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Siebtes Kapitel

Als Marie zurückkehrte, litt sie nicht mehr. Sie hatte in jenem Hause nochmals eine vollständige Beichte abgelegt und war nun losgesprochen. Hinter ihr lag mit seiner Sündenpracht ein abgefertigter Lebensabschnitt, sie hatte nicht darauf zurückzukommen. Es gab nichts mehr zu bereuen aus jenen Zeiten. Auch die Wünsche von damals waren dort zurückgelassen. Sie waren es wirklich, Marie litt an ihnen nicht mehr, sie hoffte sogar – hoffte auf ihre höhere Erfüllung für später, wenn Gott selbst die Mutter mit ihrem Kinde vereinigt und ihr erlaubt, seine Mutter zu sein.

Sie litt nicht mehr, nur fürchtete sie sich, wie Genesene vor Rückfällen. Das Sakrament der Buße kann dich retten. Es kann dich aber auch der Verzweiflung näherbringen. Wie, wenn deine Natur ihm dennoch nicht gewachsen war? Nach Rückfällen stände es mit dir schlimmer als vorher, zur Zeit der Unwissenheit. Vor allem sei streng gegen neue Selbsttäuschungen! Wärest du von neuem wieder bereit, dir deine verbrecherischste Verirrung als heilig vorzuspiegeln? Bleibe klar, bleibe rein! Nur immer darauf bedacht, daß die Wohltat des empfangenen Sakramentes in dir fortwirke – in deiner armen, vom Leben schwankenden Natur, was schwer, ja, fast unmöglich ist. Aber du mußt Mut behalten. Der Kaplan von Sankt Hedwig glaubte nicht sehr fest an die Gnade, aber er forderte Willen.

Sicherer wäre gewesen, den Versuchungen keine Gelegenheit zu geben, dem Versucher nicht unter die Augen zu treten. Ihr zweiter Beichtvater war andrer Meinung. Er verlangte im Gegenteil, daß sie kein Ärgernis gebe, sondern zur Hochzeit ihres Sohnes gehe. Vergebens bat sie um Erlassung der Pflicht. Sie gehorchte, fuhr nach Heringsdorf, sie bezog ihr Zimmer in der Villa, die sie erwartete.

Zum Glück blieb er noch aus. Der Hochzeitstag sollte Sonntag sein, sie kam schon Mitte der Woche. Die Generalin sagte, nachdem sie beim Anblick Maries zuerst gestutzt hatte: »Der Präsident läßt Valentin nicht vor Sonnabend her. Valentin ist ihm unentbehrlich geworden. Wissen Sie, daß er jetzt beim Präsidenten Privatsekretär ist? Sie sehen übrigens glänzend erholt aus, meine Liebe.«

Da sie über ihre Herkunft schwieg, ward der Form wegen angenommen, daß sie irgendeine Kur gebraucht habe. Alle kamen mit, sie durch das Haus zu führen. Es hatte kahle Zimmer, die Möbel, noch siebziger Jahre, waren aus Mahagoni und Plüsch, aber in einem schräge geneigten Spiegel stieg eine dunstblaue Fläche auf und nieder, die See.

Als ihr Zimmer geöffnet wurde und der Seewind hindurchfuhr, sagte der General: »Baronin, ich bitte gehorsamst, Sie bei Ihrem Eintritt mit den Rosen des Gartens begrüßen zu dürfen«, und auch der Professor zog hinter dem Rücken seinen Strauß hervor. Die Generalin bemerkte: »Ihr Zimmer ist noch das beste. Gerümpel steht überall, und wenn Sie den sonderbaren Duft gerochen hätten, der darin war. Wir werden umbauen und neu einrichten, Valentin macht jetzt Karriere.«

»Ich wünsche es sehnlichst«, sagte Marie. Die junge Prinzessin, die sie nur immer betrachtet hatte – länger als je und als hätte sie Marie so nicht gekannt, küßte plötzlich ihre Hand. Hierauf sagte Marie, wie dankbar sie sei für dieses schöne Zimmer, gewiß wirklich das schönste, für die Rosen, den Balkon zur See hinaus.

»Er liegt über der Terrasse, wo wir Sie erwarten«, sagte der General, man verließ sie. Marie küßte die Generalin.

Sie blieb vor dem Fenster stehn, erleichtert, weil sie schweigen durfte. Sie hätte sogar lieber vermieden, umherzugehn, Schritte, die drunten vielleicht hörbar wurden. Auch wollte sie niemandem ihren veränderten Anblick vorhalten. Könnte doch alles, was hier geschehn sollte, wenigstens nur vor ihrer Larve geschehn, nicht aber vor ihrer Seele! Hier trieben sie es weiter, als gäbe es jene Welt nicht, aus der sie selbst zurückkam, die an ihr selbst noch haftete. Dafür freilich hatten sie nichts getan, was von der Ewigkeit her sie bedroht hätte. Auch die Generalin, was sonst über sie zu sagen wäre, von der Ewigkeit her war sie nicht bedroht. Als Marie dies bedachte, hatte sie sich gedemütigt und die Generalin geküßt.

Drunten fragte der General: »Wie findest du sie?« Da seine Frau die Achseln zuckte, erklärte er selbst: »Erschreckend verändert – wenn auch doch wieder vorteilhaft.«

»Warum sollte sie nicht schlank werden, sie hatte es nötig.« Die Generalin verbesserte sich. »Nun ist sie gleich stockmager, sieht geradezu gewachsen aus – und den Augen wünsche ich für täglich nicht zu begegnen«, schloß sie ungeduldig.

»Sie muß etwas erlebt haben.«

»Wir erleben selbst genug«, sagte sie.

»Immerhin«, sagte der General. Er fand mehr als nur die Spur von unser aller Leben in dem Gesicht der Veränderten. Es war schmaler geworden, auch weicher, auch mürber, ja, die Augen lagen eingesenkt in braune Schatten. Vor allem verbreitete die am Mund nun schon gefaltete Haut den Eindruck von Stille, dies war merkwürdig. Menschen werden doch höchstens unruhiger? Was einem zum Schluß bevorsteht, davon ist nicht viel Rühmen zu machen. Wer wird zuletzt noch wie ein Kind erweiterte Augen bekommen, die staunen, drängen und die auch andre auf fernliegende Gedanken bringen … Der General hatte einen ziemlich heftigen Gallensteinanfall kurz hinter sich, er fürchtete sich, zu essen, er hungerte lieber, das stimmte ihn empfänglich.

»Mir gefällt ihre Farbe nicht«, sagte die Generalin. »Überhaupt geht alles viel zu schnell bei ihr, es muß einen inneren Grund haben. Ich würde mich nicht wundern, wenn es Karzinom wäre.«

Der General hatte eine Ahnung, als habe noch eher seine Frau als ein Krebsgeschwür an jenen Veränderungen mitgewirkt. Er war mit ihr weniger einverstanden als je, desto höflicher nahm er Abschied, um mit dem Professor Schach zu spielen. Die Prinzessin ging baden.

Marie sah sie von oben. Die Haut des jungen Mädchens war blond gebräunt, viel Haut, das helle Kleid bedeckte nicht mehr als ein Schurz. Im Garten in der Sonne legte sie beide Hände auf den geschorenen Nacken und drehte sich um sich selbst, das erstemal langsam, dann schneller. Das angeklebte kurze Haar flog auf, es stand waagrecht hell um den Kopf. Das bunte Gesicht verschwamm, die langen Beine, die spitzen Arme wurden ganz Bewegung, nur noch ein Rad weißen Körpers schwang … Plötzlich stand es, das junge Mädchen sprang, von der Anstrengung nur munterer, hinab auf den Strand. Vor dem Haus über den Fußweg, schon watete sie im Sand. Auf halbem Weg zum Wasser verschwand sie in dem Badekarren.

Der Strand war leer, vielleicht, weil viele seit dem Mittagessen noch schliefen, denn jedes Stück Sand und Meer wartete geduldig auf die Bewohner der Villa, die davor hingestellt war. Dies war die Villenreihe gegen Ahlbeck, bevor der Wald beginnt. Das Haus lag tief im Garten, Rosengebüsch unter seiner grauen Terrasse. Der Strand von oben gesehen erschien silbrig, er verdunkelte sich nach dem Wasser, das weißblau ruhte. Der Himmel stieg daraus auf wie durchleuchteter Nebel, nicht anders, als Möwen daraus aufstiegen. Es roch nach Weite, man glaubte sich allein.

Marie prüfte ihr Herz. Sie wartete, daß das junge Mädchen den Badekarren verlasse, damit sie genauer erfahre, was sie zu fühlen nahe war. Drohte ihr, Haß zu fühlen? Diese junge Prinzessin hatte sich hier wie ein Rad gedreht in der Sonne – die ganze Zeit, während Marie im Bußhause auf ihren Knien lag. Jenes Haus hatte Vortragssaal und Kapelle, von früh bis abends pilgerte man dazwischen hin und her. Kein Knicksen war erlaubt, es hieß, das Knie bis auf den Boden beugen. Es hieß arbeiten, in Betrachtungen verarbeiten, was dir gepredigt worden war, ja, deiner Sünden klar bewußt jede Stunde des Tages, noch als letztes vor dem Schlafen um die Gnade eines seligen Todes beten.

