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IV.

Lord Mounteagle, Schöngeist und einer der elegantesten Kavaliere von London, war im Begriffe, das Theater zu besuchen. Seine Sänfte wartete schon vor dem Tor; er nahm nur eben noch rasch sein Dinner ein.

Etliche junge Herren von Adel umgaben ihn; sie waren nicht so sehr seine Freunde als Schmeichler und Schmarotzer, deren er sich zu seiner Unterhaltung und als Gefolgschaft in der Öffentlichkeit bediente. In dem mit goldenen Löwenköpfen gezierten Prachtsessel lehnte er, ganz Huld und gedämpfte Würde. Über dem dickwattierten Brokatwams, von dem der noch kostbarere spanische Kragen über die Pluderhosen bis an die Wadenstrümpfe niederhing, umschloß die steife Krause seinen Hals so eng, daß das majestätische Antlitz purpurn glühte.

Soeben hatte er den respektvoll aufhorchenden Gästen auseinandergesetzt, was für ein sonderliches Vergnügen ihrer im Globe-Theater wartete, nämlich eine neue Komödie des sehr achtbaren William Shakespeare, aus der ihm des Dichters Gönner Lord Southampton die köstlichsten Witze bereits zum besten gegeben – als ihm ein Brief überbracht wurde.

»Von wem?«

»Unbekannt, Mylord. Ein Junge war es, der sich sogleich wieder entfernt hat; er richtete aus, daß es eilig sei.«

Lord Mounteagle erbrach das unpetschierte Siegel. Das Schreiben war kurz. Erst überlas er es für sich, schüttelte den Kopf und rümpfte die Nase, dann las er es laut, mit leicht ironischer Betonung, vor:

»Mylord! Aus Liebe für jemand, der auch Euer Freund ist, bin ich um Eure Erhaltung besorgt. Deshalb wünsche ich, wenn Euch Euer Leben lieb ist, daß Ihr bei diesem Parlamente nicht erscheint. Denn Gott und Menschen sind übereingekommen, die Niederträchtigkeit dieser Zeit zu strafen. Denkt nicht zu leicht von meiner Verwarnung; wenn auch alles ruhig scheint, so sage ich Euch doch, sie werden einen furchtbaren Schlag erhalten, diese Herren vom Parlament, und sollen doch nicht sehen, wer ihnen diesen Schlag versetzt. Mein Rat ist nicht zu verachten, weil er Euch nur Gutes und keinen Harm antun kann. Die Gefahr ist so schnell vorüber, als Ihr diesen Brief verbrannt haben werdet. Ich hoffe, Gott wird Euch seine Gnade schenken, damit Ihr Gebrauch davon machen könnt, so wie ich Euch denn Seinem heiligen Schutz anempfehle.«

Lord Mounteagle drehte das Blatt unschlüssig und, wie es schien, etwas angewidert, zwischen den gepuderten Fingern:

»Anonym ...« bemerkte er wegwerfend. »Ein schaler Spaß, eine alberne Mystifikation.«

Die jungen Stutzer ahmten sein abschätziges Lächeln nach. Ein Mr. Ward, naher Freund der beiden Brüder Winter, und in die Aufstandspläne eingeweiht, fragte neugierig, was für einen Charakter die Handschrift trage.

»Gar keinen,« antwortete Mounteagle, »sie ist verstellt. Es lohnt sich nicht, solch einem Geschreibsel nachzugehen, zumal nicht einmal zu verstehen ist, was es besagen will.«

Man sprach von anderem, trank den Wein aus, ließ sich von den Lakaien die Mäntel überwerfen.

Angesichts seiner Sänfte aber besann sich Lord Mounteagle auf den Brief und sagte:

»Gentlemen, entschuldigt mich! Ihr werdet eure Plätze im Theater auch ohne mich finden. Für alle Fälle möchte ich jenes Blatt doch an die amtlichen Stellen weitergeben. Ich lasse mich zum Kanzler bringen. Mag der sich den Kopf darüber zerbrechen, so werde ich es aus dem meinigen um so eher herausbekommen.«

Eine halbe Stunde später verließ er die Sänfte in Whitehall vor dem Palaste des Staatssekretärs.

Lord Salisbury wollte sich gerade in Gesellschaft einiger anderer Minister zu Tische setzen, als ihm Mounteagle gemeldet wurde.

