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Viertes Kapitel

Am Montagmorgen gingen Alfred und Martin in die Kuhhütte und schlachteten den jungen Ochsen, den sie vom Kommandanten erhalten hatten. Nachdem er abgehäutet war, wurde er aufgeschnitten und nach dem Vorratshaus getragen, wo man ihn aufhängte.

Als alle beim Mittagessen saßen, wurden sie von Hauptmann Sinclair und einem jungen Leutnant aus der Garnison begrüßt. Die ganze Familie war über diesen unerwarteten Besuch sehr erfreut. Die Offiziere waren auf ihren Schneeschuhen gekommen und brachten einige unterwegs geschossene Rebhühner mit. Der Hauptmann hatte vom Kommandanten die Erlaubnis erhalten, hinüberzugehen, um zu sehen, wie es der Familie gehe. Wichtige Neuigkeiten brachte er nicht mit, da kürzlich keine Verbindung mit Quebec oder Montreal stattgefunden hatte. Im Fort war alles wohl; Oberst Forster sandte ihnen seine Grüße und ließ bitten, sich an ihn zu wenden, falls er ihnen nützlich sein könne. Hauptmann Sinclair und sein Freund setzten sich mit zu Tisch, sprachen mehr als sie aßen und fragten nach allem möglichen.

»Übrigens, Mr. Campbell, wo haben Sie denn Ihre Schweineställe aufgeschlagen?«

»Innerhalb der Palisade, neben dem Hühnerstall.«

»Das ist gut«, entgegnete Hauptmann Sinclair, »sonst möchten sie von den Wölfen beunruhigt werden, die große Vorliebe für Schweine- und Hammelfleisch besitzen.«

»Wir sind schon von ihnen beunruhigt worden«, versetzte Emma, »wenigstens von ihrem nächtlichen Geheul, das mich immer zittern läßt, wenn ich im Bett liege.«

»Machen Sie sich nichts aus ihrem Geheul, Miß Emma; bei uns heulen auch Wölfe um das Fort. Wenn sie nicht angegriffen werden, greifen sie auch nicht an; wenigstens erlebte ich keinen derartigen Fall, wenngleich ich davon gehört habe.«

»Sie werden natürlich die Nacht hierbleiben?«

»Ja, dies werden wir, wenn Sie ein Bären- oder Büffelfell übrig haben«, erwiderte Sinclair.

»Dafür wird schon gesorgt sein«, sagte Mr. Campbell.

»Und wenn Sie es einrichten könnten, Hauptmann Sinclair«, sagte Emma, »uns heute abend noch einige Wolfsfelle zu liefern, da die Tiere doch, wie Sie sagten, nicht gefährlich sind, so würde das die Sache sehr erleichtern.«

»Emma, wie kannst du solchen Unsinn reden«, rief Mary Percival. »Wie kannst du einen Gast zu solchem Unternehmen auffordern! Warum hast du es nicht Alfred und Henry oder Martin vorgeschlagen?«

»Wir wollen es beide dir zu Gefallen versuchen«, entgegnete Alfred.

»Gegen solche Versuche muß ich Einspruch erheben, Alfred«, sagte Mr. Campbell. »Wir haben schon genug Gefahren zu bestehen, ohne daß wir freiwillig hineinzurennen brauchen. Auch haben wir jetzt keinen Bedarf an Wolfshäuten. Ich werde mir jedoch morgen früh erlauben, Ihren Beistand zu erbitten. Wir möchten nämlich den Fischerkahn ans Land holen, ehe sich der See mit Eis bedeckt, und haben nicht genug starke Arme dazu.«

Im Laufe des Tages nahm Hauptmann Sinclair Alfred beiseite, um zu erfahren, ob der alte Jäger irgendwelche Kunde über die Indianer erhalten habe. Alfred erwiderte, daß sie Malachi jeden Tag erwarten, da bis jetzt keinerlei Mitteilung von ihm gekommen sei. Hauptmann Sinclair erzählte, daß sie im Fort ebensowenig wüßten, was die Indianer beschlossen hätten, und daß Oberst Forster hoffe, der alte Jäger werde inzwischen etwas in Erfahrung gebracht haben.

»Ich würde mich nicht wundern, wenn Malachi Bone morgen früh herkäme«, entgegnete Alfred. »Er ist lange ausgeblieben und sehnt sich, glaube ich, ebensosehr John bei sich zu haben, wie dieser ungeduldig ist, zu ihm zu gehen.«

»Nun, ich hoffe, er kommt. Es wäre mir angenehm, wenn ich dem Oberst etwas mitteilen könnte, da ich mein Urlaubsgesuch hierauf begründete. Indessen glaube ich, daß ihm mein Vorwand, Sie zu besuchen, sehr gelegen kam, denn er ist besorgter um Ihre Familie, als man vermuten sollte. Wie gut Ihre Base Mary aussieht!«

»Ja, und Emma auch, wie mir scheint. Sie ist einen halben Kopf gewachsen, seit wir England verließen. Übrigens können Sie mir gratulieren, denn ich habe den Leutnantsrang bekommen.«

»Das tue ich von Herzen, lieber Freund«, versetzte Hauptmann Sinclair. »Auch im Fort wird man sich freuen, das zu vernehmen. Wann kommen Sie herüber?«

»Sobald ich etwas schneller auf diesen Schneeschuhen laufen kann. Kommt der alte Jäger morgen nicht hierher, so gehe ich zum Fort, sobald er uns eine Nachricht bringt.«

Die Vergrößerung der Gesellschaft wirkte sehr anregend auf alle, und der Abend schwand höchst angenehm dahin. Für die Nacht wurden Hauptmann Sinclair und Mr. Gwynne in das große Schlafzimmer gebracht, wo die jüngeren männlichen Glieder der Familie schliefen und in dem sich zwei Lagerstätten für Gäste befanden.

Am anderen Morgen hätte Hauptmann Sinclair die Schwestern Percival gern auf ihrem Melkunternehmen begleitet; aber da seine Dienste zum Heraufziehen des Fischerbootes erbeten wurden, mußte er dorthin gehen, um den Männern beizustehen. Percival und John waren die einzigen, die bei Mrs. Campbell zu Hause blieben. Als John nach einiger Zeit seine Büchse geputzt hatte, nahm er sie auf die Schulter, rief die herumliegenden Hunde und begab sich auf einen Spaziergang, gefolgt von der ganzen Meute, mit Ausnahme des alten Sancho, der ein für allemal die Mädchen nach der Kuhhütte begleitete.

Froh und heiter trippelten Mary und Emma mit ihren Eimern in der Hand auf den frisch gebahnten Schneewegen nach der Kuhhütte, wobei Emma über Hauptmann Sinclairs Enttäuschung lachte, daß er sie nicht begleiten durfte. Soeben hatten sie ihr Ziel erreicht, als der alte Sancho wütend zu bellen begann und nach der Rückseite des Gebäudes lief. Einen Augenblick später rollte er den Schneehaufen hinab, den er zuvor übersprungen hatte, gemeinsam mit einem großen schwarzen Wolfe, den er gepackt und der sich an ihn geklammert hatte. Die jungen Mädchen waren so von Schrecken ergriffen, daß sie während des Kampfes, nur wenige Schritte von dem Tier entfernt, wie zwei Bildsäulen stehenblieben. Der alte Hund wurde allmählich durch die wiederholten Bisse des Wolfes überwunden, doch kämpfte er tapfer so lange, bis er mit weit heraushängender Zunge leblos zu den Füßen der Bestie niederfiel. Sobald das wütende Tier seinen Gegner bezwungen hatte, war es augenscheinlich bereit, die jungen Mädchen anzugreifen. Sein Haar sträubte sich, und indem es seine Füße auf den Körper des toten Hundes setzte, wies es ihnen sein mächtiges Gebiß. Emma schlang ihren Arm um Mary und schmiegte sich ganz eng an die Schwester, um sie zu schützen. Mary versuchte das nämliche, und so verharrten beide, mit Entsetzen auf den Ansprung des Tieres wartend, als plötzlich die anderen Hunde, von John gehetzt, hervorsprangen und auf den Wolf losstürzten. Durch ihre vereinte Kraft wurde dieser bald zu Boden geworfen, und während er sich noch gegen seine neuen Angreifer wehrte, kam John herbei, richtete die Mündung seiner Büchse auf den Kopf des Tieres und schoß es tot. Die beiden Schwestern waren während des ganzen aufgeregten Kampfes standhaft geblieben, doch sobald der Wolf leblos und keine Gefahr mehr vorhanden war, konnte Mary sich nicht länger halten. Sie sank in die Knie, indem sie dabei noch ihre Schwester stützte, die das Bewußtsein verloren hatte.

John, der durch das Erschießen des Wolfes seine Ritterlichkeit bewiesen hatte, zeigte dieselbe seinen Basen jetzt sehr wenig. Er sah Mary an, beugte seinen Kopf über den Körper des Wolfes und sagte: »Er ist tot.« Dann nahm er seine Büchse wieder auf die Schulter, wandte sich um und ging nach Hause. Dort angelangt, fand er, daß die Männer vom Heraufziehen des Fischerbootes soeben zurückgekehrt waren und mit dem Frühstück auf die jungen Mädchen warteten.

»Warst du das, der vor kurzem schoß, John?« fragte Martin.

»Ja«, versetzte John.

»Worauf denn?« fragte Alfred.

»Auf einen Wolf«, entgegnete John.

»Ein Wolf! Wo war der?« fragte Mr. Campbell.

»Beim Kuhgebäude«, erwiderte John.

»Bei der Kuhhütte?« rief sein Vater.

»Ja, er tötete Sancho.«

»Tötete Sancho? Sancho war doch bei deinen Basen!«

»Ja«, antwortete John.

