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Meerkönig.

            I.
Die schaumbedeckte Brust vom Meer umrollt
Streckt kühn der starre Fels sich in die Lüfte.
Er steht, ob auch im Sturm die Woge grollt
Und wütend öffnet ihre Schauergrüfte.

Doch wie die Stirne, wetterhart und rauh,
Verklärt ein mildversöhnender Gedanke,
Schmückt das Gestein ein Kirchlein, alt und grau,
Das moos'ge Dach versteckt im Laubgeranke.

Die junge Rose blüht an morscher Wand –
Ein heller Jugendblick aus greisen Brauen,
Das blanke Kreuzlein blitzt im Sonnenbrand,
Am Fenstersims die Schwalben friedlich bauen,

 
II.

Auf weiter See ein frischer Morgen liegt,
In stolzer Pracht dehnt sich die glanzumsprühte,
Bis sie sich schmeichelnd an den Himmel schmiegt,
Als sei ihr fremd, was ihre Tiefe brüte.

Da droben hebt das Glöcklein leise an
Und zitternd klingt sein Ruf hinaus ins Weite –
Ein Brautpaar klimmt den Felsenpfad hinan,
Umringt von schmuckem, stattlichem Geleite.

Frisch blühend sind die Dirnen, das Gesicht
Lacht hold aus Blütenzweig und weh'ndem Bande.
Doch schön wie die Gespielin sind sie nicht
Die Jungfrau dort im bräutlichen Gewande.

Die geht voran und steht im Sonnengold
Schlank wie die Pappel, rosig wie der Morgen,
Den feuchten Blick gesenkt, demütig-hold,
Wie Maienglöcklein, unterm Grün verborgen.

Nun naht sie tiefbewegt dem Gotteshaus,
Der Priester harrt, schon brennen hell die Kerzen –
Da bebt ein wilder Schrei weit, weit hinaus,
Ein tiefer Wehruf voller Qual und Schmerzen!

Die Braut erblaßt und starrt hinab ins Meer,
Dann flieht sie zu den andern, angstbeklommen –
Doch die stehn froh und heiter um sie her
Und plaudern fort, als ob sie nichts vernommen.

Und still ist's wieder. Nur des Glöckleins Klang
Erschallt. Eintönig schwankt am Fels die Welle.
Die Maid seufzt tief und schreitet still und bang
An des Geliebten Hand in die Kapelle.

 
III.

»Mir graut! O drängt mich nicht aufs Meer hinaus!
So fürcht ich nicht des Feuers jähe Gluten,
Nicht so des fessellosen Sturms Gebraus,
Wie diese trügerischen Wasserfluten!«

So fleht erblaßten Angesichts die Braut...
Zur Lustfahrt harren Kähne, froh zum Feste
Geschmückt mit bunten Wimpeln, schlank gebaut
Am Strande stehn die muntern Hochzeitsgäste.

Sie lachen. Ei, wie sich das Mägdlein ziert!
Des kühnen Schiffers Braut, sie spricht von Grausen?
Man wird ja sehn, ob sich die Angst verliert,
Hinaus mit ihr, wo frisch die Wellen brausen!'

»Nein, nein, es ist umsonst, ich kann nicht gehn!«
»Wir lösen dich, hängst du zu fest am Lande!«
»Laßt mich!... o Gott!... so hört, was mir geschehn:
Des Bräut'gams harrt ich einsam jüngst am Strande,

Da plötzlich rauscht und gärt es mit Gewalt
Im Meeresgrund. Empor zischt eine Welle,
Trägt auf dem Gipfel eines Manns Gestalt,
Umleuchtet, wie von blasser Mondeshelle.

Im dunklen Bart ein totenbleich Gesicht,
Bläuliche Perlen rieseln aus den Locken,
Die Stirn ist schilfumkränzt, Korallenlicht
Dazwischen, das Gewand wie Silberflocken.

Er lächelt. So zuckt fahler Wetterschein
Hin übers öde Feld. Die Augen stieren
Voll Glut verlangend nach mir hin, zu Stein
Will mir das tieferschrock'ne Herz gefrieren.

Und leise, wie ein Bach durch Waldesnacht,
So rieselt Flüstern von den bleichen Lippen,
Ich wank' zurück, da schwillt der Stimme Macht,
Als schäumt ein wilder Strom durch rauhe Klippen.