»Excuse, mein lieber Salisbury ... nur eine Kleinigkeit! Lies diesen anonymen Wisch hier durch, den ein unbekannter Bote soeben bei mir abgab, und behandle ihn nach deinem Belieben!«

Der Kanzler las ihn vor. Die Wirkung der geheimnisvollen Andeutungen auf ihn und die Minister war die gleiche wie auf Mounteagle: man konnte sich nicht entschließen, sie ernst zu nehmen.

»Daraus, daß Gott der Herr wiederholt eine Rolle darin spielt,« meinte Salisbury mit einer kleinen hämischen Spitze, »möchte ich schließen, daß der Schreiber zu den Exaltados deiner Glaubensgenossen gehört, mein lieber Mounteagle.«

Lord Mounteagle war Katholik, aber einer von der lauesten Sorte. Er besuchte, wie vorgeschrieben die protestantischen Gottesdienste und hielt sich in jeder Hinsicht staatstreu zu den Stützen des König Jacob. Anspielungen wie die des boshaften Kanzlers waren ihm peinlich.

»Oh, führen nicht auch eure Puritaner ihren Gott beständig im Munde?« parierte er geschickt. »Wenn die Sache wirklich Hintergrund hat, so möchte ich eher schätzen, daß sie von einem der puritanischen Narren ausgeht.«

»Gleichviel! Ich werde dem König das Brieflein bei Gelegenheit zeigen, ha! Wie wird es ihn in Schrecken setzen! Wie scharfsinnig wird er darüber spintisieren! Meint Ihr nicht auch? Wir werden wieder etwas zu lachen haben.«

Wenige Tage später wußte Thomas Winter und durch ihn sogleich auch Catesby von dem verteufelten Schreiben. Sie nahmen es aber nicht weiter schwer, da es so unklar gehalten war und sie Salisburys Sorglosigkeit kannten. Nur ärgerten sie sich, daß sie offenbar einen Verräter unter sich hatten.

Guy Fawkes wurde beauftragt, den Keller noch schärfer zu überwachen. Er nahm nichts Ausfälliges wahr.

Mehrere Verschworene wurden unruhig und wollten schon den Plan völlig aufgeben; doch Catesby und Percy und am heftigsten Guy Fawkes beschworen sie, fest zu bleiben, da ja der bewußte Brief ein Schlag ins Wasser gewesen sei.

Um dieselbe Zeit – es war Ende Oktober – legte der Kanzler dem König in einer Ministerrats-Sitzung das anonyme Schreiben vor.

Er hatte sich nicht geirrt: Jacob wurde aschfahl vor Angst um sein Leben. Zeile für Zeile ging er das Blatt mit peinlicher Genauigkeit selber durch, ob sich nicht daraus auf Urheber und Art des Anschlags, von dessen bedrohlichem Ernst er sofort fest überzeugt war, Schlüsse ziehen ließen. Sein häßlicher Eulenkopf lag beinahe platt auf dem Papier, das Kinn mit dem dürftigen Barte klappte beim Buchstabieren wie das eines Nußknackers auf und nieder, die unsteten Augen wanderten nach jedem Satze, den er entziffert und gleichsam beschnüffelt hatte, argwöhnisch von einem Minister zum andern.

Dazwischen warf er ihnen kurze, herrische Fragen hin, deren Antwort er zu überhören schien:

»Eure Meinung ...? Ein Mord oder eine Revolte ...? Wie – Wie? – Nicht bei diesem Parlamente zu erscheinen – heißt? Ein furchtbarer Schlag – heißt? Mit was für einer Waffe, dünkt euch wohl? – Wen also habt ihr zuvörderst in Verdacht?«

Salisbury nahm das Wort, ersterbend in Unterwürfigkeit:

»Mein allergnädigster König wollen nicht unnütz in Besorgnis um das Staatswohl geraten. Uns scheint es nichts weiter als die Narretei eines läppischen Spaßvogels zu sein. Alles, was da geschrieben steht, sind ja nur hohle Phrasen oder leere Drohungen eines irrsinnigen Rekusanten. Die Ehrfurcht vor Eurer geheiligten Person, das Ansehen Eures gehorsamsten Parlaments stehen im Volke seit Jahr und Tag so fest gegründet ...«