»Nun, wo ließest du sie denn?«

»Bei dem Wolf«, versetzte John und wischte kaltblütig seine Büchse ab.

»Gütiger Himmel«, rief Mr. Campbell, während Mrs. Campbell erbleichte. Alfred, Hauptmann Sinclair, Martin und Henry griffen nach ihren Büchsen, stürzten aus dem Hause und liefen in größter Eile nach der Kuhhütte.

»Meine armen Mädchen!« rief Mrs. Campbell.

»Wolf ist tot, Vater«, sagte John.

»Tot, warum hast du das nicht früher gesagt, unartiger Junge«, rief Mrs. Campbell.

»War nicht danach gefragt«, versetzte John.

Inzwischen hatten die übrigen die Kuhhütte erreicht, wo sie zu ihrem Schrecken die beiden toten Tiere und dicht daneben die Schwestern im Schnee fanden, denn auch Mary war kurz nach Johns Fortgang ohnmächtig geworden. Die jungen Männer näherten sich den beiden Mädchen und entdeckten bald, daß sie unversehrt waren. Nach kurzer Zeit hatten sie sich erholt und konnten, von den jungen Leuten unterstützt, nach Hause gehen.

Sobald sie dort anlangten, führte Mrs. Campbell sie auf ihr Zimmer, damit sie sich ein wenig erholten, und kehrte nach einer Viertelstunde zu den anderen zurück, die sich lebhaft nach dem Befinden der jungen Damen erkundigten.

»Sie haben sich jetzt schon gefaßt«, entgegnete Mrs. Campbell; »Emma hat sogar schon wieder gelacht; zu Mittag kommen sie herunter. Es scheint, daß sie John die Erhaltung ihres Lebens verdanken, denn sie sagten, daß der Wolf im Begriff war, auf sie loszugehen, als der Junge ihnen zu Hilfe kam. Wir müssen dem Himmel für ihre Rettung danken. Nach dem, was Martin über die Wölfe sagte, hatte ich keine Ahnung, daß sie so gefährlich seien.«

»Ach, Madam, ich trage die meiste Schuld daran, das ist wahr«, erwiderte Martin, »denn als wir den Ochsen schlachteten, warf ich den Abfall auf den Schneehaufen, dicht vor der Kuhhütte hin, damit die Wölfe und andere Tiere ihn über Nacht fressen sollten. Es scheint aber, daß diese Bestie sehr hungrig war und ihr Mahl noch nicht beendet hatte, als der Hund sie angriff. Dadurch wurde sie so gereizt und wild.«

»Ja, Martin und ich, wir tragen die Schuld daran«, bemerkte Alfred, »Gott sei Dank, daß es nicht schlimmer ablief.«

»Ich betrachte dies Ereignis, über das wir uns nicht zu betrüben brauchen, als Ursache zur Dankbarkeit«, sagte Mr. Campbell. »Es konnte das Schlimmste geben, wenn niemand zur Hilfe in der Nähe war, und unsere Mädchen konnten in Stücke gerissen werden. Da wir die Gefahr jetzt kennen, wollen wir künftig davor auf unserer Hut sein.«

»Ja, Sir«, erwiderte Martin, »von jetzt an muß jemand von uns die Kühe des Morgens und Abends zum Melken nach Hause treiben; innerhalb der Palisade wird keine Gefahr sein. Master John, du hast recht getan. Sie sehen, Madam«, fuhr Martin fort, »was ich sagte, ist wahr geworden. Die Büchse ist eine ebenso treffliche Waffe in der Hand eines Kindes wie in der eines Mannes.«

»Ja, wenn Mut und Geistesgegenwart ihren Gebrauch leiten«, erwiderte Mr. Campbell. »John, ich bin mit deinem Verhalten zufrieden.«

»Mutter hat mich ungezogen genannt«, versetzte John ziemlich mürrisch.

»Ja, John, ich nannte dich unartig, nicht deswegen, weil du den Wolf erschossen hast, sondern weil du uns nicht sagtest, daß der Wolf tot war und uns in dem Glauben ließest, deine Basen wären in Gefahr. Jetzt küsse ich dich und danke dir für dein tapferes Benehmen.«

»Ich werde allen Offizieren in der Festung erzählen, was für ein ritterlicher kleiner Junge du bist, John«, sagte Hauptmann Sinclair; »unter ihnen sind wenige, die einen Wolf geschossen haben. Aber noch etwas Besseres, John; ich habe einen schönen Hund, den mir neulich einer der Offiziere gegen einen Pony vertauschte, den will ich herüberbringen und dir als Ersatz für deinen Hund schenken. Der jagt alles und ist sehr stark; er bezwingt einen Wolf, wenn du wieder auf einen triffst. Er ist halb Bullenbeißer und halb schottischer Jagdhund und etwa so hoch«, fuhr Hauptmann Sinclair fort, indem er seine Hand ungefähr in Johns Schulterhöhe hielt.

»Ich will mit nach der Festung gehen«, sagte John, »und mir ihn holen.«

»Das sollst du tun, John; ich gehe mit dir«, sagte Martin, »wenn es der Herr erlaubt.«

»Gut«, entschied Mr. Campbell, »ich denke, wir können es ihm erlauben. In Begleitung von Martin, seiner Büchse und dem Hunde wird er, hoffe ich, ganz sicher gehen.«

»Gewiß, ich habe nichts dagegen«, sagte Mrs. Campbell, »und danke Ihnen vielmals, Hauptmann Sinclair.«

»Wie heißt der Hund?« fragte John.

»Nero«, erwiderte Hauptmann Sinclair. »Wenn du den mit deinen Basen fortgehen läßt, brauchen sie keinen Wolf mehr zu fürchten. Der wird nicht sobald bezwungen wie der arme Sancho.«

»Ich werde ihn manchmal verleihen«, entgegnete John.

»Das mußt du immer tun, wenn du ihn nicht selbst gebrauchst.«

»Ja, immer«, versetzte John und verließ das Zimmer.

»Wohin gehst du?« fragte Mrs. Campbell.

»Will den Wolf abziehen«, entgegnete John und ging fort.

»Nun, der wird ein echter, kühner Jäger«, bemerkte Martin. »Ich bin überzeugt, Bone hat ihm beigebracht, wie er das Tier abziehen muß; aber ich will doch hingehen und ihm helfen, denn es ist wirklich ein schönes Fell.«

Nach diesen Worten ging Martin fort, um John zu folgen.

»Martin hätte auch gescheiter sein können, als den Abfall dorthin zu werfen«, bemerkte Hauptmann Sinclair.

»Wir dürfen nicht zu streng urteilen, Hauptmann Sinclair«, sagte Alfred, »Martin hält die Wölfe für verächtlich, und jener Wolf hätte auch nicht standgehalten, wenn er einen Mann, anstatt zweier junger Mädchen vor sich gehabt hätte. Die Wölfe sind sehr schlau, und es ist bekannt, daß sie eine Frau oder ein Kind angreifen, während sie vor einem Mann fliehen. Außerdem ist es ganz ungewöhnlich, daß ein Wolf bis zum Tageslicht verweilt, selbst wenn etwas daliegt, das ihn verlockt. Es war der Abfall, der außerordentliche Hunger und der Angriff des Hundes, wodurch dies Ereignis herbeigeführt wurde. Ich kann nicht finden, daß Martin zu tadeln ist, denn kein Mensch kann alles voraussehen.«

»Vielleicht nicht«, versetzte Hauptmann Sinclair, »und Ende gut, alles gut!«

»Sind hier noch andere Tiere zu fürchten?« erkundigte sich Mrs. Campbell.

»Der Bär liegt jetzt im Winter still in der Höhle eines Baumes oder unter der Erde in einer Grube, die er sich gemacht hat. Der kommt vor dem Frühjahr nicht zum Vorschein. Der Panther ist zwar ein weit gefährlicheres Tier als der Wolf, aber er ist seltener. Ich meine jedoch, die jungen Damen sollten sich, aus Besorgnis vor neuem Unfall, nicht anders als in Begleitung einiger Büchsen hinauswagen. Es gibt hier viele Luchse; doch glaube ich kaum, daß sie selbst ein Kind angreifen würden, obwohl sie sich zur Wehr setzen, wenn sie angegriffen werden, und tüchtig beißen und kratzen können.«

Jetzt erschienen die Schwestern. Emma war sehr vergnügt, Mary jedoch ziemlich ernst. Nachdem Hauptmann Sinclair beiden die Hand gegeben hatte, sagte er:

»Nun, Emma, Sie scheinen sich eher erholt zu haben als Ihre Schwester.«

»Ja«, entgegnete Emma, »aber ich war weit erschrockener als sie, und hätte sie mich nicht gestützt, so wäre ich dem Wolf vor die Füße gefallen. Ich gab meiner Furchtempfindung nach, Mary kämpfte gegen die ihrige an, und weil ihre Anstrengung größer als die meine war, hat sie sich nicht so schnell davon erholt. Es ist wahr, Mary ist tapfer in der Gefahr, und ich bin's nur, wenn keine vorhanden ist.«

»Ich war ebenso furchtsam wie du, liebe Emma«, sagte Mary Percival, »aber jetzt müssen wir Tante helfen, damit das Essen auf den Tisch kommt.«

»Ich kann nicht behaupten, daß ich heute einen Wolfshunger hätte«, versetzte Emma lachend, »aber Alfred wird für uns beide essen.«

Wenige Minuten später stand das Mittagessen auf dem Tisch, und sie setzten sich nieder, ohne auf Martin und John zu warten, die noch damit beschäftigt waren, den Wolf abzuziehen. –

»Jetzt kommen Martin und John endlich«, rief Mr. Campbell, als sie etwa eine Viertelstunde bei Tisch saßen. Er täuschte sich jedoch; denn statt der Erwarteten erschien Malachi Bone, zu ihrer Überraschung von seiner jungen Squaw, der Erdbeerpflanze, begleitet. Die Schwestern gingen ihrer kleinen Bekannten entgegen und nötigten sie, sich zu ihnen zu setzen; doch sie wählte ihren Platz auf der Erde, in der Nähe des Feuers.

