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Des Henkers Tochter.

            Im Tal wogt Morgennebeldampf,
Der Wald erdröhnt von Roßgestampf.

Aufkreischend fliegt der Vögel Schwarm
Vor Hörnerschall und Jagdalarm.

Laut keuchend über Wiesen setzt
Der stolze Hirsch, zu Tod gehetzt.

Und toller rast das Jagdgetos,
Als wär der Spuk der Hölle los.

Da – aus Gestrüpp und Dickicht tritt
Ein Mägdlein, scheu, mit zagem Schritt.

Ein Kind, so zart und wunderhold,
Mit süßem Blick, mit Lockengold,

Ein Friedensbild in heißer Schlacht
Ein Stern in stürm'scher Wetternacht. –

Rings prasselt's durch Gebüsch und Dorn
Und weithin schmettert gell das Horn.

Her braust der wilde Jägertroß,
Voraus der Graf auf mächt'gem Roß...

Er hält – es schweigt die tolle Jagd...
Doch scheu entflieht die schöne Magd.

»Wie, Rosenpracht im Waldrevier?
Blüht solche süße Blume hier?«

Er springt vom Roß und hält geschwind
Im Arm das tieferschrock'ne Kind.

Und wie er an es schaut entzückt,
Da naht ein Alter, tiefgebückt.

Und stammelt bebend auf den Knien:
»Herr, laßt mein Kind des Weges ziehn!«

»Der Henker...! wie, – des Henkers Brut
Hat an der Brust des Herrn geruht!«

So tobt der Troß... der Graf erblaßt,
Stößt fort die Magd in feiger Hast...

»Die schnöde Schmach sühnt nur ihr Blut!«
So ruft ein roher Knecht voll Wut.

Und schnellt den Pfeil in grauser Lust
Dem Mädchen in die weiße Brust...

Ein geller Schrei – fort jagt der Troß,
Voran der Graf auf mächt'gem Roß...

Und als das Roßgestampf verhallt,
Da wird es still im tiefen Wald. –

Nur schwaches Todesröcheln tönt
Und Vaterfluch zum Himmel stöhnt...

Zur Sonne steigt der Fluch empor...
Die strahlt und lächelt, wie zuvor.

Die Blumen blühen lustig fort
Am blutgedüngten, grausen Ort.

Frei zieht der Mörder; seinen Knecht
Beschützt des Herren Macht und Recht...

»So stirb, mein Kind! Dein Tod entsühnt,
Daß du zu leben dich erkühnt!«


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