesellschaft dir.
Die damals hier du sahst; versuchen wollt' ich,
Ob du erkennen würdest, was sich paßt.
Gewiß gefällt dir, was ich nächstens bringe –
Dir Ebenbild, Gehülfin, andres Ich,
Ganz das, was deines Herzens Wunsch erfüllt.«
Hier schloß er, oder ich vernahm nichts weiter.
Mein Irdisches, durch Himmlisches bewältigt,
Dem lang ich unterlegen; hoch gespannt
Durch das erhabne himmlische Gespräch,
Wie von etwas, das übersteigt die Sinne,
Geblendet und verlöscht, sank hin und suchte
Im Schlaf, den die Natur zu Hülfe rief,
Erquickung und bald schloß er meine Augen.
Die Augen schloß er, doch ließ auf die Zelle
Der Phantasie, das innre Schaun, wodurch
Wie in Verzückung, däuchte mir's, ich sah,
Zwar schlafend, wo ich lag, doch hell im Glanze
Noch die Gestalt, vor der ich wachend stand.
Sich beugend, nahm aus meiner linken Seite
Sie eine Rippe, warm vom Geist des Herzens
Und frischem Lebensblut; weit war die Wunde,
Doch bald mit Fleisch verwachsen und geheilt.
Der Rippe gab er Form mit seinen Händen
Und ein Geschöpf ward unter deren Bilden,
Manngleich, doch anderen Geschlechts, so schön,
Daß, was sonst Schönes in der Welt sich zeigte,
Nun häßlich schien, oder in ihr enthalten
Und ihrem Blick, der einflößt meinem Herzen
Nunmehr sonst nie gefühlte Süßigkeit,
Und jedem Ding, beseelt durch ihre Mienen,
Den Geist der Lieb' und liebevoll Entzücken.
Sie schwand und ließ mich traurig. Ich erwachte,
Um sie zu finden, oder die Verlorne
Stets zu beweinen, jede Lust verschwörend:
Als unerwartet, sieh, nicht fern sie stand,
Wie ich in meinem Traum sie sah, geschmückt
Mit Allem, was gewähren Erd' und Himmel,
Sie liebenswerth zu machen. Näher kam sie.
Der Stimme folgend ihres unsichtbaren,
Himmlischen Schöpfers und unkundig nicht
Der Ehe Heiligkeit und ihrer Bräuche,
Anmuth in jedem Schritt, im Auge Himmel,
In jeglicher Geberde Würd' und Liebe.
Von Freude übermannt rief laut ich aus:

»Ja, dies gleicht Alles aus; du hast dein Wort
Erfüllt, huldvoller, güt'ger Schöpfer,
Du, alles Schönen Geber, und du gönnst
Der Gaben schönste mir. Nun seh ich Bein
Von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch,
Mich selbst vor mir. Ihr Nam' ist Weib, vom Manne
Genommen; dieserhalb wird er verlassen
Vater und Mutter und dem Weib anhangen;
Sie werden sein Ein Fleisch, Ein Herz, Ein Sinn.«

Sie hört's, und wenn von Gott auch hergeführt,
Doch wirkten Unschuld und jungfräulich Wesen,
Jugend und das Bewußtsein ihres Werths,
Das erst geworben, erst gesucht sein will,
Nicht dar sich bietet, aufdrängt, nein, rückhaltend
So wünschenswerther ist, kurz die Natur
Selbst, aber rein von sündlichen Gedanken –
In ihr so, daß mein Anblick sie verscheuchte.
Ich folgt' ihr; sie, der Ehre sich bewußt,
Gab meinen Gründen mit demüth'ger Würde
Gehorsam nach. Zur hochzeitlichen Laube
Führt' ich die morgendlich Erröthende.
Des Himmels glückliche Gestirne strömten
Den auserwähltsten Segen auf die Stunde;
Glück wünschend gaben Erd' und Berge Zeichen;
Freudvoll die Vögel; frische, sanfte Lüfte
Durchflüsterten die Wälder, von den Schwingen
Rosen und Duft vom Balsamstrauche schüttelnd
Und scherzend, bis der Liebe nächtiger Vogel
Das Brautlied sang und Eil' dem Abendstern
Zur Höh gebot, das Brautlicht anzuzünden.

