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Fortsetzung 35

Als das Mahl beendet war und ein Jeder sich die fettigen Finger am Burnus abgewischt hatte, brachte Richemonte das Hauptthema zur Sprache.

»Ich hörte, daß Du in Blutrache mit den Ibn Batta lebst?« fragte er.

»So ist es,« antwortete der Scheik. »Sie haben zwei Beni Hassan getödtet.«

»Nun wirst Du jeden Ibn Batta tödten, der in Deine Hände fällt?«

»Ja, ich werde ihn tödten.«

»Wirst Du mir dankbar sein, wenn ich Dir Deine Feinde in die Hand liefere?«

»Ich werde es Dir danken.«

»Nun, so will ich Dir sagen, daß dies bald geschehen wird.«

»Wann?«

»Wenn zwei Wochen vergangen sind.«

»Wo?«

»Auf dem Wege von hier nach Tuggurt. Es wird da die Karawane der Franzosen ankommen, welche von Timbuktu unterwegs ist.«

»Was gehen mich die Franzosen an.«

»Es sind dreißig Krieger der Ibn Batta bei ihnen.«

»Ich werde ihnen nichts zu Leid thun,« sagte der Scheik kalt.

Richemonte erstaunte.

»Diese will ich nicht.«

»Warum gerade diese nicht?«

»Weil sie jetzt Diener der Franzosen sind.«

»Sie sind dennoch Deine Blutsfeinde.«

»Aber die Franzosen würden sie an mir rächen.«

Richemonte wußte jetzt wirklich nicht, woran er mit dem Scheik war.

»Fürchtest Du die Franzosen?« fragte er.

»Ich fürchte sie nicht.«

»Du hassest sie?«

»Ja, aber ich will trotzdem in Frieden mit ihnen leben.«

»Wie kommt es, daß Du Deine Ansichten so schnell änderst, Scheik Menalek?«

»Ich ändere sie nicht. Meine Ansicht ist stets gewesen, niemals das zu thun, was mir und den Meinen Schaden bringt.«

»Schaden? Ah, ich sage Dir, daß Du großen Vortheil haben würdest!«

»Welchen Vortheil meinst Du?«

»Die Karawane ist sehr bedeutend.«

»Meinetwegen mag sie so lang sein, wie die Wüste breit ist.«

»Sämmtliche Kameele, Pferde und Waffen würden in Eure Hände fallen. Nur das Uebrige würde ich für mich nehmen.«

»Nur?« fragte der Scheik mit ironischer Betonung.

»Ja, nur; denn das Alles ist nicht so viel werth als die Beute, welche Ihr machen würdet.«

»Ich mag kein Kameel, kein Pferd und keine Waffe der Franzosen. Ich weiß, daß Du nur Scherz mit mir treibst.«

»Scherz? Wie kommt Dir dieser Gedanke?«

»Wie kannst Du ernstlich meinen, daß ich eine französische Karawane überfallen soll, da Du doch ein Freund der Franzosen bist.«

»Ich?« fragte Richemonte erstaunt. »Wer hat Dir das gesagt?«

»Ich vermuthe es.«

»Weshalb?«

»Weil Du mit den Franzosen verkehrst,«

»Allah behüte Deinen Verstand. Wo soll ich mit ihnen verkehren?«

»In der Stadt Algier.«

»Dort? Ich bin ja niemals dort gewesen.«

»Und doch hat man Dich dort gesehen.«

»Wer behauptet das?«

»Ich, denn hier Saadi, der Mann meiner Tochter, hat Dich dort gesehen.«

Richemonte spielte den Ueberraschten. Er sah Saadi erstaunt an und fragte:

»Du? Du willst mich in Algier gesehen haben?«

»Ja,« antwortete Dieser ruhig.

