Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I.

Landedelleute waren es, unbedenkliche, beherzte Gentlemen von Alt-England, die des katholischen Glaubens und des Papstes Sache noch immer nicht verloren geben wollte. So tapfer sie ehedem ihren Königen aus dem Hause Tudor gedient, so zähe befehdeten sie nun die ketzerische Elisabeth und ihren Nachfolger, den hämischen Pedanten Jacob Stuart.

Auf die Großen des Reiches war kein Verlaß mehr; die schmiegten auch als Katholiken um höfischen Glanzes willen den Nacken ins Joch des neuen, anglikanischen Königstums. Die Herde der Gläubigen schmolz zusammen, seit ihre Hirten, die Priester, des Landes verwiesen waren. Nur einige, noch recht junge, Väter von der streitbaren Gesellschaft Jesu zogen als die letzten der Bundesgenossen verkappt von Burg zu Burg und sorgten dafür, daß der Glaubenseifer der romanistischen Gentry nicht erlahme.

Einer ihrer getreuesten Degen war der Oberst Sir Robert Catesby, fast noch ein Jüngling, doch bewährt in allen Händeln und Revolten wider die königliche Tyrannei. Als Graf Essex, der Geliebte der jungfräulichen Königin, an der Spitze von zweihundert verwegenen Rittern ihren Palast zu stürmen suchte, verdiente sich Latesby die Sporen als Frondeur und wurde mitgefangen. Es gelang ihm, sich freizukaufen mit einem gewaltigen Lösegeld, das er grimmig lachend zahlte, weil es seinem Reichtum nur eine schmerzhafte, doch keineswegs tödliche Wunde schlug. Auch in das Unternehmen, nach dem Tode der Elisabeth die Arabella Stuart auf den Thron zu heben, war er verwickelt gewesen, zu schweigen von mancherlei kleineren Putschen, in denen sich die Erbitterung der unterdrückten und beiseitegeschobenen Eiferer entlud.

Herrschte nun wirklich Ruhe im Land? Unangefochten vom Hause der Lords wie der Gemeinen, des Krieges mit Spanien ledig, dem Könige von Frankreich Freund, ja selbst dem Heiligen Vater nicht unwillkommen, trug jener Schottenkönig Jacob, Maria Stuarts, der edlen Märtyrerin, mißratener Sproß, die Krone eines Doppelreiches, das er bombastisch Großbritannien nannte. Wirklich unangefochten und mit Gottes Einverständnis? Dies kam dem dunklen Rechtsgefühl des Robert Catesby schier unfaßlich vor.

Schon Jacobs ganze Natur und höchst klägliche Erscheinung war dem Edelmann und Offizier verhaßt. Wenn er denn einen königlichen Herrn von der Ketzerpartei über sich anerkennen sollte, so durfte es nur ein echter Ritter seines eigenen Schlags und Stammes sein, einer, der stark und kühn geworden auf dem Rücken der Pferde, der den Degen zu führen verstand, schön und stämmig, mit blitzendem Auge sich Weib auf Weib in die Arme zwang und beim Becher unter ebenbürtigen Gefährten die irdische Weisheit der Schulfüchse dröhnend verlachte. Wie kümmerlich nahm sich dagegen Jacob Stuart aus! Ein furchtsamer, linkischer Gesell, der sich in höchst unköniglicher Stubengelahrtheit zwischen Folianten und eigenem Geschreibsel einsam betrank, aus krankhaften Räuschen winselnd erwachte, und dann tagsüber mit seinen Kalvinisten läppisch disputierte, dem das Weidwerk gleich den Hahnenkämpfen, die er eingeführt, nur ein grausames Schlachtfest war, dessen dürre Finger beständig Gold aus fremden Börsen scharrten!

