Lukian
Hetärengespräche
Lukian

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Dorkas, Pannychis, Philostratus und Polemon

Dorkas: Wir sind verloren, Frau, wir sind verloren! Polemon ist aus dem Kriege wiedergekommen und bringt großes Geld mit sich, wie es heißt. Ich selbst habe ihn gesehen; er trug ein mit Purpur besetztes und mit einer prächtigen Agraffe zusammengeschnalltes Kriegskleid und hatte eine Menge Bediente hinter sich her. Während nun seine Freunde, sobald sie ihn erblickten, herbeieilten und ihn begrüßten, machte ich mich an einen von seinen Nachtretern, der mit ihm außer Landes gewesen war, grüßte ihn bei seinem Namen und fragte, wie es ihnen ergangen sei und ob sie auch etwas, das sich der Mühe, seinen Hals zu wagen, verlohne, aus dem Kriege mitgebracht hätten.

Pannychis: Du hättest nicht gleich so herausplatzen sollen. »Oh! allen Göttern und vor allem dem Jupiter Xenius und der Minerva StrateiaDiese Minerva Strateia scheint von der eigenen Erfindung der Pannychis zu sein; wenigstens findet sie sich sonst nirgends mit diesem soldatischen Beinamen. sei Dank, daß sie Euch wieder glücklich zu uns zurückgebracht haben! Meine Frau war immer in großer Unruhe Euretwegen. ›Wie mag es ihnen jetzt gehen?‹ fragte sie alle Augenblicke, ›wo mögen sie sein?‹« – So was solltest du gesagt haben, und hättest du noch hinzugesetzt: »Die arme Frau weinte so viel um Euch! Hatte immer den Namen ihres Polemon im Munde!« – so wär' es noch desto besser gewesen.

Dorkas: Das hab' ich alles vorangeschickt; ich wollte es nur bei dir nicht wiederholen, um desto geschwinder auf das zu kommen, was er mir sagte. Eigentlich fing ich so an: »Nun, Parmeno, haben Euch die Ohren nicht recht oft geklungen? Meine Gebieterin konnte an nichts anderes denken als an Euch; sie hat was Ehrliches um Euch geweint, sonderlich, wenn jemand aus einem Treffen zurückkam, wo viele Menschen geblieben sein sollen. Wie raufte sie sich nicht die Haare aus dem Kopf! Wie zerschlug sie nicht ihren Busen, sooft eine Botschaft ankam, ohne ihr von ihrem lieben Polemon Nachricht zu bringen!«

Pannychis: Bravo! So war's recht!

Dorkas: Und erst, nachdem ich das alles gesagt hatte, tat ich die besagte Frage an ihn. »Wir kommen in sehr glänzenden Umständen zurück«, war seine Antwort.

Pannychis: Also auch ohne Eingang? Ohne etwas davon zu erwähnen, wie fleißig Polemon an mich gedacht hat, wie er sich nach mir gesehnt und wie viele Gelübde er getan habe, mich gesund wiederzusehen?

Dorkas: O gewiß sagte er viel dergleichen, das versteht sich. Aber die Hauptsache war doch immer, was er mir von dem großen Reichtum, dem vielen Golde und Elfenbein und den kostbaren Kleidern und der Menge von Sklaven, so sie mitgebracht hätten, erzählte; das Silber betreffend, dessen habe er so viel, daß es nicht gezählt, sondern mit dem Scheffel gemessen werde, und es mache deren eine große Zahl aus. Parmeno selbst hatte am kleinen Finger einen sehr großen vieleckigen Ring mit einem Rubin von der Sorte, die in dreierlei Farben spielt. Der Mensch hatte eine so große Lust, mir von ihren Taten zu erzählen, daß ich ihm eine gute Weile zuhören mußte, wie sie, nach ihrem Übergang über den Halys, einen gewissen Teridates ins Gras gestreckt, und wie tapfer Polemon sich in einem Treffen gegen die Pisidier gehalten: aber endlich macht' ich mich doch von ihm los und lief, was ich konnte, um dir von dem allen Nachricht zu bringen, damit du deine Maßregeln darnach nehmen könntest. Denn wenn Polemon käme (und er kommt ganz gewiß, sobald er sich von seinen Freunden losreißen kann) und er fände den Philostratus, von dem er vielleicht schon was erfahren hat, bei uns: was meinst du wohl, was er dazu sagen würde?