»So zürne Deinen Augen, denn sie haben Dich belogen.«

»Meine Augen haben mir noch niemals die Unwahrheit gesagt. Ich habe Dich gesehen.«

»Wo?«

»Du gingst zum Generalgouverneur. Ich weiß auch Deinen Namen.«

»Allah schütze Dich! Natürlich weißt Du meinen Namen. Jedermann hier im Lager kennt ihn. Man wird ihn Dir gesagt haben. Ich heiße Malek Omar.«

»Ja, Malek Omar, der Fruchthändler, der Fakihadschi.«

»Ich verstehe Dich nicht. Ich kenne keinen Fakihadschi. Ich bin niemals Fruchthändler gewesen.«

Der Scheik machte eine Geberde der Ungeduld und fragte ihn:

»Du hast von dem gehört, welchen wir das Auge der Franzosen nennen?«

»Ja.«

»Du hast ihn auch gesehen?«

»Nie.«

»O doch!«

»Allah il Allah! Wo soll ich diesen geheimnißvollen Mann gesehen haben?«

»Ueberall, wo Du nur bist. Du brauchst nur in einen Spiegel oder in ein Wasser zu sehen, so erblickst Du ihn.«

Der Scheik hatte die Absicht, ihn zu überrumpeln, aber es gelang ihm nicht. Richemonte besaß genug Geistesgegenwart, ruhig zu bleiben.

»Ich verstehe Dich nicht,« sagte er. »Du sprichst in Räthseln, welche ich nicht zu lösen vermag. Ich bitte Dich, deutlicher zu reden.«

»Nun, so will ich deutlicher sprechen. Du selbst bist das Auge der Franzosen.«

Bei dieser directen Anklage spielte Richemonte den Erstaunten so vortrefflich, daß er jeden anderen getäuscht hätte.

»Bist Du toll, Scheik Menalek!« rief er. »Willst Du mich beleidigen! Willst Du die Sünde auf Dich laden, einen treuen Anhänger des Propheten einen französischen Spion zu nennen! Kennst Du mich nicht besser?«

»Ich kenne Dich nicht! Du hast mir nie gesagt, wo Deine Zelte stehen.«

Richemonte fühlte, daß er, um den Verdacht, dessen Ursache er nicht begriff, zu zerstreuen, jetzt den Namen irgend eines Ortes nennen müsse.

»Meine Heimath ist Sella im Norden der Harudschberge,« sagte er.

»Auch Ben Ali stammt dorther?«

»Ja; er ist ja mein Sohn.«

»Wohnen dort Franzosen?«

»Nein.«

»Bist Du jemals mit Franzosen zusammengekommen?«

»Niemals. Ich schwöre es bei Allah und dem Propheten.«

»Aber dennoch sprichst Du ihre Sprache.«

Richemonte glaubte, der Scheik wolle nur auf den Busch schlagen. Er antwortete:

»Wie kommst Du auf diesen Gedanken? Ich verstehe kein Wort davon.«

»Auch Ben Ali, Dein Sohn nicht?«

»Auch er nicht.«

Er war so sehr bemüht, sich zu rechtfertigen, daß er die verstohlenen Winke, welche ihm sein Cousin gab, gar nicht bemerkte, oder beachtete.

»Und er ist auch nie mit Franzosen zusammengekommen?«

»Niemals, grad so wie ich.«

»Allah il Allah! Du bist ein Ungläubiger, ein Giaur!« rief da der Scheik.

»Ich? Ein Giaur?« entgegnete Richemonte mit erhobener Stimme. »Zügele Deine Zunge, Scheik Menalek. Wäre ich nicht Dein Gast, so würde ich Dir die Klinge meines Messers zwischen die Rippen stoßen.«

»Und dennoch bist Du ein Giaur.«

»Beweise es!«

»Du schwörst bei Allah und dem Propheten und redest doch die Unwahrheit. Das thut nur ein Giaur, der nicht an Allah glaubt und den Propheten schändet.«

»Dein Vorwurf trifft mich nicht. Wie kannst Du sagen, daß ich die Unwahrheit spreche? Sage mir eine einzige Lüge, welche Du von mir gehört hast!«

»Du sagst, Dein Sohn verstehe nicht die Sprache der Franzosen.«

»Das ist die Wahrheit.«

»Nein, sondern das ist eine Lüge, denn ich selbst habe ihn mit diesen meinen Ohren französisch sprechen gehört.«

Erst jetzt warf Richemonte einen beobachtenden Blick auf seinen Cousin. Er sah, daß dieser leise mit den Augenliedern zwinkerte und ahnte sogleich, daß irgend eine Unvorsichtigkeit vorgefallen sei.