»Sie ist an Stühle und Schemel nicht gewöhnt, Miß, lassen Sie sie da sitzen«, sagte der alte Bone, »dort fühlt sie sich behaglich, und sicherlich wünschen Sie doch, daß dies der Fall ist. Ich habe sie mitgebracht, weil ich das Wild nicht selbst tragen konnte; auch wünsche ich ihr den Weg zu Ihrem Hause und seine Befestigung zu zeigen, für den Fall, daß ich Ihnen einmal des Nachts eine Nachricht zukommen lassen will.«

»Eine Nachricht – des Nachts?« fragte Mrs. Campbell betroffen. »Weshalb? Welche Veranlassung könnte dazu vorhanden sein?«

Hauptmann Sinclair und Alfred wurden gewahr, daß der alte Jäger zuviel verraten hatte, und waren daher in Verlegenheit, was sie sagen sollten. Sie mochten Mrs. Campbell und die Mädchen der Indianer wegen nicht in Furcht versetzen, zumal sie schon durch das Ereignis am Morgen so erschreckt worden waren. Endlich versetzte Alfred:

»Die Sache ist die, liebe Mutter – zuvor gewarnt ist zuvor bewehrt, wie man zu sagen pflegt; ich ließ darum Malachi Bone durch Martin bitten, uns sogleich in Kenntnis zu setzen, sobald er erfahre, daß Indianer in unserer Nähe wären.«

»Ja, Madame, das ist die ganze Geschichte«, fuhr Malachi fort, »wenn man in den Wäldern lebt, tut man am besten, die Büchse immer schußfertig zu haben.«

Mrs. Campbell und die Mädchen waren durch diesen neuen Hinweis auf Gefahr nicht wenig bestürzt. Hauptmann Sinclair bemerkte es und sagte:

»Wir schicken immer Spione von der Festung aus, um zu erfahren, wo die Indianer sind und was sie vorhaben. Wie wir wissen, hatten sie im vergangenen Monat eine Beratung, doch brach dieselbe ab, ehe sie zu einem Entschluß gekommen waren. Soviel wir erfahren konnten, wurde keine feindliche Absicht bekundet. Aber wir trauen den Indianern nicht, und sie ihrerseits haben sich, da sie wissen, daß wir sie scharf beobachten, auch wohl in acht genommen, irgend etwas Gewalttätiges zu begehen. Trotzdem ist es uns lieb, zu wissen, wo sie sind. Ich bat daher Alfred, mit Malachi Bone darüber zu sprechen, daß er uns sogleich benachrichtigen möge, wenn er etwas von ihnen sehe oder höre. Damit beabsichtigte ich jedoch nicht, daß die Damen mitten in der Nacht gestört werden sollten«, fuhr Hauptmann Sinclair fort; »das wäre keinesfalls nötig.«

Malachi Bone wollte sprechen, aber Alfred zwickte seinen Arm. Der alte Mann verstand den Wink und schwieg. Endlich jedoch sagte er:

»Schön, schön, es ist ja kein Schade dabei, wenn die Erdbeere die Wege hier um die Behausung herum kennt, und sei es auch nur, damit sie erfährt, wo die Hunde liegen; für den Fall, daß sie einmal eine Nachricht überbringt.«

»Nein, nein«, entgegnete Mr. Campbell. »Ich freue mich, daß sie gekommen ist und hoffe, sie wird oft kommen. Jetzt, Malachi, setzt Euch und eßt etwas.«

»Aber, Hauptmann Sinclair«, sagte Mrs. Campbell, »ich bin überzeugt, Sie haben uns noch nicht alles über die Indianer berichtet, und der Gedanke verursacht mir und den Mädchen ein unbehagliches Gefühl; darum behandelt uns, bitte, wie man uns behandeln muß. Wir teilen die Gefahr und müssen also auch wissen, worin dieselbe besteht.«

»Ich glaube nicht, daß Gefahr vorhanden ist, Mrs. Campbell«, entgegnete Hauptmann Sinclair, »es sei denn, daß Malachi uns weitere Auskunft darüber zu geben hätte. Ich stimme indessen völlig mit Ihnen überein, daß Sie alles erfahren sollten, was wir wissen, und bin bereit, näher auf die Sache einzugehen, obwohl sie unbedeutend ist.«

»Ich glaube auch, daß dies der Fall sein muß, meine Liebe«, bemerkte Mr. Campbell, »denn ich habe bis jetzt auch noch nichts von der Angelegenheit gewußt. Darum bitte, Hauptmann Sinclair, belehren Sie uns alle.«

Sinclair berichtete nun, was er schon früher Alfred mitgeteilt hatte, und wies darauf hin, daß keine Veranlassung zur Besorgnis vorhanden sei. Dann bat er Malachi Bone, ihnen jetzt zu sagen, ob er noch weiteres erforscht habe.

»Die Indianer«, berichtete dieser, »kamen zusammen, wie Sie sagten, und konnten sich nicht einigen, darum brachen sie ab und sind jetzt, um Pelze zu erbeuten, mit der Jagd oder dem Anbringen der Fallen beschäftigt. Eins aber will mir bei der Sache nicht recht gefallen; jener Indianer nämlich, den sie die böse Schlange nennen, war auch bei der Beratung und zeigte sich sehr giftig gegen die Engländer. Jetzt aber hat er sich irgendwo hier in der Gegend für den Winter niedergelassen.«

»Die böse Schlange?« fragte Hauptmann Sinclair. »Ist das der Häuptling, der bei den Franzosen diente und eine Medaille trägt?«

»Derselbe, Sir. Er ist zwar kein Häuptling, aber er war seinerzeit ein guter Krieger, und die Franzosen waren sehr von ihm eingenommen, da er ihnen treu diente; aber ein Häuptling ist er nicht, obgleich er als etwas Derartiges betrachtet wurde, des Ansehens halber, das er bei den Franzosen genoß. Er ist jetzt ein alter und sehr verbitterter Mann. Während des Krieges hat er viele Engländer an den Pfahl gebunden und gemartert. Er haßt uns und stachelt die Indianer immer zum Kriege gegen uns auf; aber seine Zeit ist vorüber, und sie beachten ihn nicht mehr viel bei ihren Versammlungen.«

»Warum beunruhigt Ihr Euch dann aber seinetwegen?« fragte Mr. Campbell.

»Weil er mit sechs oder sieben jungen Kriegern, die auf ihn hören, sein Quartier für die Winterjagd nicht weit von uns entfernt aufgeschlagen hat. Will das Indianervolk keinen Krieg führen, so unternimmt er, wenn es sich machen läßt, etwas auf eigene Rechnung. Sein Name paßt nicht schlecht auf ihn – das kann ich Ihnen sagen.«

»Wird er Euch angreifen?«

»Mich? Nein, das unterläßt er besser; er kennt meine Büchse gut, er hat ihr Merkzeichen an seinem Leibe. Sehen Sie, diese Leute haben sonderbare Vorstellungen. Während der ganzen Kriegszeit ist es ihnen nicht einmal gelungen, mich mit ihren Büchsen zu treffen, und sie meinen daher, ich sei unverletzlich. – Das ist ein guter Aberglaube; von meiner Büchse jedoch denken sie, daß sie nie ihr Ziel verfehle, worin sie beinahe recht haben, denn unter hundert Malen kommt es kaum einmal vor. Aus diesen Gründen fürchten sie mich als ein übernatürliches Wesen, wie sie es nennen. Das alles aber ist bei Ihnen nicht der Fall, und wenn die böse Schlange in die Palisaden kriechen könnte, möchte sie Ihnen verderblich werden.«

»Aber die Stämme wissen sehr wohl, daß ein derartiger Angriff als eine Erklärung ihrer Feindschaft betrachtet werden würde«, sagte Hauptmann Sinclair.

»Ja, freilich; aber sehen Sie, die Schlange gehört nicht zu den Stämmen in unserer Nähe. Das Volk dieses Indianers ist viel weiter entfernt, zu weit, um Hilfe von ihm zu holen. Die hiesigen Stämme erlauben ihm zwar, an ihren Beratungen teilzunehmen, weil er ein alter Kriegsmann ist, der gegen die Engländer focht, und aus Achtung vor seinen Jahren, kümmern sich aber sonst nicht um sein Treiben. Für letzteres würden sie nicht einstehen und täten recht daran, denn sie könnten es nicht hindern, daß er Unheil anstiftet.«

»Von wem kann man Genugtuung fordern, falls er Schaden anrichtet?« fragte Henry.

»Nun, von ihm und seiner Bande, wenn Sie sie finden können. Sie könnten sie alle töten, ohne daß die hiesigen Indianer ein Wort oder eine Klage deshalb vorbringen würden. Das ist alles, was man tun kann und was ich tun werde. Ich werde ihm das verkünden, wenn ich ihn treffe. Er und seine Leute fürchten mich; sie halten mich für einen Medizinmann.«

»Was heißt das?« fragte Henry.

