Jack London
Lockruf des Goldes
Jack London

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Zehn Tage später kamen Harper und Joe Ladue nach Sixty Mile, und Daylight, der zwar noch ein wenig schwach, aber doch stark genug war, der Stimme seines Innern zu gehorchen, tauschte ein Drittel von seinen Grundstücken am Stewart gegen ein Drittel der ihren am Klondike ein.

Sie glaubten fest an das Oberland, und Harper wollte auf einem Floß mit Proviant und anderm Bedarf den Fluß hinunterfahren, um eine kleine Poststation an der Mündung des Klondike zu errichten.

»Warum nimmst du nicht den Indian-River in Angriff, Daylight?« meinte Harper beim Abschied. »Da gibt es massenhaft Bäche und Wasserläufe, und das Gold schreit nur danach, daß man es holt. Das ist meine Chance. Da kommt einmal ein großer Goldfund, und der Indian-River ist nicht aus der Welt.«

»Und es wimmelt da von Elchen«, fügte Joe Ladue hinzu. »Bob Henderson ist nun seit drei Jahren da irgendwo herum. Er schwört darauf, daß sich Großes dort ereignen wird. Er lebt ausschließlich von Elchfleisch und sucht wie ein Verrückter nach Gold.«

Daylight entschloß sich, sein Glück am Indian-River zu versuchen, konnte aber Elijah nicht überreden, ihn zu begleiten. Elijahs Seele war durch den Hunger gezeichnet, und nichts hätte vermocht, daß er sich einer Wiederholung aussetzte.

»Ich mag mich nicht so weit vom Brotbeutel entfernen««, erklärte er. »Ich weiß, daß es der reine Wahnsinn ist, aber ich kann mir nicht helfen. Ich kann erst vom Tische aufstehen, wenn ich so satt bin, daß ich beinahe platze und keinen Bissen mehr herunterkriege. Ich will nach Circle City zurück und mich dort herausfüttern, bis ich wieder ganz gesund bin.«

Daylight blieb noch ein paar Tage, sammelte neue Kräfte und traf seine einfachen Vorbereitungen. Er gedachte, wie die Indianer mit leichtem Gepäck zu reisen und jeden seiner Hunde dreißig Pfund tragen zu lassen, Im Vertrauen auf Ladues Bericht wollte er Bob Hendersons Beispiel folgen und ausschließlich von Fleisch leben. Als Jack Kearn's Schute, mit der Sägemühle von Linderman-See beladen, bei Sixty Mile anlegte, brachte Daylight schleunigst seine Ausrüstung und seine Hunde an Bord, überschrieb seine Grundstücke am Stewart Elijah, damit er sie einregistrieren lassen konnte, und landete noch am selben Tage an der Mündung des Indian-River.

Vierzig Meilen flußaufwärts, an der ihm als Quartz Creek beschriebenen Stelle, fand er Spuren von Bob Hendersons Tätigkeit. Eine Woche nach der andern verging jedoch, ohne daß Daylight den andern getroffen hätte. Dagegen traf er Elche in großen Mengen, und er wie seine Hunde gediehen prächtig bei der reichen Kost. Er fand Gold, wenn auch nicht sehr viel, und das reichliche Vorhandensein verstreuten Goldstaubes im Schlamm und auf dem Grunde vieler Bäche überzeugten ihn mehr als je, daß grobes Gold in großen Mengen da war und nur darauf wartete, gehoben zu werden. Oft suchte sein Blick die Hügelreihe im Norden, und er grübelte darüber, ob das Gold wohl dorther käme. Zuletzt folgte er dem Lauf des Dominion Creek bis zur Quelle, überschritt die Wasserscheide und kam an den Nebenfluß des Klondike, der später den Namen Hunter Creek erhalten sollte. Wenn er bei der Wasserscheide weitergegangen wäre und die hohe Bergkuppel rechts gelassen hätte, so würde er nach Gold Bottom gelangt sein und Bob Henderson dabei gefunden haben, wie er das erste Gold in größeren Mengen auswusch, als je bis dahin am Klondike gefunden worden war. Statt dessen setzte Daylight aber seinen Weg den Hunter aufwärts zum Klondike fort, bis er an das Sommerfischerlager der Indianer am Yukon kam.

Hier machte er einen Tag bei Carmack, der mit einer Indianerin verheiratet war, und seinem Schwager Skookum Jim halt, kaufte ein Boot und ließ sich mit seinen Hunden den Yukon hinunter bis nach Forty Mile treiben. Es war gegen Ende August, die Tage begannen kürzer zu werden, der Winter näherte sich. Immer noch glaubte er felsenfest, daß im Oberland Gold zu finden wäre, und gedachte mit fünf, sechs Mann, und wenn das nicht möglich war, wenigstens mit einem Partner den Fluß hinaufzufahren, ehe er zufror, um im Winter Untersuchungen anzustellen. Aber die Männer in Forty Mile hatten kein Vertrauen zu seinem Plan und begnügten sich mit den Minen im Westen.