Alles in Gemeinschaft, aber stumm. Sie aßen um denselben Tisch, vernahmen die gleichen Mahnungen über den Zweck des Menschen, über den Tod – nur kein Wort war erlaubt zueinander. Namenlos und ohne Sprache vergehst du mit deiner armen Seele in der Schar, die herzlich und derb hier geweidet wird. Lerne Abhängigkeit, erkenne die Armut wieder, sorgengraue Gesichter, das grobe Essen, die getünchte Wand. Sei streng mit dir allein und doch wie alle Welt … Sie hatte sich empört, da war von den andern für ihre Unterwerfung gebetet worden. Das machte, daß auch sie mitbetete für sich. Nun ward sie ergeben, sogar Begeisterung kam. Aber endlich kam Liebe.

O getünchtes Zimmerchen, Fleck auf Erden, der noch mein ist, harter Boden, diese Knie drückst du. Ich habe über mir als einzigen Herrn das Kreuz, das blutrote Bild meiner Sünden. Der Gekreuzigte ruft mir zu: Sieh hier dein Werk! Ich schwöre ihm: keine Todsünde mehr in meinem Leben! – und ich liebe, mit meinen Augen, die in keine andern mehr blicken sollen, seinen verlöschenden nachzusehn. Ich fühle Gedanken, die seine und mir nur hier erlaubt sind. Dies Zimmer nimmt sie auf und verwahrt sie, es ist endlich durchtränkt, wie nie ein andres war, von den Arbeiten meines Gemütes. Nun ich es verlassen muß, fürchte ich, obwohl von meinen Sünden losgesprochen, zu viel von mir hier zu verlassen. Noch sehe ich um: hilf mir, zu bleiben, was ich hier war! …

Da traf Marie auf der blauen Fläche, die weithin vor ihr ruhte, einen helleren Punkt. Sie hatte noch Augen wie als Kind, sonst hätte sie nicht erkennen können: die Prinzessin – der helle Punkt dort hinten ist alles, worauf es jetzt ankommt, das große Ereignis. Sie hielt den Atem an, sie lauschte. Auf einmal war es entschieden, ganz einfach und still: sie liebte jenen hellen Punkt, liebte die junge, törichte Adele als ihr Kind, wie Valentin. Auch seinetwegen, erkannte sie, war nichts zu fürchten. Sie gönnte ihm Adele und seine Jugend. Dies war geordnet, sie konnte getrost hinuntergehn.

 

Drunten hatte der Professor seinen Freund schachmatt gesetzt. Er war guter Dinge, indes der General bedachte, daß hauptsächlich seelische Erregungen seine schrecklichen Anfälle auslösten und daß im Hause Stoff dazu sei.

Der Professor sagte: »Wie sich das trifft! Jetzt heiratet meine Prinzessin, dann trete ich mein neues Lehramt an. Es hätte vom Schicksal doch auch weniger gut abgepaßt werden können.«

»Sie sind der geborene Glückspilz, lieber Freund«, sagte der General aus Höflichkeit, denn die Unbefangenheit des Glücklichen fing an, ihm lästig zu fallen. »Eine Professur an einer so bedeutenden Hochschule!«

»Man beruft mich«, erklärte der Professor. »Es ist wahr, man holt mich. Freilich hat man sich Zeit gelassen. Wenn man sich jetzt auf meine historischen Untersuchungen stützt, ist leider zu sagen, daß sie schon alt sind. Inzwischen hatte ich andre Sorgen.« Seine Heiterkeit bedeckte sich, sein Freund fand sie derart viel angenehmer.

»Ich mußte leben«, sagte der Professor, »denn die Prinzessin mußte leben. Da habe ich unverantwortliche Dinge getan. Vielmehr, unverantwortlich wären meine verfilmten Geschichtsfälschungen nur, wenn nicht die ganze zeitgenössische Gesellschaft sie verantwortete. Den herrschenden Interessen sind sie nützlich, daher meine Erfolge. Wer sollte Erfolge heute noch bezahlen außer den herrschenden Interessen, und sie bezahlen nur geleistete Dienste. Das ist nicht rühmlich für mich, gegen den Strom schwimmen verlangt mehr Kraft. Auch die Universität beruft mich im Grunde für meine Filme, es ist nicht rühmlich. Aber, lieber Freund, jedes Glück hat sein Gesicht. Man muß es zu empfangen wissen.«

Wehmut, viel Wehmut bei tiefinnerer Heiterkeit, sein Freund faßte um so mehr Vertrauen, er beschloß, ihm von den beunruhigenden Zeichen der eigenen Krankheit zu sprechen. Er nahm seinen Arm. Die Freunde wandelten auf der Terrasse.

Die Generalin inzwischen irrte durch das Haus. Sie war einmal sogar an der Tür der Fremden, ob sie noch nicht herauskäme. Gleich daraufkam sie wirklich, die Generalin konnte grade noch verschwinden. Sie ließ die andre die Treppe hinuntergehn, sie wartete droben – aus Unentschlossenheit, aus ratloser Erbitterung über ihr Geschick.

Sie hatte ihre Träume nicht wahr gemacht. Valentin war noch immer nicht reich, die Prinzessin hatte keine Mitgift, weder vom Präsidenten noch von Baronin Hartmann. Die Achtung der Generalin vor Baronin Hartmann war gestiegen, sie hielt sie für die Geschicktere. Bei dem Präsidenten kannte sie Druckmittel, kein Zweifel, es waren unwiderstehliche. Nur der Mut, sie anzuwenden! Man war nicht umsonst ein Leben lang die geschmackvolle Dame. Dennoch drängte die Tat, in drei Tagen wird nur noch schwer etwas zu ändern sein.

Die Generalin legte keinen Wert darauf, daß ihr vermögensloser Sohn die arme Prinzessin heirate. Offen dagegen aufzutreten hätte ein falsches Licht geworfen auf eine Frau wie sie. Was aber blieb einer Baronin Hartmann viel zu verlieren. Der Generalin hatte sie Enttäuschungen genug bereitet, mochte sie ihr in diesem äußersten Fall doch helfen. Die Generalin entschloß sich. Glänzenden Auges betrat sie den Salon.

»Allein, Baronin? Die Prinzessin badet noch immer? Sie ist im Wasser nicht mehr zu sehn. Wird auf der Promenade sein. Finden Sie nicht auch, daß sie kokett wird? Das arme Ding, ein Verehrer wie der Präsident könnte jede auf falsche Gedanken bringen.«

Baronin Hartmann war erschrocken, der Generalin entging es nicht. »Ganz recht«, sagte sie, »es ist schrecklich, der Präsident hört nicht auf, der Prinzessin nachzustellen. Seinen letzten Heiratsantrag wird er ihr noch in der Kirche machen, bevor sie mit Valentin zum Altar tritt – und reden wir nicht von dem, was der jungen Ehe dann sicherlich droht vom Präsidenten.«

Marie sagte: »Droht ihr denn mehr als andern Ehen? Der Präsident ist alt, er wird es endlich einsehn. Die beiden Kinder aber lieben sich.«

»Wenn es so einfach wäre«, sagte die Generalin höflich bedauernd. »Tatsache ist, daß bei Valentin das Ganze nur mit Mitleid begann. Ich stelle dahin, ob Mitleid so weit gehn muß, daß man heiratet. Eines Tages wird er bemerken, daß niemand ihm dankt. Mit Recht«, ergänzte sie schnell. »Man kettet an sich keine Prinzessin, die man nicht standesgemäß ernähren kann.«

»Ich erkenne Sie nicht wieder«, sagte Marie.

Die Generalin errötete – sie dachte: »Wie ein junges Mädchen! Wann werde ich es lernen, mich mit den Leuten auf die gleiche Stufe zu begeben.«

»Machen wir uns nichts vor«, sagte sie ohne Höflichkeit. »Wir wissen, daß Valentin von keiner Seite –« Blick und Ton kennzeichneten die Seite, »wirklich entscheidende Hilfe zu erwarten hat. Im Gegenteil, infolge Gefälligkeiten, die ihm aufgedrängt wurden und denen er nicht entschieden genug widerstanden hat, befindet er sich heute in den Händen eines Geldmannes – der Mann steht nicht im Ruf, irgend jemand so bald fortzulassen.«

»Ich werde dafür sorgen. Ich spreche im Interesse Valentins mit Herrn Kappus wie auch mit dem Präsidenten.« Marie blieb vollkommen ruhig. Die Generalin fand sie farblos, trotz aller Geschicklichkeit mußte die Hartmann sich geschwächt haben an ihrem Abenteuer mit Valentin.

»Alte Leute sollten vorsichtiger sein«, äußerte sie. »Aber mit dem Präsidenten ist nicht zu reden, sprechen Sie lieber mit Valentin!«

»Damit er Prinzessin Adele nicht heiratet? Nein.« Die Silbe und ihr Ton brachten der Generalin die entschwindende Achtung wieder bei. Jetzt war sie im Bilde: die Hartmann verheiratete Valentin, damit er ihr um so sicherer erhalten bleibe. Seine Ehe mit der einfältigen Prinzessin sollte von ihr beherrscht werden. Sie war klüger als der Präsident, der nicht warten konnte.

Die Generalin murmelte: »Alles wäre noch gut und schön, wenn die Prinzessin nicht ihre Hintergründe hätte. Wir dürfen nicht glauben, daß wir sie kennen.«

Da sie die Gegnerin beunruhigt sah, spannte sie ihre Nerven noch lange. »Unbekannte Hintergründe hat wohl jeder, wenn ich für meine Person auch seit erst kurzem bei jedem ohne Ausnahme darauf gefaßt bin. Meine heutige Lage, glauben Sie mir, lehrt mich die Menschen kennen. Das Gute haben die Ereignisse.« Hierüber verbreitete sie sich.