»Unsinn, Unsinn, Salisbury! Immer noch hetzen und wühlen die Papisten gegen mich und meinen Glauben. Erst kürzlich wieder hat Heinrich von Frankreich mich warnen lassen. An das Ende seines Vorgängers Heinrichs des Dritten hat er mich erinnert: durch den vergifteten Dolch eines Dominikaners kam der letzte Valois ums Leben! ›Gib acht,‹ so schrieb er mir, ›die Jesuiten spinnen ihre Ränke weiter, Handstreich um Handstreich wird geplant. Abwechselnd kommen der König von Frankreich und der von England an die Reihe‹.«

»Was aber vermöchten Eure Majestät aus diesem Zettel zu entnehmen?«

»Nur allzuviel, beschränkter Salisbury! Betrachte dir genau die Sätze! Ein furchtbarer Schlag ist angedroht gegen das Parlament – das Parlament, das ich in wenigen Tagen eröffnen werde! Doch werden, die darin sitzen, nicht sehen, woher er kommt! Merkt ihr etwas? Das heißt: kein Anschlag mit Waffen wird es sein. Womit also sonst? Darüber belehrt uns der letzte Satz: Die Gefahr ist so schnell vorüber, als Ihr diesen Brief verbrannt habt! So wie der Brief aufflammen wird, so auch das Parlament! Mir und meinem Sohne und allen Großen meines Reiches ist dies am Tage der Parlamentseröffnung zugedacht! Seid ihr mit Blindheit geschlagen, ihr weisen, staatsgelehrten Herren? Verbrennen will man uns im Parlamentsgebäude wie räudige Schafe in einem verriegelten Stall! Da man aber nicht so dumm sein wird, gegen die bewachenden Truppen anzurücken, wird man uns in die Luft zu sprengen suchen. Da habt ihr es! Das ist der Sinn des Briefes, das muß er sein – kein andrer!«

»Oh, Eure Majestät ... oh! oh!« stammelte der Kanzler ungläubig. Und noch verdutzter stimmte der Chorus der Minister ein.

»Dumm seid ihr wie die neugeborenen Kinder,« fauchte sie der König giftig an. »Und solchen Leuten ist nun das Leben des Herrschers von Großbritannien anvertraut! – Ich befehle, daß unverzüglich alle Gemächer und Keller der Westminsterhalle mit peinlichster Gründlichkeit durchforscht und untersucht werden, halt! – Nein, nicht unverzüglich! Besser erst am Abend vor der Parlamentseröffnung. Sie sollen uns richtig ins Garn gehen, die sauberen Gesellen – wenn etwas dran ist an der Warnung. Und es ist was dran, verlaßt euch darauf!«

Eine letzte Zusammenkunft der Verschworenen aus allen Grafschaften fand am l. November zu Coughton in Warwickshire statt, vollzählig war auch der engere Kreis derer vom Pulverkomplott zugegen.

In einem zur Kapelle geweihten, sorgfältig bewachten Saal las Pater Garnet die Messe zum Feste Allerheiligen und segnete die Streiter der Kirche zu dem bevorstehenden Angriff feierlich ein. Sein Gebet galt dem Erfolge »des großen Vorhabens betreffend die katholische Sache beim Beginn des Parlaments« und schloß mit dem alten Trutzlied der Katholiken:

Gentem auferte perfidam
Credentium de finibus
Ut Christo laudes debitas
Persolvamus alacriter.

Die Abtrünnigen, o Herr der Welt,
verscheuch vom Volk, das Glauben hält,
Auf daß mit frohem Herzen wir
Lobsingen können, Christo, dir!

Begeistert, mit gezogenem Degen, wiederholten die Verschwörer den Vers im Gesang zum Schalle der Waldhörner und Trompeten.

In der Beratung, die sich anschloß, wurde festgesetzt, daß man sich am 5. des Monats, dem Tage des eröffneten und zersprengten Parlaments, zu Dunchurch treffen wolle, von dort aus habe sich dann der Vormarsch in Bewegung zu setzen. Sir Digby, der Angesehenste dieser Gegend, hatte die Jagd anzusagen und Kerntruppen daselbst zu versammeln. Das Schloß Lord Harringtons, worin die Prinzessinnen Elisabeth und Mary erzogen wurden, lag in der Nähe; sie zu entführen würde einer der ersten Schritte sein.