Da kamen Carmack, sein Schwager Skookum Jim und ein anderer Indianer namens Cultus Charlie in einem Kanu nach Forty Mile, gingen sofort zum Registrator und ließen sich drei Claims und einen Entdeckerclaim am Bonanza Creek einregistrieren. Und am selben Abend zeigten sie der ungläubigen Versammlung im Sourdough Saloon Goldkörner. Man grinste und schüttelte die Köpfe. Wußte man doch, wie so etwas in Szene gesetzt wurde. Es war ein zu offensichtlicher Trick von Harper und Joe Ladue, die auf diese Weise Menschen in die Nähe ihrer Grundstücke und ihrer Poststation locken wollten. Und wer war Carmack? Ein Squawmann. Hatte man je gehört, daß der Mann einer Indianerin etwas geleistet hatte? Und was war Bonanza Creek? Nichts als eine Elchweide an der Mündung des Klondike und seit alters her bekannt unter dem Namen Rabbit Creek. Würden Daylight und Bob Henderson sich Claims einregistrieren lassen und Goldkörner gezeigt haben, so hätte man doch gewußt, daß etwas an der Sache war. Aber Carmack, der Squawmann! Und Skookum Jim! Und Cultus Charlie! Nein, nein, das war denn doch zuviel verlangt.

Selbst Daylight war skeptisch, und das trotz seines Glaubens an das Oberland. Hatte er nicht erst vor wenigen Tagen Carmack gesehen, wie er sich mit seinen Indianern herumtrieb, ohne auch nur im entferntesten an Goldsuchen zu denken? Aber um elf Uhr um selben Abend, als er auf seinem Bettrand saß und sich die Mokassins aufschnürte, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er zog seine Jacke an, setzte seinen Hut auf und ging in die Gaststube. Carmack war noch da und zeigte immer noch der ungläubigen Menge sein Gold. Daylight ging hin, nahm Carmacks Beutel und entleerte ihn in einen Schmelztiegel. Er untersuchte lange. Dann nahm er einen anderen Schmelztiegel, schüttete ein paar Unzen von Circle City und Forty Mile aus seinem eigenen Beutel hinein. Wieder untersuchte er es lange und verglich beides miteinander. Schließlich steckte er sein eigenes Gold wieder in die Tasche, gab Carmack das seine zurück und hob die Hand, um Schweigen zu gebieten.

»Jungens, ich will euch was erzählen«, sagte er. »Es ist da – der große Fund oben am Fluß. Und ich sag' euch mit reinen Worten: Gold wie dies ist noch nie in einem Schmelztiegel hier im Land gewesen. Es ist neues Gold. Es ist mehr Silber drin. Ihr könnt es an der Farbe sehen. Carmack hat Gold gefunden, das ist sicher. Wer getraut sich, mit mir zu gehen?«

Keiner wollte. Statt dessen erklangen Gelächter und höhnische Zurufe.

»Du hast wohl selbst Grundstücke da oben«, meinte einer.

»Allerdings«, lautete die Antwort. »Und außerdem ein Drittel von Harpers und Ladues Grundstücken. Und ich seh' schon im Geist, wie ich meine Eckgrundstücke für viel mehr verkaufe, als ihr je verdient habt mit eurer Buddelei am Birch Creek.«

»Das mag schon richtig sein, Daylight«, warf Curly Parson beruhigend ein. »Du hast einen guten Namen, und wir wissen, daß man sich auf dich verlassen kann. Aber du kannst dir ebensogut wie ein anderer von diesen Taugenichtsen etwas aufbinden lassen. Ich frage dich geradeheraus: Wann hat Carmack das hier gesucht? Du hast ja selbst gesehen, wie er sich im Lager herumtrieb und mit seinen Siwash-Verwandten Lachse fischte, und das erst vor ein paar Tagen.«

»Und doch hat Daylight die Wahrheit gesprochen«, fiel Carmack ihm heftig ins Wort. »Und es ist Wahrheit, was ich sage, die reine Wahrheit. Ich habe gar nicht ans Goldsuchen gedacht. Aber wer kommt am selben Tage, als Daylight abreiste? Bob Henderson. Mit einem großen Floß mit Proviant und allem möglichen. Er wollte nach Sixty Mile hinunter. Und dann wollte er zurück und den Indian-River hinauf mit Proviant über die Wasserscheide zwischen Quartz Creek und Gold Bottom –«

»Wo zum Teufel ist Gold Bottom?« fragte Curly Parson.

»Drüben auf der anderen Seite von Bonanza – der frühere Rabbit Creek«, fuhr der Squawman fort. »Es ist der Lauf eines großen Flusses, der in den Klondike fließt. Auf dem Wege stieg ich hinauf, aber zurück ging ich über die Wasserscheide und hielt mich einige Meilen auf dem Kamme, bis ich nach Bonanza kam. ›Komm mit, Carmack, und steck' das Land ab‹, sagte Bob Henderson zu mir. ›Diesmal hab' ich Gold gefunden in Bottom. Fünfundvierzig Unzen hab' ich schon herausgeholt.‹ Und ich ging mit, und Skookum Jim und Cultus Charlie auch. Und wir haben alle am Gold Bottom Land abgesteckt. Ich kam über Bonanza zurück, um zu sehen, ob keine Elche zu finden waren. Ganz unten bei Bonanza machten wir halt und kochten ab. Ich lege mich schlafen, und was macht Skookum Jim? Fängt auf eigene Faust an, Gold zu graben. Er hatte es Henderson abgesehen, wißt ihr. Geht zum Fuß einer Birke, füllt die Pfanne mit Schlamm, und als er ihn ausgewaschen hat, hat er für einen Dollar Goldkörner. Da weckte er mich, und ich machte mich auch an die Arbeit. Beim ersten Versuch kriegte ich zweieinhalb. Da nannte ich den Bach ›Bonanza‹, steckte den Boden ab, und wir kamen her, um ihn einregistrieren zu lassen.«

Er blickte eifrig von einem zum andern, ob er Glauben finden würde, aber seine Augen trafen nur ungläubige Gesiechter – mit der einzigen Ausnahme von Daylight, der ihn während seiner Erzählung scharf beobachtet hatte.