Marie wollte endlich wissen: »Was tut die Prinzessin? Wovon sprechen Sie?«

Aber grade dies beabsichtigte die Generalin nicht preiszugeben, auch nicht, soweit sie es selbst wußte – was nicht viel war. Die Prinzessin hütete irgendein beschämendes Geheimnis, Valentin half ihr; dies aber erbitterte die Generalin am meisten. Sie mußte zurückstehn hinter der, die sie weder geistig noch sittlich für voll nahm. Die hielt sie zum besten, der kam sie nicht auf die Schliche. Es hätte genügt, Abneigung zu nähren bei der Generalin sogar gegen eine reiche Prinzessin. Angesichts der armen war sie nicht weit vom Haß.

Sie glaubte freilich, sie hasse nur die Hartmann. Um ihr zu schaden, sprach die Generalin – sprach unermüdlich, ward im Genuß des Sprechens sogar wieder höflich, erlesen höflich mit verstecktem Sinn in den Worten, freien Gesten und mit ihrem glänzenden Blick.

Dies sah der General. Seine Frau entfaltete sich allzu prächtig, die andre hielt zu still. Dem General ward nicht geheuer, er verließ seinen Freund und kam näher. Was die Generalin jetzt sprach, war belanglos, ihre Gehobenheit wäre unbegreiflich gewesen. Dafür hatte die andre dies gealterte Leidensgesicht … Der General wollte keinesfalls sich einmischen, vielmehr kam er, um Peinlichkeiten kurz aufzuhalten. Nur konnte er nicht hindern, daß er jetzt häufig Masken sah anstatt gewohnter Gesichter. Die zunehmende Krankheit machte ihn auch mißtrauisch, er hätte es nie gedacht.

Er hatte angefangen, etwas zu vermuten, hinter den Menschen – nicht heimliche Schwächen, er dachte an Schicksale. Sonst hatte er die Rolle für das Wesen gehalten. Jetzt fand er in seiner eigenen Frau die Umrisse einer neuen Figur, das war das erste, es machte stutzig. Seine Frau tat Dinge, die gegen das Übereinkommen waren. Wie wäre sie erschrocken, hätte sie sich sehen können! Sie hatte an der Dame, die ihr gegenübersaß, ein Opfer, dies sprang in die Augen. Die Generalin ward ihrem Gatten merkwürdig wie noch nie. Es blieb nicht bei dem Eindruck des unheimlich Fremden, er bedauerte erschrocken dies Wesen, das sich abarbeitete. Er stand, den Kopf auf die rechte Schulter geneigt.

»Wenn wir unsern Spaziergang machten?« schlug er vor, erhielt aber nichts als einen scharfen Blick, indes der angeregte Redestrom nicht abbrach. Aber auch die andre Dame zeigte keine Neigung aufzustehn. Sie schien doch das Opfer? Was mußte sie hier erlebt haben, daß sie nicht wegfand! Auch sie wartete sichtlich nur, bis der Unberufene sich zurückzog, dann sprachen beide gewiß sogleich wieder von dem, was sie verband … Der General zog sich zurück.

Er setzte sich wieder an den Spieltisch, unter der Tür zur Terrasse. Den Tisch durchschnitt der Türrahmen, drinnen konnten sie glauben, ihm gegenüber sitze sein Freund. Niemand saß da, der Professor war der Prinzessin nachgegangen. Der General stellte die Schachfiguren auf, er begann für zwei zu spielen. Während er an Züge dachte, die schwierig wurden, erschienen ihm hinter den Zügen verwirrte Schicksale. »Warum sitze ich hier allein? Drinnen warten auf Valentin zwei Frauen, die eine kannte ich, jetzt sind mir beide fremd. Ich warte auf niemand, auf mich wartet niemand.«

Er verwies sich die unpassende Gefühlsregung, er dachte scharf an den Zug seines Gegners.

Plötzlich bemerkte er ein Unbehagen, sah halb um und stellte fest, drinnen sei eine Wendung eingetreten. Übergang der Macht von der einen auf die andere Seite. Jetzt saß seine Frau gebrochen da, sie stierte fast wie eine Greisin – indes die andere ihr offenbar vorhielt, was sie tue, was aus ihr werde … Der General zuckte die Achseln, er besann den Zug des Gegners, ein seltener Einfall kam ihm. Er freute sich für den Gegner. Zugleich fragte er, heimlich doch betroffen: »Ist das nun eine Tragödie?« Er meinte die drinnen.

Das Unbehagen kehrte wieder, verstärkt sogar. Ein Schauer sagte ihm endlich, daß sie nicht nur drinnen Dunkles erlebten. »Ich habe keinen Sohn. Wie habe ich meinen Sohn verloren? Eines Tages kommt eine Fremde …« Er tat seinen eigenen Zug, der aber weniger geistreich ausfiel als der des Gegners.

»Jetzt bin ich krank. Ich hätte mir doch gewünscht, neben meinem Stuhl – Der Übergang wäre leichter.«

»Immer Abschweifung zu Gefühlen«, sagte ein andrer, wahrscheinlich sein Gegner, der so gut spielte. »Wenn die Fremde ihn fortgeholt hat, so konnte sie es, weil du deinen Sohn nicht hieltest. Du warst bequem, bist es übrigens auch jetzt. Um nicht in die Tiefe gehn zu müssen, redest du dich auf deinen baldigen Hintritt aus.«

»Was sollte ich tun?« fragte General Vogel von Lambart.

»Die Verantwortung übernehmen für dein Kind. Sie hat es getan.«

»Dafür sieht sie jetzt schön aus.«

»Und du? Sie weiß doch wenigstens, warum sie sich verbraucht hat – unter deinen Augen, im Haus bei dir! Eine Frau trifft ein aus der Welt, nie war sie gesehn worden. Jetzt aber hat sie aus deinem Sohn den ihren und einen Mann gemacht.«

»Er ist nicht wiederzuerkennen«, gab der General zu. »Ich möchte ihm die Hand drücken, aber mir wäre nicht wohl dabei.«

»Natürlich. Aber ihr war immer ganz wohl, meinst du.«

»Woher hat sie die Kraft? Was gibt es da Geheimes? Was für ein Gesicht zeigt sie jetzt? Wer hat ihr geraten, nicht abzulassen, durch alles hindurchzugehn, nur nicht abzulassen?«

Auf diese Fragen des Generals kam keine Antwort. Er beugte sich über das Brett, mit seinem einzigen Auge und dem dunklen Monokel, das die leere Höhle verdeckte – zögernd machte er seinen eigenen Zug. Sein Gegner sprach endlich.

»Als ob du nicht wüßtest, daß ihre Kraft das Gewissen war – grade das Gewissen, das anzuhören du nicht den Mut fandest. Du wärest seelenruhig abgegangen und hättest deinem Kinde eine unbewohnbare Welt hinterlassen.«

»Ich kann für die Welt nichts«, versuchte er. Der andre fiel sofort ein.

»Das sagt jeder. Aber sittliche Erdkatastrophen gibt es nicht. Es gibt keine unabwendbaren Mächte der Unmoral. Berufe dich nicht auf unbekannte Größen! Was wir getrieben haben, läßt sich benennen. Was wir geworden sind, haben wir gewollt. Was nach uns kommt, haben wir verschuldet. Es heißt wie je in Urzeiten Gottes: büße!«

»Meine Krämpfe kommen wieder, es ist furchtbar. Ich bin ein armer Mensch. Ich weiß nicht, warum ich gelebt habe und warum ich nun sterbe.«

Hier bemerkte General Veit Vogel von Lambart, daß sein Gegner das Spiel gewonnen hatte, daß es aus war.

 

Am Abend wurde vom Nebenzimmer her bei Marie angeklopft. Es war kaum hörbar. Erst als sie das Ohr an die Tür hielt, verstand sie, was geflüstert wurde. »Ich kann den schweren Schrank jetzt nicht fortrücken, sonst käme ich hinein. Man würde es hören. Gehe ich über den Korridor, das hören sie auch. Aber morgen, wenn alle drunten sind! Wollen Sie auf mich warten?«

Gegen zehn Uhr vormittags entstand zuerst Aufregung im Haus, dann ward es still. Jemand trat ein bei Marie, die Prinzessin. Sie rief strahlend von der Tür her: »Er kommt! Wir haben ein Auto!«

Mit beiden Nachrichten stürzte sie sich in die Arme Maries.

»Sie lieben ihn«, sagte das Mädchen. »Daher bin ich für Sie.« »Wie ich für Sie«, sagte Marie. Die Kleine fragte schnell: »Dann darf ich mit allem herausrücken?«

»Warum nicht – da wir beide ihn lieben? Es handelt sich doch um ihn?«

»Ja, und um den Rennwagen. Der Präsident hat einen Rennwagen geschickt, sein Hochzeitsgeschenk. Alle stehn im Hof drum herum, aber keiner kann fahren. Ich natürlich kann.«

»Aber Valentin?«

»Das wissen Sie doch. Er hat doch Rennen gewonnen.«

»Gewiß, und wenn er jetzt kommt –«

»Kommt der Präsident mit. Noch ist Zeit.«

»Bis Sonntag. Wir haben Freitag.«

»Nach Berlin und zurück ist Kleinigkeit.«

»Mit ihm?«

»Nein, mit dem Präsidenten. Ich liebe ihn doch.«

»Den Präsidenten?«

»Nein, ihn.«

Marie sah, daß das Gespräch mit der Prinzessin wie ein schlecht geführtes Auto laufe. Sie ließ sie sich endlich hinsetzen. »Sie haben drei Gedanken, mein Kind. Valentin, der Rennwagen, der Präsident.«

»Ich werde Sie sicher schockieren, Baronin Felicie.«

»Nicht leicht«, sagte Marie.