Die meisten blieben in Cougthon beisammen, hier traf nun die Nachricht von dem an Mounteagle gerichteten anonymen Briefe ein. Den Verdacht warfen sie alsbald auf Francis Tresham, der kränkelnd unter ihnen herumschlich. Er war Mounteagles Schwager und hatte vergebens den Wunsch ausgesprochen, daß die katholischen Peers gewarnt werden möchten. Tresham stellte entrüstet in Abrede, daß er etwas von dem Briefe wisse, konnte allerdings auch glaubhaft machen, daß er die ganze letzte Zeit über daheim zu Bett gelegen habe. Man ließ die Sache auf sich beruhen, behielt ihn aber im Auge. Daß er zu denen gehörte, die vom Unternehmen abrieten, weil die Entdeckung nun nicht lange mehr auf sich warten lassen werde – Salisbury sei ja unterrichtet und der Brief im Kabinettsrat vor dem König ausführlich behandelt worden –, rechnete man ihm nicht weiter an; er war eben körperlich leidend, dadurch wohl auch geschwächt an Mut und Willenskraft. –

Am Abend vor der Parlamentseröffnung ließ Guy Fawkes, um jeden Argwohn zu vermeiden, die Tür des Kellers offenstehen. Er selbst hielt Wache vor den verdeckten Pulverfässern, obgleich er nicht vermutete, daß jetzt noch jemand kommen werde.

Gegen neun Uhr aber ertönten Schritte, Fackelschein erhellte den finstern Gang. Zwei Herren erschienen, nur begleitet von einem Lakaien, der ihnen leuchtete. Es waren der Earl von Suffolk, Oberkammerherr des Königs, und Lord Mounteagle. Sie kamen, wie es schien, als Privatpersonen und ziemlich arglos daher. Fawkes fand gerade noch Zeit, sich hinter einem Pfeiler zu verbergen.

Suffolk blickte sich neugierig im Keller um, blieb vor dem hohen Haufen von Kohlen und Reisig stehen und bemerkte zu Mounteagle:

»Das sind Thomas Percys Vorräte. Der Kammerherr Knevet sagte mir schon, Percy habe den Keller dafür gemietet.«

»Die Kohlen sind für sein Klubhaus nebenan?« fragte Mounteagle gelangweilt, obenhin.

»Offenbar. Er hält dort manchmal Zechgelage.«

Schon wollten sie wieder gehen, als Suffolk mit einem letzten Blick die Gestalt Guy Fawkes' hinter dem Pfeiler entdeckte.

»Halloh!« rief er überrascht. »Wen haben wir denn da?«

Fawkes trat heran. In demütiger Haltung stellte er sich vor:

»Johnson, ein Bedienter des Sir Thomas Percy.« Sein dürftiger Kittel strafte ihn nicht Lügen.

»Was treibst du hier?«

»Mylord, bin angestellt, über die Vorräte meines Herrn zu wachen. Verzeihung, daß ich die hohen Herren nicht gleich erkannte. Vermutete, daß es wohl Diebe sein könnten. Deshalb verbarg ich mich.«

»Dein Herr scheint recht viel Feuerung zu brauchen. Ein ganz gewaltiger Haufen!«

»Oh ja, Mylord. Er braucht sehr viel; es wird ein strenger Winter.«

Die Herren gingen. Lord Mounteagle rief ihm noch über die Schulter zu:

»Viel Vergnügen in deinem schwarzen Kellerloch!«

Etwas nachdenklich geworden, sonst aber noch guten Mutes ließ sich Fawkes auf dem Reisig nieder und wartete die verheißungsvolle Morgenstunde mit dem Ruf der Festtagsglocken ab. Drei Lunten nebst Feuerzeug hielt er in seinen Taschen schon bereit.

Es dauerte nicht lange, so schlich sich Robert Keyes herein zu ihm und fragte, zugleich im Auftrag von Percy, der im Nebenhaus den kommenden Ereignissen entgegensah, was die beiden gewollt hätten.

»Neugierig waren sie, sonst nichts. Aber ihre Neugier wurde nicht gestillt,« beruhigte ihn Fawkes. »Sage Percy, daß alles in Ordnung ist.«

Graf Suffolk aber hatte sich eilends zu dem bei Salisbury versammelten Ministerrat begeben und Bericht erstattet. Es wurde beschlossen, das Gebäude um Mitternacht zu umstellen und eine genaue Untersuchung des Kellers vorzunehmen.