»Es bedeutet, daß sein Leben verzaubert ist«, erwiderte Hauptmann Sinclair. »Die Indianer sind sehr abergläubisch.«

»Ja, das sind sie. Gut, vielleicht werde ich mich als Medizinmann ausweisen und ihnen ein oder zwei Pillen aus meiner Büchse geben«, sagte Malachi mit grimmigem Lächeln. »Doch sei dem, wie ihm wolle, ich werde bald mehr über die Indianer erfahren und es Sie dann gleich wissen lassen. Halten Sie nur Ihre Palisadenpforten gut zu und die Hunde innerhalb derselben; ich werde Sie sicherlich jederzeit warnen. Wenn ich ihnen auf der Spur bin, soll die Erdbeere kommen; deswegen habe ich sie heute hergeführt. Hören Sie zu irgendeiner Stunde der Nacht, daß jemand dreimal von außen an die Palisade klopft, so können Sie wissen, daß sie es ist und sie hereinlassen.«

»Gut«, sagte Mr. Campbell; »es ist mir lieb, daß Ihr mir das alles gesagt habt; jetzt weiß ich, was wir zu erwarten haben, und werde mehr auf der Hut sein.«

»Ich denke auch, wir haben recht getan, Ihnen alles mitzuteilen, was wir selbst wissen«, sagte Hauptmann Sinclair. »Ich bin jetzt aber leider genötigt, mich zu verabschieden, denn ich muß vor Sonnenuntergang im Fort sein. Martin und John kommen mit mir, um den Hund herüberzuholen.«

»Geht der Junge nicht mit mir,« fragte Malachi.

»Ja, morgen früh mag er mit Euch gehen, aber nach seiner Rückkehr von der Festung wird es zu spät sein.«

»Gut; dann kann ich ebensogut hierbleiben«, versetzte Malachi. »Wo ist er?«

»Er ist fortgegangen, um den Wolf abzuziehen, den er heute morgen geschossen hat; er muß aber bald hier sein.«

Mrs. Campbell berichtete Malachi in kurzen Worten das Abenteuer mit dem Wolf. Der alte Jäger hörte schweigend zu und nickte nur zustimmend.

»Ich glaube, er wird in diesem Winter mehr Häute als die eine nach Hause bringen«, sagte er.

Die Gesellschaft erhob sich gerade, als Martin und John eintraten. Hauptmann Sinclair sprach mit den jungen Mädchen, während sich der alte Jäger mit der Erdbeerpflanze in ihrer Mundart unterhielt. Die übrigen waren teils draußen, teils räumten sie den Tisch ab, bis Hauptmann Sinclair endlich aufbrach, von John und Martin begleitet, die jeder mit einer Büchse bewaffnet waren.

Am anderen Morgen trafen, kurz nach Tagesanbruch, Martin und John mit dem prächtigen Hunde ein, den Hauptmann Sinclair dem Knaben geschenkt hatte. Wie die meisten großen Hunde, schien Nero sehr gutmütig zu sein und strafte das Knurren und die bösen Blicke der anderen Hunde mit völliger Verachtung.

»Das ist wirklich ein edles Tier«, sagte Mr. Campbell, seinen Kopf streichelnd.

»Es ist ein schönes Geschöpf«, bemerkte Malachi. »Ein Wolf kann gegen ihn nicht aufkommen, und mir scheint, selbst ein Bär würde an ihm mehr unter seinen Klauen haben, als er zu bezwingen vermöchte. Aber, komm mit, Junge«, sagte der alte Jäger zu John, indem er ihn aus dem Hause führte.

»Du solltest den Hund lieber hier lassen; er wird hier nützlich sein, aber uns frommt er nichts.«

John antwortete nicht, und der alte Jäger fuhr fort:

»Ich sage, er wird hier von Nutzen sein, denn die Mädchen könnten wieder einem Wolf begegnen, oder das Haus könnte angegriffen werden; aber gute Jäger brauchen keine Hunde. Ist es nötig, daß sie für uns wachen oder uns die Gefahr anzeigen? Nein, das ist unsere Pflicht, wir müssen uns auf uns selbst verlassen. Haben sie für uns zu jagen? Nein, kein Hund kann das Wild so gut fassen, wie wir mit unserer Büchse; er kann uns aber verraten, wenn wir versteckt bleiben wollen, und die Hundespur wird unseren Weg anzeigen, wenn wir wünschen, daß man ihn nicht kennt. Das Tier wird uns niemals von irgendwelchem Nutzen sein, John, es kann uns nur Schaden verursachen, besonders jetzt, wo der Schnee auf dem Erdboden liegt. Zur Sommerszeit kannst du ihn mitnehmen und ihm beibringen, wie sich ein Jägerhund zu benehmen hat. Doch jetzt wollen wir uns lieber trennen und gleich aufbrechen.«

John drückte durch Kopfnicken seine Zustimmung aus und ging dann ins Haus.

»Lebt wohl«, sagte John, auf seine Mutter und die Basen zugehend; »ich nehme den Hund nicht mit.«

»Du willst den Hund nicht mitnehmen? Ach, das ist sehr freundlich von dir, John«, sagte Mary, »denn wir möchten ihn gern zu unserem Schutz hierbehalten.«

John schulterte seine Büchse und gab der Erdbeerpflanze einen Wink, worauf diese aufstand und ihm mit einem freundlichen Blicke auf Mrs. Campbell und die Mädchen schweigend folgte.

Malachi war nicht sehr höflich; denn er ging mit John und der Squaw fort, ohne sich die Mühe zu machen, der Familie ein Lebewohl zu sagen.

Der Winter wurde jetzt sehr streng. Das Thermometer stand zwanzig Grad unter dem Gefrierpunkt, und die Kälte war so empfindlich, daß jede mögliche Schutzwehr dagegen getroffen werden mußte. Mehr als einmal hatte Percival, dessen Geschäft es war, Brennholz hereinzubringen, erfrorene Glieder; doch, da Mrs. Campbell sehr aufmerksam war, wurde jedesmal kalter Schnee mit Erfolg als Heilmittel dagegen angewendet. Das Geheul der Wölfe dauerte die Nächte hindurch an, aber alle waren jetzt daran gewöhnt, und wenn eins der Tiere dem Hause ungewöhnlich nahe kam, so übte das weiter keine Wirkung aus, als daß Nero knurrend den Kopf hob, eine Weile horchte und sich dann wieder schlafen legte. Der Hund wurde sehr anhänglich an die Mädchen und war ihr ständiger Begleiter, sobald sie das Haus verließen. Alfred, Martin und Henry gingen täglich auf die Jagd; denn, da sich noch keine Ernte in der Scheune befand, hatten sie nicht viel zu tun. Mr. Campbell blieb mit seiner Frau und den Nichten zu Hause; hin und wieder, wenn auch nicht oft, begleitete Percival die Jäger. Von Malachi und John sahen sie nur wenig; John kam etwa alle zehn Tage einmal, doch, obwohl er sein Versprechen hielt, zeigte er sich daheim so unruhig und trug so sichtliches Verlangen, zu Malachi zurückzukehren, daß Mrs. Campbell es lieber sah, wenn er fort war, als wenn er gegen seinen Wunsch im Hause verweilte.

So schwand die Zeit dahin bis zum Jahresschluß. Da sie durch die strenge Witterung zumeist ans Haus gefesselt waren und wenig zu tun hatten, erschien ihnen der Winter endloser und öder, als es der Fall gewesen wäre, wenn bereits Ernten ihre Aufmerksamkeit beansprucht hätten.

Im Winter besorgt nämlich der kanadische Farmer das Ausdreschen des Getreides und andere mit dem Landbesitz verbundene Arbeiten, die auf den kommenden Frühling vorbereiten. Da dies nun aber ihr erster Winter war, hatten sie natürlich noch keine Ernte gehalten, und es fehlte ihnen daher an Beschäftigung. Mrs. Campbell und ihre Nichten arbeiteten und lasen und suchten sich auf alle nur mögliche Weise die Zeit zu vertreiben; aber, da sie beständig auf das Haus angewiesen waren, konnten sie nicht umhin, die Eintönigkeit und Langeweile ihrer Lage zu empfinden. – Die jungen Männer fanden bei der Jagd Tätigkeit und Vergnügen; sie brachten die verschiedensten Tiere und Häute nach Hause, und der Abend war gewöhnlich den Berichten ihrer Jagderlebnisse gewidmet. Aber auch diese Jagdgeschichten wurden zuletzt mit Gleichgültigkeit vernommen. Es war mit geringer Abwechselung immer wieder dasselbe Thema, das die Zuhörer nicht mehr in Spannung zu setzen vermochte.

»Ich bin neugierig, wann John wieder zurückkommt«, bemerkte Emma einmal zu ihrer Schwester, während sie bei einer Arbeit saßen.

»Warum, er verließ uns ja erst vor zwei Tagen? Wir können ihn daher sobald nicht erwarten.«

»Das weiß ich. Ob Nero wohl einen Wolf bezwingen würde? Ich möchte ihn einmal mitnehmen und den Versuch machen.«

»Ich dächte, du hättest von Wölfen schon genug gehabt, Emma«, versetzte Mary.

»Ja, freilich. Der alte Malachi bringt uns auch gar keine Nachrichten über die Indianer«, fuhr Emma gähnend fort.