»Liebt Valentin mich? Sie verstehn sich drauf. Liebt er mich wirklich, wirklich?«

Marie sagte: »Sie wollen wissen, wieviel Sie ihm zumuten dürfen.« – Da die Prinzessin den Mund offenbehielt: »Wieviel er sich gefallen läßt.«

Plötzlich klatschte die Kleine in die Hände. Ihre glänzenden kleinen Zähne erschienen, ihr buntes Gesichtchen jubelte. »Sind Sie klug!« rief sie, war schon wieder auf ihren langen Beinen, küßte Marie schon wieder. Mit unvermitteltem Ernst: »Der Rennwagen fährt hundertfünfzig Kilometer die Stunde.«

»Das genügt«, sagte Marie. »Aber Valentin?«

»Der nicht. Der kommt nicht nach.« Die Prinzessin wälzte sich vor Vergnügen auf einem Möbel, das nicht dazu bestimmt war, der Kommode. Ihre langen Beine zappelten unbekleidet in der Luft, drüben hing der Kopf herab. In dieser Stellung sagte sie: »Ich gehe meinem Valentin durch. Mit Präsident. Nach Berlin. Morgen abend steigt es.«

Marie fragte ohne Erstaunen: »Warum denn aber?«

Die Prinzessin nahm die Haltung des Sitzens ein. »Das können Sie sich doch denken«, erklärte sie von der Kommode herab. »Der Präsident hat doch Geld. Er muß es mir geben, dafür heirate ich ihn. Ruhe läßt er mir sowieso nicht. Nachher fahre ich aber in meinem Rennwagen wieder zu Valentin.«

»Mit hundertfünfzig Kilometer Geschwindigkeit«, ergänzte Marie. »Wenn du ihn aber dann nur noch findest, mein Kind.«

»Mit dem vielen Geld!« Die Prinzessin war nun selbst entrüstet.

»Du hast zu viel vom Geld reden gehört, mein Kind. Komm einmal her!«

Die Prinzessin kam nicht gleich, Marie behielt Zeit, sie zu betrachten. Da war nun dies von Liebe geistig erweckte Geschöpf. Sein erster Gedanke aber: Geld. »So sind wir«, dachte Marie, »das bringen wir mit. Rennwagen und Präsident – man muß nicht so mit allen Hunden gehetzt sein, wie ich es war, um so gute Einfälle zu haben. Du tust es aus Liebe. Die Liebe hat dich erweckt, arme Kleine, jetzt mache alles mit!«

Hiermit empfing sie das Mädchen, denn unvermittelt fiel es vor ihr hin, das tränenüberströmte Gesicht gab es in die Hände Maries. »Valentin wird mir böse sein?« klagte sie. »Mir war gleich so, drum hab ich ihm auch noch nichts gesagt.«

»Sage nur nichts!« riet Marie. »Aus Kleinigkeiten werden Mißverständnisse«, verhieß sie ohne Ironie. Sie dachte nicht an bittere Scherze, ihr war im Ernst sehr bange um dies Kind – auch um dies zweite. Die beiden konnten einander verlieren, hatte denn etwa das erste ein ganz sicheres Herz? Marie nach der Probe zur Zeit ihrer Verirrungen mußte zweifeln. In diesem Augenblick wünschte sie, daß Valentin nie wiederkehre … Vom Schmerz erstarrt, verharrten sie, Marie und das junge Kind.

Da atmete Marie tief auf. »Ich kenne euch doch«, sagte sie lächelnd. »Wie ihr euch gleich seid!«

»Wir tanzen so gut«, sagte die Prinzessin.

»So ist es. Ihr werdet auch hundertfünfzig Kilometer die Stunde zusammen fahren. Aber laßt den Präsidenten, ihr habt doch nur euch. Der Präsident ist alt, er will durchaus noch nicht auf euch verzichten. Laßt ihn sich aber nicht an eure Zukunft hängen! Die müßt ihr ganz allein bestehn.«

Sie merkte, daß dies die Begriffe der jungen Prinzessin überstieg. Übrigens hatte sie selbst vielleicht nur ungenau ausgedrückt, was sie fühlte. Sie fühlte wortlos: »Ihr seid euch gleich. Du bist mir so nahe und verwandt wie er. Ich liebe nicht mehr ihn allein – euch beide in einem, dazu eure Liebe, alles wie ein einziges. Sonst wäre ich, was der Präsident ist … Tut mir nicht weh, verliert euch nicht!«

Sie nahm zwischen ihre Hände den Kopf der Gedankenlosen, sie sagte ihr in die Augen: »Trotz allen euren Erlebnissen.«

»Was für welche?« fragte das Mädchen. »Was wird aus uns werden?« – Da Marie noch schwieg: »Sie haben erlebt, erzählen Sie doch! Sie wissen schon alles.«

»Ich weiß schon alles«, sagte Marie – und erzählte, nicht eben, was ihr selbst geschehen war, was so oder anders jedem drohte; eher, was sie den Kindern wünschte. Jenes alles trat nur in Gestalt fremder Gefahren auf. Sie überging die Gefahren in ihnen selbst. Ihr ward es frei und beschwingt. In den jungen Augen, die verstehn wollten, erblickte sie ihr eigenes Leben phantastisch. Sie glaubte zuletzt nahezu, es einmal so gewollt, es nur zufällig anders erfahren zu haben, daß aber die Kinder richtig wählen würden. Sie mußten vom Hausmädchen gerufen werden zum Mittagessen, das beide vergessen hatten. In Eile, während sie der erhitzten Prinzessin das Gesicht herrichten half, sagte Marie noch: »Der Präsident darf nichts merken.« Sic sprach eilig, aber überaus eindringlich. »Er darf nicht merken, daß wir verabredet sind. Er muß noch immer glauben, daß du mit ihm fortfahren willst. Verstehst du? Fahre aber nicht wirklich mit ihm fort!«

»Ich werde ihn betrügen«, sagte die Prinzessin völlig auf der Höhe.

»Das müssen wir«, sagte Marie.

Sonnabend gegen Mittag fuhr das Auto des Präsidenten von hinten lautlos in den Hof. Sein Privatsekretär stieg zuerst aus, er half ihm aufmerksam. Der Präsident aber war mit Energie geladen. Kein Zweifel, er hatte Mienen und Haltung, wie sonst nur, wenn er einen großen Schlag führte. Der General, sein früherer Mitarbeiter, war mit dem Anblick vertraut. »Achtung«, dachte er, »das ganze Gesicht verzieht sich nach links. Die Stirnfalten stehen steil, wie beim Sturmangriff auf Höhe acht achtzig. So standen seine Stirnfalten an dem Tage, als sein stärkster Gegner Kobes zusammenbrach.« Dazu stimmte, daß der Präsident zuerst nicht einmal den Mantel ablegte und daß er gleich zum Mittagessen Sekt verlangte.

Valentin küßte Marie die Hand, dann wandte er sich sofort seiner Braut zu. Erst bei Tisch sah er Marie wirklich an – und erschrak. Gleich darauf fühlte er sich erleichtert, er hatte gefürchtet, die Versucherin wiederzufinden. Die Frau hier versuchte niemanden mehr. Valentin hatte bei Tisch mitzusprechen, zu trinken, die Augen in die seiner Braut zu senken; aber er dachte im Grunde nur immer: »Woher kommt sie?« Er wagte nicht zu fragen.

»Jetzt ist sie alt«, dachte er. »Das ging schnell.« Grade in diesem Augenblick begriff er aber, daß sie eigentlich lange widerstanden hatte. Denn was er selbst, seit sie sich kannten, von ihr verlangt hatte, war viel, war schwer. Sie war zuletzt vor ihm geflohen. So sah sie nun aus. Valentin schlug die Augen nieder, er bereute.

Einst war sie gekommen, um seine Mutter zu sein. Was aber hatte er aus ihr gemacht? Fast sein Opfer. Sie war so schön gewesen – Valentin fand es unverzeihlich, aber nicht unbegreiflich, hätte er im Laufe alles Wunderbaren, das ihnen gemeinsam geschah, sich in sie auch noch verliebt. Hatte er es wirklich? Bei seinem Eintreffen heute fürchtete er noch, es könnte mit ihnen beiden weitergehn wie vorher. Nun er sie sah, war er nahe daran, zu glauben, das Ganze sei nicht wahr – wenigstens für sie nicht. Er allein hatte ungesunde Träume gehabt. Der Versucher war nur er – in seiner Rolle als Mann, als eitler Mann. »Arme Felicie! Wenn überhaupt von allem etwas wahr ist, dann sind schreckliche Dinge an dir geschehn. Aber ob alt oder nicht, bist du schöner als je. Woher kommst du?«

Dies während seines technischen Gespräches mit der Prinzessin über den neuen Rennwagen. Der Präsident inzwischen hielt unverwandt seine fleischige Stirn auf die Prinzessin gerichtet. Die Augen unter den hängenden Wülsten blieben unsichtbar. Plötzlich trank er der Generalin zu – was alles drüben den General in Atem erhielt. Hier ging etwas vor. Nur undeutlich hörte der General, was der Professor sagte, der längere Zeit ganz allein sprach. Der Professor bemerkte es endlich selbst. Die Stimmung ward ihm verdächtig, er verstummte. Nach der Pause machte die Generalin auf das veränderte Wetter aufmerksam.

