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V.

In der Folterkammer des Tower wurde Guy Fawkes der »peinlichen Frage« unterworfen. An drei aufeinander folgenden Tagen hatte er die ersten drei sich steigernden Grade der Folter zu erdulden.

Von den feuchten, schmierigen Mauern blickten die Gespenster all der Gemarterten auf ihn herab, die hier im Laufe von Jahrhunderten begangene oder nicht begangene Missetaten zu bekennen hatten. In den Spitzbogen des finsteren Gewölbes schienen sich Dünste von Blut und Todesschweiß, die erpreßten Seufzer, das klägliche Gewimmer zahlloser armer Delinquenten verfangen zu haben und lasteten auf Fawkes gezerrten, gebrochenen Gliedern nicht minder schwer als die Folterwerkzeuge selbst.

Er litt entsetzlich. Doch mit zusammengebissenen Zähnen, ohne einen Laut, geschweige denn eine Antwort von sich zu geben, ließ er die unterschiedlichen Formen der Qual über sich ergehen.

Am vierten Tage brachen die Richter die Prozedur ab. Sie hatten die Namen der Mitschuldigen inzwischen vollzählig erfahren, da sich diese durch die Rebellion nun selbst verrieten. Die Sheriffs der westlichen Grafschaften wurden in Bewegung gesetzt; Truppen des Königs durchstreiften die Städte, Weiler und Wälder, jeden zu hetzen und einzufangen, der mit den Waffen in der Hand den verschworenen Gefolgschaft leistete.

Trotz allem Eifer hatte Catesby kaum mehr als hundert Mann zusammengebracht. Die katholischen Standesgenossen versagten sich seinem Rufe, die Bauern verkrochen sich in ihre Scheunen und wagten nicht einmal, ihm und den Seinigen Obdach zu gewähren.

Am 6. November nachmittags waren sie auf ihrem Vormarsch, in Erwartung herbeieilender Hilfskräfte, bis Huddington gelangt. Hier ließen sie sich am nächsten Morgen in aller Frühe von Greenwell noch die Messe lesen. Doch ihre Siegeszuversicht war schon verraucht. Der sogenannte Kerntrupp hatte sich Mann für Mann heimlich davongemacht. Auf dreißig Edelleute und ein paar Vasallen waren sie zusammengeschmolzen.

Eine Tat sinnloser Verzweiflung schien es, daß sie nachts in Lord Windsors Schloß einbrachen und dessen Waffen raubten, Gewehre, Pistolen und Schwerter, die sie mit sich schleppten, unnütz, da die Mannschaft dazu fehlte.

Ihre Kundschafter meldeten, daß eine starke Abteilung Regierungstruppen heranmarschiere. So sammelten sie sich in dem nächsten festen Hause, Holbeachhouse in Staffordshire. Der Eigentümer, ein gewisser Littleton, war abwesend. Sie erbrachen das Tor, besetzten Luken und Ringmauer und verbarrikadierten sich. Ein kleines Faß Schießpulver, sowie den Waffen- und Mundvorrat brachten sie in dem Saal zu ebener Erde unter.

Die königlichen Truppen umstellten das Haus. Ein Kapitän von der Garde forderte die Rebellen auf, sich zu ergeben. Sie antworteten mit Pistolenschüssen.

Nun kam es zu einer regelrechten Belagerung. Catesby erklärte unumwunden, daß sie nicht von langer Dauer sein könne. Sein Vorschlag, einen Ausfall zu unternehmen und sich womöglich durchzuschlagen, wurde angenommen.

Schon sammelten sie sich hinter dem Tor, als durch den Funken einer ausgeklopften Tabakspfeife das Pulverfaß Feuer fing und explodierte. Mit einem gewaltigen Krach entlud es sich und schleuderte einen Teil des Hauses in die Luft. Es war wie das Sinnbild einer Vergeltung an denen, die mit demselben Mittel das ganze Parlament hatten vernichten wollen. Merkwürdigerweise kam keiner von ihnen durch die Explosion ums Leben; nur einige wurden verletzt. Aber sie empfanden diesen Schlag in dumpfer Erbitterung wie ein Zeichen des Himmels, daß der Gott ihrer Kirche, für den sie hatten streiten wollen, jetzt seine Hand von ihnen gezogen habe und sie ihren Feinden überliefern wolle.