Entsetzlich! Rasend brauset er heran,
Mich an die grauenvolle Brust zu ziehen...
Da löst die Todesangst den starren Bann,
Der mich umschnürt, ich wende mich zum Fliehen...«

»... Und kamst davon! Das ist das End' vom Lied,
Ha, ha, mein Kind, dein Märchen ist gelungen!
Doch glaubt man's nicht! In unser Meergebiet
Sind solche Ungeheuer nie gedrungen!«

»Drum komm, du Träumerin«, der Vater spricht,
»Den bösen Geist vertreiben munt're Lieder!«
»Und hörtet ihr den heut'gen Mahnruf nicht?
Die Stimme war's, auch ihn, ihn sah ich wieder!

Mit Blitzesschnelle taucht er aus der Flut,
Dort, wo am Riff die Wasser wild zerschellen,
Er sah nach mir und schrie voll Schmerz und Wut
Und sank dann wie verzweifelt in die Wellen!«

»Nun ist's genug! Des wilden Vogels Schrei
Will mich die junge Magd wohl kennen lehren?
Nun fort ins Boot! Herr Bräutigam, herbei!
Tragt sie hinab, dann wird sie sich nicht wehren!«

Und wie der kecke Wind den Rosenstrauch,
Umschlingt der Jüngling seine schöne Beute:
»Der See sein Glück vertraun, ist Schiffers Brauch,
Sie rauscht dafür uns frisch das Brautgeläute!

Drum komm! Die See, mein herrlich Vaterland,
Soll dich, du meine schönste Perle, sehen!
Dein Schaumgespenst laß ruhn im Meeressand!« –
Die Boote stoßen ab, die Flaggen wehen!

 
IV.

Noch fliegt das Schifflein durch die Meeresflut,
Das stolz das Brautpaar trägt auf seinem Rücken,
Indes die andern längst schon wohlgemut
Gelandet sind und sich zum Tanze schmücken.

Der Schiffer spricht von künft'ger, schöner Zeit
Sein Lieb hört lächelnd zu, vergißt das Bangen;
So sehen beide nicht, daß nah und weit
Am Himmel schwarze Wolken drohend hangen.

Und dunkler ward's. Ein Windstoß pfeift heran,
Der Vögel Schwärme ängstlich landwärts ziehen,
Der Fischer fährt empor, – lenkt heim den Kahn –
Zu spät zu spät! Er kann nicht mehr entfliehen.

Denn wie die Geierschar in wilder Gier
Auf ihren Raub, so stürzt auf Riesenschwingen
Herbei die Wolkenmasse, hinter ihr
Des Sturmwinds Jagd mit Toben, Pfeifen, Singen!

Und höher noch erbraust's! Die See stimmt an
Gewaltige, uralte Schlachtenlieder.
In diesen Klängen, stürmend himmelan
Hallt eines mächtigen Gottes Zürnen wieder.

Der Donner rollt! Aus dunkler Wolkenschicht
Zischt Blitz auf Blitz, ins Meer ohnmächtig gleitend.
Das Schifflein saust... Doch Rettung wird ihm nicht
Dort sitzt der bleiche Tod, das Ruder leitend!

Bald hält's die Woge hoch an kalter Brust,
Dann fängt's der Abgrund, grell zum Tag gelichtet;
So spielt ein grimmig Tier in grauser Lust
Mit seiner Beute, eh' es sie vernichtet.

Der Jüngling hält im Arm die bleiche Braut,
Ihr aufgelöstes Haar im Sturme sauset,
Vergebens ringt ihr Mund nach einem Laut,
Sie starrt so wahnsinnswild, daß es ihm grauset.

Horch! Wilder Jubel tief im Meeresschoß!
Das sind der Wassergeister Sieggesänge,
Doch übertönen Sang und Sturmgetos
Gewaltig einer Stimme mächt'ge Klänge.

»Du schöne Braut, Meerkönig harret dein!
Geschmückt sind meines Schlosses kühle Hallen,
Sag' Lebewohl dem gold'nen Sonnenschein,
Mein bist du, süße Maid, bist mir verfallen!«

Das Boot schlägt um... Den Jüngling treibt's zu Land,
Er lebt... Doch gibt das Meer sein Lieb nicht wieder;
Nur Wellenschaum fliegt zischend an den Strand,
Wirft ihm den Ring zu seinen Füßen nieder.


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