Lukian
Hetärengespräche
Lukian

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Leontichus, Chenidas und Hymnis

Leontichus: Aber nun vollends in dem Treffen gegen die Galater – das soll euch Chenidas erzählen, wie ich da vor allen unsern Reitern auf meinem weißen Rosse angesprengt kam und die Galater, wiewohl es ihnen sonst an Mut nicht fehlt, sobald sie mich erblickten, zu zittern anfingen und kein einziger Mann mehr in Reih und Glied stehenblieb. Nun schleuderte ich meinen Wurfspieß und schoß den Anführer ihrer Kavallerie und sein Pferd durch und durch; auf den Rest aber, der noch Miene machte, standhalten zu wollen (denn wiewohl die ganze Phalanx gesprengt war, so blieben doch noch einige und versuchten, sich in eine Kolonne zu formieren), stürme ich mit gezücktem Schwert und so wütend los, daß ich durch den bloßen Stoß meines Pferdes die sieben vordersten von ihnen übern Haufen werfe, während ich mit meinem Degen einem Rittmeister den Schädel auf einen Hieb entzweispalte. Bald darauf rücktet ihr andern auch an, Chenidas, fandet aber nichts mehr zu tun, als den Fliehenden nachzusetzen.

Chenidas: Und was für Wunder, Leontichus, tatest du nicht erst in dem Zweikampf mit dem Satrapen an der Grenze von Paphlagonien?

Leontichus: Gut, daß du mich daran erinnerst! Ich muß selbst gestehen, es war keine von meinen schlechtesten Taten. Der Satrap, ein Mann von gigantischer Statur und der für den besten Fechter in der ganzen feindlichen Armee passierte, dabei ein großer Verächter von allem, was Griechisch heißt, war trotzig vor die Front geritten und hatte einen jeden von uns, der das Herz hätte, sich mit ihm zu messen, herausgefordert. Alles erschrak über diese Ausforderung, Obersten, Generale und der Oberfeldherr selbst – ein Aetolier namens Aristächmus, ein Mann, dem es nicht an Bravour fehlte, und der beste Lanzenwerfer in der ganzen Armee. Ich kommandierte damals nur tausend Mann; aber das Herz schwoll mir empor, ich stieß meine Kameraden, die mich zurückhalten wollten, auf die Seite – denn es wurde ihnen bange für mich beim Anblick des riesenmäßigen Barbaren, der in seiner vergoldeten Rüstung dastand, als ob er Strahlen von sich würfe, und mit seinem vom Helm herabwehenden Federbusch und der trotzigen Miene, womit er seine Lanze schwenkte, in der Tat ein fürchterliches Ansehen hatte.

Chenidas: Ich muß gestehen, auch mir wurde damals angst für dich, Leontichus; du wirst dich erinnern, wie viele Gewalt ich anwandte, dich zurückzuhalten, wie ich dich bat, dich nicht für andere in Gefahr zu begeben! Denn was hätte mir das Leben helfen können, wenn du gestorben wärest?

Leontichus: Aber, wie gesagt, das Herz schwoll mir hoch empor, und ich trat mitten zwischen beide Heere hervor, nicht schlechter bewaffnet als der Paphlagonier, sondern ebenfalls von Kopf zu Fuß in Gold. Sogleich erhob sich ein großes Geschrei von seiten der Unsrigen sowohl als der Barbaren; denn auch diese erkannten mich stracks an meinem runden Schild, an meinem Waffenschmuck und an meinem Helmbusche. Wem, sagte man, daß ich da gleichgesehen hätte, Chenidas?

Chenidas: Wem anders, beim Jupiter, als jenem berühmten Sohne der Thetis und des Peleus, dem großen Achilles? Man hätte sich verschworen, du wärest es selbst, so ein heldenmäßiges Ansehen hattest du in deinem Helm, in deinem purpurnen Kriegsrock und dem blitzenden Schild am Arme!

Leontichus: Nun gingen wir aufeinander los, und es glückte dem Barbaren, mir zuerst eine kleine Wunde beizubringen, indem er mich ein wenig überm Knie, wiewohl nur ganz leicht, mit seinem Wurfspieß streifte; ich aber stoße ihn mit meinem langen mazedonischen Speer durch seinen Schild mitten in die Brust; er fällt, ich laufe hinzu, haue ihm mit meinem breiten Schwert den Kopf ab und kehre im Triumph, mit seinen Waffen und mit dem Kopfe des Prahlers auf der Spitze meines Speers, über und über von seinem Blute triefend, zu den Meinigen zurück.

Hymnis: (zusammenfahrend) Gott bewahre! Was für schreckliche und abscheuliche Dinge erzählst du von dir selbst, Leontichus? Wer wollte einen Mann, der solche Freude an Blut hat, nur ansehen, geschweige mit ihm essen und trinken und bei ihm schlafen können?