»Wieviel haben Harper und Ladue dir gegeben, damit du einen Massenzustrom machst?« fragte einer.

»Sie wissen gar nichts davon«, antwortete Carmack. »Ich sag' euch ja, es ist die reine Wahrheit. Ich hab' drei Unzen in einer Stunde ausgewaschen.«

»Und hier ist das Gold«, sagte Daylight. »Ich sag' euch, Jungens, es ist noch nie solches Gold in eurer Pfanne gewesen. Seht euch die Farbe an.«

»Eine Kleinigkeit dunkler«, sagte Curly Parson. »Carmack hat wohl zufällig ein paar Silberdollar im selben Beutel gehabt. Und wenn wirklich etwas an der Sache ist, warum kommt Bob Henderson dann nicht Hals über Kopf, um einregistrieren zu lassen?«

»Er ist oben am Gold Bottom«, erklärte Carmack. »Wir machten den Fund auf dem Rückwege.«

Von neuem lohnte ihn schallendes Gelächter.

»Wer von euch will sich mit mir zusammentun und morgen in einem Boot mit mir nach diesem Bonanza fahren?« fragte Daylight.

Keiner wollte.

»Wer will mir einen Gefallen tun und tausend Pfund Proviant gegen Vorausbezahlung für mich hinauffahren?«

Curly Parson und ein anderer, Pat Monaham, erboten sich, und mit gewohnter Entschlossenheit bezahlte Daylight ihnen sofort ihren Lohn und ordnete alles bezüglich der Einkäufe an, obgleich er seinen Beutel dazu leeren mußte. Er wollte das Lokal verlassen, kehrte aber an der Tür plötzlich um und trat wieder an den Schanktisch.

»Noch eine Chance?« wurde er gefragt.

»Allerdings«, antwortete er. »Mehl wird in diesem Winter am Klondike sicher steigen, so daß man jeden Preis dafür zahlen wird. Wollt ihr mir etwas Geld leihen?«

Augenblicklich drängte sich ein Dutzend der Männer, die sich geweigert hatten, ihn zu begleiten, um ihn und streckten ihm ihre Beutel hin.

»Wieviel Mehl brauchen Sie?« fragte der Geschäftsführer der Alaska Commercial Company.

»Ungefähr zwei Tonnen.«

Die ausgestreckten Beutel wurden nicht zurückgezogen, obgleich ihre Besitzer sich eines äußerst kränkenden Heiterkeitsausbruches schuldig machten.

»Was wollen Sie mit zwei Tonnen machen?« fragte der Geschäftsführer.

»Mein Sohn«, lautete Daylights Erwiderung. »Sie sind noch nicht lange genug im Lande, um alle seine Buchten zu kennen. Ich will eine Sauerkraut- und Haarwasserfabrik gründen.«

Er lieh sich Geld von allen Seiten und engagierte und bezahlte sechs weitere Männer zum Transport des Mehles. Wieder war sein Beutel leer, und er steckte bis über die Ohren in Schulden.

Curly Parson legte mit einer verzweifelten Handbewegung den Kopf auf den Schanktisch.

»Großer Gott«, meinte er. »Was willst du bloß mit all dem Zeugs machen?«

»Das ist so einfach wie das Abc und das Einmaleins, sag' ich euch!« Daylight hob einen Finger und begann abzuzählen. »Chance Nummer eins: Ein großer Goldfund im Oberland. Chance Nummer zwei: Carmack hat ihn schon gemacht. Chance Nummer drei: Es ist gar keine Chance, sondern eine sichere Sache. Wenn eins und zwei stimmen, dann muß das Mehl mächtig im Preise steigen. Wenn ich mich auf Nummer eins und zwei einlasse, muß ich auch Nummer drei, die sichere Sache machen. Wenn ich recht habe, ist Mehl in diesem Winter nicht mit Gold aufzuwiegen. Ich sag' euch, Jungens, wenn ihr eine Chance spürt, dann sollt ihr sie ausnutzen, so gut ihr könnt. Wozu ist das Glück gut, wenn man's nicht benutzt? Und wenn ihr euch mit so was abgebt, so müßt ihr's auch gründlich, zum Donnerwetter. Ich bin seit Jahren im Lande und hab' die ganze Zeit nur auf die richtige Chance gewartet. Und nun ist sie da. Schön, ich will sie ausnutzen, das ist alles. Gute Nacht, Jungens.«

 

Dennoch glaubte man noch nicht recht an den großen Goldfund. Als Daylight mit seinem Mehlvorrat an der Mündung des Klondike eintraf, fand er die weite Ebene so öde und verlassen wie je. Unten am Flusse hatten der Häuptling Isaac und seine Indianer neben den Gerüsten, auf denen sie Lachse dörrten, ihr Lager aufgeschlagen. Auch mehrere von den alten Jungens hatten sich dort niedergelassen. Nachdem sie ihre Sommerarbeit am Ten Mile Creek beendet hatten, waren sie den Yukon hinuntergefahren, um sich nach Circle City zu begeben. In Sixty Mile hatten sie jedoch auf die Nachricht von dem Funde haltgemacht, um sich die Sache näher anzusehen. Sie waren gerade zu ihrem Boot zurückgekehrt, als Daylight sein Mehl landete, und ihr Bericht lautete pessimistisch.