Gegen halb zwei Uhr kehrte Suffolk nach der Westminsterhalle zurück. Die Wachtposten standen schon bereit und meldeten, daß sich nichts ereignet, niemand den Palast betreten oder verlassen habe. Der Kammerherr Sir Knevet kam von der Themse her mit einem Hauptmann, der ein Pikett Gardisten befehligte. Sie betraten nun zusammen den Keller; Suffolk leitete die Untersuchung.

Auf dem Reisighaufen lag scheinbar in festem Schlafe der Diener des Sir Percy. Als die Gardisten ihn schüttelten, kam er langsam zu sich, blickte sich verwundert um und fragte verdrießlich, was man schon wieder von ihm wolle.

Ohne viel Federlesens machten die Soldaten sich daran, seine Taschen zu durchsuchen. Sie fanden die Lunten mit dem Feuerzeug.

»Was ist das?« herrschte ihn Sir Knevet an. »Wozu brauchst du die Lunten?«

Jetzt sah Guy Fawkes alles verloren und ergab sich in sein Schicksal.

»Um mir meine Pfeife anzuzünden,« antwortete er höhnisch.

»Fesselt ihn!« befahl Knevet. »Räumt das Reisig und die Kohlen weg!«

Suffolk gab zu bedenken, daß hier feuergefährliche Stoffe lagerten. Die Fackelträger mußten zurücktreten. Beim Scheine einer Blendlaterne, die hinter der Kellertür gefunden worden war, entfernten die Soldaten erst das Reisig, dann die Kohlen. Sechsunddreißig Oxhoftfässer, dicht nebeneinander aufgereiht, wurden sichtbar.

Suffolk und Knevet riefen wie aus einem Munde:

»In der Tat, der König hatte recht!«

»Ja, ihr Herren, es ist Pulver!« rief Guy Fawkes sie diabolisch anlächelnd. »Gutes, trockenes Schießpulver! hättet ihr mir nur noch ein paar Stunden Zeit gelassen, so wäret ihr mit euren König James alle gen Himmel geflogen!«

Guy Fawkes wurde abgeführt. Der Hauptmann blieb mit einem Teil der Mannschaft als Wache im Keller zurück.

Ein geschlossener Karren war zur Stelle, in dem der Verbrecher geradeswegs zum königlichen Palaste transportiert wurde. In einer Kalesche folgten die beiden Kammerherren. Sie waren noch starr vor Schrecken und kaum eines Wortes mächtig.

Der König, umgeben von den Ministern und den höchsten Gerichtsbeamten, wartete in seinem Schlafgemach auf das bestimmt vorausgesagte Ergebnis der Untersuchung. Seine Ungeduld und die Furcht, es könnte jeden Augenblick eine Revolte der Anstifter in der Stadt ausbrechen, machte ihn zu einer zappelnden Jammergestalt. Erst als Suffolk ihm meldete, daß alle Straßen still und überdies durch Patrouillen gesichert seien, beruhigte er sich etwas.

Der Lordoberrichter schritt sofort zum Verhör:

»Wer bist du?«

»Mein wahrer Name ist Guy Fawkes«, gab der Gefesselte nicht ohne Stolz zur Antwort, »war vormals Kapitän in der Armee.«

»Warum nanntest du dich Johnson, Diener des Sir Percy?«

»Das ist meine Sache.«

»Was hattest du in dem Keller zu schaffen?«

»Pulverfässer zu bewachen, mit denen ich König und Parlament heute morgen in die Luft sprengen wollte. Ich verfluche mein Geschick, daß der herrliche Streich mißlungen ist.«

»Aus welchem Grunde wolltest du des Königs Majestät ums Leben bringen?«

Guy Fawkes deutete mit der Schulter nach König Jakob:

»Dieser Mann da ist unsres Landes Unheil. Gefährliche Übel erfordern verzweifelte Mittel.«

»Aus welchem Grunde aber das ganze Parlament vernichten?«

»Um die schottischen Bettler in die Berge zurückzujagen, aus denen sie hergekommen sind.«

»Welches sind deine Mitschuldigen?«

»Ich habe keine.«

»Du wirst sie uns schon noch nennen.«

»Glaube kaum, auch auf der Folter nicht.«

Der Lordoberrichter wandte sich mit einer tiefen Verneigung an den König:

»Haben Eure Majestät eine Frage an den Delinquenten?«

Jakob winkte heftig ab. Er hatte die ganze Zeit über diesen unbekannten Feind in starrem Grausen wie ein entsetzliches Fabeltier angestarrt. Erst als es verschwunden, fand er Atem und Sprache wieder.