Kopflos, auf Deckung nicht mehr bedacht, stürzten alle aus dem brennenden Hause. Die sich vereinzelt zu rasch vorgewagt, wurden sofort erschossen oder niedergehauen.

Catesby, Percy und Thomas Winter gelangten gerade noch bis vor die Ringmauer. Hier stellten sie sich mit den Rücken gegeneinander auf. Keinesfalls wollten sie dem Feinde lebend in die Hände fallen, vielmehr ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen. Aus ihren Reiterpistolen eröffneten sie ein wahres Rottenfeuer auf die eindringenden Gardisten, und als die Munition verschossen war, zogen sie ihre Degen.

Catesby und Percy erlagen dem Kugelregen im selben Augenblick, von ihren niedergebrochenen und entseelten Körpern ward der verwundete Thomas Winter hinweggerissen und abgeführt. Außer ihm fing man noch seinen Bruder, Sir Digby, Grant, Rockwood, Keyes und Bates. Auf der Schwelle des Hauses, unter rauchenden Trümmern lagen, im Todeskrampfe eng umschlungen, die Brüder John und Christopher Wright.

Da der König in den Jesuiten die Anstifter des Pulverkomplotts vermutete, wurden auch der Superior Garnet und Greenwell, der bis zuletzt als Seelsorger bei ihnen aushielt, eingefangen. Wie alle übrigen nahm auch sie der Tower auf.

*

Prunkhaft eröffnete am 9. November der König das so schwer gefährdete, aber nun durch seinen höchsteigenen Scharfsinn und seine Entschlossenheit gerettete Parlament.

Obenan in dem hohen, mit den Wappen und Standarten aller Grafschaften geschmückten Festsaal des Westminsterpalastes war der Thronhimmel aufgeschlagen. Darunter reckte sich, so imposant wie es ihm möglich war, König James. Hinter ihm hatten im Halbkreis die höchsten seiner Räte Aufstellung genommen. Dicht vor ihm, an den Stufen des Thrones, saß nach altem Herkommen, auf dem »Wollsack« der Kanzler, sein hinterhältig getreuer Robert Cecil Graf von Salisbury. Zur Rechten und Linken standen reihenweise die Lords vom Oberhaus, lauter gleichförmige spanische Kragen, steife Halskrausen, Spitzbärte unter hohen, von Reiherstutzen gekrönten Hüten. Eine Schranke, die »Bar«, trennte sie von den Mitgliedern des Hauses der Gemeinen, die sich um ihren Präsidenten, den »Speeker« etwas herdenmäßig scharten.

Die Rede des Königs setzte mit einem Dank an Gottes Gnade ein und schweifte bald in die bombastischen Phrasen aus, die seines Hofes und seines Wesens Abbild waren.

Von einer direkten Schuld an der Verschwörung sprach er die Katholiken seines Landes im allgemeinen klugerweise frei. Das scheußliche Attentat sei nur ein Werk der echten, unversöhnlichen Papisten und Rekusanten, deren Zahl aber wäre gottlob gering. Dabei unterließ er es nicht, unter den Feinden der göttlichen und menschlichen Ordnung auch die Puritaner zu nennen, wie ihm denn im Grunde seines trockenen Herzens die Protestanten so gleichgültig wie die Katholiken und nur die Unentwegten jeder Glaubensgemeinschaft verhaßt waren.

Ehrfurchtsvoller Beifall von allen Seiten des Hauses folgte der Rede. Weder die Lords noch die Gemeinen waren dem König gewogen und lagen in erbittertem Streit mit ihm um die Vorrechte, die er sich anmaßte; in dieser Stunde aber galt es, zum Träger der Krone zu stehen gegen Mordbuben und Rebellen.