Die Vorhänge der Fenster wehten ins Zimmer, Schwüle drang mit ein. Es schien vorzeitig Abend zu werden. Bis auf den Präsidenten und den Professor verließen alle den Tisch. Von der Terrasse sahen sie dort hinten die schwarze Wassermasse sich träge aufheben wie aus einem Stück. Sie hatte noch keine Kämme. Der schwere Himmel war noch lautlos. Möwen irrten tief und eilig. Einige Segel waren draußen. »Aus dem Feuerwerk heute abend wird nichts«, meinte der General. Valentin sagte: »Im Gegenteil. Der Himmel brennt noch selbst eins ab.«

Er und die Prinzessin standen nebeneinander. Sie berührten sich nicht, blickten beide ins Weite – waren aber sichtlich das Paar, das sogleich den Fuß ansetzt und allein fortgeht. Es war unverkennbar, sie hatten ähnliche Köpfe, den gleichen Knochenbau, die Form der herabhängenden Finger verengte und verbreiterte sich an denselben Stellen. Vor allem war jeder Muskel Mut und Zuversicht, daher ihre Anmut. Noch kürzlich wären sie höchstens lang und schlank gewesen – dachte der General, undeutlich selbst erinnert an Jugend und schöne Feste.

Sogar die Generalin erblickte kurz in ihrem Innern einen Garten von früher, sorglose Geschwister, ein Krocketspiel und helle Luft. Sie biß die Zähne zusammen, sie verließ der Terrasse. Marie blieb allein im Angesicht zweier bezaubernder Gestalten – die aber für sie nicht auf diesen Steinen nebeneinander standen. Vielmehr bewegten sie sich kühn und ohne Marie zu beachten durch die kleine Zelle, wo Marie in diesem Augenblick wieder kniete; traten durch das Fenster und über Stufen aus Luft ins Unbekannte. Hier sah Valentin nach ihr um, er hätte sie endlich ansprechen wollen – fand aber die Augen Maries vollkommen stumm.

Er war am Anfang gewohnt gewesen, daß sie ihn dunkel und still, er meinte tierhaft, betrachteten. Seither hatten sie gelächelt, die Augen Maries erlernten nacheinander Glanz, Unruhe, lautes Glück und unverstellte Not. Jetzt zum Schluß waren sie wieder verstummt, diesmal endgültig und ganz, dem jungen Valentin ward es bange vor ihnen. Sie waren zu tief, ihr Blick kam von zu weit her, manchmal langte er fremd an. Die Augen Maries erschienen dem jungen Valentin manchmal unnachgiebig, nicht zugänglich mehr – als wäre alles um sie her, ja auch die Spuren im eigenen Gesicht, nun belanglos. Dies erschreckte Valentin. Verwöhnt wie er einst gewesen war von jenem Gesicht, mußte er es wiederfinden in einer Verwandlung, als erkennte es ihn kaum.

Die Lippen Maries waren mit den Spitzen leicht aneinandergedrückt, dunkle Gruben aus mürbem Fleisch liefen von den Mundwinkeln hinab im Halbkreis. Wen küßte der zugespitzte Mund? Nicht Valentin, nie mehr ihn: er begriff es mit Trauer. Zugleich aber fühlte er sich berührt von einem feierlichen Vorgang, von welchem? … Er befragte sich noch, da klang Musik auf – fern, nur hergewehte Töne. Sie genügten der Prinzessin, sogleich erhob sie die Arme nach Valentin, der, ohne Marie angesprochen zu haben, die Prinzessin umschlang. Sie tanzten.

Im Eßzimmer wurden die Stimmen stärker. Professor und Präsident stritten hinter jenem auf die Terrasse geöffneten Fenster. Der Denker verteidigte den Besitz, der Wirtschaftsführer griff ihn an; nach ihm selbst die Sintflut, verhieß er. Nichts Geschaffenes habe Bestand, nicht einmal sein Industriekonzern. Aus Verzweiflung über den drohenden Verlust der Prinzessin ward der Präsident irre an seiner Kraft, ja, an seinem Recht. Die Kommunisten, behauptete er, seien auf dem einzig richtigen Weg, für sie spreche die Natur … Schwüle Luft umschlich ihn, er keuchte, plötzlich rückte er heftig den Kopf nach dem Tanzpaar. Wäre es unversehens die Terrasse hinabgetanzt und den Blicken entschwunden, der Präsident hätte mitten in seinem Satz einen Sprung durch das Fenster gemacht. Er dachte bei allem, was er sprach, an das Tanzpaar.

Der Professor, gerötet von der Schwüle, blieb dabei, der Trieb, zu besitzen, sei vom Menschen so untrennbar wie der Trieb, zu lieben. – Aber die meisten seien besitzlos, entgegnete der Präsident, und täten nichts Ernstliches, um den Zustand zu ändern. Der Professor sagte: »Damit beweisen sie, daß sie etwas weniger als Menschen sind. Sie sind Triebschwache.« – »Die übergroße Mehrheit?« wiederholte der Präsident. »So gut wie die Gesamtheit!« Den Professor störte dies nicht.

»Den Trieb, zu lieben, werden Sie doch nicht leugnen«, sagte er. »Niemand leugnet ihn. Aber könnte man sehn, wie wenige ihn in wirklich nennenswerter Weise besitzen und ausüben, man würde staunen. Die bei weitem meisten sind geschlechtslos.« Womit er nur geißeln, sich selbst geißeln wollte dafür, daß er die Prinzessin erweckt hatte mit der Leidenschaft seines Geistes, sie erweckt und dann fahrengelassen hatte. Ein andrer, der nichts für sie tat, ward zum Inhaber seiner, seiner Erfolge – ward von der Prinzessin geliebt.

Dem Professor war die Erkenntnis gekommen, er selbst hätte zugreifen sollen. Einzige Gelegenheit im ganzen Leben, glücklich zu sein ohne Scham und Reue. Kein Triebstarker hätte sie versäumt. Er war nur ein Schwächling, heute rechnete er mit sich ab – im Angesicht des Paares, das dahintanzte, das entschwand. Nicht genug konnte der Professor die Mehrheit der Menschen herabsetzen, um Rache zu nehmen an sich selbst. Er hatte aus geistiger Gelöstheit funkelnde, ungehemmte Augen wie ein Tier im Walde.

»Die Welt der Liebe ist einzig und allein für die paar Herren des Lebens da«, behauptete er starrsinnig. »Die Welt des Reichtums auch. Ihresgleichen, Herr Präsident, hat unschätzbare Verdienste. Sie stützen die leider wankenden Naturgesetze – und ich mit Ihnen!« rief der Professor. »Wir beiden Breitschultrigen!«

»Breitschultrig?« fragte der Präsident, dessen Stirn anschwoll. »Sie sind doch bucklig.« Er stieß den Stuhl fort, mit unheilvoller Energie geladen, stampfte er durch das Zimmer, sein Hinkfuß schlug stärker als sonst auf. »Wieviel glauben Sie, daß das Hochzeitskleid der Prinzessin kostet?« fragte er aus dem Hintergrund. »Genau zehnmal mehr, als Sie Unglücksmensch dafür bezahlt haben.«

Hier zog der Professor den Kopf in seine unleugbar zu hohen Schultern, sein Blick ward zahm, ward arm, der Gedanke fiel unter dem Professor um wie eine freistehende Leiter. Da lag er. Der Präsident stürmte plötzlich klump, klump an ihm vorbei, mit einem Sprung wollte er durch das Fenster, polterte aber zurück. Er fluchte, schließlich kroch er auf dem Bauch hinaus. Der Professor ließ den Kopf auf seine entkräfteten Arme fallen. »Ich sehe nichts, was ist. Meine Prinzessin trägt ein Kleid, das nicht ich bezahle, ich aber rede. So ist mein Leben vergangen.«

 

Aber auch der Präsident sah draußen nichts mehr, das Tanzpaar war fort. In heller Wut hinkte er auf Baronin Hartmann zu. »Wohin sind sie?« fragte er drohend. »Bleiben Sie hier!« sagte Marie. »Sie hinken, Seehase.«

Er knirschte. »Das sagen Sie, weil Sie für Ihre Person sich umgestellt haben und das Geschäft auf Seiten meines Gegners machen. Schon neulich traute ich Ihnen nicht mehr. Sie sollten sich hüten.«

»Das weiß man«, sagte Marie. »Ihr Gegner muß immer auf manches gefaßt sein. Seine Chance ist, daß Sie der Schlag trifft.«

Sie sagte es mit der Sachlichkeit, die zwischen ihnen beiden von selbst kam. Nachsichtslose Worte entsprachen nur den Handlungen, die sie voneinander erwarteten. Jede Veränderung würde den Präsidenten höchstens mißtrauischer gemacht haben. Ihm zeigte Marie ihr jetziges Gesicht nicht, oder zeigte sie es? Dann erkannte er es nicht. Er konnte nur sehn, daß sie ihn auslachte. Ohne Absicht ward sie vor den Gefahren der Bosheit heiterer. Sie fühlte, spielend werde sie mit ihnen fertig werden. Die Taten der Welt, verkörpert vom Präsidenten, waren wie Spiel. Kannst du ihm nicht ausweichen, so siege darin nach den Regeln des Spiels. Ernst wird es erst nachher.

Wild warf der Präsident den Rumpf nach allen Seiten. »Mir ist alles gleich, ich gehe über Leichen.« Ihm war anzusehn: auch über seine eigene. Marie indessen glaubte ihm seine Krankheit nicht. Sogar seine große Wut war ihr verdächtig. »Komödiant«, sagte sie. – »Wohin sind die jungen Leute?« fragte er noch drohender.