»Verfluchte Elchweide«, sagte einer von ihnen, der lange Jim Harvey, und machte eine Pause, um in seine blecherne Teetasse zu blasen. »Gib dich nicht damit ab, Daylight. Es ist gemeiner Schwindel. Sie tun nur so, als ob sie was gefunden hätten. Harper und Ladue stehen dahinter, und Carmack ist nur der Lockvogel. Wer hätte je gehört, daß man Gold findet auf einer Elchweide zwischen Randbergen und einer Felsunterlage, die Gott weiß wie tief liegt.«

Daylight nickte zustimmend und bedachte sich dann einen Augenblick.

»Hast du versucht, zu waschen?« fragte er schließlich.

»Den Deubel habe ich gewaschen!« war die entrüstete Antwort. »Meinst du, ich bin von gestern? Nur ein verrückter Chechaquo bringt es fertig, so lange hier herumzulaufen, bis er eine Pfanne mit Dreck gefüllt hat. Für solche Narrenpossen bin ich nicht zu haben. Ein Blick hat mir genügt. Morgen früh fahren wir nach Circle City. Ich hab' übrigens nie viel Vertrauen zum Oberland gehabt. Die Tananaquelle genügt mir, und merk' dir, was ich sage: Wenn der große Fund gemacht wird, dann geschieht es ganz unten am Flusse. Johnny hat ein paar Meilen weiter abwärts Land abgesteckt, aber er ist nun auch nicht gerade ein großes Licht.«

Johnny machte ein verlegenes Gesicht.

»Ich hab's nur aus Spaß getan«, erklärte er. »Aber ich will meine Chance für ein Pfund Sterntabak verkaufen.«

»Das geb' ich dir«, sagte Daylight rasch. »Aber beklag' dich nicht hinterher, wenn ich zwanzig- und dreißigtausend heraushole.«

Johnny grinste vergnügt.

»Gib mir den Tabak«, sagte er.

»Ich wollte, ich hätte mir ein Stück daneben abgesteckt«, murmelte der lange Jim bedauernd.

»Es ist noch nicht zu spät«, erwiderte Daylight.

»Aber es sind zwanzig Meilen hin und zurück.«

»Wenn ich morgen hinaufkomme, werde ich es für dich abstecken«, erbot sich Daylight. »Du kannst es ja dann ebenso machen wie Johnny. Die Bezahlung kannst du dir von Tim Logan geben lassen. Er ist der Wirt vom Sourdough Saloon und leiht es mir gern. Stellt die Papiere auf euren Namen aus, übertragt sie auf mich und gebt sie Tim in Verwahrung.«

»Ich bin auch dabei«, fiel der dritte ein.

Und für drei Pfund Sterntabak kaufte Daylight dreimal fünfhundert Fuß Boden am Bonanza. Dazu konnte er noch einen Claim auf seinen eigenen Namen abstecken, da die andern nur übertragen waren.

»Ich muß schon sagen, du bist mächtig flott mit deinem Kautabak«, grinste der lange Jim. »Du hast wohl irgendwo eine Fabrik?«

»Nee, aber eine Chance«, lautete die Antwort. »Und das sag' ich euch, Jungens, drei Pfund Tabak dafür ist billiger als Dreck.«

Als er jedoch eine halbe Stunde später in seinem eigenen Lager war, kam Joe Ladue, frisch vom Bonanza Creek, herein. Zuerst wollte er sich nicht über Carmacks Fund äußern, dann stellte er sich zweifelnd, und schließlich bot er Daylight hundert Dollar für seinen Anteil.

»Bar?« fragte Daylight.

»Selbstverständlich, da sind sie.«

Mit diesen Worten zog Ladue seinen Goldbeutel heraus. Daylight hob ihn in Gedanken auf, öffnete ihn, immer noch in Gedanken, und ließ etwas Goldstaub über seine Hand rinnen. Er war dunkler als irgendwelcher Goldstaub, den er je gesehen, bis auf Carmacks. Er schüttete das Gold zurück, schloß den Beutel und gab ihn Ladue zurück.

»Ich vermute, du hast es nötiger als ich«, bemerkte Daylight.

»Nee, ich kann mehr kriegen«, meinte der andere.

»Wo kommt's denn her?«

Daylight war die Unschuld selbst, als er die Frage stellte, und Ladue hörte sie unerschütterlich wie ein Indianer an. Doch einen kurzen Augenblick sahen sie sich in die Augen, und in diesem Augenblick schien etwas Ungreifbares von Joe Ladues Körper und Geist auszugehen. Und es schien Daylight, als hätte er diesen Schimmer gefangen und ein geheimnisvolles Etwas in dem Wissen und den Plänen hinter den Augen des andern gespürt.

»Du weißt natürlich besser Bescheid als ich«, fuhr Daylight fort. »Und wenn mein Anteil für dich hundert Dollar wert ist, so ist er für mich ebensoviel wert, ob ich nun Bescheid weiß oder nicht.«

»Ich geb dir dreihundert!« bot Ladue, der jetzt die Besinnung verlor.

»Das ändert nichts für mich. Was du bietest, ist es für mich auch immer wert.«

Da kapitulierte Joe Ladue ganz ohne Scham. Er führte Daylight beiseite und gab ihm vertraulich verschiedene Aufklärungen.