So oft auf König Jacobs Jammergestalt die Rede kam, fühlte sich Robert Catesby wie von körperlicher Übelkeit befallen, sodann schwollen ihm die Adern an der breiten Stirn, und er verschwur sich insgeheim, daß er dem Ketzerdespoten früher oder später doch noch den Garaus machen werde. –

In einer Maiennacht saß er beim Punsch auf der Terrasse von Almwick-Castle als Gast von Sir Thomas Percy. Der verwaltete die Güter seines Vetters Northumberland mehr schlecht als recht, sog die Vasallen und das Landvolk zu eigenem Vorteil aus und knirschte in seinem finsteren, herrischen Wesen unter der Abhängigkeit von Seiner Lordschaft, dem Earl, der ihn hoffärtig begönnerte. Zernagt von politischem Ehrgeiz, aufgepeitscht von dem siedenden Blute seines berühmten Ahnherrn Percy Heißsporn, lechzte er nach der Stunde, die ihn über die Burgen seines Geschlechtes an Northumberlands Stelle zum Gebieter machen und bei dem nächsten Wandel von Englands Geschick seine Stimme in die Wagschale werfen sollte. Aus diesem Grunde allein war er zur katholischen Kirche übergetreten, setzte alles auf diese eine Karte und schäumte vor Wut, daß er mit ihr noch immer im Verluste blieb.

Ja, es waren auch buchstäbliche, bare Verluste – an die dreihundert Pfund Sterling in jedem Jahr, die ihn sein katholisches Gewissen kostete.

»Hol' der Satan die schottischen Diebe!« schrie er erbost. »Was sind das eigentlich für verschimmelte Gesetze, die ihnen erlauben, Geldbußen einzutreiben von jedem Sonn- und Feiertag, der uns nicht unter ihre Kanzeln lockt?«

»Kenne sie nicht,« antwortete Catesby. »Hab mich auch nie um sie bekümmert. Stammen wohl noch aus dem Auswurf Heinrichs des Achten, des Ehebrechers. Mich kosten sie nicht weniger als Euch. Aber ich zahle prompt, ohne mich erst mit dem Sheriff zu streiten. Schreibe sie, Posten für Posten, James dem Narren aufs Konto.«

»Hat sein Schuldbuch denn auch eine Kreditseite?«

»Ja, eine einzige, das Duldungsedikt! Mit dem aber hat er uns belogen und betrogen, wie mit jedem Worte, das seine Basiliskenzunge kaut.«

»Wie lange wird die Gentry unsres Glaubens das noch dulden? Wie lange, meint Ihr wohl?«

»Ha!« lachte Catesby verzweifelt auf. »Bis der letzte Katholik von Haus und Hof vertrieben ist!«

»Erinnert Ihr Euch, Catesby, unseres Anerbietens, die Kirchenbuße jährlich in einer bestimmten Summe an die Krone zu entrichten?«

»Wie? Habt Ihr den Bescheid?«

»Er geht Euch morgen zu. James lehnt ab! James findet, es sei für ihn das bessere Geschäft, mit seinen katholischen Untertanen Katz und Maus zu spielen.«

Catesby erbleichte. Nicht aus Enttäuschung; denn wann hätte er von König Jacob je etwas anderes erwartet als Bosheit und schmutzige Habgier! Aber kalte Wut stieg in ihm auf darüber, daß er nun so in stummer Ohnmacht vor Thomas Percy auf den Mund geschlagen saß. Er meinte, zu ersticken vor verhaltenem Jähzorn, der kein Opfer sah. Mit einem jähen Griff riß er sich die gefältelte Krause vom Hals und das Wams vor der schwer atmenden Brust auseinander.

Percy, hinterhältig grinsend, füllte ihm den goldenen Becher mit dem eisgekühlten Punsch:

»Was gilt's, Ihr habt mir bald etwas zu sagen? Trinkt! Trinkt aus ... nun, Robert Catesby, worauf werdet Ihr wohl trinken, und ich mit Euch?« Lauernd suchte er mit seinen ewig unsteten Flimmeraugen zu ergründen, nach welcher Richtung die Flamme, die sich an ihnen entzündet hatte, jetzt wohl schlug.

Catesby sprang auf. Das eherne Cäsarenantlitz stolz zurückgeworfen, die festen Schenkel kriegerisch gespreizt, leerte er den Becher stehend auf einen Zug.