Nun hab' ich dir mein ganz Geschick erzählt,
Und bis zur irdischen Glückshöh fortgeführt,
Die ich genieß', und muß gestehn, ich finde
An allen andern Dingen Lust, doch so,
Daß, ob gewohnt, ob nicht, sie keine Aendrung,
Noch heftigen Wunsch bewirken, jene Lust
Am Schmecken, Riechen, Sehn, an Früchten, Blumen
Und Wandeln und der Vögel Sang. Doch hier
Ist's andrer Art: ich schau entzückt, berühr'
Entzückt; hier erst empfand ich Leidenschaft,
Der Unruh Drang; bei allen Freuden sonst
Besonnen und bewegt, hier einzig schwach
Beim Zauber durch der Schönheit mächtigen Schimmer.
Vielleicht versah's Natur in mir, die etwas
Nicht stark genug schuf gegen solchen Reiz,
Sei's, daß zu viel sie meiner Seit' entnahm,
Zum wenigsten zu viel der Zier verwandte
Auf sie, die nach dem äußerlichen Anschein
Vollkommen, es im Innern minder ist.
Denn wohl begreif' ich, daß dem Urzweck nach,
Natur geringer sie begabt' im Geist,
Wie in den innern, höhern Fähigkeiten,
Wie sie auch minder dessen Bilde gleicht,
Der beide schuf, und minder auch das Merkmal
Der Herrschaft trägt ob anderen Geschöpfen,
Die uns verliehn. Doch nah' ich ihren Reizen,
So scheint sie so vollendet, so vollkommen
In sich, so wohl den eignen Werth zu kennen,
Daß, was zu thun, zu sagen ihr beliebt,
Die höchste Klugheit, Tugend, Güte scheint.
All höhres Wissen kommt, ist sie zugegen,
Zu kurz; Weisheit weicht, im Gespräch mit ihr,
Entwaffnet, und begnügt wie Thorheit sich;
Vernunft und Ansehn bieten sich zum Dienst ihr,
Als sei sie Urzweck, nicht gelegentlich
Später geschaffen. Alles denn in Allem:
Es schufen Seelengröß' und Sinnesadel
In ihr den schönsten Sitz und Ehrerbietung
Um sie, bestellt als eine Engelwache.«

Worauf der Engel mit gefaltner Stirne:
»Klag die Natur nicht an, sie that das Ihre;
Thu du das Deine nur, mißtraue nicht
Der Weisheit; sie verläßt dich nicht, wenn du,
Brauchst du am meisten sie, sie nicht abweisest,
Indem du minder schätzenswerthen Dingen
Zu viel Werth beilegst, wie du selbst erkennst.
Denn was bestaunst du, was entzückt dich so
Das Aeußere? schön, gewiß, und wahrlich werth,
Daß du es schätzest, ehrst und liebst, doch nicht dich
Ihm unterwirfst. Vergleiche sie mit dir,
Dann urtheil'. Oftmals bringt nichts größern Nutzen,
Als Selbstachtung, auf Billigkeit und Recht
Gegründet; und jemehr du diese Kunst
Verstehst, jemehr erkennt sie dich als Haupt,
Und all ihr Aeußres weicht dem wahren Werthe.
Sie ist so schön zu deiner Lust, so würdig,
Daß du mit Ehren sie als Weib kannst lieben,
Die's sieht, wenn du dich minder weise zeigst.
Doch giebt dir der Berührung Sinn, wodurch
Der Mensch sich fortpflanzt, solche hohe Lust
Ob aller andern, denk, er ist dem Thier auch,
Dem Vieh gewährt. Er wäre ihnen nicht
Gemeinsam mitgetheilt, läg' etwas drin,
Dessen Genuß werth wär, des Menschen Seele
Zu knechten und zur Leidenschaft zu stacheln.
Was Höhres du in ihrem Umgang findest,
Huld, Menschlichkeit, Vernunft, das liebe stets.
Zu lieben steht dir an, doch Leidenschaft
Ist wahre Liebe nicht; die Liebe läutert
Den Geist, sie schwellt das Herz, hat ihren Sitz
In der Vernunft, urtheilt und ist die Leiter,
Wodurch du dich zur Himmelslieb' erhebst,
Versinkst du nicht in Fleischeslust, weshalb
Ja kein Genoß dir unter Thieren ward.«