»Nun, ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß derartige Nachrichten angenehm für uns wären; warum verlangt dich also danach, Emma?«

»Warum, liebe Mary? Weil ich das Bedürfnis nach etwas Neuem habe. Ich brauche etwas, das mich erregt; denn ich komme mir schon ganz stumpfsinnig vor. Den lieben langen Tag heißt es nichts als sticheln und sticheln; mir aber ist es überdrüssig, immer dasselbe zu tun. Ein kanadischer Winter ist doch etwas Schreckliches, und noch haben wir nicht die Hälfte davon hinter uns.«

»Es ist sehr langweilig und eintönig, liebe Emma, das gebe ich zu, und wenn wir mehr Abwechslung in unserer Tätigkeit hätten, wäre es angenehmer für uns; aber wir müssen doch dankbar sein, daß wir ein gutes Haus über unserem Kopf und mehr Sicherheit besitzen, als wir annehmen durften.«

»Beinahe zu viel Sicherheit, Mary; ich bin schon so weit, daß ich einen Indianer selbst in seiner Kriegsfarbe willkommen heißen würde – nur der Abwechslung halber.«

»Ich glaube, du würdest deinen Wunsch bald bereuen, wenn er sich erfüllte.«

»Sehr wahrscheinlich, aber jetzt kann ich nicht umhin, ihn zu hegen. Wann kommen die anderen nach Hause? Wieviel Uhr ist es denn? Ich bin gespannt, was sie bringen werden; vermutlich die alte Geschichte – einen Rehbock. Mir ist das Wild über.«

»Wirklich, Emma, du tust unrecht, so unzufrieden und verdrossen zu sein.«

»Vielleicht – aber ich bin seit beinahe hundert Tagen keine hundert Meter gegangen, und das macht den Menschen mißmutig. Ich kann nichts tun als gähnen – gähnen, aus Mangel an Luft und Bewegung. Onkel will uns nicht herauslassen, jenes greulichen Wolfes wegen. Ich möchte wissen, was Hauptmann Sinclair in seiner Festung treibt, und ob er ebenso mißgestimmt ist wie wir.«

Am Tage nach diesem Gespräch nahm Emma, um sich zu zerstreuen, eine Büchse, und ging mit Percival hinaus. Sie schoß wiederholt nach einem bestimmten Ziel und gewann allmählich einige Geschicklichkeit. Mit der Zeit fand sie Gefallen an der Beschäftigung und ließ nun keinen Tag vergehen, ohne mit Percival ein bis zwei Stunden Schießübungen zu machen, bis sie endlich mit großer Genauigkeit zu treffen vermochte. Übung und genaue Kenntnis des Gebrauchs der Waffen flößt Zuversicht ein, und diese gewann Emma jetzt. Sie forderte Alfred und Henry auf, mit ihr nach der Scheibe zu schießen, und geschah es nun aus Höflichkeit oder, weil sie wirklich größere Geschicklichkeit besaß – gleichviel, sie wurde als Siegerin erklärt. Mr. und Mrs. Campbell lächelten, wenn Emma hereinkam und von ihren Erfolgen berichtete; sie waren froh, daß sie etwas gefunden hatte, was ihr Vergnügen machte.

Eines Abends blieben die Jäger lange aus; es war heller Mondschein, und sie hatten sich bis acht Uhr nicht blicken lassen. Percival hatte die Tür geöffnet, um etwas von dem innerhalb der Umzäunung aufgeschichteten Brennholz zu holen; auch hatte ihn der Vater beauftragt, die Palisadenpforte zu schließen, da die gewöhnliche Zeit hierfür bereits verstrichen war. Von der Schönheit des Abends verlockt, stand Emma in der Haustür, als sich aus nächster Nähe das Geheul eines Wolfes vernehmen ließ. Die Hunde, die hieran schon gewöhnt waren, sprangen zwar auf die Beine, verließen aber das Küchenfeuer nicht. Nur Trim, der Dachshund, folgte Emma, die hinausging und durch die Palisaden schaute, ob sie den Wolf erspähen könne. Trim war aber so klein, daß er zwischen den Palisaden durchkriechen konnte, und sobald das mutige Tierchen den Wolf in der Nähe erblickte, schlüpfte es hindurch und stürzte mit lautem Gebell auf ihn los. Sofort lief Emma ins Haus, nahm ihre Büchse herunter und eilte wieder hinaus, wohl wissend, daß der arme Trim bald erschöpft sein würde. Diese Vermutung bestätigte sich, denn anstatt den Rückzug anzutreten, ließ sich der Wolf mit dem kleinen Hunde ein und packte ihn. Emma, welche jetzt deutlich das Tier unterscheiden konnte, zielte und schoß gerade in dem Augenblick, als Trim einen lauten Schrei ausstieß. Sie hatte gut gezielt, und Wolf und Hund lagen Seite an Seite. Als Mr. und Mrs. Campbell, sowie Mary, den Knall der Büchse vernahmen, eilten sie hinaus und fanden Emma und Percival hinter dem Hause bei den Palisaden.

»Ich habe ihn getötet, Tante«, rief Emma, »aber ich fürchte, er hat den armen kleinen Trim umgebracht; bitte, laßt uns hingehen und nachsehen.«

»Nein, nein, liebe Emma, das kann nicht sein, das wäre zu gefährlich. Deine Vettern kehren bald zurück, und dann werden wir erfahren, wie die Sache steht.«

»Da kommen sie«, rief Percival, »sie laufen so schnell sie können.«

Die Jäger standen bald vor der Palisadentür und wurden eingelassen. Sie hatten kein Wildbret bei sich, und Emma verspottete sie, daß sie mit leeren Händen kämen.

»Nein, nein, mein Bäschen«, versetzte Alfred, »wir hörten den Knall einer Büchse und warfen unser Wild ab, damit wir euch schneller zur Hilfe kommen könnten, falls ihr derselben bedurftet. Was gab es denn?«

»Nichts weiter, als daß ich einen Wolf geschossen habe, und meine Beute nicht hereinholen sollte. Komm, Alfred, mit dir und Martin darf ich gehen.«

Sie begaben sich an die Stelle und sahen, daß der Wolf tot war und auch der arme Trim verendet neben ihm lag. Sie nahmen den Körper des kleinen Hundes mit hinein und ließen den Wolf bis zum nächsten Morgen liegen; dann wollte Martin, wie er sagte, ihn für Miß Emma abhäuten.

»Ich werde mir eine Fußbank daraus machen, das soll meine Rache für die Furcht sein, die mir der frühere Wolf einflößte. Nero, mein guter Hund, wir beide wollen auf die Wolfsjagd gehen. Wer hätte gedacht, daß ich jemals einen Wolf töten würde! Armer, kleiner Trim!«

Martin sagte, daß es nutzlos sein würde, des erlegten Wildes halber umzukehren, da die Wölfe es ohne Zweifel bereits gefressen hätten. Daher schlossen sie die Palisadenpforte und gingen alle ins Haus.

Emmas Abenteuer bildete an diesem Abend den Gesprächsstoff. Sie selbst war sehr glücklich, eine solche Heldentat vollbracht zu haben.

»Nun«, sagte Martin, »außer Miß Emma kannte ich nur noch ein Frauenzimmer, das einem Wolf standhielt.«

»Und wer war das?« fragte Mrs. Campbell.

»Es war die Frau eines unserer Farmer, Madam; sie war im Wirtschaftsgebäude beschäftigt, als sie einen Wolf in die Tür ihres Hauses laufen sah, wo sich niemand, außer ihrem Kind in der Wiege, befand. Sie stürzte hinein und sah den Wolf im Begriff, das Kind an seinem Kleidchen aus der Wiege zu zerren. Das Tier sah sie mit funkelnden Augen an, doch da es das Maul voll hatte, so fiel es ihm nicht ein, das Kind fallen zu lassen, um sie anzugreifen; es wünschte nichts, als mit seiner Beute abzuziehen. Die Frau besaß Geistesgegenwart genug, um ihres Mannes Büchse herunterzureißen und sie auf den Wolf zu richten. Aus Furcht, ihr Kind zu verletzen, legte sie die Mündung jedoch nicht gegen seinen Kopf, sondern gegen seine Schulter. Sie drückte los, als sich der Wolf gerade davonmachen wollte. Das Tier fiel zur Erde, und da es nicht gleich wieder auf die Füße kommen konnte, ließ es das Kind aus dem Maul fallen und griff die Mutter an. Die Frau fing das Kind auf, erhielt dabei aber einen scharfen Biß in den Arm, wobei ihr der Knochen beim Handgelenk gebrochen wurde. Solch ein Wolf hat wunderbar starke Kinnbacken, Madam. Das Kind jedoch war unversehrt, und als gleich darauf die Nachbarn dazukamen, machten sie dem Wolf den Garaus.

»Welch schreckliche Lage für eine Mutter!« rief Mrs. Campbell.

»Wo geschah denn das?«

»Bei den weißen Bergen, Madam«, versetzte Martin, »dort, wo Malachi Bone geboren ist; von ihm habe ich die Geschichte.«

»Demnach ist er ein Amerikaner?«

»Ja, Madam, er ist Amerikaner, weil er hier geboren ist, aber er selbst nennt sich einen Engländer, weil das Land zur Zeit seiner Geburt zu England gehörte.«

»Ich verstehe«, entgegnete Mrs. Campbell, »er wurde geboren, ehe die Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangten.«

»Ja, Madam, lange vorher; man kann nicht sagen, wie alt er ist. Als ich noch ganz klein war, sah man ihn schon für einen alten Mann an. Auch der Name, den ihm die Indianer gaben, beweist das. Er wurde damals der graue Dachs genannt.«

»Aber glaubt Ihr wirklich, Martin, daß er schon so alt ist?«

»Ich denke, er hat mehr als sechzig Winter gesehen, aber nicht viele darüber. Es ist Tatsache, daß sein Haar schon ergraute, ehe er zwanzig Jahre alt war. Das hat er mir selbst erzählt, und dieser Umstand ist einer der Gründe, weshalb sich die Indianer so vor ihm fürchten. Von ihren Vätern her wissen sie, daß der graue Dachs ein strammer Jäger war, wofür Malachi schon vor vierzig Jahren galt. Nun bilden sie sich ein, weil sein Haar schon damals grau war, müsse er auch zu jener Zeit ein alter Mann gewesen sein, und es scheint ihnen, als lebe er ewig. Sie halten ihn für verzaubert, oder, wie ihre Redensart ist, für einen großen Medizinmann. Ich habe einige Indianer sagen hören, Malachi zähle einhundertundfünfzig Winter, und das glauben sie auch wirklich. Ich habe ihnen darin nie widersprochen, wie Sie sich wohl denken können.«