»Ich bin sehr angegriffen von den Ereignissen dieser Nacht,« krächzte er Salisbury an. »Bringe mich zu Bett!«

Salisbury trat herbei, ihn zu stützen:

»Wenn Eure Majestät sich unwohl fühlen, könnte die Eröffnung des Parlaments vielleicht auf später ...?«

»Ja, guter Salisbury, warten wir damit noch einige Tage! Dann wird auch das Volk von dem Schandplan wissen und wie ich ihn zunichte machte. Ich werde vom Thronsessel aus sprechen, wie das Herkommen es verlangt. Räumt nur die Pulverfässer erst hinweg!«

Die Minister und Räte empfahlen sich.

Salisbury kleidete den König, der niemand mehr, auch keinen Kammerdiener, sehen wollte, eigenhändig aus.

Unterdessen war der Karren mit Guy Fawkes bereits am Tower eingetroffen.

Gigantisch erhob sich aus dem Nebel der machtvoll gedrungene Würfelbau des alten Staatsgefängnisses, an den vier Ecken von Türmen gekrönt, umschlossen von seinen Wällen, vier Büttel schleppten den fluchenden, ungebärdig um sich stoßenden Fawkes durch das eiserne Tor, das sich träge aufgetan hatte. Sie warfen ihn in ein Verließ zehn Meter unter dem Themsekai und ketteten ihn an die stärkste der inneren Mauern.

*

Durch London, weit ins Land und in die ganze Welt hinaus verbreitete sich wie ein Lauffeuer die Nachricht von der ruchlosesten und blutgierigsten aller Verschwörungen, die um ein Haar Hunderten von schuldlosen Bürgern, von Frauen und Kindern, zugleich aber auch den Besten und Vornehmsten des Landes das Leben gekostet, einen der ehrwürdigsten Paläste und viele Häuser im Umkreis zerstört hätte.

Die Trauer um König Jacob allein wäre nicht zu vergleichen gewesen mit der um die Mitglieder des Ober- und Unterhauses. Daß der Anschlag gegen das Parlament, den Hort und die Verkörperung von Englands heiligen Gerechtsamen, ersonnen war, das griff unmittelbar an das Herz des britischen Volkes.

Schon als am Morgen nach der Entdeckung die Pulverfässer aus dem Keller entfernt wurden, langsam, Stück für Stück mit Bedacht und beinahe feierlicher Geste, staute sich die Menge hinter dem Kordon der Soldaten. Verwünschungen wurden laut gegen die Missetäter, von denen man nur Fawkes den Namen nach kannte; Cheers wurden ausgebracht auf die britische Freiheit und sogar auf König Jacob, ihren tapferen, umsichtigen Hüter.

Dann wogten angeregte Scharen durch die Gassen, zündeten auf dem Kai der Themse und den öffentlichen Plätzen Freudenfeuer an, jubelten dem Kanzler Salisbury zu, als er zum Kabinettsrat fuhr, verlangten den König auf dem Balkon seines Palastes zu sehen. Die frohe Stimmung hielt an und steigerte sich bis zum Tage der Parlamentseröffnung.

Von den Teilnehmern des Komplotts hatten sich in der Nacht der Entdeckung nur Percy, Keyes und Tresham in London aufgehalten und einander Nachrichten gesandt. Den beiden ersteren war Fawkes Verhaftung nicht entgangen, von den Fenstern des Klubhauses aus hatten sie beobachtet, wie die Gardisten in den Keller drangen und Fawkes dann mit sich fortführten.

Ohne eine Minute zu verlieren, warfen sie sich auf zwei bereitstehende gute Renner, verließen die Stadt und jagten in wilder Hast auf Dunchurch zu, den dort versammelten die Unheilsbotschaft zu überbringen.