Drauf Adam also, halbbeschämt, erwiedert:
»Die Schönheit ihres Aeußern nicht, noch auch
Die Lust, die allen Thieren ist gemeinsam,
(Wiewohl weit höher ich vom Ehelager
Und mit geheimnißvoller Ehrfurcht denke)
Ergetzt mich so, wie ihr anmuthig Walten,
Der tausendfache Reiz, der täglich fließt
Aus jedem Wort und Thun, gemischt mit Liebe
Und süßer Rücksicht, welches klar bekundet.
Daß beide wir Ein Geist und Eine Seele.
Eintracht zu sehn in einem Ehepaar
Ist süßer, als Tonharmonien zu hören.
Doch dies befängt mich nicht. Ich sage nur
Mein innerstes Gefühl, doch unverblendet,
Da Vieles meinen Sinnen dar sich bietet
In mannichfacher Art; doch stets erkenn' ich
Das Beste frei und folge dem Erwählten.
Du tadelst Liebe nicht, denn Liebe, sagst du,
Die Weg und Führer, leitet auf zum Himmel.
Gestatte denn, wenn es zu fragen schicklich:
Die Himmelsgeister, lieben sie, und wie?
Durch Blicke nur, durch Mischung ihrer Strahlen,
Durch wirkliches Berühren oder geist'ges?«

Drauf ihm der Engel, lächelnd und erglühend
Von himmlisch rosigem Roth, der Liebe Farbe,
Antwortete: »Dir sei genug, du wissest
Uns glücklich, denn kein Glück giebt's ohne Liebe.
Was Reines du in deinem Leib genießest
(Und rein erschaffen wardst du), wir genießen's
In höhrer Art, und werden nicht gehemmt
Durch Schranken, wie Gelenke, Häute, Glieder.
Umarmen Geister sich, so mischen leichter
Sie sich, als Luft mit Luft, weil Einung wünscht
Mit Reinem Reines; nicht Vermittlung braucht's.
Wie wenn sich Leib mit Leib mischt, Seel' und Seele. –
Doch meine Zeit ist aus; die Sonne sinkt
Jenseits des grünen Kaps und der begrünten
Hesperischen Inseln, Zeichen meines Scheidens.
Sei stark, sei glücklich, liebe! doch vor Allem
Ihn, dem Gehorchen Lieben ist, und halte
Sein streng Gebot; sieh, daß nicht Leidenschaft
Dein Urtheil drängt, zu thun, was freier Wille
Nicht billigen würde; dein und deiner Enkel
Wohl oder Weh beruht auf dir; hab Acht!
Freun wird es mich und alle Seligen,
Wenn du darin beharrst; steh fest; zu stehn,
Zu fallen, liegt in deiner eignen Macht,
In dir vollkommen, such nicht äußre Hilfe;
Jedweder Sünde Lockung halte fern.«

So sprechend stand er auf, und Adam folgt' ihm
Mit diesem Scheidegruß: »Mußt du durchaus,
So geh, himmlischer Gast! du Aetherbote,
Gesandt von höchster Huld, die ich anbete.
Mild und leutselig ließest du zu mir
Herab dich, und in dankbarem Gedächtniß
Sollst stets geehrt du sein; bleib hold und freundlich
Dem menschlichen Geschlecht und kehr' oft wieder.«

So schieden sie, der Engel auf zum Himmel
Vom dichten Hain, und Adam nach der Laube.

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