»Du selbst? Wo?« fragte er.

»Draußen vor den Zelten, als ich ihn mit meiner Tochter überraschte.«

»Hat er fremde Worte gebraucht, so ist es nicht französisch, sondern eine andere Sprache gewesen. Er versteht die Sprache der Türken.«

»Diese war es nicht. Hier Saadi hat es auch gehört. Er versteht das Französische und hat mit Deinem Sohne in dieser Sprache gesprochen.«

»Er lügt.«

Die Angst Richemontes trieb diese Worte in einem zornigen Tone heraus. Kaum aber waren sie ausgesprochen, so riß Saadi sein Messer aus dem Gürtel und sprang auf, um sich auf den Sprecher zu werfen. Aber der Scheik faßte ihn noch zur rechten Zeit, hielt ihn fest und sagte:

»Halt! Ich befehle Dir, Dein Messer einzustecken! Dieser Mann wohnt unter meinem Zelte und hat mein Brod gegessen. Noch steht er jetzt unter meinem Schutze.« Und sich wieder zu Richemonte wendend, fügte er hinzu: »Du sagst, Deine Heimath sei Sella, im Norden der Harudschberge. Sprichst Du die Sprache dieser Gegend?«

»Ja,« war Richemonte gezwungen, zu antworten.

»Nein. Ich kenne Sella. Ich war dort und auch in Fugha, als ich meine erste Pilgerreise machte. Ich kenne jenen Dialect. Du redest unsere Sprache, wie sie von den Franken gesprochen wird. An Dir ist Alles Lüge. Dieser Mann ist Dein Sohn gar nicht!«

»Beweise es.«

»Er müßte Deinen Namen tragen und Ben Malek Omar heißen.«

»Ich habe ihn nach seinem Großvater genannt, welcher Ali hieß.«

»Das ist nicht wahr, denn dann wäre sein Name Ben Malek Omar Ibn Ali. Du verräthst Dich selbst; Du kennst unsere Sitte nicht. Dieser, von dem Du sagst, daß er Dein Sohn sei, hat das Gastrecht verletzt, indem er Liama, meine Tochter, beleidigte. Sie hat mit ihm ringen müssen. Das thut kein wahrer Anbeter des Propheten, kein echter Sohn eines Beduinen. Ihr seid Spione der Franzosen und kommt, um mich zu einer That zu verleiten, welche großes Unheil über mich und meinen Stamm bringen würde. Ich bin Euer Gastfreund nicht mehr. Jetzt ist Euer Leben noch nicht in Gefahr. Verlaßt augenblicklich mein Zelt! Befindet Ihr Euch in einer Stunde noch in der Nähe meines Lagers, so werde ich Euch ohne Gnade tödten lassen.«

Er hatte sich von seinem Sitze erhoben und sprach diese Worte in einem so gebieterischen Tone, daß die beiden Franzosen auch von ihren Matten auffuhren.

»Redest Du wirklich im Ernst?« fragte Richemonte.

Es kam das Alles vollständig unerwartet über ihn; er konnte das Verhalten des Scheiks nicht recht begreifen; aber sein Schnurrbart zog sich in die Höhe, und seine Zähne zeigten jenes raubthierartige Fletschen, welches bei ihm stets ein Zeichen einer gefährlichen Seelenerregung war.

»Es ist mein Ernst,« antwortete der Scheik.