»Lebt denn der alte Jäger in guten Verhältnissen?«

»Ja, Madam. Seine Frau weiß, was er braucht, und tut, was er ihr sagt. Sie liebt den alten Mann sehr und sieht zu ihm auf. Denn er ist wirklich wie ein Vater gegen sie. Seine Wohnung ist immer voller Fleisch, und er besitzt sehr viele Felle. Branntwein trinkt er nicht, und wenn er Tabak zum Rauchen, sowie Pulver und Kugeln hat – was braucht er dann noch weiter?«

»Glücklich diejenigen, die so wenig Bedürfnisse haben«, bemerkte Mr. Campbell. »In welcher Lebenslage sich ein Mensch auch befindet, sobald er sich zufrieden fühlt, ist er auch glücklich. Laßt uns aus diesem Beispiel Nutzen ziehen und daraus lernen, zufrieden mit dem zu sein, was uns beschieden ist. – Doch nun ist es Zeit, zur Ruhe zu gehen. Der Wind hat sich erhoben, und wir werden eine stürmische Nacht bekommen.«

Als Alfred und Martin den von Emma getöteten Wolf hereinbrachten, war er so steif gefroren, daß sie ihn nicht abziehen konnten. Sie blieben auf, als die übrige Familie sich zur Ruhe begab; nachdem das tote Tier eine Weile vor dem Feuer gelegen hatte, konnten sie die Haut abziehen.

Als die Jäger am folgenden Morgen wieder auszogen, hegten sie den besonderen Wunsch, einen Truthahn zu erlegen, da am nächsten Tage Weihnachten war.

»Wir wollen Nero mitnehmen«, sagte Alfred, »er ist sehr flink und kann die Hühner jagen, denn wir können sie mit unseren Schneeschuhen nicht so schnell erreichen.«

»Ich bin neugierig, ob sie einen Truthahn bekommen«, sagte Emma, als die Jagdgesellschaft fort war.

»Ich glaube, es wird schwer halten«, meinte Mrs. Campbell, »aber ihr möglichstes werden sie schon tun.«

»Das hoffe ich, denn Weihnachten ohne einen Puter wäre sehr wenig englisch.«

Die Jäger kehrten erst spät zurück, und als sie von weitem sichtbar waren, kam Percival, der sie erspäht hatte, hereingelaufen und meldete, daß sie gut beladen seien und ihr Wild auf einer Stange heimbrächten. Mary und Emma eilten ihren Vettern entgegen. Daß Martin und Alfred eine schwere Last trugen, stand fest, worin dieselbe aber bestand, war noch nicht zu unterscheiden. Als die Jäger an der Palisadenpforte anlangten, entdeckte man jedoch, daß es kein Wild, sondern ein menschliches Wesen war, welches sie auf einer Art Tragbahre, die aus Zweigen gemacht worden war, hereinbrachten.

»Was ist das, Alfred?« fragte Mary.

»Warte, bis ich Atem geschöpft habe«, sagte Alfred, als er die Tür erreichte, »oder frage Henry, denn ich bin ganz ermattet.«

Henry ging mit seinen Basen ins Haus und erzählte ihnen, daß sie auf der Truthühnerjagd waren, als Nero plötzlich innehielt und zu bellen begann. Sie folgten dem Hunde und fanden in einem Busch eine arme, halb erfrorene Indianerin, die eine so starke Verrenkung des Knöchelgelenkes hatte, daß der Fuß entsetzlich geschwollen war und sie sich nicht rühren konnte. Martin hatte im Indianerdialekt mit ihr gesprochen, doch war sie so erschöpft von Hunger und Kälte, daß sie ihm nur mit Mühe folgendes erzählen konnte: Sie gehöre zu einer kleinen Indianerbande, die, weit entfernt von ihren für den Winter errichteten Hütten, hier einige Tage gejagt hätte. Dabei sei sie mit der Last, die sie trug, hingefallen und habe ihres verletzten Fußes wegen nicht mit den übrigen weiter gehen können. Da hätten sie ihr die Bürde abgenommen und sie zurückgelassen, damit sie ihnen nachfolge, wenn sie dazu imstande sei.

»Ja«, rief Alfred; »sie gaben das arme Geschöpf dem Hungertod im Schnee preis. Ein Tag noch, und es wäre mit ihr vorbei gewesen. Man muß sich wundern, daß sie die beiden Nächte überlebt hat. Martin sagt übrigens, daß die Indianer eine Frau stets ihrem Schicksal überlassen, wenn ihr ein Unfall zustößt, damit sie entweder auf diese Weise umkommt, oder, wenn sie kann, sich von selbst erholt.«

»Vor allen Dingen wollen wir sie sogleich ins Haus bringen«, sagte Mr. Campbell, »ich will zunächst sehen, ob ihr mein ärztlicher Beistand von Nutzen sein kann, nachher wollen wir ins Auge fassen, was sonst für sie geschehen kann. Wie weit von hier entfernt fandet ihr sie?«

»Etwa acht Meilen«, entgegnete Henry, »und Alfred hat sie beinahe den ganzen Weg getragen. Martin und ich haben uns abgelöst, außer einer kurzen Strecke, wo ich an Alfreds Stelle trat.«

»Wie du siehst, Emma, haben wir nun anstatt eines Truthahnes eine indianische Squaw nach Hause gebracht«, sagte Alfred.

»Ich liebe dich um deiner Gutherzigkeit willen mehr, Alfred«, erwiderte Emma, »als wenn du mir eine ganze Wagenladung Truthähne mitgebracht hättest.«

Martin und Henry trugen inzwischen die arme Indianerin hinein und legten sie in einiger Entfernung vom Feuer auf den Fußboden; denn, da sie vor Kälte beinahe erstarrt war, hätte eine zu plötzliche Einwirkung der Hitze schädliche Folgen für sie gehabt. Mr. Campbell untersuchte den Knöchel und renkte mit ein wenig Hilfe den Fuß ein, worauf er ihn zunächst in warmem Essig badete und dann verband. Mrs. Campbell und die beiden Mädchen rieben die Glieder des armen Geschöpfes so lange, bis der Blutkreislauf wiederhergestellt war, und gaben ihr dann etwas Warmes zu trinken. Mrs. Campbell schlug vor, auf dem Fußboden der Küche ein Bett für sie herzurichten. Dies geschah in einer Ecke in der Nähe des Herdes, und etwa eine Stunde darauf sank die Kranke in einen festen Schlaf.

»Es ist ein Glück für sie, daß sie nicht in diesen Schlaf verfiel, ehe wir sie fanden«, sagte Martin, »sie wäre nie wieder erwacht.«

»Höchstwahrscheinlich nicht«, entgegnete Mr. Campbell. »Habt Ihr eine Ahnung, zu welchem Stamme sie gehört, Martin?«

»Ja, Herr, sie gehört zu den Chippeways. Diese zerfallen aber in viele Abteilungen, doch werde ich, wenn sie erwacht ist, schon erforschen, zu welcher derselben sie gehört. Als wir sie fanden, war sie zu ermattet, um viel sprechen zu können.«

»Es kommt mir sehr unmenschlich vor, daß ihre Gefährten sie auf diese Art dem Tode preisgaben«, bemerkte Mrs. Campbell.

»Ja, Madam, das ist es auch, aber Not kennt kein Gebot. Beim besten Willen hätten sie die Indianer nicht etwa hundert Meilen weit tragen können, denn das hätte wahrscheinlich mehrere Todesfälle veranlaßt. Die Kälte ist jetzt zu groß, um auch nur wenige Stunden des Nachts draußen schlafen zu können. Bisweilen freilich setzen es die Indianer mit Hilfe eines großen Feuers dennoch durch.«

»Selbsterhaltung ist natürlich erstes Naturgesetz«, bemerkte Mr. Campbell. »Doch, wenn ich mich recht erinnere, wird bei den Wilden das Leben einer Frau nicht hoch geschätzt.«

»Das ist Tatsache«, entgegnete Martin, »es gilt nicht viel mehr als ein Lasttier.«

»Das ist bei den wilden Völkerstämmen fast immer der Fall«, bemerkte Mc. Campbell. »Die Behandlung des schwächeren Geschlechtes ist der beste Maßstab für die Zivilisation, und je mehr letztere zunimmt, um so besser wird die Frau geschützt und behandelt. – Aber, euer Abendbrot steht bereit, meine Kinder, nach eurer Ermüdung und dem langen Fasten müßt ihr danach verlangen.«

»Ich bin fast zu müde zum Essen«, bemerkte Alfred, »ich werde von einem guten Schlaf unter meinem Bärenfell unendlich mehr Genuß haben. – Doch gleichwohl will ich versuchen, was ich tun kann«, fuhr er lachend fort, indem er seinen Platz am Tisch einnahm.

Trotz dieser Bemerkung bezwang Alfred ein ganz tüchtiges Abendbrot, und Emma lachte über seinen Appetit, nachdem er erklärt hatte, so wenig Lust zum Essen zu spüren.

»Ich sagte, ich sei zu müde zum Essen, Emma, und in dem Augenblick fühlte ich das auch; aber, sobald ich etwas gestärkt wurde, kehrte mein Appetit zurück«, entgegnete Alfred lachend, »und obgleich du über mich spottest, denke ich noch mehr zu essen.«

»Wie lange ist John abwesend?« fragte Mr. Campbell.