Des Königs Worte befanden sich, wie gewöhnlich, in schroffem Widerspruch zu den nachfolgenden Taten. Auf seinen Befehl hin setzte sofort eine wilde Verfolgung ein. Es hagelte Prozesse auf Unschuldige wie auf die Schuldigen nieder. Eine ganze Anzahl unliebsamer Lords bezichtigte er der entfernten Teilnahme und der Begünstigung des Pulverkomplotts, von regelrechtem Gerichtsverfahren war oft keine Rede, wo die Beweise nicht ausreichten oder die Gesetze richterliche Bestrafung nicht zuließen, berief sich Jacob einfach auf das Wohl des Staates und bediente sich gefügiger Verwaltungsorgane, seinen Rachedurst zu befriedigen.

Unter diesen war das mächtigste und berüchtigtste die Sternkammer, ein der Krone unmittelbar unterstellter Disziplinarhof; er untersuchte, urteilte und verurteilte im Interesse des absoluten Königtums überall da, wo die Gerichte nach Jacobs Meinung nicht ausreichten, seinen Willen durchzusetzen. Die Sternkammer war der Schrecken aller Lords. So wurden diesmal von ihr die Grafen Mordount und Sturton jeder zu mehreren tausend Pfund Sterling verurteilt, nur, weil sie an der Parlamentseröffnung nicht teilgenommen hatten, also verdächtig waren, um die Verschwörung gewußt zu haben. Der Graf Northumberland ward in den Tower geworfen, weil er seinen Vetter Thomas Percy, von dem ihm doch bekannt war, daß er für die katholische Kirche eiferte, ohne geleisteten Eid unter die Kompanie der Nobelgarde aufgenommen und somit einem schon Verdächtigen das Jahrgeld des Königs zugewendet hatte. Die Sternkammer verurteilte Northumberland außerdem noch zu einer Geldstrafe von 3000 Pfund Sterling, zur Entsetzung von allen seinen Ämtern und zu einer Gefängnisstrafe, deren Dauer in das Belieben des Königs gestellt war.

Das Verfahren gegen die eigentlichen Verschwörer wurde aus politischen Gründen von dem gegen den Jesuiten-Provinzial Garnet getrennt. Die öffentliche Meinung und auch die der Richter schloß sich nämlich in England der des Königs an, daß die Jesuiten die Anstifter der Pulververschwörung gewesen seien. Ja, sie ging so weit, die Mitschuld auf Rom, auf die ganze katholische Partei und auf die Höfe von Madrid und Wien zu wälzen.

Daher sollte vor allem der Fall Henry Garnets geklärt und erledigt werden. Während Catesbys Gefährten alles eingestanden, bestritt Garnet seine Schuld. Die Richter mußten bei ihm weiter ausholen, bei seiner geistigen Gewandtheit mehr Zeit und Mühe aufwenden.

Am 28. März 1606 wurde gegen Garnet in der Guildhall von neun Lords, darunter dem Lordmayor von London, der Prozeß eröffnet. Der Anwalt der Anklage bezeichnte sein Verbrechen ganz allgemein als »den Jesuitenverrat«, worunter er alles zusammenfaßte, was sich von abscheulichen Ränken und Greueltaten gegen König und Landeskirche nur erdenken ließ. Er kam auf Garnets Teilnahme an den früheren Verschwörungen zurück, die allerdings sehr belastend war. Was ihm hinsichtlich der letzten vorgeworfen wurde, stützte sich in der Hauptsache auf die verschiedenen Geständnisse der verhafteten Edelleute. Daraus ergab sich ein ziemlich klares Bild von Garnets Verhalten; das Bild aber wurde vom Kronanwalt ins Ungeheuerliche verzerrt. Eine Menge von Zeugen trat gegen den Jesuiten auf, für ihn nur seine getreue Mrs. Anne Vaux, doch bloß mit dem einen Ergebnis, daß der Volksmund sie als Garnets Geliebte verdächtigte.