Francis Treshams Verhalten aber war höchst sonderbar; es machte ihn bei seinen Genossen nicht weniger verdächtig als bei der Regierung. Obgleich Percy und Keyes auf der Flucht an seinem Hause gegenüber der Guildhall anhielten und ihn aufforderten, sich ihnen anzuschließen, weigerte er sich, die Stadt zu verlassen. Er suchte dann noch am selben Tage mehrere Lords, darunter seinen Schwager Mounteagle auf und bot schließlich dem Lordoberrichter sein Zeugnis in dem Staatsprozesse an. Der aber wollte durchaus nichts von ihm wissen, befahl vielmehr seine Verhaftung. Er wurde gleichfalls in den Tower eingeliefert, wenn auch zu milderer Behandlung als Guy Fawkes. Dort verschlimmerte sich seine Krankheit, so daß es zunächst nicht möglich war, ihn zu vernehmen.

In Dunchurch war alles in froher Bereitschaft zur Sauhatz auf das ketzerische Wild. Everard Digby, der Master, und seine angeblichen Gäste liefen im Jagdkostüm mit Spießen und Nickfängern umher. Sie erwarteten von Catesby weitere Befehle. Catesby aber war auf einmal nicht aufzufinden.

Als Percy und Keyes auf den abgehetzten Pferden schäumend vor Wut und völlig fassungslos bei der Jagdgesellschaft eintrafen, bemächtigte sich dieser eine Panik.

Was war nun eigentlich entdeckt? fragte einer den andern schreckensbleich. Das Pulverkomplott allein oder der gesamte Revolutionsplan? Würde Fawkes den Richtern ihre Namen nennen? Und wieviel Zeit blieb ihnen dann noch, sich zu retten? Sollten sie sich trennen oder lieber gemeinsam handeln? Vor allem aber wo blieb Catesby, ihr Führer?

Robert Catesby hatte sich schon vor zwei Tagen nach London begeben und seine vorübergehende Abwesenheit von Dunchurch den anderen verheimlicht, um sie nicht unsicher zu machen. Er wollte zur Stunde der Entscheidung in der Hauptstadt sein, damit er dort nach dem Erfolg der Explosion sofort die Zügel der Regierung ergreifen, die Bevölkerung unter seinen Einfluß bringen und Percys persönlichen Ehrgeiz überwachen konnte.

Nicht in seiner Wohnung war er abgestiegen, wo Frau und Kind ihm das Herz bewegen und die Diener seine Anwesenheit verraten konnten, sondern in einem niederen Wirtshaus des East-End. hier saß er als ein Unbekannter in der kritischen Nacht mit allerhand wüsten Kerlen trinkend und würfelnd beisammen, den verheerenden Donnerschlag und das Zeichen der mächtigen Rauchsäule zu erwarten.

Kurz vor Sonnenaufgang drang die Nachricht von der Entdeckung der Pulverfässer und Fawkes Verhaftung zu ihm. Ein angetrunkener Ruderknecht taumelte in die Schankstube und schwatzte davon wirres Zeug durcheinander. Es genügte aber, Catesby eilends auf die Beine zu bringen. Niedergeschmettert schnürte er seinen Mantelsack, zog sein Pferd aus dem Stalle und jagte zurück nach Warwickshire.

Unterwegs im Sattel bedachte er, was zu tun, was etwa noch zu retten wäre. Da ihm aber die näheren Umstände des Verrates und seiner Folgen nicht bekannt waren, so wußte er sich keinen Rat. Auf jeden Fall sah die Lage verzweifelt aus. Es würde nichts weiter übrig bleiben als abzuwarten und sich zu verbergen.

Der Weg führte unweit dem Hause seiner Mutter vorüber. Ein ihm sonst ganz fremdes Gefühl allgemeiner Hilflosigkeit und tiefster Herzensnot trieb ihn, dort zu rasten und ihr alles zu bekennen.

Lady Leonora grub und pflanzte dicht hinter dem Gartenzaun. Sie erkannte ihren Sohn schon von weitem. Als er vom Pferde sprang, fiel ihr sein unsteter Blick und sein verstörtes Wesen auf.

»Robert, mein Liebling, so unerwartet? So übernächtig und abgehetzt? – Was ist geschehen? Komm erst einmal herein mit deinem nassen Rappen!«

Aber Catesby scheute die Begegnung mit anderen Menschen und wollte nun doch gleich weiter.