»Längst im Wasser«, sagte Marie. »Hätten Sie nicht mit mir so lange geplaudert. Jetzt schwimmen die beiden weit draußen.« Sie zeigte irgendwohin. »Sind Sie Schwimmer, Seehase?«

Er spähte in die See hinaus, fand nichts, weil nichts da war – und zog die Uhr, für Entschlüsse dieser Art gab er sich eine Viertelminute. Letzter, durchbohrender Blick auf Marie, die heiter standhielt. Diese Sekunde lang wußte der Präsident unbezweifelbar, daß er betrogen ward. In der nächsten lief er dennoch. Schon bewegte er sich durch weichen Sand, der Widerstand leistete wie der Boden in Träumen, wo man eilt.

Marie ließ ihn noch aus der Badehütte ins Wasser plumpsen, dann ging sie hinauf in ihr Zimmer. Sie wartete am Fenster wachsam. Die jungen Leute waren wieder auf der Terrasse, sie sahen mit Staunen den Präsidenten durch Wind und Wellen ins Weite streben. Mehrmals wandelten General und Generalin einzeln und ohne sich zu begegnen durch die Zimmer, worin es schon dämmerte.

Die Generalin stand vor letzten Entschlüssen, sie fand keine Ruhe. Der General hatte von seinem fassungslosen Freund erfahren, daß das Kleid der Prinzessin bezahlt war vom Präsidenten. Verdächtige Einzelheiten häuften sich, der General fühlte verstecktes Unheil von mehreren Seiten beschleunigt herandrängen – Frage von Augenblicken, wann hier etwas aufflog. Er hatte ganz bestimmte Befürchtungen; sie unmißverständlich zu Ende zu denken, vermied er nur aus gewohnter Höflichkeit gegen seine Frau. Er bereute sogar, jetzt endlich doch geöffnete Augen zu haben, wenn alles, was er sehen mußte, als Unternehmerin seine Frau hatte! Überdies strengten diese Kämpfe seine kranken Organe unerhört an.

Der Präsident kam erst wieder an Land, als es dunkel ward. Sein Chauffeur war es, der ihm im Boot entgegenfuhr, der Präsident langte ohnmächtig an. Sein Chauffeur rieb ihn ab. Der erste Gedanke des erwachten Präsidenten galt den jungen Leuten. Hier schoß in den verdunkelten Himmel ein zischendes Licht. Das Feuerwerk! Dorthin war die muntere Jugend, auch den Präsidenten hielt es nicht. Sogar die Generalin warnte. »Sie haben Ihrem Herzen jetzt schon das Äußerste zugemutet.« Nein, der Präsident konnte einzig seinem Schicksal entgegenziehn. Er tat es mit seinem Auto, jeden Augenblick mußte der schwere Himmel bersten.

Im Haus blieben zurück Marie, die still auf ihrem Zimmer droben wachte und Vorkehrungen traf – der Professor in einem angsterfüllten Winkel, die Generalin und der General; abwechselnd durchstreiften sie die dunklen Zimmer. Feuerwerkskörper prasselten fern, aber blendend schnitt der erste Blitz ein. Das große Wohnzimmer war jäh voll geisterblauen Lichtes, da fanden sich die Gatten einander gegenüber.

In den ersten Donnerschlag hinein schrie der General: »Was geht hier vor?«

»Wir sind ruiniert«, sagte die Generalin erbittert, da war es schon wieder totenstill.

»Sind wir nicht auch entehrt?« fragte er. Sie zuckte die Achseln, er sah, daß er nicht mehr zu seinesgleichen sprach. So schlimm hatte er es sich noch nicht gedacht.

»Wovon leben wir?« fragte er mit einer Stimme, die sie nicht kannte. Eingeschüchtert stammelte sie Unzusammenhängendes. Ein Blitz zeigte ihm, daß graues, wirres Haar ihr in das Gesicht fiel, daß sie im Stehen vornüber hing und den Mund zum Weinen verzerrt hatte.

»Was wollen wir von dem Präsidenten?« fragte er unerweicht. Er hörte nicht, was sie sagte, der Regen schlug auf den Boden der Terrasse nieder mit dem Gerassel von Blech. Sie sahen sich nur als furchtbare Schatten, keinen verlangte es, Licht zu machen. Der eine der Schatten trat drohend vor, darauf kreischte der andere.

»Und wenn! Sein Geld ist gestohlenes Geld. Uns hat er bestohlen. Soll er zahlen für die Prinzessin.«

Hiernach blieben sie unbeweglich. Ein Blitz, ein Donnerschlag gingen über sie hin, bevor der General sich faßte. »Das Schlimmste aber ist es mit der Frau. Mit der Frau dort oben«, wiederholte er geheim, wie ein Mitverschworener. »Wie sieht sie aus. Was ist bei uns aus ihr geworden. Die Verirrung einer armen Frau, wir haben sie ausgenützt.« Mit Erstaunen erfuhr er durch seine eigenen Worte, daß er selbst es mitgemacht habe.

Nach der Pause, im Rasseln des Regens, sagte er noch: »Keinen Tag hätten wir sie bei uns dulden dürfen.«

»Das sage nur!« kreischte sie – und ging in ein Gelächter über, das nicht aufhörte, sogar in Blitz und Donner nicht. Der Blitz zeigte ihm ein Gesicht des Wahnsinns, so fremd, daß es feststand, er habe nichts mehr zu entgegnen.

»Denn wer ist betrogen?« brachte sie hervor. »Wir. Wer hat das Recht, sich als das Opfer zu fühlen? Wir. Du weißt noch nicht, daß wir tiefer in Schulden sind, als bevor sie ankam mit ihrem Geld.«

Die Generalin leugnete die Geschenke der Hartmann nicht, ja, nicht einmal, was von ihr erpreßt war. Aber alles war über Kappus an jene zurückgefallen. Sie erzählte die Geschichte dieses Hauses. Sie beschönigte nichts, das Aussprechen nackter Tatsachen gab ihren Kopf der Wirklichkeit wieder, die Gefahr, verrückt zu werden, entfernte sich von ihr.

»Ein billiges Hochzeitsgeschenk dies Haus«, sagte sie klar durch den Regen. Auch machte sie Licht. »Sie wohnt hier bei sich selbst. Die Abenteurerin, sie hat es sich nichts kosten lassen, zu anständigen Leuten einzudringen. Brauchte sich nur an unsere Unerfahrenheit zu halten. Wären wir doch immer bei unseren Grundsätzen geblieben«, sagte sie selbst – anstatt daß der General es sagte.

Plötzlich schien sie nochmals den Kopf zu verlieren. »Die Verbrecher! Ich werde sie doch noch zwingen, ihren Raub herzugeben. Endlich will ich auf meine Feinheit verzichten. Es ist nicht leicht, aber sie sollen sehn.«

Hiermit bereitete die Generalin ihren siegreichen Abgang vor. Im Abgehn sah sie überall nach, wo jemand hätte zuhören können. Die Hartmann mußte droben sein, im Lärm des Gewitters war auch das ärgste Geschrei nicht bis zu ihr gedrungen. »Wozu Geschrei«, dachte die Generalin. »Wie unwürdig! Jetzt wird gehandelt – kalt und zwingend.«

Sie suchte nicht erst den Professor in seinem gleichgültigen Winkel; wichtiger war, daß die jungen Leute samt Präsident bestimmt noch draußen weilten … Denn da sie Licht im Zimmer gemacht hatte, konnte die Generalin nicht sehn, daß die Prinzessin wohl draußen, aber schon wieder auf der Terrasse weilte.

Die Prinzessin hatte nichts erlauscht. Der Auftritt drinnen machte sie nicht neugierig, sie hatte Dringlicheres vor. Auch war sie durchnäßt, sie schützte sich, gegen die Hauswand gedrängt, nur schlecht vor den Gewalten. Entsetzt wartete sie, daß das Zimmer freistehe. Noch war der General darin.

Der General verharrte am Fleck, er stand in dem Wasser, das zur offenen Tür hereinfloß. Was hatte er jetzt alles zu vergessen, wollte er hier weiterleben! Dies bewegte ihn zuerst – dann aber die Verpflichtung, zu wachen, aufzuhalten, das Letzte noch zu retten … Er ging, im Hause seinen Posten zu suchen.

Sogleich lief die Prinzessin durch das Zimmer und die Treppe hinauf. So leicht ihr Fuß war, die Generalin hörte sie. Die Generalin hörte auch, daß die Prinzessin sich in der Tür irrte, sie versuchte, die der Hartmann zu öffnen. Dort war geschlossen, die Prinzessin betrat ihr eigenes Zimmer.

Hier stand sie vor Marie. »Gut«, sagte Marie. »Dein nasser Mantel muß hier abtriefen, nicht bei mir. Jetzt gib ihn mir und geh in mein Zimmer.«

Da bemerkte die Prinzessin die geöffnete Verbindungstür und daß der Schrank fortgerückt war.

Sie wollte noch fragen, sie wollte erzählen. »Ich weiß«, sagte Marie. »Der Präsident hat euch zu trinken gegeben. Du siehst aus, als hätte er dir etwas hineingemischt. Lege dich schlafen!«

»Ich bin aus seinem Auto gesprungen. Wie bin ich hineingekommen? Valentin hatte mich im Gedränge verloren. Das Auto war schon in voller Fahrt, als ich absprang.«

»Ich weiß«, sagte Marie. »Schnell in mein Zimmer! Und kein Licht machen!«

Allein geblieben in dem Zimmer der Prinzessin, verstellte sie wieder die Tür. Sie löschte auch hier die Lampen. Sie lauschte. Jetzt fuhr hinter dem Haus der Wagen vor. Im Flur drunten polterten Eindringende.

