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Vorwort

Dieses Buch stellt weder die Wilhelminische Epoche dar noch die ganze Geschichte ihres Führers: nur ein Bildnis Wilhelms des Zweiten.

Daß es zu solcher Zeichnung zu früh sei, sollte man nicht behaupten: in den sieben Jahren seit seiner Abdankung hat das Tempo unserer Zeit, hat die Umwälzung der Staatsform mehr Dokumenten zum Licht verholfen, als früher sieben Jahrzehnte bringen konnten. Diese Jahre haben mit etwa zwanzig deutschen Memoiren und mit der großartigen Aktensammlung des Auswärtigen Amtes das meiste von dem freigelegt, was bisher verschwiegen wurde; an der Klarheit dieser Dokumente könnte selbst das einzige in der Kette fehlende Glied, ein Buch des Fürsten Bülow wenig ändern.

Über Wilhelm den Zweiten wissen wir also heute nicht zu wenig, wir wissen zu viel. Der Darsteller muß die Fülle der Einzelheiten vergessen, die er als Zeitgenosse sah und hörte, auf hundert Anekdoten verzichten, die ein künftiger Historiker wieder benutzen darf. Wir jedenfalls haben, um der Gerechtigkeit willen, von des Kaisers Gegnern keinen zu Worte kommen lassen, sondern sein Bild ausschließlich aus seinen eigenen Taten und Worten und aus den Berichten der Seinigen aufgebaut, die auf alle psychischen Fragen erstaunlich ähnliche Antworten geben. In den folgenden Blättern wird man weder sozialistische noch ausländische Stimmen reden hören: nur den Kaiser, seine Verwandten und Freunde, seine Kanzler, Minister, Generale, Hofleute und Beamten.

Alle diese Dokumente und Berichte finden sich in den bekannten Werken. Sie sind als Quellen zuweilen reichlicher zitiert, als der Fluß der Darstellung es erwünscht machte; in diesem besonderen Falle mußte der Historiker oft sein sammelndes Urteil hinter den einzelnen Aussagen der Augenzeugen zurückstellen, um dem Vorwurf parteilicher Deutung zu entgehen. Das einzige, was sich der Autor bisweilen erlaubt, ist die Umwandlung von Gesprächen aus der überlieferten indirekten Form in die des Dialoges. Nur weniges beruht auf mündlichen Mitteilungen der handelnden Personen. Die Kriegsjahre, deren Zeuge auch der jüngste Leser war, sind am kürzesten behandelt; dort lief nur logisch ab, was psychologisch vorbereitet war.

Hier ist der Versuch gemacht, aus den Charakterzügen eines Monarchen unmittelbar die weltpolitischen Folgen, aus seinem Wesen das Schicksal seines Volkes zu entwickeln. Durch die Darstellung dieses Menschenlebens soll dabei zweierlei deutlich werden:

Man möge erkennen, was aus einem geistig begabten, körperlich geschwächten, vom besten Willen beseelten Jüngling werden kann, wenn er aus harten Erfahrungen der Jugend plötzlich zur Macht gelangt und niemand findet, der ihm die Wahrheit sagt. So kann das Gesetz der Sukzession einen jungen Menschen, unzeitgemäß erzogen, zu früh an eine Stelle führen, wo er als Herr unter Höflingen zur Überschätzung und Autokratie getrieben, wird. Ferner soll man erkennen, daß dieses Fürsten Meinung und Wille ein Menschenalter lang in allen Lebensfragen seiner Nation entscheidend wurde, daß kein vitales Problem im Frieden wie im Kriege ohne oder gar gegen ihn gelöst worden ist.

So wird die Gestalt eines Mannes vor uns erstehn, mit dem ein tüchtiges Geschlecht nur deshalb zu Ende ging, weil er in seinem Volke keinen Widerstand fand, an dem er reifen konnte.

 

Abkürzungen der häufig zitierten Werke:

AKTEN, Die diplomatischen, des Auswärtigen Amtes (Die Große Politik der europäischen Kabinette 1871-1914). Band I – XXV. Berlin 1921-1925. Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte ... A

BISMARCK. Gedanken und Erinnerungen. Band III. Stuttgart 1921. J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nfl. ... B

DOKUMENTE, Die deutschen, zum Kriegsausbruch. Berlin 1919. Deutsche Verlagsgesellschaft f. Politik u. Geschichte ... D

EULENBURG-HERTEFELD, Fürst Philipp zu. Aus 50 Jahren. Berlin 1923. Gebrüder Paetel ... E

– – Haller, Prof. Dr. Johannes. Philipp Eulenburg-Hertefeld. Berlin 1924. Gebrüder Paetel ... E2

ECKARDSTEIN, Hermann Freiherr von. Lebenserinnerungen und politische Denkwürdigkeiten. Leipzig 1919/20. Band I – III. Paul List Verlag ... Eck

HOHENLOHE-SCHILLINGSFÜRST, Fürst Chlodwig zu. Denkwürdigkeiten. Stuttgart 1907. 2. Bd. Deutsche Verlags-Anstalt ... Ho

HOHENLOHE, Prinz Alexander von. Aus meinem Leben. Frankfurt a. M. 1925 ... Al

LUCIUS VON BALLHAUSEN. Bismarck-Erinnerungen. Stuttgart 1920. J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nfl. ... L

MOLTKE, Helmuth von. Erinnerungen, Briefe, Dokumente 1877-1916. Stuttgart 1922 ... M

SCHWERTFEGER, Bernhard. Die politischen und militärischen Verantwortlichkeiten im Verlaufe der Offensive von 1918. Band II der vierten Reihe im Werk des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Berlin 1925. Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte ... S

TIRPITZ, Alfred von. Erinnerungen. Leipzig 1919/20. K. F. Koehler ... T

WALDERSEE. Denkwürdigkeiten Generalfeldmarschalls Alfred v. Waldersee. Stuttg. 1922/23. Deutsche Verl.-Anst ... W

ZEDLITZ-TRÜTZSCHLER, Graf Robert v. Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof. Stuttgart 1923. Deutsche Verl.-Anst ...


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