Leontichus: Ich bezahle dich doppelt.

Hymnis: Ich kann unmöglich bei einem solchen Mörder schlafen!

Leontichus: Fürchte dich nicht, Hymnis! Das alles ist in Paphlagonien geschehen; jetzt bin ich der friedfertigste Mann von der Welt.

Hymnis: Aber du bist mit einem Mord verunreinigt! Das Blut von dem Kopfe des Barbaren, den du auf deinem Speer trugst, ist auf dich herabgetropft, und ich sollte einen solchen Mann umarmen und küssen? Das wollen die Grazien verhüten! Er ist ja um nichts besser als der Scharfrichter!

Leontichus: Ich würde dir gewiß gefallen, wenn du mich in meiner Rüstung sehen würdest!

Hymnis: Wenn ich nur davon reden höre, kehrt sich mir alles im Leibe um, die Haut schaudert mir, und mich deucht, ich sehe die blutigen Gespenster der Ermordeten, besonders des armen unglücklichen Rittmeisters, dem du den Kopf gespalten hast. Wie wär' es erst, wenn ich die Sache selbst und das viele Blut und die herumliegenden Toten sähe! Ich hätte den Tod davon, ich, die nicht einmal einen Hahn abwürgen sehen kann.

Leontichus: Ei, ei, Hymnis! Bist du denn sogar feigherzig und von so kleiner Seele? Ich dachte, dir mit meiner Erzählung noch viel Vergnügen zu machen.

Hymnis: Da mußt du dir Lemnierinnen oder DanaidenDie 50 Töchter des Danaus, die (bis auf eine) ihre Männer auf Befehl ihres Vaters in der ersten Hochzeitsnacht ermordeten, sind bekannt. Gleicherweise hatten die Weiber in der Insel Lemnos, zur Zeit der Argonautischen Fahrt nach Kolchis, einer allgemeinen Abrede gemäß ihre Männer aus Eifersucht in einer Nacht umgebracht (die einzige, Hypsipile, rettete dem Könige Thoas, ihrem Vater, das Leben), so daß die Argonauten, wie sie zu Lemnos anlandeten, die ganze Insel bloß mit Weibern besetzt, diese letzteren aber (deren Männerhaß sich inzwischen ziemlich abgekühlt hatte) nicht abgeneigt fanden, zur Verhütung einer gänzlichen Entvölkerung ihres Landes die gehörigen Maßregeln mit ihnen zu nehmen. suchen, wenn es anders noch dergleichen gibt: ich eile zu meiner Mutter zurück, weil es noch Tag ist. – Komm du mit, Gramme! Und du, tapferster aller Chiliarchen, lebe wohl, und schlage so viele Köpfe ab, als dir beliebt; ich will den meinigen in Sicherheit bringen.

Leontichus: Holla! Wohin, Hymnis? So bleibe doch! – Wahrhaftig, sie ist fortgelaufen.

Chenidas: Du hast aber auch dem guten Mädchen mit deinem wehenden Federbusch und den unglaublichen Mordgeschichten gar zu Angst gemacht! Ich sah gleich, wie sie blaß wurde, da du noch an dem Rittmeister warst, und wie sie zusammenfuhr und sich schüttelte, da du ihm den Schädel entzweispaltetest.

Leontichus: Ich bildete mir für gewiß ein, das würde mich desto liebenswürdiger in ihren Augen machen. Aber du bist allein an meinem Unglück schuld, Chenidas. Warum mußtest du mir auch den verwünschten Zweikampf in den Weg werfen?

Chenidas: Ich mußte dir ja doch wohl lügen helfen, da ich sah, was du mit deinen Aufschneidereien wolltest. Aber du hättest es nicht so gar arg machen sollen! Wenn dem armen Paphlagonier doch ja der Kopf abgehauen werden mußte, so hättest du ihn wenigstens nicht auf den Spieß stecken und das Blut auf dich heruntertriefen lassen sollen.

Leontichus: Das war in der Tat zu arg, du hast recht, Chenidas; aber das übrige klang doch so übel nicht. Lauf also und wende alles bei ihr an, daß sie diese Nacht mit mir passiert.

Chenidas: Soll ich sagen, es sei an allem kein wahres Wort? Du habest bloß deine Tapferkeit in Kredit bei ihr setzen wollen?

Leontichus: Davon hätt' ich wenig Ehre, Chenidas, das geht nicht an.

Chenidas: Anders kommt sie dir gewiß nicht. Wähle also, was du lieber willst: entweder ihren Abscheu mit der Meinung, daß du eine große Kriegsgurgel seiest, oder zu bekennen, daß du gelogen hast, und Hymnis zur Schlafgesellin zu haben?

Leontichus: Die Wahl ist schwer – aber Hymnis schlägt doch vor! Geh also und sag ihr – was du willst, nur nicht, daß alles erlogen sei!


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