»Weißt Du, welchen Schimpf Du uns anthust?«

»Ja. Es ist eine todeswürdige Schande.«

»Nun gut. Wir gehen! Du wirfst einen unaustilgbaren Fleck auf die Gastfreundschaft der Beni Hassan; Du entehrst und beschimpfest Die, denen Du Schutz und Freundschaft zugesagt hast. Die Folgen werden über Dich kommen.«

»Ich verachte Deine Drohung.«

»Und was sagst Du zu diesen drei Kriegern der Tuarek?«

»Sie sind Eure Brüder und Spione. Sie mögen auch gehen.«

Da standen auch die Tuareks von ihren Plätzen auf. Derjenige von ihnen, welcher den Sprecher gemacht hatte, fragte den Scheik:

»Auch uns weisest Du aus Deinem Zelte fort?«

»Ja. Kämt Ihr zu mir und nicht zu diesen Spionen, so würde ich Euch willkommen heißen. Nun aber habt Ihr gleiches Schicksal mit ihnen.«

Der dunkelhäutige Mann blickte dem Scheik drohend in das Gesicht.

»Weißt Du, daß dies schlimmer ist als Mord?« fragte er.

»Ich weiß es,« antwortete der Gefragte ruhig.

»So bist Du der Todfeind aller Tuareks, und Dein Stamm soll von der Erde verschwinden bis auf den letzten Mann. Die Hölle wird Euch verschlingen mit allen Euren Söhnen, Töchtern und Kindeskindern.«

Jetzt verließen die fünf Ausgewiesenen das Zelt und bestiegen ihre Pferde.

»Wohin?« fragte der Cousin Richemontes leise.

»Zunächst nach Osten, um diese Kerls nicht merken zu lassen, in welcher Richtung wir uns entfernen.«

Ihre Pferde hatten sich noch lange nicht erholt, stoben aber im raschesten Galopp um die Schlucht herum und dann nach Sonnenaufgang zu, immer längs des Wadi Itel dahin. Erst nach mehreren Stunden, als man fast das Ufer des Schott See Melrir erreicht hatte, hielt Richemonte sein Pferd an und stieg ab. Die Anderen thaten dasselbe.

»Jetzt wollen wir sprechen,« sagte er. »Komm.«

Sein Verwandter folgte ihm abseits, während die Tuareks sich scheinbar gleichgiltig in den von der Sonne heißgeglühten Sand lagerten.

»Was soll das heißen? Wie kam das Alles?« fragte Richemonte. »Ich verstehe und begreife es nicht. Hast Du französisch gesprochen?«

»Leider, ja,« gestand der Gefragte.

»Esel! Welch ein ungeheurer Schnitzer. Wie konntest Du Dich so vergessen!«

»Dir wäre es ebenso passirt.«

»Wie kam es?«

»Ich sprach mit Liama – – –«

»Das war der Anfang des Unsinns. Ich rief Dich zurück; aber Du hörtest mich nicht. Hast Du ihr eine Erklärung gemacht?«

»Ja.«

»Was antwortete sie?«

Der Gefragte stieß einen grimmigen Fluch aus und antwortete:

»Sie – ah, sie mag mich nicht.«

»Ich dachte es. Was gab sie für einen Grund an?«

»Einen sehr triftigen: Sie ist bereits versprochen.«

»Alle Teufel! Mit wem?«

»Mit diesem Saadi, den der Teufel herbeigeführt haben muß.«

»Und der verrathen hat, daß er mich in Algier gesehen hat.«

»Und der es auch war, welcher mich zum Französischreden brachte.«

»Ah! Wie kam das?«

»O, der Kerl hat es schlau angefangen. Ich stand gerade im Begriff, das Mädchen zu umarmen; da rief es in französischer Sprache hinter mir: »Was machst Du da!« Und unwillkürlich gab ich eine französische Antwort.«

»Das war der dümmste Streich Deines Lebens.«

Richemonte ließ nun eine ganze Fluth ärgerlicher Ausdrücke über ihn los. Der Andere ließ dieselbe ruhig über sich ergehen, bis sie zu Ende war.