»Ich bin auf eiligem Ritt nach Dunchurch,« antwortete er finster, »wollte dich nur rasch einmal sehen, Mutter, und ein Lebewohl sagen, wohl auf längere Zeit.«

»Oh Gott, ist dir ein Unheil widerfahren?«

»Ein sehr arges. Unser großes Unternehmen ist mißglückt. Wir müssen an die Rettung unseres Lebens denken.« Und er berichtete ihr in knappen Worten, was sie geplant hatten und wie es ausgegangen war.

Fast wäre die starke Frau zusammengebrochen. An seine Hand geklammert, hielt sie sich mühsam aufrecht.

»Das also war es, das herrliche Werk zum Ruhme der Familie! Oh, Robby, nun wird dein Name allerdings unsterblich werden, aber als der eines der schändlichsten Verbrecher in der Geschichte unseres Landes!«

»Sage nicht, Mutter, daß ich schändlich gehandelt habe! Es geschah zu Gottes Ehre, und wäre es geglückt, so würde mich die Geschichte unseres Landes als Retter feiern.«

»Unselige Glaubenswut!« stöhnte Lady Leonora auf. »Die Jesuiten haben dich verführt.«

»Ach nein, es war mein eigener Plan. Nur das eine bedauere ich, daß ich Freunde mit ins Unglück zog.«

»Frage dich, ob du als Gentleman gehandelt hast!« sprach die Mutter streng.

»Das habe ich. Wir bleiben Gentlemen wie all die Ritter der zahllosen Verschwörungen aus Englands glorreicher Vergangenheit.«

Sie drängte ihn, ins Haus zu kommen, wollte ihn dort verbergen oder verkleidet mit geschorenem Bart und Haupthaar an die Küste bringen lassen. Doch er weigerte sich standhaft:

»Ich reite zu meinen Gefährten. Sie harren auf mich. Dort ist mein Platz. Das wäre meine erste ehrlose Handlung, wenn ich sie jetzt im Stiche ließe.«

Als er bemerkte, daß seine Anwesenheit schon den Mägden ausgefallen war, riß er sich los aus seiner Mutter Arm und schwang sich in den Sattel. Ohne den Kopf noch einmal zu wenden, galoppierte er davon. Denn er mochte nicht sehen, wie seine Mutter zum erstenmal in ihrem Leben um ihn weinte. –

Die Freunde und Genossen empfingen ihn, ihrer Ängste ungeachtet, mit Auszeichnung und Zutrauen. Als sie Robert Catesby wieder unter sich wußten und sich unter ihm, hob sich sofort ihr Mut. Er tat das Seinige, den Mut zu rettender Tat zu entflammen.

»Unsere Sache ist keineswegs verloren,« sprach er ihnen mit gewohntem Feuer zu. »Fast die ganze Gentry unseres Glaubens steht treu zu uns. Unsere Lehnsmannen, Pächter und Bauern folgen unsrem Befehl, wir haben Waffen, Pferde und Proviant im Überfluß, das Königreich monatelang zu bekriegen.«

Als letzten Trumpf spielte er keck eine erlogene Nachricht aus: König Jacob und Salisbury seien tot. Ein beherzter Katholik habe sie auf ihrer Fahrt nach der Westminsterhalle niedergeschossen.

Percy, Digby und Rockwood schenkten ihm Glauben oder stellten sich doch so. Ihrer gemeinsamen Überredung gelang es, die übrigen mitzureißen zu dem Entschlusse offenen Aufruhrs, der Entdeckung des Pulverkomplottes zum Trotz.

Alle Katholiken Englands wollten sie nun zu den Waffen rufen und sich an ihre Spitze stellen. Mit ihrem eigenen, zur Verfügung stehenden Heerbann würden sie sich unschwer gegen Nordwesten hin, nach Wales durchschlagen. Es kam nur darauf an, daß die Welschen noch rechtzeitig aufgewiegelt, auf ihren Einmarsch vorbereitet und zur Teilnahme an der Rebellion bestimmt würden. Das sollte Superior Garnet besorgen, der sich eben dort aufhielt. Lehnsmann Bates wurde mit diesem Auftrag zu ihm gesandt.

Andere Boten flogen auf guten Pferden nach allen Richtungen des Landes, die bewaffneten Kräfte heranzuziehen.


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