Der Präsident und sein Chauffeur wurden am Fuß der Treppe aufgehalten von der Generalin. »Wohin!« sagte die Generalin nur, da standen sie. »Hinaus!« herrschte sie, schon wich der Chauffeur. Alles geschah gedämpft und mit Vorsicht. Niemand wünschte, daß der General hinzukomme.

»Seehase. Sie gelangen nicht hinauf«, sagte sie kalt entschlossen. Zu sich selbst: »Mut! Ich bin keine Schollendorff mehr.« Laut, aber nicht zu laut wegen des Generals: »Oder Sie bezahlen mich.«

»Sie?« fragte der Präsident. »Warum Sie? Sie haben schon Baronin Hartmann gerupft, wo ist das Geld? Ihr Betrieb arbeitet unrentabel.« Er höhnte, aber nicht zu laut. Beide gaben ihrer Furcht den Ton von Drohungen, die unter kaum erträglichem innern Druck stehn.

Die Generalin drohte: »Sofort den Scheck! Sie hab ich in meiner Gewalt. Sie stehn mir für alle, die mich bestohlen haben.«

»Hier besteht kein Interesse«, sagte er genauso.

»Sie verstehn noch nicht, Seehase. Sie kommen nicht hinauf. Aus der Sache kommen Sie auch nicht mehr.«

»Erschießen Sie mich!« sagte er, er breitete sogar die Arme aus. Denn sie hielt, zwei Treppenstufen höher als er, eine Hand rückwärts, es war ungewiß, was darin war. Sie brachte die Hand aber hervor, die Hand war leer. Sogleich zeigte er tiefste Geringschätzung.

»Sie dachten wohl, ich habe Furcht? Ich bin über alles hinaus, das werden Sie gleich merken« – den Fuß ansetzend, bereit, zur Prinzessin vorzudringen, wäre die Treppe auch glühend. Dabei hielt er sich das Herz, womit der Generalin vor Augen geführt ward, daß er selbst Anfälle nicht fürchtete.

Sie dagegen war sich bewußt ihrer grauen Zotteln auf furchtbar versteintem Gesicht, worin die Augen unbegreiflich glänzten. »Er wird nicht wagen«, dachte sie stark – da hielt er auch schon an. Einen Augenblick betrachteten sie einander prüfend, jeder mit dem leisen Zug von Selbstironie … Sofort wurden sie wieder drohend.

»Zahlen Sie?« fragte die Generalin.

»Wollen Sie das Zuchthaus kennenlernen?« fragte er.

»Erst nach Ihnen« – wobei sie aber dachte: »Das ist nicht wahr, das geht über alles Menschenmögliche. Ich bin es nicht.« Im gleichen Atem sagte sie schon:

»Ich mache Sie unmöglich, Seehase. Ich bringe Sie hier noch so weit, daß Sie Gewalt brauchen. Sehn Sie nicht, was ich will? So oder so, Sie sind fertig.«

Er öffnete plötzlich die Augen, sie erschrak. »Ich kann mir vieles erlauben, nachher sollen sie kommen.«

»Fliehen wollen Sie?«

»Ich war nie glücklich. Ich will nur noch das eine. Dafür brauche ich eine Minute, nicht mehr.«

»Aber nachher! Nachher werden Sie gefaßt.«

»Nicht von Ihnen.« Er hielt sich das Herz, er machte sich steif, um seinem stärksten Angreifer, der sein Herz war, noch standzuhalten, diese notwendige Minute noch. »Niemand rührt mich mehr an.«

»Was?« Vom Grauen erschüttert, beugte sie sich vor. Der Mensch war sterbend! Der beging seine Tat ungestraft, er mußte sie nicht bezahlen. Er starb einfach.

Die Generalin fiel gegen das Treppengeländer, der Weg war frei. Der Präsident ging vorbei. Auf halbem Wege rief er gedämpft nach seinem Chauffeur, der auch kam und ihm nachschlich. Sie brauchten droben Zeit, die rechte Tür zu finden … Die Generalin, über dem Geländer zusammengefallen, bedachte, dies sei aus und mißglückt. Dafür so tief gesunken. »Von Stufe zu Stufe«, dachte sie traurig – wenn auch mit letzter Befriedigung, dem Leben, das es nicht anders wollte, doch wenigstens genügt zu haben durch ihren Abstieg. Plötzlich erblickte sie aus dem dunklen Raum hinter der Treppenbeleuchtung hervorgetreten eine schattenhafte Dame – die noch immer gutfrisiert war und kein von Katastrophen zerstörtes Gesicht hatte, obwohl das Unglück sie festhielt. Diese Dame hatte sich ein für allemal gesagt, daß Unglück nicht dasselbe wie Mißerfolg ist; den Sinn von Mißerfolg bekommt es höchstens durch deine Schuld. »Keine Moral mehr haben macht noch nicht stark«, sagte diese Dame. »Das Unglück hat mich grade gebessert.« Schon war sie verschwunden, da erkannte die Generalin sie. So hätte sie selbst sein sollen.

Die Generalin verließ die Treppe wie eine Greisin schlotternd, mit erloschenen Augen. »Geh in dein Kämmerlein«, fühlte sie, »armes Inakind! Der Präsident stirbt und zahlt nicht. Du aber bleibst, was du nun bist. Geh in dein Kämmerlein, armes Inakind, und kannst du, weine!«

 

Marie im Zimmer der Prinzessin hörte die Schritte derer, die kommen sollten. Sie lag auf dem Bett der Prinzessin, eingehüllt bis über die Augen in den nassen Mantel der Prinzessin. Ihre Sorge war nur, daß die Täuschung gelinge. Ihr fiel wohl ein, sie mache sich lächerlich. Aber sie dachte: »Wer bin ich? Das zählt nicht mehr.« Der betrogene Präsident in seiner Wut konnte sie auch mißhandeln. »Mich? Nein. Eine alte Frau, die ihn auslacht.« Hier ging im Dunkeln die Tür auf, zwei Schatten erschienen. Man band ihren Kopf ein, man hob sie auf.

Einen Augenblick später kam Valentin nach Haus. Das Wohnzimmer war leer, er rief nach seiner Braut, dann nach Marie. Er rief sogar die Generalin, aber niemand zeigte sich. Er ging weiter, da trat ihm der General entgegen. »Achtung, Junge!« sagte er ohne Vorbereitung, aber Valentin begriff. Er hatte schon gefühlt, er hatte das Haus bei jedem seiner Schritte feindlicher werden gefühlt. »Wo ist es?« fragte er kurz.

»Ich war eingesperrt«, sagte der General. »Von wem, will ich nicht wissen. Inzwischen haben sie sich an dir vergriffen. Dazu mußten sie mich erst einsperren« – die Hand auf der Schulter Valentins. Sie sahen sich fest an. Dann grüßte Valentin mit den Augen. Er sagte: »Danke, Vater.«

Valentin betrat schnell den Flur, hier fiel der Professor ihm entgegen von der Treppe bis vor seine Füße. Dort blieb er auf den Knien liegen, er umklammerte die Knie Valentins. »Die Prinzessin!« brachte er hervor, dann kam lange kein Ton mehr. »Ist fort«, sagte er mit entstellter Stimme. Valentin hörte Geräusche im Hof. »Lassen Sie mich los!« Aber der Professor konnte ihn nicht verstehn, er war zu sehr versenkt in seine eigene Katastrophe. Die Prinzessin war fort, er schrieb das Unglück seinen eigenen verbrecherischen Wünschen zu. Er hatte keine Philosophie mehr, sein heiteres Denken setzte Frieden voraus; der Professor verlor sich sofort an die Katastrophen.

»Verzeihn Sie mir!« stöhnte er, die Knie Valentins wurden zusammengepreßt von seiner Inbrunst. Valentin hörte draußen das Auto abfahren. »Werden Sie mich loslassen?« – »Helfen Sie mir!« stöhnte der Professor.

Da bekam er einen Stoß unter das Kinn, er kippte um. Valentin war schon draußen. Zu spät, das Auto des Entführers surrte weit entfernt durch den Regen. Valentin mußte bis in das nächste Gasthaus gehn, um seinen neuen Rennwagen, das eigene Geschenk des Präsidenten, zu holen. Wäre die Garage der Villa größer gewesen, hätte der Rennwagen darin gestanden: er wäre jetzt sicher unbrauchbar gemacht. Besser spät kommen als gar nicht, dachte Valentin finster. Als er endlich fuhr, zeigten seine beiden Scheinwerfer ihm nur die leere Straße, er hörte nur den Regen.

Er fuhr Stunde um Stunde. Der Geschwindigkeitsmesser wies nacheinander hundert, hundertzehn und hundertfünfunddreißig. Der Wagen bebte im Dahinjagen – Wälder öffneten und schlössen sich so schnell wie ein Busch, Häuser versanken im gleichen Augenblick, da ein Lichtblitz sie erschuf. Valentin wußte nicht mehr, durch welche Ortschaften er hindurchlärmte, aber er blieb klar. Er behielt vor Augen, die Prinzessin sei in höchster Gefahr. Er dürfe nicht zu spät kommen. Er dürfe sich erst recht nicht den Hals brechen. »Das würde dem Schurken sogar die Strafe ersparen.«

Einmal hörte er das Surren des andern Wagens wieder, gleich darauf erschien der Wagen ihm als Schatten an einer Wendung, er erkannte darin die Gestalten. Als er dann aber selbst die Wendung genommen hatte, war nichts zu sehn, er hatte sich getäuscht. Überwachsamkeit und maßloser Drang verführten die Sinne, sie verloren an Sicherheit. Hüte dich! Gib dich nicht aus, du mußt das meiste an Kraft noch behalten für nachher, wenn du dort bist.