»Die Sache ist sicher«, sagte er schließlich. »Ich habe es weder geschleust noch gewiegt. Alles, was in diesem Beutel ist, hab' ich gestern auf den Randfelsen ausgewaschen. Ich sag' dir, man kann's aus den Graswurzeln herausschütteln. Und was auf der Felsenunterlage unten im Flußbett liegt, ist gar nicht zu sagen. Halt' den Mund und verschaff dir soviel Claims, wie du kannst. Es liegt in Flecken verstreut da, aber ich würde nicht überrascht sein, wenn einige von den Claims fünfzigtausend brächten. Das einzige Unangenehme ist, daß es so verstreut liegt.«

 

Ein Monat verging, und immer noch war Bonanza Creek ruhig. Ganz vereinzelt hatten Leute sich Claims abgesteckt, waren dann aber meist nach Forty Mile und Circle City weitergereist. Die wenigen, die Vertrauen genug besaßen, um zu bleiben, waren damit beschäftigt, sich Blockhütten für den kommenden Winter zu errichten. Carmack und seine indianischen Verwandten waren dabei, einen Schleusenkasten zu bauen und einen Kanal hinzuleiten. Die Arbeit ging nur langsam vonstatten, denn sie mußten selbst mit der Hand die Bretter im Walde sägen. Aber weiter abwärts am Bonanza waren vier Männer, die vom oberen Lauf des Flusses gekommen waren, Dan McGilvary, Dave McKay, Dave Edwards und Harry Waguh, ruhige Leute, die weder fragten noch sprachen und sich ganz für sich hielten. Aber Daylight, der den Kies am Rande von Carmacks Claim ausgewaschen und Goldkörner von den Graswurzeln geschüttelt und darauf an vielen anderen Stellen den Kies mit der Wiege ausgewaschen und nichts gefunden hatte, war neugierig, was auf der Felsunterlage zu finden war. Er hatte bemerkt, daß die vier ruhigen Leute dicht am Flusse einen Schacht gruben, und er hatte gehört, wie sie Bretter für ihre Schleusenkästen gesägt hatten. Er wartete keine Einladung ab, sondern stellte sich daneben, als sie am ersten Tage schleusten. Und als ein Mann fünf Stunden geschaufelt hatte, sah er, wie sie dreizehn und eine halbe Unze Gold herausholten. Es war grobes Gold, von Stecknadelkopfgröße bis zu Klumpen im Werte von zwölf Dollar, direkt von der Felsunterlage. Das war der große Fund. Carmacks Sache war gesichert. Daylight steckte einen Claim in seinem eigenen Namen neben den dreien ab, die er für seinen Kautabak gekauft hatte. Dadurch erhielt er ein Stück Boden, das zweitausend Fuß lang war und sich in der Breite von einem Randfelsen zum anderen erstreckte. Der erste Schnee war an diesem Tage gefallen, und der arktische Winter senkte sich über das Land, aber Daylight hatte keine Augen für die trübe Stimmung, die über den letzten Stunden des kurzen Sommers ruhte. Er sah seinen Traum in Erfüllung gehen und seine goldene Schneestadt auf der weiten Fläche erstehen. Auf der Felsunterlage war Gold gefunden worden. Es war der große Fund.

Als er an diesem Abend zu seinem Lager an der Klondike-Mündung zurückkehrte, fand er Kama vor, den Indianer, den er in Dyea zurückgelassen hatte. Kama hatte mit einem Kanu die letzte Post des Jahres gebracht. Er besaß ein paar hundert Dollar in Goldstaub, die Daylight sich sofort von ihm lieh. Dagegen versprach er ihm, einen Claim für ihn abzustecken, den er einregistrieren wollte, wenn er Forty Mile passierte. Als Kama am nächsten Tage aufbrach, gab Daylight ihm eine Anzahl Briefe an die alten Jungens am unteren Flußlauf mit, in denen er sie aufforderte, sofort zu kommen und sich Land abzustecken. Kama hatte von den anderen Männern in Bonanza Briefe mit ähnlichem Inhalt bekommen.

»Das wird ein Zustrom, wie man ihn noch nie gesehen hat«, lachte Daylight, und er stellte sich vor, wie die aufgeregte Bevölkerung von Forty Mile und Circle City sich in die Boote werfen und in voller Fahrt die Hunderte von Meilen den Yukon hinauffahren würde, denn er wußte, daß man seinen Worten Glauben schenkte.

Als die ersten eintrafen, erwachte Bonanza Creek, und nun begann ein wahrer Wettlauf zwischen Lüge und Wahrheit, bei dem auch die stärksten Lügner immer wieder von der Wahrheit geschlagen wurden. Wenn Leute, die Carmacks Worte bezweifelten, daß er zweieinhalb in der Pfanne gefunden hatte, selbst zweieinhalb fanden, so logen sie und sagten, sie hätten eine Unze gefunden. Und ehe die Lüge noch recht in Umlauf gekommen war, hatten sie nicht eine, sondern fünf Unzen gefunden. Dann sprachen sie von zehn Unzen; wenn sie aber zum Beweis eine Pfanne auswuschen, so hatten sie zwölf darin. Und so ging es weiter. Sie logen getrost weiter, aber die Wahrheit blieb ihnen immer eine Länge voraus.