Pannychis: Hilf mir, auf ein Mittel denken, Dorkas, uns aus dieser Verlegenheit zu retten! Denn daß wir diesen fortschicken sollten, der ein reicher Kaufmann ist und mir kaum tausend Taler ausgezahlt hat und noch viel mehr verspricht, das wäre nicht schön; hingegen wär es ebensowenig nützlich, den wiedergekommenen Polemon nicht anzunehmen, zumal, da er sehr eifersüchtig ist. Er war es schon auf eine ganz unerträgliche Art, da er noch arm war: was würde er sich nicht erst in seinen jetzigen Umständen erlauben?

Dorkas: Alles Überlegen hat ein Ende; ich seh' ihn schon kommen!

Pannychis: Ach, Dorkas, die Sinne vergehen mir vor Angst, ich zittere an allen Gliedern.

Dorkas: Zu allem Unglück kommt auch Philostratus.

Pannychis: Was soll ich anfangen? Oh, daß die Erde sich unter mir auftäte.

Philostratus: Nun, Pannychis, wir trinken doch eins miteinander?

Pannychis: (heimlich zu Philostratus) Du stürzest mich ins Verderben! (Laut zu Polemon) Sei mir gegrüßt, Polemon! Du hast uns lange auf dich warten lassen.

Polemon: Aber wer ist denn der da, der hier so bekannt tut? – Du schweigst? – Vortrefflich! – Aus meinen Augen, Pannychis! Und um eines solchen Weibstücks willen fliege ich in fünf Tagen von Pylä hierher! Aber mir geschieht recht, und ich danke dir noch dafür; nun bin ich doch sicher, daß du mich nicht plündern sollst!

Philostratus: Und wer bist denn du, mein schöner Herr?

Polemon: So wisse denn, weil du es nicht weißt, ich bin Polemon von Stiria aus dem Pandionischen Stamme, ehemals Oberster über tausend, dermalen über ein Corps von fünftausend Mann und der Liebhaber dieser Pannychis, wie ich noch eine bessere Meinung von ihrem Verstand hatte.

Philostratus: Aber so, wie sie jetzt ist, Herr Oberster, ist sie mein und hat tausend Taler dafür von mir empfangen und soll noch tausend bekommen, wenn ich meine Schiffsladung abgesetzt haben werde. Für jetzt folge du mir, Pannychis, und schicke diesen Herrn zu den Odrysiern, wo er so viele Tausende kommandieren mag, als er Lust hat.

Dorkas: Meine Gebieterin ist eine freie Person, sie wird folgen, wenn es ihr beliebt.

Pannychis: (leise zu Dorkas) Rate mir, was soll ich tun?

Dorkas: Das Beste wird immer sein, hineinzugehen. Es schickt sich nicht, daß du dem Polemon, so aufgebracht, als er ist, länger vor den Augen bleibest; seine Eifersucht würde dadurch nur immer höher gespannt werden.

Pannychis: (zu Philostratus) Wenn du willst, so gehen wir hinein.

Polemon: Ihr sollt heute euer Letztes trinken, das versichere ich euch, oder ich müßte mich vergebens bei so vielen Mordgelegenheiten in der Kunst geübt haben. He, Parmeno, die Thrazier!

Parmeno: Sie sind schon alle unterm Gewehr: sie haben in einer Phalanx das ganze Gäßchen besetzt. Die schwere Infanterie macht die Fronte, die Schleuderer und Bogenschützen sind auf beiden Flügeln verteilt, und die übrigen stehen im Hintertreffen.

Philostratus: (zu Polemon) Solches Zeug muß er Kindern vorsagen, Herr Kriegsknecht. Meint er etwa, daß er den Popanz mit uns spielen könne? Du Großprahler! Du hättest in deinem ganzen Leben nur einen Gockelhahn totgemacht? Du hättest dem Krieg ins Gesicht gesehen, du? Höchstens bist du auf irgendeiner alten Burg mit sieben Mann in Garnison gelegen, und vermutlich erweis' ich dir schon zu viel Ehre, da ich dir so viel einräume.

Polemon: Das wirst du bald erfahren, wenn du uns mit vorgestreckten Speeren in blinkender Rüstung anrücken sehen wirst.

Philostratus: Kommt nur alle in Schlachtordnung herbei; ich und dieser Tibys hier, der einzige Bediente, den ich bei mir habe, wollen euch mit Steinen und zerbrochenen Töpfen dermaßen auseinanderstöbern, daß ihr nicht wissen sollt, wohin ihr euch verkriechen wollet.


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