»Und was nun?« fragte der frühere Gardecapitän.

»Rache!«

»Natürlich. Aber wie?«

»Ich entführe das Mädchen.«

»Laß von diesem Geschöpfe! Was willst Du mit ihr anfangen?«

»Sie wird meine Frau.«

»Unsinn.«

»Und gerade erst recht. Ich muß sie haben, und ich will sie haben. Dieser Saadi aber soll nicht nur sie, sondern auch das Leben lassen.«

»Das versteht sich ganz von selbst. Uebrigens will ich Dir das Mädchen gönnen, denn sie ist wirklich einzig schön, und Du bist verliebt. Verliebte aber bleiben so lange unzurechnungsfähig, bis man sie dadurch heilt, daß man ihnen den Willen läßt. Aber sie zu Deiner Frau zu machen, das wäre Wahnsinn.«

»Streiten wir uns nicht; das wird sich Alles finden!« sagte der Andere hartnäckig.

»Jawohl! Jetzt gilt es vor allen Dingen, keine Zeit zu verlieren. Wir müssen einen Plan haben, uns zu rächen.«

»Und zugleich, die Reichthümer des Deutschen an uns zu bringen.«

»Natürlich! Ich denke, zu Beiden werden sich die Tuareks gebrauchen lassen.«

»In wiefern?«

»Sie mögen den Deutschen überfallen.«

»Denkst Du, sie dazu zu bringen?«

»Ja.«

»Das wäre der eine Theil. Und der Andere, die Rache?«

»Hängt eng mit dem Vorigen zusammen. Die Tuareks überfallen den Deutschen, wir aber schieben die Schuld auf die Beni Hassan.«

»Donner und Doria! Das geht.«

»Natürlich geht es. Es ist sehr leicht. Cavaignac wird gezwungen sein, sie zu züchtigen. Wir Beide machen die Führer. Dabei bitte ich mir den alten Hallunken, den Scheik, und diesen Saadi aus, und Du kannst die Bedingung machen, daß Dir Liama überlassen wird.«

»Sie ist mir auf diese Weise sicher!« rief der Cousin triumphirend. »Sprechen wir mit den Tuareks.«

»Geduld! Ehe es zu dieser Katastrophe kommt, haben wir zwei Wochen Zeit, da erst dann der Deutsche kommt. Das läßt uns Gelegenheit, den Auftrag zu lösen, welchen mir der Gouverneur übergeben hat.«

»Du meinst in Beziehung auf den Marabut?«

»Ja. Wir suchen ihn auf.«

»Wie weit ist es hin zu ihm?«

»Mit unsern müden Pferden werden wir sicherlich fünf Tage brauchen.«

»Fünf hin und zurück, macht zehn. Da können wir vier Tage bleiben.«

»Vielleicht ist es in kürzerer Zeit abgethan. Es kommt darauf an, ob das Glück uns begünstigt oder nicht. Ruhe Dich jetzt aus. Ich werde mit den Tuareks verhandeln; dann trennen wir uns von ihnen.«

Während er sich zu den schwarzen Söhnen der Wüste begab, legte sein Verwandter sich in den Sand, um die letzt erlebten Stunden nochmals an sich vorübergehen zu lassen. In seinem Innern glühte, kochte und tobte es von Liebe, Haß und Rachgier. Er liebte die schöne Maurin mit einer Gluth, welche nahe daran war, Ihn unzurechnungsfähig zu machen. Der Wunsch, sie zu besitzen, war in ihm fast zur Manie geworden. Vielleicht war sein Körper nicht kräftig genug, dem Sonnenbrände der Wüste zu trotzen. Sein Gehirn war nicht widerstandsfähig, und so hatte diese Liebe so in ihm Platz gewonnen, so daß alle seine Gedanken nur auf sie gerichtet waren.