»Ihr wißt, worauf ich trank, holt mich nicht aus, wir pokulieren hier im Freien! Ich bin kein Schwätzer, am wenigsten auf Terrassen über dunklem Gartenland.«

»Wir wollen auch nicht schwatzen, sondern uns verständig besprechen, Freund! Kommt! Sagt mir drinnen, was Ihr auf dem Herzen habt!«

*

Von den drei Schlössern, die seit Jahrhunderten Sitz der Familie Catesby gewesen, war nach der Essexrevolte die Stammburg Lengworth allein übrig geblieben: ein langgestreckter, einstöckiger Bau aus mächtigen Quadern gefügt, dessen Front sich aus schmalen Erkern und halbkreisförmigen Ausbuchtungen, teils von spitzen Türmen, teils von Zinnen und Schießscharten gekrönt, zusammensetzte. Uralter, bestockter Efeu überspann buschig das Mauerwerk, eine üppige Taxushecke grenzte die Grundveste vorn gegen den Park, rückwärts gegen den Weiler ab, in dem unter etlichen der Vasallen das Ingesinde hauste.

Als Robert Catesby, gefolgt von seinen beiden Knechten, am Tor der äußeren Ringmauer vom Pferde sprang, kam zufällig der getreueste seiner Vasallen und sein Glaubensgenosse, der graubärtige Eisenfresser Bates, des Weges daher. In freudiger Überraschung hielt er inne und küßte dem Herrn zum Willkomm die Hand.

»Hallo, mein Alter! Gottes Finger, daß du es bist, der mir zuerst begegnet! Hab' etwas, das nach deinem Sinne ist. Bald wird es wieder gemeinsame Arbeit für uns geben!«

»Wohl, Herr! Ich warte schon lange auf einen guten Auftrag. Gott segne Euren frommen Willen!«

»Wie geht es Lady Katherina und Robby, meinem Bübchen?«

»Beide gesund. Nur ist Mylady jedesmal in allzu großer Sorge, wenn sie Euer Gnaden bei Sir Percy weiß.«

»Kann es ihr nicht verdenken. Das ist ein Mann zum Fürchten, doch solche brauchen wir.«

Als er unter den Steineichen hervortrat, erblickte ihn die feingliedrige blonde Kate von der Brüstung aus und stürzte ihm mit einem Freudenschrei entgegen. Auch Robby war sogleich zur Stelle. Beide hingen sich dem vergötterten Herrn des Hauses an den Hals.

»Oh, Liebster, daß ich dich nur wieder habe!« flüsterte Katherina zärtlich. »Gelobt die heilige Mutter Gottes! Am sichersten bist du mir doch daheim.«

»Am sichersten doch nicht am würdigsten,« lachte Robert gutmütig auf. Er schätzte es nicht sonderlich, den Hausvater zu spielen. Ganz England und die Händel der Welt lagen seinem Herzen näher, bewegten stürmischer seinen unruhigen Geist als das Gedeihen seines Landgutes und die Anhänglichkeit von Weib und Kind.

Immerhin hielt er sich diesen Sommer über wider Erwarten still zu Haus, überwachte seine Pächter, pirschte auf Damwild und Keiler, lud hin und wieder seine Nachbarn zu einem kräftigen Trunk. Aufatmend stellte Lady Katherina fest, daß ihr Gemahl so froher Stimmung sei wie selten zuvor, und schloß daraus, er habe allen politischen Abenteyern nun endlich entsagt.

Nur nach der Ernte huschte einmal einer jener Besuche ins Schloß, die von Geheimnis und Gefahr umwittert waren, ein hagerer, geschmeidiger, junger Mann, dessen nüchterne Kaufmannstracht mit dem durchgeistigten und abgehetzten Ausdruck des bartlosen Gesichtes durchaus nicht im Einklang stand. Während der kurzen Zeit, die er blieb, diente man Gott zu jeder Zeit des Tages mit Andachtsübungen und Gebet. In aller Frühe und bei Anbruch der Nacht füllte sich die im Ostflügel der Burg gelegene Kapelle lautlos, ohne den Ruf der Glocke, mit einer kleinen Schar von Gläubigen. Robert Catesby kniete zwischen seiner Gattin und seinem Knaben, hinter ihm das Hausgesinde, an der Schwelle der sorgsam geschlossenen, eisenbeschlagenen Tür Vasall Bates als Wächter. Am Altar aber brachte jener Fremdling, dessen wahren Namen niemand außer dem Hausherrn kannte, von dem man nur wußte, daß er der Gesellschaft Jesu angehörte, im Priestergewande das heilige Meßopfer dar. Am Abend vor seiner Abreise nahm er jedem einzelnen die Beichte ab und spendete, während schon sein Wagen vor dem Parktor wartete, das Sakrament der Kommunion.