»Beinahe vierzehn Tage«, bemerkte Mrs. Campbell. »Er versprach, am Weihnachtstage herzukommen, und ich hoffe daher, daß wir ihn morgen früh sehen werden.«

»Ja, Madam, ich glaube auch, daß der alte Bone ihn begleiten wird; er sagte etwas davon, als er letztes Mal fortging. Er meinte, der Junge könne das Wildbret nicht tragen, und falls welches vorhanden sei, würde er es vielleicht bringen, da er wisse, daß die Leute am Weihnachtstage gern viel Fleisch hätten.«

Sie gingen bald alle zu Bett. Nur Mr. Campbell blieb noch ein Weilchen auf, um nach der Kranken zu sehen. –

Der Weihnachtstag war wesentlich von ihren ehemaligen Christfesten verschieden. Doch, obwohl der Frost strenger als gewöhnlich war, der Schnee die Luft mit weißen Flocken erfüllte, der Nordostwind durch die kahlen Bäume heulte, der See mit einer dicken Eisschicht bedeckt war, auf welcher der Wind den Schnee stellenweise zu kleinen Hügeln aufgehäuft hatte – immerhin besaßen sie ein schützendes Dach über ihren Häuptern, ein warmes flackerndes Feuer auf dem Herd und kein häusliches Elend. Sie bildeten eine einige Familie, deren Glieder sich gegenseitig liebten, einander mit Freundlichkeit und Nachsicht begegneten und damit bewiesen, wieviel besser ein Gericht Kraut mit Liebe ist, als ein gemästeter Ochse mit Haß. Daher waren alle froh gestimmt, als sie sich am Morgen begrüßten.

Mr. Campbell hatte zuvor seine Patientin besucht und den Verband erneuert. Ihr Knöchel war besser, wenn auch noch sehr geschwollen. Das arme Geschöpf ließ keine Klagen laut werden und schien dankbar zu sein für alles, was man ihm erwies, und für die Freundlichkeit, welche man ihm zeigte. Die ganze Familie hatte sich mit ihren besten Sonntagskleidern geschmückt. Sie sprachen einander ihre Glückwünsche ans, als Malachi Bone, seine kleine Squaw, die Erdbeere, und John in die Haustür traten. Sie waren mit der Ausbeute des Waldes beladen, die sie in der Küche in einer Ecke niederlegten, um dann erst die Familie zu begrüßen.

»Nun sind wir alle am Christfest beisammen«, sagte Emma, die die Hand der Erdbeere ergriffen hatte.

Die Indianerin lächelte und nickte mit dem Kopf.

»Und John, du hast uns drei Truthähne gebracht. Du bist ein guter Junge«, fuhr Emma fort.

»Wenn wir jetzt nur Hauptmann Sinclair hier hätten«, sagte Martin zu Emma und Mary Percival, während letztere ebenfalls der Erdbeere die Hand schüttelte.

Mary errötete ein wenig, und Emma entgegnete: »Ja, Martin, er fehlt uns, denn mir ist es immer so, als gehörte er mit zur Familie.«

»Nun, an ihm liegt's nicht, daß er nicht hier ist«, versetzte Martin, »es sind jetzt über sechs Wochen her, seit er uns zuletzt verließ, und wenn der Oberst es ihm erlaubte, so bin ich überzeugt, daß Hauptmann Sinclair –«

»Heute hier sein würde«, fiel Hauptmann Sinclair ein, der mit Mr. Gwynne, seinem früheren Begleiter, unbemerkt ins Haus gekommen war, da die übrigen im Gespräch mit Malachi Bone und John begriffen waren.

»O wie freue ich mich, Sie zu sehen«, rief Emma, »wir wünschten nur noch Sie herbei, um die Weihnachtsgesellschaft

vollzählig zu haben. Und auch Sie, freue ich mich, zu sehen, Mr. Gwynne«, fuhr Emma fort, während sie den beiden Ankömmlingen die Hand entgegenstreckte.

»Wir hatten unsere Not, den Oberst zu überreden, daß er uns gehen ließ«, bemerkte Hauptmann Sinclair zu Mary gewandt, »aber, da wir lange nichts von den Indianern gehört haben, willigte er ein.«

»In diesem Winter haben Sie von den Indianern nichts mehr zu befürchten, Hauptmann; das lasse ich dem Oberst sagen«, bemerkte Malachi. »Zufällig war ich gestern in ihrem Jagdrevier und sah, daß sie aufgebrochen und weiter westlich gezogen sind; das heißt, die böse Schlange mit ihrer Sippschaft. Ich habe ihre Spur im Schnee einige Meilen weit verfolgt, um ganz sicher zu sein. Sie haben alles mitgenommen; nur weiß ich nicht, wie es zugeht, ich konnte nicht herausfinden, daß die Squaw bei ihnen war, und doch hatten sie eine bei ihrem Trupp. Ich will darauf schwören, sie trugen ihre Fellpakete selbst, denn diese sind mehrmals hingeworfen worden. Das aber konnte nicht geschehen, wenn nicht Männer die Träger waren. Sie müssen nämlich wissen, daß der Indianer sehr ungeduldig unter einer Last ist, die eine Frau ohne Murren den ganzen Tag trägt. – Nun dieser Trupp fortgezogen, ist hier fünfzig Meilen im Umkreis kein anderer zu finden, dafür lasse ich mich köpfen.«

»Ich freue mich, dies von Ihnen zu hören«, entgegnete Hauptmann Sinclair.

»Dann ist vielleicht das arme Weib, dem du geholfen hast, Alfred, die Squaw, die zu der Bande gehörte«, bemerkte Mr. Campbell, der hierauf Malachi Bone erzählte, was sich am gestrigen Tage zugetragen. Dabei deutete er in die Ecke, wo die Kranke lag, die bisher von den Gästen nicht bemerkt worden war.

Malachi und die Erdbeere gingen zu ihr, und letztere redete sie mit leiser Stimme in der Indianersprache an, worauf die Frau ebenso antwortete, während Malachi dabei stand und zuhörte.

»Es ist gerade so, wie Sie dachten, Sir, sie gehört zu der bösen Schlange und sagt mir, daß dieselbe mit ihren Begleitern gen Westen gezogen ist, da die Biber in hiesiger Gegend zu selten seien. Das hätte ich ihr sagen können. Sie bestätigt meine Aussage, daß alle Indianer fortgezogen sind, sich aber im Frühling an demselben Platz treffen werden, um eine Beratung abzuhalten.«

»Gehört sie demselben Stamm an wie die Erdbeere?« fragte Henry.

»Es kann sein«, versetzte Malachi, »ich weiß kaum, zu welchem Stamm die Erdbeere gehört.«

»Beide sprechen aber die gleiche Sprache.«

»Ja, aber die Erdbeere lernte die Sprache von mir«, erwiderte Malachi.

»Von Euch?« fragte Mrs. Campbell. »Wie ging das zu?«

»Nun, Madam, es sind etwa vierzehn Jahre her, da stieß ich auf ein Scharmützel, das bei einem der kleinen Seen zwischen einem der hiesigen Stämme und einer Kriegerbande der Huronen stattfand. Letztere hatten die hiesigen Indianer überfallen, und jede Seele, soweit ich in Erfahrung brachte, war skalpiert oder gefangengenommen worden. Die Huronen waren seit einigen Stunden fort, als ich an den Gefechtsplatz kam; ich setzte mich nieder, betrachtete mir die Leichen und dachte bei mir: was für Geschöpfe sind doch die Menschen, daß sie sich so zurichten. Da sah ich unter einem Gebüsch hervor ein kleines blitzendes Augenpaar auf mich gerichtet und glaubte anfangs, irgendein Tier sei dort verborgen, etwa ein Luchs. Schon zielte ich mit meiner Büchse dorthin, da fiel mir, ehe ich losdrückte, ein, ich könnte mich doch im Irrtum befinden. Ich ging daher aus das Gebüsch zu und entdeckte ein Indianerkind, welches dem Gemetzel dadurch entronnen war, daß es sich hier verborgen hatte. Ich zog es hervor, es war ein etwa zwei Jahre altes Mädchen, das erst wenige Worte sprechen konnte. Ich nahm die Kleine mit in meine Wohnung und habe sie seitdem immer bei mir behalten. Zu welchem Stamme sie gehört, weiß ich nicht genau, da alle dieselbe Sprache reden. Ich nannte sie die Erdbeere, weil ich sie unter einem Gebüsch zwischen Erdbeerpflanzen fand.«

»Und dann heirateten Sie sie?« fragte Percival.

»Heiraten sie, nein, mein Junge, ich habe sie keineswegs geheiratet. Was hat ein alter Mann nahe an die Siebzig mit dem Heiraten zu schaffen? Die Leute nennen sie Squaw, weil sie sich einbilden, daß sie meine Frau ist, und sie erfüllt ihre Pflicht gegen mich, als wäre sie es. Aber wenn man sie meine Tochter nennen würde, so käme man der Wahrheit näher, denn ich bin ihr ein Vater gewesen.«

»Nun, Malachi, um aufrichtig zu sein, ich hielt sie auch für viel zu jung für Eure Frau«, sagte Emma.

»Ja, Miß, damit hatten Sie nicht so unrecht«, entgegnete der alte Mann. »Ich wünschte, ich könnte ihren Stamm herausfinden, aber es ist mir nie gelungen, und nach dem, was ich erfahren konnte, war die Schar der Überfallenen von weither gekommen, obschon sie die gleiche Sprache redeten. Ich glaube nicht, daß jetzt noch Aussicht wäre, den Stamm zu entdecken, selbst wenn ich es versuchte, denn es haben in den letzten zwanzig Jahren so viele Überfälle und Gefechte stattgefunden, daß ein Erfolg meiner Nachforschungen kaum denkbar wäre.«

»Aber warum wünschtet Ihr denn, ihren Stamm herauszufinden?« fragte Mary.