Natürlich dachte er, im Gegentheile davon, nur mit dem wildesten Haß an Den, welcher ihm die Geliebte weggenommen hatte. Es dünkte ihm eine Seligkeit, diesen Menschen zu tödten, und er nahm es sich vor, dies bei der ersten Gelegenheit zu thun. So lag er da im tiefen Sande, unbekümmert um die Unterredung der Andern. Er gab nur seinen Leidenschaften und Begierden Audienz, bis ihn ein Ruf Richemontes aus seinen wilden Gedanken schreckte:

»Auf! Wir sind fertig!«

Als er sich erhob, sah er die Tuareks zu Pferde sitzen.

»Sallam!« riefen sie ihm kurz zu.

»Sallam!« antwortete er instinctmäßig.

Dann stoben sie auf ihren Rossen davon, dem Süden entgegen.

»Brechen auch wir gleich auf?« fragte er.

»Natürlich!« antwortete Richemonte.

»Bist Du mit ihnen einig geworden?«

»Vollständig.«

Dieses Wort wurde mit einem tiefen Seufzer gesprochen, welcher deutlich verrieth, daß der Sprecher seine Absichten vollständig erreicht habe.

»Was hast Du mit ihnen ausgemacht?«

»Sie reiten der Karawane bis zum Brunnen Ben Abbu entgegen und ziehen unterwegs so viele Tuareks an sich, als nothwendig sind, die Männer der Karawane zu überfallen und zu tödten. Dann begleiten sie dieselbe, natürlich unbemerkt über Rhadames und Tuggurt bis auf das Gebiet der Beni Hassan, wo der Ueberfall stattfindet.«

»Wir sind dabei?«

»Natürlich.«

»Was erhalten wir?«

»Sechs Kameelladungen, welche wir uns auswählen können.«

»Ist das nicht zu wenig?«

»Ah! Zu viel! Wir nehmen natürlich die Ladungen, welche am kostbarsten sind. Das Uebrige gehört den Tuareks. Außerdem beanspruchen sie die Waffen und Thiere. Hauptsache aber war ihnen die Rache an dem Beni Hassan.«

»Wird der Gouverneur glauben, daß diese die Räuber gewesen sind?«

»Dafür laß mich sorgen! Jetzt steige auf! Unser Weg ist weit, und es ist sehr leicht möglich, daß wir verfolgt werden.«

Einige Minuten später ritten sie davon, dem Norden zu, gerade entgegengesetzt der Richtung, in welcher die Tuareks diesen Platz verlassen hatten.

Da wo die Höhen des Auresgebirges im Westen des Wadi el Arab sich nach Südosten allmählig zur Ebene niedersenken, sind sie von tiefen, steilen Einschnitten und Schluchten zerrissen, welche das Gebirge nur sehr schwer zugänglich machen. In diesen Schluchten haust der Löwe und der schwarze Panther; das Geschrei der Hyänen und Schakale erschallt des Nachts, und nur selten trifft man einen Menschen, welcher es wagt, in die tiefe und gefährliche Einsamkeit dieser Gegend einzudringen.

Ein einziger Ort war hiervon ausgenommen.

Stieg man im Thale des Wadi Mahana empor, so gelangte man an einen mit außerordentlich starkem Baumwuchse bedeckten Vorberg, welcher wie ein riesenhafter Altan aus der Masse des Gebirges trat. Der ihn bedeckende Wald gab ihm ein düsteres Aussehen. Aber von diesem Dunkel stach ein glänzend weißer Punkt ab, welchen man oben fast auf der Spitze des Berges bemerken konnte. Es war dies ein weiß getünchtes Bauwerk, klein und unscheinbar, aber doch berühmt im Umkreise von vielen, vielen Meilen.

Dort oben hauste der fromme Marabut Hadschi Omanah, zu dessen Wohnung Tausende pilgerten, um dort ihr Gebet zu verrichten und dann mit dem Bewußtsein heimzukehren, eine Allah wohlgefällige Handlung gethan zu haben.

*


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