Eines Tages im Dezember füllte Daylight eine Pfanne von der Felsunterlage seines eigenen Claims und trug sie in seine Hütte. Hier brannte ein Feuer, so daß das Wasser in seinem Leinenbehälter nicht gefror. Er hockte sich neben dem Behälter nieder und begann zu waschen. Erde und Schlamm schienen die Pfanne zu füllen. Als er sie in einem Kreise bewegte, schwappten die leichten gröberen Teile über den Rand. Hin und wieder kämmte er die Oberfläche mit den Fingern und schöpfte ganze Hände voll Schlamm heraus. Der Inhalt verminderte sich beständig. Als er sich dem Boden näherte, gab er der Pfanne einen plötzlichen Stoß, so daß das ganze Wasser herausfloß. Der ganze Boden sah aus, als wäre er von Butter bedeckt. So schimmerte das gelbe Gold. Es war Gold – Goldstaub, grobes Gold, Goldkörner, Klumpen. Er war ganz allein. Er setzte die Pfanne einen Augenblick nieder und dachte an vielerlei. Dann wusch er zu Ende und wog die Ausbeute in seiner Wage. Nach der gewöhnlichen Berechnung von sechzehn Dollar die Unze enthielt die Pfanne für reichlich siebenhundert Dollar Gold. Das übertraf seine kühnsten Träume. Er hatte erst gedacht, daß er zwanzig- oder dreißigtausend Dollar aus jedem Claim herausholen könnte, aber hier waren Claims, die wenigstens eine halbe Million wert waren, wenn auch das Gold in Flecken verstreut lag. An diesem Tage kehrte er nicht zum Schacht zurück, auch nicht am zweiten oder am dritten. Statt dessen zog er in leichter Ausrüstung, seinen Kaninchenfellschlafsack auf den Rücken geschnallt, aus, wanderte viele Tage hindurch und untersuchte das ganze benachbarte Gebiet. Er hatte das Recht, sich an jedem Wasserlauf einen Claim zu sichern, war aber zu vorsichtig, um sich seine Chancen auf diese Weise zu begrenzen. Nur am Hunter Creek steckte er sich einen Grund ab. Den Bonanza Creek fand er von der Mündung bis zur Quelle abgesteckt, und dasselbe war der Fall mit jedem Bach und jeder Rinne, die in ihn mündete. Man hatte nicht viel Zutrauen zu diesen kleinen Wasserläufen. Sie waren von den Hunderten von Männern abgesteckt, die zu spät zum Bonanza gekommen waren. Der beliebteste dieser Bäche war der Adams. Am wenigsten hielt man vom Eldorado, der oberhalb von Carmacks Claim in den Bonanza floß. Selbst Daylight glaubte nicht recht an Eldorado, kaufte aber doch einen halben Claimanteil für einen halben Sack Mehl. Einen Monat später bezahlte er achthundert Dollar für den anstoßenden Claim. Drei Monate darauf erweiterte er wiederum seinen Besitz und bezahlte vierzigtausend für einen dritten Claim, und noch später – aber das lag noch im Schoße der Zukunft – sollte er hundertundfünfzigtausend für einen dritten an dem Creek bezahlen, der ursprünglich von allen am wenigsten gegolten hatte.

Seit dem Tage jedoch, da er die siebenhundert Dollar aus einer einzigen Pfanne gewaschen und große Gedanken gehabt hatte, rührte er nie wieder Schaufel oder Hacke an. Wie er zu Joe Ladue am Abend nach diesem wunderbaren Ereignis sagte:

»Joe, die Arbeit mit den Händen ist zu Ende. Jetzt fange ich an, mein Gehirn zu gebrauchen. Ich will Gold bauen. Gold wird Gold zeugen, wenn man nur den Kopf am rechten Platze und genügend zur Aussaat hat. Als ich die siebenhundert Dollar auf dem Boden meiner Pfanne sah, da wußte ich, daß ich endlich Saatgut genug hatte.«

»Und wo willst du es aussäen?« fragte Joe Ladue.

Und Daylight hatte mit einer Handbewegung auf das ganze Land gezeigt, das um sie her lag, und auf die Flüsse und Bäche jenseits der Wasserscheide.

»Dort,« sagte er, »und ihr sollt sehen, wie es geht. Für den, der Augen hat, liegen Millionen hier. Und ich hab' sie gesehen, als die siebenhundert Dollar aus dem Boden meiner Pfanne hervorguckten und flüsterten: ›Na, endlich ist Burning Daylight da.‹«

 

War Burning Daylight in früheren Tagen vor dem großen Goldfunde Carmacks der Held von Yukon gewesen, so wurde er jetzt der Held des großen Fundes. Weit und breit erzählte man sich die Geschichte seiner Chance, und wie er sie verfolgt hatte. Er hatte sie gut ausgenutzt, denn die fünf Glücklichsten besaßen zusammen nicht soviel Claims wie er. Und er verfolgte seine Chance immer weiter, ohne daß sein Glück ihn verließ. Die Klugen schüttelten den Kopf und prophezeiten, daß er jede Unze, die er gewonnen hatte, wieder verlieren würde. Er handelte, behaupteten sie, als bestände das ganze Land aus Gold, und keiner könnte gewinnen, der es so machte wie er.

Andererseits berechnete man den Wert seiner Claims auf Millionen, und manche hielten die für verrückt, die gegen Daylight wetteten. Hinter seiner prachtvollen Freigebigkeit und sorglosen Gleichgültigkeit in Geldsachen lagen eine gesunde, praktische Urteilskraft, Phantasie und die Kühnheit des großen Spielers. Er sah voraus, was er nie mit eigenen Augen gesehen hatte, und spielte so, daß er entweder viel gewinnen oder alles verlieren mußte.