Bei seiner Ankunft in Berlin dämmerte der Morgen. Der Platz am Knie stand da aus nassem Stein, verödet. Das tankartige Haus war fest verschlossen. Hinter dem ersten metallenen Tor wußte Valentin Gitter, Schranken und Fallen, gewaltsames Eindringen versuche nicht erst. Er läutete, verhandelte mit dem Wächter, der aus einer unsichtbaren Öffnung sprach, ward auch eingelassen. Der Präsident brauchte offenbar äußerst dringend die Hilfe seines Privatsekretärs, wenn er ihn nachts so weit herrief, der Wächter begriff es. Er berichtete, das Auto des Herrn Präsidenten sei gleichfalls bespritzt mit Schmutz gewesen – die Dame, die mit darin war, aber ohnmächtig.

Valentin fuhr hinauf zu den hochgelegenen Räumen des Herrn dieser Festung. Schon vom Vorraum sah er die ganze Pracht strahlend beleuchtet, die Tür des großen Arbeitszimmers stand weit offen. Valentin horchte, indes er über die Teppiche eilte. Er hatte den Eindruck von Verwirrung und Totenstille.

Der Präsident saß hinter seinem Schreibtisch, der Tisch war so breit wie eine Plattform zum Tanzen. In seiner herabhängenden Hand hielt der Präsident einen Revolver. Er hatte beim Nahen des Feindes zur Waffe gegriffen, war aber in demselben Augenblick verhindert worden, sie zu gebrauchen. Der Schmerz, der ihn lähmte, krümmte seinen Rumpf zu Boden. Er war leichenblaß, rang nach Atem, er schien vernichtet.

Valentin entriß ihm den Revolver, er richtete die Mündung auf diese Leiche, sofort bewegte sie sich. »Ich sterbe«, sagte der Präsident wie mit allerletztem Hauch. »Die Prinzessin!« forderte Valentin. Er sah sich um, nebenan strahlte keine elektrische Helligkeit, nur der Tag graute. Auf dem ungeheuren Ledersofa erkannte er die geliebte Gestalt – noch immer fest in ihren nassen Mantel gehüllt, das Gesicht noch verdeckt. Eine Hand lag offen. Die Sekunde schneidender Angst! Die Hand ist warm. Gerettet, alles ist gerettet. Durch den Schleier atmet ruhiger Schlaf.

Zurück zu dem Schurken hinter seinem glatten Tanzboden. Der Schurke aber hält zwischen zitternden Fingern ein Papier hoch. »Lesen Sie nur, Valentin, lesen Sie!« Valentin las, es war das Testament des Präsidenten, er hinterließ alles, was er hatte, der Prinzessin … »Und sogleich werde ich tot sein« – wobei er sich krümmte und wand. Valentin sah ihn an und zerriß das Papier.

»Dummkopf!« sagte der Präsident plötzlich erstarkt. »Das war Ihre Chance.« – Klagend fragte er: »Was haben Sie gegen mich?« Verlor er vor Todesangst den Verstand?

»Daß Sie noch da sind«, erwiderte Valentin. »Sie haben versprochen, zu sterben.«

»Ich mache noch einmal dasselbe Testament! Immer wieder dasselbe!«

»Ich verachte Ihr Geld«, sagte Valentin laut und freudig.

»Ihr sollt es von mir annehmen. Ich werde euch zwingen. Ihr könnt ohne mich nicht leben, nicht ohne daß ich dabei bin.«

Seine letzte Schlauheit, sein letztes gutes Geschäft – der Junge lehnte zehnmal hochmütig ab, der Alte blieb greisenhaft darauf versessen. »Nehmen Sie an – für die, die wir beide lieben!« flehte er jammernd.

Da Valentin ihm endlich den Rücken drehte, fiel der große Präsident glatt um. Er rutschte aus seinem Sessel, er kam unter den Tisch zu liegen, klein gegen die Maße des Tisches, und er ließ die Augen, die so oft ihre furchtbare Wirkung getan hatten, nun ganz geschlossen.

War er endlich tot? Valentin wandte sich ratlos ab, in der Tür des dunkleren Zimmers aber stand Marie.

Sie sagte: »Mein Kind, sei nicht zu hart mit ihm, er bereut.«

»Ich fürchte, es ist aus«, sagte Valentin.

»Nein. Ich hatte längst den Verdacht, daß sein Herzleiden nicht ganz echt ist. Es ist Hysterie, die Strafe der Unersättlichen. Aber er hat euch alles, was sein ist, übergeben wollen.«

»Damit er uns noch bei seinen Lebzeiten wieder in seine Gewalt bekommt!«

»Er hat natürlich einen schlechten Grund. Woher sollte seinesgleichen gute nehmen. Aber die Handlung selbst war gut, sie hätte in seinem Geist um sich gegriffen, sie konnte alles darin verändern. Dieser Mensch hätte gelernt zu verzichten. Ich weiß es nicht«, sagte Marie, »aber wie er dort liegt, fängt vielleicht auch für ihn ein neues Leben an.«

Sie sagte: »Glaube mir, es kommt auf persönliche Besserung an. Grundsätze sind bestreitbar. Persönliche Besserung ist unbestreitbar.«

Sie betrachtete ihn und sagte: »Du, auf den ich stolz bin!« Aber sie sah ihn immer unruhiger werden, sie gab ihm den Weg frei. »Suche die Prinzessin! Findest du sie nicht? Dann schläft sie wohlbehalten zu Hause in ihrem Bett.«

Er begriff den Zusammenhang, er stürzte sich über ihre Hände.

»Auch noch dies tatest du für mich! Ich habe dir heute kein Wort gesagt – denn es wäre zu viel, was ich sagen will, mein Dank hört nicht auf. Weißt du die Zeit, als ich für die Prinzessin nicht viel mehr fühlte als das Mitleid, dessen ich selbst damals bedurfte? Ich liebe meine Braut, ich brauche keine Stütze mehr. Ich selbst kann viel tragen.«

»So bin ich überflüssig geworden«, sagte Marie heiter, »um so leichter kann ich meiner Wege gehn. Ich will dir gestehn: mein Haus ist verkauft.« Hier zögerte sie. »Nichts hält mich mehr. Ich reise. Wir sehen uns heute zuletzt.« Jetzt war Mühsal zu hören.

»Nein, bleibe! Warum bleibst du nicht?«

Er streckte die Arme aus – erblickte aber von neuem ihr verändertes Gesicht, die Augen, die nichts um sich her mehr kennen wollten … Er murmelte: »Wir hätten dich so lieb gehabt.« Noch leiser, als wagte er es nicht mehr:

»Mutter!«

So schwach es kam, dies Wort schnitt sie ihm ab.

»Das war. Jetzt weiß ich, daß ich geirrt habe, aber es war unser Glück, unser großes Glück. Du bist nicht mein Sohn. Nur das Kind meines Herzens bist du wirklich. Sei nicht traurig, Valentin!«

Denn er sah nieder, sogar eine Träne rann hervor, stille Klage um entschwundene Täuschungen. Sie waren schon entschwunden, er wußte nicht mehr, wann und wie. Der Glaube an seine fremde Mutter hatte ihn verlassen, ihm war davon sogar leichter. Nur blieb noch Trauer. Der junge Valentin dachte schon nicht mehr an die abgetanen Kämpfe, was alles ihre beiden Herzen erfahren hatten. Marie ging ihm dahin wie eine Wolke mit Menschengesicht.

Indes er aber niedersah, vergaßen sich ihre Augen und ruhten auf ihm mit Entzücken. Sie glaubte in dieser Minute nicht mehr, sie habe geirrt, habe gekämpft, gesündigt und gebüßt. Noch einmal erblickte Marie ihr Kind wie vor dem Beginn des Lebens, im Augenblick der Geburt. Es gehört dir ewig, kaum erst haben Geburt und Beginn des Lebens die Ewigkeit unterbrochen … In diese Augen sah Valentin, als er aufsah.

Gleich nachher läutete das Telephon. Valentin ging zum Schreibtisch, es war die Prinzessin. Sie erzählte von der Hilfe Maries. Sie war gerettet, sie wollte gewiß sein, es stehe auch um ihn gut. Sie rief ihn, als könne er sogleich ihre Tür öffnen. Sie stammelte Worte, als läge sie an seiner Brust. Endlich wollte sie auch Marie hören. »Rufe sie!«

»Sofort«, sagte Valentin. Aber dort stand Marie nicht mehr. Er ging in das nächste Zimmer und noch in eins – immer schweigend, denn er wußte nicht mehr, mit welchem Namen sie zu rufen sei. Zuletzt gelangte er in den Vorraum, er fand sie nicht. Er beugte sich über die Treppen – nicht einmal eine Tür fiel zu hinter Marie.

»Sie ist fort«, sagte er seiner Prinzessin.

»Komm!« antwortete sie.

Da atmete Valentin schwerer, noch konnte er nicht sprechen. Er fühlte auf einmal, daß eine Kraft ohnegleichen ihn verlassen habe und daß er nur gerade genug haben werde an all seinen Mut.

»Komm!« sagte seine Prinzessin.

»Ich komme!« rief Valentin.

 


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