Henry Garnet führte seine Verteidigung geschickt und geistreich, vielleicht zu fein und zu überlegen, als daß sie auf voreingenommene, von Standeseitelkeit aufgeblasene Richter Eindruck gemacht hätte. Er wies die Unschuld seines Ordens nach, gab nur das eine zu, daß ihn sein Ordensbruder Greenwell – dieser hatte ihn inzwischen vom Beichtgeheimnis entbunden – in der Beichte über das Komplott unterrichtet habe. Der Lord-Oberrichter hielt ihm nicht mit Unrecht vor, daß die Form jener Unterredung, von der man aus Greenwells Geständnis wußte, wohl kaum als Beichte im Sinne der Kirche zu betrachten sei.

Nach kurzer Beratung sprach die Jury das Schuldig aus. Der Lordoberrichter fällte demgemäß das Urteil, daß Henry Garnet zum Richtplatz geschleift, gehenkt und gevierteilt werde.

Im Mai fand die Hinrichtung statt. Der Galgen war am Westende von St. Paul aufgeschlagen. Am Fuß der Leiter fand der Superior zwei anglikanische Geistliche vor, er wies ihren Beistand höflich zurück. Auch von der Erlaubnis, zum Volke zu sprechen, machte er keinen Gebrauch, seine Stimme sei zu schwach und sein Geist nicht geartet für Volksreden, doch gab er den Umstehenden jetzt zu, daß seine Absicht schlecht, seine Bemühungen, das Verbrechen zu verhüten, zu mangelhaft gewesen wären.

Auf der Leiter stehend, den Strick schon um den Hals, bekreuzigte er sich, sprach sein letztes Gebet und empfahl sich in der Sprache seiner Kirche dem Erlöser und der Mutter Gottes.

Dann sank die Leiter, und er hing so lange, bis er tot war.

Der Prozeß gegen die Squires und Gentlemen wickelte sich, zwei Monate später, viel rascher ab. Da sie alle geständig waren und sich schwach verteidigten, wurden sie nur summarisch befragt. Auch sie verfielen dem Schuldspruch und der Hinrichtung durch den Strick.

Bloß Francis Tresham, dem vermutlichen Verräter, war ein minder schmähliches Ende beschieden. Er erlag im Tower seiner Krankheit, noch bevor man ihn den Richtern gegenüberstellen konnte.

Guy Fawkes ward im alten Palastgarten zu Westminster gehenkt, nahe dem Parlamentsgebäude, dessen unversehrten Mauern er noch einen letzten Soldatenfluch hinübersandte.

*

Keine der zahlreichen Verschwörungen hatte dem Volke von England so tiefen Eindruck gemacht wie das Pulverkomplott. Es war der fürchterlichste, aber auch der letzte Anschlag, der gegen die Sicherheit des Staates vom Adel ausging. Die Umstände, unter denen es vorbereitet und entdeckt wurde, beschäftigten die Phantasie der Massen bis auf den heutigen Tag.

Noch immer findet vor jeder Parlamentseröffnung als eine Art ehrwürdigen Brauches eine Untersuchung der Keller unter dem Parlamentsgebäude statt, ob nicht wieder Pulverfässer dort verborgen seien.

Und alljährlich am 5. November, dem »Guy-Fawkes-day«, ziehen Scharen übermütiger Gassenbuben durch die Straßen von London mit greulich aufgeputzten Puppen aus Stroh und Lumpen, die den Guy Fawkes darstellen sollen. Sie werfen sich die Puppen gegenseitig an den Kopf und verbrennen sie dann in Freudenfeuern, die wie die vom Jahre 1605 auf dem Themsekai und den Plätzen an Flammen erinnern, die zu Englands Heile nicht zum Ausbruch kamen. In Büchsen sammeln die Jungen von den Passanten kleine Beiträge ein für patriotische Zwecke und singen dazu einen alten Gassenhauer:

Should ever be forgot.
Thee fifth of November
Please to remember
Gunpowder treason and plot,
see no reason,
Why Gunpowder treason

Denk an die Pulververschwörung!
Bitte, gedenke der Zeit!
Der fünfte November ist heut,
Wär es nicht arge Betörung,
Wenn wir der Pulververschwörung
Nicht gedächten in aller Zeit!


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