»Es ist zuviel Gold hier in Bonanza,« behauptete er, »als daß es nur eine ›Tasche‹ sein sollte. Es muß bestimmt von einer Mutterader irgendwo herkommen, und andere Creeks werden das beweisen. Behaltet den Indian-River im Auge. Die Bäche, die auf der anderen Seite der Wasserscheide hineinfließen, können ebensogut Gold führen wie die hier.«

Und er glaubte so fest an diese Theorie, daß er ein halbes Dutzend Expeditionen ausrüstete, um die Gegend um den Indian-River, jenseits der großen Wasserscheide, zu untersuchen. Andere Männer, die selbst nicht das Glück gehabt hatten, sich Claims an den guten Flüssen abzustecken, ließ er auf seinen Bonanza-Claims arbeiten. Er bezahlte sie gut – sechzehn Dollar täglich für die Achtstundenschicht, und er arbeitete in drei Schichten. Er hatte Proviant genug, um die Sache in Gang zu bringen, und als die »Bella« mit Vorräten beladen landete, überließ er Jack Kearns ein Grundstück zur Errichtung eines Warenhauses gegen die Verpflichtung, alle seine Leute den Winter 1896 über mit Proviant zu versorgen. Als zudem eine Hungersnot ausbrach und das Mehl für zwei Dollar das Pfund verkauft wurde, konnte Daylight doch ständig die drei Schichten auf seinem Bonanza Creek arbeiten lassen. Andere Minenbesitzer zahlten ihren Leuten fünfzehn Dollar täglich, aber er war der erste gewesen, der andere für sich arbeiten ließ, und hatte ihnen von Anfang an eine ganze Unze täglich bezahlt. Der Erfolg war, daß er nur ausgesuchte Männer hatte, die mehr herausholten als ihren hohen Lohn.

Eines seiner wildesten Spiele fand im Frühwinter statt, als eben alles zugefroren war. Hunderte von Neuankömmlingen waren, nachdem sie ihre Claims anderswo am Bonanza abgesteckt hatten, gekränkt den Fluß hinunter nach Forty Mile und Circle City gereist. Daylight nahm bei der Alaska Commercial Company eine Anleihe auf einen seiner Bonanza-Claims auf und steckte ein Akkreditiv in die Tasche. Dann spannte er seine Hunde vor den Schlitten und fuhr mit einer Schnelligkeit, wie nur er sie kannte, über das Eis hinab. Ein Indianer auf der Hinfahrt, einer auf der Rückfahrt und vier Gespanne Hunde waren sein Verbrauch auf dieser Reise. Und in Forty Mile und Circle City kaufte er haufenweise Claims. Wie sich später zeigte, waren viele von ihnen ganz wertlos, aber andere gaben noch verblüffendere Ergebnisse als die am Bonanza. Er kaufte rechts und links und zahlte alle möglichen Preise von fünfzig Dollar bis fünftausend. Dies war der höchste Preis, den er bezahlte, und das betreffende Geschäft wurde im Tivoli abgeschlossen. Es war ein Claim am oberen Eldorado; als er abgeschlossen hatte, erhob sich Jacob Wilkins, einer von den Alten, der gerade von einer Besichtigung der Elchweiden zurückgekehrt war, und verließ den Raum mit den Worten:

»Ich kenne dich nun seit sieben Jahren, Daylight, und ich hab' dich immer für einen vernünftigen Menschen gehalten. Aber jetzt läßt du dich regelrecht ausplündern. Das ist ja der reine Straßenraub. Fünftausend für einen Claim in der verfluchten Elchgegend, das ist Schwindel. Das kann ich nicht mit ansehen, wie du dich beschwindeln läßt.«

»Und ich sage dir, Wilkins,« erwiderte Daylight, »Carmacks Fund ist so groß, daß wir ihn noch gar nicht übersehen können. Es ist die reine Lotterie. Jeder Claim, den ich kaufe, ist ein Los. Und es gibt sicher mächtige Gewinne.«

Jacob Wilkins, der in der offenen Tür stehengeblieben war, schnaufte ungläubig.

»Gesetzt, Wilkins,« fuhr Daylight fort, »gesetzt, ihr wüßtet, daß es Suppe regnen würde. Was würdet ihr tun? Löffel kaufen, selbstverständlich. Schön, ich kaufe Löffel. Es wird Suppe regnen in Klondike, und wer Gabeln hat, kriegt nichts ab.«

Aber jetzt schlug Wilkins die Tür hinter sich zu, und Daylight schloß den Kauf des Claims ab.

Als er wieder nach Dawson zurückgekehrt war, arbeitete er wie nie zuvor in seinem Leben, obwohl er seinem Wort, weder Hacke noch Schaufel je wieder anzurühren, treu blieb. Er hatte tausend Eisen im Feuer, und die hielten ihn in Atem. Er mußte oft nach den verschiedenen Flüssen und Bächen reisen, um zu entscheiden, welche Claims er abstoßen und welche er behalten sollte. Ehe er nach Alaska kam, hatte er in Quarzminen gearbeitet, und er träumte davon, die Mutterader zu finden. Ein Goldwäscherlager, das wußte er, war vergänglich, aber ein Quarzlager behielt seinen Wert. Er schickte Männer in die Berge, die monatelang nach der Mutterader suchten. Aber sie wurde nie gefunden, und viele Jahre später schätzte er, daß ihn das Suchen fünfzigtausend Dollar gekostet hatte.