»Weil ich ein alter Mann bin, Miß, und erwarten muß, daß ich bald zu meinen Vätern versammelt werde. Dann wird das arme kleine Mädchen ganz allein stehen, wenn ich es nicht vor meinem Tode an jemand verheiraten kann. Geschieht letzteres, so bleibe ich freilich allein, aber das ist nicht zu ändern; ich bin ein alter Mann, und was hat es da noch zu sagen?«

»Es hat sehr viel zu sagen, Malachi«, erwiderte Mr. Campbell. »Ich wünschte, Ihr könntet bei uns wohnen, dann hättet Ihr die nötige Pflege, wenn Ihr deren bedürft, und Ihr brauchtet nicht allein in der Wildnis zu sterben.«

»Und der Erdbeere soll es nie an Freunden oder einer Heimat fehlen, solange wir ihr eine solche bieten können, Malachi«, sagte Mrs. Campbell.

»Was auch immer mit Euch geschieht, sie soll uns willkommen sein, wenn sie bei uns bleiben will.«

Malachi antwortete nicht; in tiefe Gedanken versunken, stützte er sein Kinn in beide Hände, mit denen er die Büchse vor sich hielt. Mrs. Campbell und die Mädchen mußten sich anschicken, das Mittagessen zu bereiten. John setzte sich zu der Erdbeere und der kranken Indianerin und lauschte ihrem Gespräch, denn er verstand jetzt die Sprache der Chippeways.

Alfred, Sinclair und die anderen Herren unterhielten sich in der Nähe des Feuers, als Mrs. Campbell sie bat, sich in das Wohnzimmer zurückzuziehen, damit sie in ihrer Kochkunst nicht gestört würde. Malachi Bone verharrte in tiefem Nachdenken auf seinem Platze, und Martin, der auch geblieben war, sagte leise zu den Schwestern Percival:

»Ich glaubte wirklich, der alte Mann hätte das junge Mädchen geheiratet. Und ich fand es schade«, fuhr er fort, indem er zu der Erdbeere hinüberblickte, »denn sie ist sehr jung und für eine Indianerin sehr schön.«

»Ich denke«, erwiderte Mary Percival, »man würde sie überall schön finden, Martin, gleichviel, ob sie eine Squaw ist oder nicht. Ihre Gesichtszüge sind sehr angenehm, und dann besitzt sie ein stilles Lächeln, das vollkommen schön ist. Jetzt aber, Martin, rupft diese Truthühner, sonst werden wir sie wohl nicht zu rechter Zeit fertig haben.«

Sobald das Mittagessen auf dem Feuer stand und Martins Obhut überlassen werden konnte, begaben sich Mrs. Campbell und die Schwestern Percival in das Wohnzimmer. Mr. Campbell verlas hierauf den Morgengottesdienst des Weihnachtstages. Der alte Malachi hatte sich auch eingefunden und war höchst aufmerksam. Sobald der Gottesdienst vorüber war, sagte er:

»Das alles ruft mir längst vergangene Tage zurück – Tage, die mir jetzt wie ein Traum vorkommen. Damals war ich noch ein Junge und hatte Vater, Mutter und Geschwister um mich, aber seitdem sind viele Sommer und Winter über meinem Haupt dahingezogen.«

»Ihr seid in Maine geboren, nicht wahr, Malachi?«

»Ja, Madam, halbwegs die weißen Berge hinauf. Er war ein strenger alter Mann, mein Vater, aber er war gerecht. Ich weiß noch, wie heilig der Sonntag in unserer Familie gehalten wurde, wie die Mutter uns alle wusch und uns die besten Kleider anzog, und wie wir dann zur Kirche gingen – ich weiß nicht mehr, wie wir es nannten, doch gleichviel, wir gingen dorthin, um zu beten.«

Nach einer Pause sagte Mary Percival:

»Malachi, erzählt uns doch mehr von Eurem Vater und Eurer Familie.«

»Ich habe wenig zu erzählen, Miß, aber ich denke jetzt, daß es schöne Tage waren, die mir damals lästig erschienen. Mein Vater hatte eine große Farm und wollte uns gern alle bei sich behalten. Im Winter wurde Holz gefällt, doch mich ergriff eine wahre Leidenschaft für das Jägerleben. Mein Vater wollte mich nicht von Hause lassen, ich blieb daher, bis er starb; dann begab ich mich auf die Wanderung. Ich verließ meine Familie, als ich noch nicht zwanzig Jahre alt war, und habe sie nie wieder gesehen. Ich bin Jäger, Trapper, Führer, Soldat und Dolmetscher gewesen, doch während der letzten zwanzig Jahre habe ich mich von großen und kleinen Städten fern gehalten und ausschließlich in den Wäldern gelebt. Je mehr der Mensch für sich lebt, desto mehr liebt er dies, und doch, wenn er ab und zu durch die Umstände an die Tage der Jugend erinnert wird, so erscheint es ihm zweifelhaft, ob es besser ist, allein zu leben oder in Gemeinschaft mit anderen.«

»Ich freue mich, daß Ihr das sagt, Malachi«, erwiderte Mr. Campbell.

»Ich habe damals kaum geglaubt, daß ich es jemals sagen würde, damals, als ich zuerst am anderen Ufer des Flusses jenes Mädchen erblickte«, versetzte der alte Mann, indem er zu Emma hinübersah. »Dann aber neigte sich mein Herz dem Knaben zu, und nun dieses Zusammensein, diese Weihnachtsfeier – das alles hat dazu beigetragen.«

»Aber betet Ihr denn nicht, wenn Ihr allein seid?« fragte Mary.

»Ja, auf meine Art, Miß; aber die ist anders als Ihr Gebet. Die Lippen bewegen sich nicht, obgleich das Herz dabei fühlt. Wenn ich unter einem Baum liege und auf das Wild lauere, und ich hebe ein Blatt auf, um es zu betrachten, und sehe dann, wie seltsam und wunderbar es ist – dann denke ich, daß Gott das geschaffen hat, und daß der Mensch so etwas nicht machen könnte. Wenn ich das junge Gras aufschießen sehe und nicht weiß, wie das zugeht, außer, daß es alle Jahre geschieht, so denke ich an Gott und seine Güte, daß er wilden Tieren Futter gibt. Und ferner erinnert mich die Sonne an Gott, und wenn ich den Mond und die Sterne beobachte, denke ich an ihn. Ich fühle aber oft, daß mir noch etwas fehlt, und daß ich nicht ganz so handle, wie ich sollte. Ich habe nie gewußt, wann Sonntag ist, und ich hätte auch nie geahnt, daß heute Weihnachten ist, wenn ich Ihnen nicht begegnet wäre. Alle Tage sind gleich für den Menschen, der in der Wildnis lebt – aber das sollte nicht sein.«

»Kommt jeden Sonntag zu uns, Malachi«, bat Mrs. Campbell.

»Ich denke, ich will, Madam, wenn ich kann – doch wirklich, ich weiß nicht, warum ich sage, wenn ich kann; es war unrecht von mir.«

»Ich wünsche es nicht nur Euretwegen, sondern auch um Johns willen, daß Ihr jeden Sonntag kommt. Angenommen, Ihr willigt ein, jeden Sonntagmorgen zu uns zu kommen und uns jeden Montag zu verlassen, so habt Ihr die ganze Woche Zeit für Eure Jagd.«

Mr. Campbell brachte bei dieser Gelegenheit drei Flaschen aus seinem bescheidenen Weinvorrat zum Vorschein, den er mehr für den Fall einer Krankheit, als aus einem anderen Grunde hielt, denn sie alle hatten solange ohne Wein oder geistige Getränke gelebt, daß sie sich nicht mehr viel daraus machten.

Ihr Mittag bestand aus eingesalzenem Weißfisch, Wildbraten, gekochtem Pökelfleisch, gebratenem Truthahn und einem Pudding; sie alle waren sehr heiter dabei, obwohl sie sich nicht in Wexton-Hall, sondern in den Wäldern Kanadas befanden.

»Meine Kinder«, sagte Mr. Campbell nach Tisch, »ich trinke auf euer aller Gesundheit und wünsche euch so viel Glück, wie die Welt gewähren kann. Zugleich empfangt meinen herzlichsten Dank und die Versicherung meiner innigsten Liebe. Ihr waret alle stets gut, gehorsam und fröhlich und habt mir manche schwere Last erleichtert. Hätte ich, da es der Vorsehung einmal gefiel, mich in die Wildnis zu senden, das Geschick gehabt, dabei mit eigenwilligen und ungehorsamen Kindern streiten zu müssen, hätte es Murren und Klagen bei unseren Prüfungen, Unzufriedenheit und Streit untereinander gegeben – wie viel trauriger wäre unsere Lage gewesen. Nun habt ihr im Gegenteil durch eure gute Laune und Aufmerksamkeit, euer williges Ertragen der Entbehrungen und euer liebevolles Benehmen gegen mich, die Mutter und euch untereinander uns den Wechsel in unseren Verhältnissen wenig fühlbar gemacht. Nochmals, meine lieben Kinder, empfangt meinen Dank.«

Am folgenden Morgen brachen Malachi Bone, die Erdbeere und John nach ihrer westlich gelegenen Wohnung auf, während Hauptmann Sinclair und seine Begleiter zum Fort zurückkehrten. Die Familie nahm ihre gewohnte Beschäftigung wieder auf. Das Indianerweib war in drei Wochen wiederhergestellt und wollte zu ihrem Stamm zurückkehren. Man gab ihr einige Lebensmittel, und in den letzten Tagen des Januars verabschiedete sie sich.


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