Anfang November siedelte Catesby mit den Seinen nach der Londoner Wohnung über. Um dieselbe Zeit traf Percy in der Hauptstadt ein. Vetter Northumberland hatte ihm auf sein Drängen ein Patent als Offizier der königlichen Nobelgarde verschafft; als solcher hatte er gelegentlich den Wachtdienst im Palaste zu versehen, bekam aber den König, der sich scheu abschloß, nur selten zu Gesicht.

Sein erstes Wort an Catesby war:

»Was seid Ihr doch für ein Zauderer geworden! Ich erkenne Eure Entschlossenheit und Eure rasche Hand nicht wieder.«

»Seid getrost,« erwiderte Catesby wohlgemut, »ich finde meine Stunde.«

»Nun, mir ist jede Stunde recht, die mir James den Narren in den Weg laufen läßt. Derweil Ihr langwierige Pläne spinnt, besorge ich die Sache im Notfall auch allein.«

»Das wäre kühn, aber sehr unklug gehandelt. Was hülfe es uns, wenn wir nur James losgeworden wären! Es bliebe der Prinz von Wales, der als König sicher in seines Vaters Fußtapfen tritt, es bliebe Salisbury als Kanzler, die ganze Meute der protestantischen Lords, das Stimmvieh vom Unterhaus – kurz, die gleiche Mauer, gegen die wir jetzt schon vergebens anrennen. Seid verständig, Percy, zügelt Eure Hast! Binnen wenigen Wochen habt Ihr meinen Plan in allen Einzelheiten und so gefügt, daß wir freie Bahn gewinnen für großen Start.«

In der Tat ging Catesby sofort daran, die ersten Vorbereitungen zum Werke mit Umsicht zu treffen. An seine beiden Vettern Thomas und Robert Winter auf Huddington in der Grafschaft Worcester, die ihm blind ergeben waren, sandte er Botschaft, sie möchten sich bei ihm einfinden, es gäbe Arbeit für sie um Gottes Lohn. Allein den Brüdern Winter, seßhaften, etwas bequem gewordenen Herren, schwante nichts Gutes, sie suchten sich zu drücken. Erst auf Catesbys gemessenen Befehl hin stellten sie sich ein. Der wußte, sobald er sie unter der Gewalt seines Auges hatte, riß er sie zu jeder Tollheit mit sich fort.

An die Leiden der Glaubensgenossen erinnerte er sie – eben erst waren wieder alle katholischen Grundbesitzer der Grafschaft Ulster ihrer Güter beraubt worden –, stellte ihnen mit dem Feuer und der Eindringlichkeit seines Wortes, das sich stets sieghaft bewährte, weil er uneigennützig sprach und sich selbst vor allen andern zu opfern bereit war, die Freiheit und den Glanz eines neuen, vom Segen des Heiligen Vaters gekrönten Englands vor, wenn sie ihm nur vertrauten und Gefolgschaft leisteten.

Tags darauf waren sie, begleitet von ihrem Freunde Christopher Wright, unterwegs nach Flandern. Ihre Aufgabe bestand darin, sich der guten Dienste des spanischen Statthalters Herzog Velasco von Frias zu versichern. Sie fanden zwar offene Tür bei ihm, aber mit den unbestimmten Versprechungen, zu denen er sich herbeiließ, war nichts anzufangen; auf einen Termin für die Invasion wollte er sich keinesfalls festlegen. So war das Ergebnis der Verhandlungen, mit dem sie zu Catesby zurückkehrten, ziemlich unbefriedigend. Dafür aber brachten sie den Kapitän Guy Fawkes mit, einen geschickten, verwegenen Burschen, dessen Dienste die eines ganzen spanischen Cadres wohl aufwiegen mochten. Konvertit wie Percy, glühte er vor Eifer, zum Besten der Kirche Heldentaten zu vollbringen; verbannt und geächtet als mehrfach entlarvter Verschwörer, hatte er nichts weiter zu verlieren als seinen geringen Posten in der spanischen Armee. Catesby stellte ihn unter dem Namen Johnson scheinbar als seinen Diener an und verließ sich nun ganz auf Guy Fawkes' praktischen Blick. –

Nächste Aufgabe war, mit den Jesuiten ein genaueres Einvernehmen herzustellen. Robert Catesby wandte sich daher, wie in allen früheren Fällen, an den obersten und erfahrensten der in England weilenden Ordensbrüder, den Provinzial-Superior Henry Garnet. Auch den anderen war dieser bereits wohlbekannt; mit ihm oder vielmehr unter ihm hatten sie vor Jahresfrist gearbeitet, als es galt, am spanischen Hofe für eine Invasion zu wühlen.

