Philip Melanchthon
Die Augsburgische Konfession
Philip Melanchthon

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Der XXIII. Artikel: Vom Ehestand der Priester

Es ist bei jedermann, hohes und niedem Stands, eine große mächtig Klag in der Welt gewesen von großer Unzucht und wildem Wesen und Leben der Priester, so nicht vermochten, Keuschheit zu halten, und war auch je mit solchen greulichen Lastern aufs hochst kommen. So viel häßlichs groß Ärgernus, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich etlich Priester bei uns in ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen diese Ursache an, daß sie dahin gedrungen und bewegt seind aus hoher Not ihrer Gewissen, nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt, Unzucht zu vermeiden, wie Paulus sagt: «Die Unzucht zu vermeiden habe ein itzlicher sein eigen Eheweib»; item: «Es ist besser, ehelich werden denn brennen.» Und nachdem Christus sagt Matth. 19: «Sie fassen nicht alle das Wort», da zeigt Christus an, welcher wohl gewußt, was am Menschen sei, daß wenig Leute die Gabe, keusch zu leben, haben.

«Denn Gott hat den Menschen Männlein und Fräulein geschaffen.», Genesis 1. Ob es nun in menschlicher Macht oder Vermugen sei, ohne sondere Gab und Gnad Gottes, durch eigen Furnehmen oder Gelubd, Gottes, der hochen Majestat, Geschopf besser zu machen oder zu ändern, hatt die Erfahrung allzu klar gegeben. Denn was guts, was ehrbar, zuchtigs Leben, was christlichs, ehrlichs oder redlichs Wandels an vielen daraus erfolget, wie greulich, schrecklich Unruhe und Qual ihrer Gewissen viel an ihrem letzten End derhalben gehabt, ist am Tag, und ihrer viel haben es selbs bekannt. So dann Gottes Wort und Gebot durch kein menschlich Gelubd oder Gesetz mag geändert werden, haben aus diesen und anderen Ursachen und Grunden die Priester und andere Geistliche Eheweiber genommen.

So ist es auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in der christlichen Kirchen vor Alters der Gebrauch gewesen, daß die Priester und Diakon Eheweiber gehabt. Darumb sagt Paulus 1. Tim. 3: «Es soll ein Bischof unsträflich sein, eins Weibs Mann.» Es sind auch in teutschen Landen erst vor vierhundert Jahren die Priester zum Gelubd der Keuschheit vom Ehestand mit Gewalt abgetrungen, welche sich dagegen sämbtlich, auch so ganz ernstlich und hart gesetzet haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher das bäpstliche neu Edikt derhalben verkundigt, gar nahe in einer Emporung der ganzen Priesterschaft in einem Gedräng wäre umbbracht. Und dasselbige Verbot ist bald im Anfange so geschwind und unschicklich furgenummen, daß der Bapst die Zeit nicht allein die kunftige Ehe den Priestern verboten, sondern auch derjenigen Ehe, so schon in dem Stand lang gesene, zurrissen, welchs doch nicht allein wider alle gottliche, naturliche und weltliche Recht, sonder auch den Canonibus, so die Bäpste selbst gemacht, und den beruhmbtesten Conciliis ganz entgegen und wider ist.

Auch ist bei viel hohen, gottfurchtigen, verständigen Leuten dergleichen Rede und Bedenken oft gehört, daß solcher gedrungener Cölibat und Beraubung des Ehestandes, welchen Gott selbs eingesetzt und frei gelassen, nie kein Guts, sondern viel großer böser Laster und viel Arges eingefuhrt hab.

Es hat auch einer von Bäpsten, Pius II., selbst, wie seine Histori anzeiget, diese Worte oft geredt und von sich schreiben lassen: es muge wohl etlich Ursach haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten sei; es habe aber viel hoher, großer und wichtiger Ursachen, warumb man ihnen die Ehe soll wieder frei lassen. Ungezweifelt, es hat Bapst Pius als ein verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredt.

Derhalben wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestat vertrösten, daß ihre Majestat als ein christlicer hochloblicher Kaiser gnädiglich beherzigen werden, daß itzung in letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift meldet, die Welt immer ärger und die Menschen gebrechlicher und schwächer werden.

Derhalben wohl hochnötig, nutzlich und christlich ist, diese fleißige Einsehung zu tun, damit, wo der Ehestand verboten, nicht ärger und schändlicher Unzucht und Laster in teutschen Landen möchten einreißen. Dann es wird je diese Sachen niemands weislicher oder besser ändern oder machen kunnen dann Gott selbs, welcher den Ehestand, menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen und Unzucht zu wehren, eingesatzt hat.

So sagen die alten Canones auch, man muß zu Zeiten die Schärfe und rigorem lindern und nachlassen, umb menschlicher Schwachheit willen und Ärgers zu verhüten und zu meiden. Nu wäre das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch vonnoten.

Was kann auch der Priester und Geistlichen Ehestand gemeiner christlichen Kirchen nachteilig sein, sonderlich der Pfarrer und anderer, die der Kirche dienen sollen? Es wird wohl kunftig an Priestern und Pfarrern mangeln, so dies hart Verbot des Ehestands länger währen sollt.

So nu dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen mögen ehelich werden, gegründet ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien beweisen, daß die Priester ehelich gewesen, so auch das Gelubd der Keuschheit so viel häßliche, unchristliche Ärgernus, so viel Ehebruch, schreckliche, ungehorte Unzucht und greuliche Laster hat angericht, daß auch etliche redliche unter den Tumbherrn, auch etlich Kurtisan zu Rom, solchs oft selbs bekannt und kläglich angezogen, wie solch Laster in clero zu greulich und ubermacht, Gottes Zorn wurd erregt werden, so ists je erbärmlich, daß man den christlichen Ehestand nicht allein verboten, sondern an etlichen Orten aufs geschwindest, wie um groß Uebeltat, zu strafen unterstanden hat, so doch Gott in der heiligen Schrift den Ehestand in allen Ehren zu haben geboten hat.

So ist auch der Ehestand in kaiserlichen Rechten und in allen Monarchien, wo je Gesetze und Rechte gewesen, hoch gelobet. Allein dieser Zeit beginnet man die Leute unschuldig, allein umb der Ehe willen, zu martern, und darzu Priester, der man vor anderen schonen sollt, und geschicht nicht allein wider gottlich Recht, sondern auch wider die Canones. Paulus der Apostel 1. Timoth. 4 nennet die Lehre, so die Ehe verbieten, Teufelslehre. So sagt Christus selbs Johann. 8., der Teufel sei ein Morder von Anbeginn, welchs dann wohl zusammenstimmet, daß es freilich Teufelslehre sein mussen, die Ehe verbieten und sich unterstehen, solche Lehre mit Blutvergießen zu erhalten.

Wie aber kein menschlich Gesetz Gottes Gebot kann wegtun oder ändern, also kann auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch Sanctus Cyprianus den Rat, daß die Weiber, so die gelobte Keuschheit nicht halten, sollen ehelich werden, und sagt Epist. 11 also: «So sie aber Keuschheit nicht halten wellen oder nicht vermugen, so ists besser, daß sie ehelich werden, dann daß sie durch ihre Lust ins Feur fallen, und sollen sich wohl fursehen, daß sie den Brüdern und Schwestern kein Ärgernus anrichten.»

Zudem, so brauchen auch alle Canones großer Gelindigkeit und Äquität, gegen diejenigen, so in der Jugend Gelubd getan, wie dann Priester und Mönche des mehrernteils in der Jugend in solchen Stand aus Unwissenheit kummen seind.


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