Garnet kam, stellte jedoch Catesby von vornherein die Bedingung, daß er diesmal nur mit ihm persönlich zu tun haben wolle und mit niemand sonst solcherlei Geschäfte mehr zu besprechen wünsche. Er hatte sich kürzlich erst für seine erwiesenen Verrätereien einen Generalpardon unter dem großen Siegel des Königreichs erwirkt und mochte um dieses nicht zu unterschätzenden Freibriefes willen sein kirchliches Wirken nicht unnütz gefährden.

Die ersten Andeutungen Catesbys von einem neuen Unternehmen nahm er mit kühler Zurückhaltung auf:

»Mein junger Freund,« sagte er väterlich, doch mit verstehendem Lächeln, »ich bin, wie Ihr wißt, im Kampfe um die Rechte unsrer heiligen Kirche schon etwas grau geworden und habe mich nun für die milderen Mittel entschieden.«

»Die milderen reichen aber nicht mehr aus, Pater Garnet!« rief Catesby ungeduldig. »Der König hat das Wort, das er uns Katholiken gab, gebrochen, bricht es täglich, wird es wieder geben und immer wieder brechen. Ob ihr wollt oder nicht, binnen kurzem wird es in England doch sehr bunt hergehen. Wie möchte sich Euer tapfrer Orden da beiseite halten!«

Der Jesuit schüttelte jedoch bedenklich den Kopf, wehrte mit der langen bleichen Hand beschwichtigend ab. Auch wies er ein Schreiben des Papstes vor, das dem britischen Adel ernstlich empfahl, den Druck der Krone in Zuversicht auf Gottes Hilfe vorerst geduldig zu ertragen.

Robert Catesby flammte entrüstet auf:

»Diese Lehre des heiligen Vaters erniedrigt uns zu Sklaven. Kein Priester, selbst der Papst nicht, kann den Menschen ihr natürliches Recht verkümmern, sich gegen Mißhandlung zu wehren.«

Immerhin erreichte er, daß Garnet seinen Beistand im allgemeinen zusagte, falls man ihn nur mit der Kenntnis des Planes verschonen würde. In diesem Sinne wolle er dann auch seine Ordensbrüder instruieren.

Bei einer Zusammenkunft im Januar 1604 legte Catesby dem ungeduldigen, ränkelüsternen Percy, den Brüdern Winter, Christopher Wright und Guy Fawkes den Plan in seiner ganzen Wucht und Ungeheuerlichkeit und seiner weitausladenden Bedeutung dar:

Nicht König Jacob allein, sondern die gesamte Regierungsmaschine, das Ministerium, der Hofstaat, die hohe Beamtenschaft, Ober- und Unterhaus, sollte vom Erdboden vertilgt werden, und zwar dadurch, daß sie am Tage der Parlamentseröffnung, dem 7. Februar l605, durch Pulver in die Luft gesprengt würden. Alsdann sollte Percy sofort den königlichen Palast besetzen und den Thronfolger töten. Dessen Schwester, der unmündigen Prinzessin Elisabeth, die auf einem Landgut der Grafschaft Warwick lebte, würde man sich gleichzeitig bemächtigen, sie unter dem Protektorat eines katholischen Lords zur Königin ausrufen und mit Hilfe der aus Flandern herbeigerufenen spanischen Truppen England der katholischen Kirche zurückgewinnen. Als Urheber des Anschlags sollten die beim Volke ohnehin unbeliebten Puritaner bezeichnet werden.

Catesby hatte einen seiner besten Tage. Er sprach klar und sachlich, dabei voll Begeisterung und hinreißender Zuversicht. Percy und Fawkes waren von vornherein durch die abenteuerliche Kühnheit des Planes gewonnen und durch die Aussicht, endlich ihr Glück zu machen. Percy mochte sich überdies noch in der Hoffnung wiegen, nach dem Untergang des Hauptes seiner Familie selbst Earl von Northumberland und Protektor des Königreichs zu werden. Christopher Wright und die Brüder Winter wollten an Mut nicht zurückstehen. Der Zauber von Catesbys Beredsamkeit, ihr Ingrimm über die Bedrückungen und Schikanen der Regierung, nicht am wenigsten Glaubensglut und Opfersinn der in Religionskämpfen aufgewachsenen Parteigänger erstickten ihren Widerspruch im Keime.

Nur das eine Bedenken wagten sie zu äußern: würden an dem furchtbaren Gerichtstag nicht auch viele Unschuldige, ja sogar Glaubensbrüder und Anverwandte, der Explosion mit zum Opfer fallen? Wie sollten sie dereinst, von solcher Blutschuld belastet, vor Gottes Antlitz treten? Percy und Guy Fawkes lachten dazu nur höhnisch auf. Catesby aber erkannte den Ernst des Einwandes; er glaubte versprechen zu können, daß geistliche Aufklärung ihn zerstreuen werde.

Bei der nächsten Zusammenkunft war Superior Garnet zur Stelle. Dessen Wunsch entsprechend wurde über die Sache selbst nicht verhandelt, sondern die politische Lage nur im allgemeinen durchgesprochen, wobei Catesby denn Gelegenheit nahm, seinen Rat über eine Frage der kasuistischen Moral zu erbitten:

Wenn es gälte, zum Besten und zur Förderung der katholischen Sache gegen die Ketzer zu handeln, und Zeit oder Gelegenheit es erforderten, sei es dann recht oder unrecht, unter den vielen Schuldigen, die dabei untergehen würden, auch einige Unschuldige mit zu vernichten?

Garnet antwortete:

»Wenn der Vorteil für die katholische Sache dadurch größer wird, daß man mit viel Schuldigen auch einige Unschuldige aus dem Wege räumt, dann ist es ohne jeden Zweifel recht, sie alle zusammen untergehen zu lassen. Nehmt folgendes Beispiel: Der Feind hält eine Festung besetzt; es sind einige wenige Freunde der Unseren darin. Man kann die Feste nur durch Sturm nehmen, der ein allgemeines Blutbad nach sich zieht. Dann wagt getrost den Sturm und laßt der allgemeinen Metzelei den gottgewollten Lauf!«

Damit waren die letzten Gewissensskrupel der Zögernden beseitigt. Machte ihnen Catesby doch überdies das Zugeständnis, man wolle mit der Ausführung so lange warten, bis der nahebevorstehende Friede zwischen England und Spanien abgeschlossen sei. wahrscheinlich werde eine seiner Klauseln die den Katholiken auferlegten Geldstrafen ein für allemal abschaffen. Diese Hoffnung erwies sich nun allerdings, als der Friede im August zustande kam, als trügerisch, von einer Duldung oder Besserung der Lage für Englands katholische Untertanen war darin nirgends die Rede.

Der Plan wurde also zum Beschluß erhoben, so wie er Catesbys Kopf entsprungen war. Noch einmal trafen sich die sechs Genossen, bevor sie sich auf ihre Güter zerstreuten, vor Catesbys Hausaltar. Sein Londoner Beichtvater, der junge Jesuit Gerrard, nahm ihnen die Beichte ab und las die Messe.

Nach dem » Agnus Dei« traten sie gemeinsam dem Priester gegenüber, der ihnen folgende Eidesformel vorsprach:

»Ihr sollt beschwören, bei der heiligen Dreifaltigkeit und bei dem Sakrament des heiligen Abendmahls, welches ihr jetzt empfangen werdet, niemals zu enthüllen, weder direkt noch indirekt, weder durch Wort noch durch Wink dasjenige, was euch eröffnet wurde zu unverbrüchlichem Schweigen. Noch sollt ihr abstehen von der Ausführung, bis daß die übrigen es euch geheißen!«

Sie schwuren es auf die Hostie, die das leibhaftige Fleisch des Erlösers ist, und empfingen darauf die Kommunion.


 << zurück weiter >>