Aber er spielte hoch. Waren seine Ausgaben groß, so waren seine Einnahmen noch größer. Er nahm alles mit, kaufte halbe Anteile, teilte mit den Männern, die er verproviantierte, und nahm selbst Ortsuntersuchungen vor. Tag und Nacht waren seine Hunde bereit; er besaß die schnellsten Gespanne, so daß er immer unter den ersten war, wenn ein neuer Fund gemacht wurde. Er fuhr in den längsten und kältesten Nächten, bis er seine Pfähle zunächst dem Entdeckerplatze angebracht hatte. Jedenfalls kam er in den Besitz von Claims an allen guten Flüssen, gar nicht zu reden von vielen wertlosen, und so besaß er Gründe am Sulphur, am Dominico und Excelsis, am Siwash, am Cristo, Alhambra und am Doolittle. Die Tausende, die er hinauswarf, kamen in Zehntausenden zurück. Die Leute von Forty Mile erzählten die Geschichte von seinen zwei Tonnen Mehl und berechneten, was sie ihm eingebracht hatten; es mußte zwischen einer halben und einer Million sein. Eines wußte man ganz sicher, daß der Eldorado-Claim, den er für einen halben Sack Mehl gekauft hatte, heute fünfhunderttausend wert war. Andererseits wurde erzählt, daß er der Tänzerin Freda, die in einer Petersboroughjolle von der anderen Seite der Pässe kam und tausend Dollar für zehn Sack Mehl bot, aber niemand finden konnte, der es ihr verkaufen wollte, das Mehl als Geschenk schickte, ohne sie auch nur sehen zu wollen. Ebenso sandte er dem einsamen katholischen Geistlichen, der im Begriff war, das erste Hospital zu errichten, zehn Sack.

Seine Freigebigkeit war zügellos. Manche nannten sie wahnsinnig. Es war ja auch der reine Wahnsinn, einer Tänzerin und einem Pfaffen zwanzig ganze Säcke zu schenken, wenn ein Sack Mehl ihm eine halbe Million einbrachte. Aber das war nun einmal seine Art. Geld bedeutete ihm nicht mehr als Spielmarken. Nur das Spiel hatte Wert für ihn. Der Besitz von Millionen bewirkte keine Veränderung bei ihm, nur betrieb er das Spiel noch leidenschaftlicher. Von seltenen Gelegenheiten abgesehen, war er immer mäßig gewesen, aber jetzt, da er in der Lage war, sich jeden Tag Spirituosen in unbegrenzten Mengen zu verschaffen, trank er noch weniger. Die durchgreifendste Veränderung war, daß er, außer auf Schlittenreisen, nicht mehr selbst kochte. Ein verkrachter Minenarbeiter hauste mit ihm in seiner Blockhütte und kochte für ihn. Aber es war dasselbe Essen: Speck, Bohnen, Mehl, Pflaumen, Dörrobst und Reis. Auch seine Kleidung war immer noch die gleiche: Überziehhosen, lange Strümpfe, Mokassins, Flanellhemd, Pelzmütze und ein wollener Rock. Zigarren, von denen die billigsten einen halben oder einen Dollar das Stück kosteten, rauchte er nicht. Er begnügte sich mit Zigaretten aus Bull-Durham-Tabak und braunem Papier, die er sich selbst drehte. Es ist wahr, daß er mehr Hunde hielt als andere und riesige Preise für sie bezahlte. Aber das war kein Luxus, sondern Geschäft. Seine Fahrten und Reisen erforderten Eile. Und nur, um Zeit zu sparen, nahm er sich einen Koch. Er hatte keine Zeit, selbst zu kochen, das war alles. Es wäre ein schlechtes Geschäft gewesen, Zeit zu verschwenden, wenn man um Millionen spielte.

In diesem Winter des Jahres 1896 wuchs Dawson mit reißender Schnelligkeit. Daylight verkaufte Grundstücke, und das Geld strömte ihm zu. Er legte es stets wieder an, so daß es noch mehr brachte. In der Tat spielte er das gefährliche Spiel, Unternehmen auf Unternehmen zu häufen, und das ist nirgends gefährlicher als in einem Goldsucherlager. Aber er spielte mit offenen Augen.

»Wartet nur, Jungens, bis der Goldfund draußen bekannt geworden ist«, sagte er zu seinen alten Freunden in der Wirtschaft »Zum Elchgeweih«. »Wartet nur bis zum Frühjahr, dann werdet ihr sehen, wie sie kommen. Erst eine Abteilung zum Sommer, wie sie standen und gingen, dann eine zum Herbst, schon besser ausgerüstet, und im nächsten Frühjahr wieder eine Abteilung von fünfzigtausend Mann. Vor lauter Chechaquos könnt ihr die Erde nicht mehr sehen. Und das ist erst der Anfang. Was wollt ihr machen?«

»Was willst du machen?« fragte einer seiner Freunde.

»Nichts«, antwortete er. »Ich habe selbstverständlich schon meine Vorbereitungen getroffen. Ein Dutzend Leute habe ich den Yukon hinaufgeschickt, um für Bauholz zu sorgen. Wenn der Fluß aufbricht, sollt ihr Flöße zu sehen kriegen. Die Häuser? Die werden gerade soviel wert sein, wie die Leute im nächsten Herbst dafür zahlen können. Die Holzpreise werden bis in die Wolken steigen. Ich erwarte zwei Sägemühlen, die über die Pässe kommen, sobald die Seen eisfrei sind. Und wenn ihr glaubt, daß ihr Holz braucht, so will ich jetzt schon mit euch abschließen – dreihundert Dollar für tausend Stämme, roh.«

Gut belegene Eckgründe wurden in diesem Winter für zehn- bis dreißigtausend Dollar verkauft. Daylight sandte den Neuankömmlingen über die Pässe Nachricht entgegen, daß sie Holz mitbringen sollten; infolgedessen arbeiteten seine Sägemühlen im Sommer Tag und Nacht in drei Schichten, und er behielt noch Holz genug übrig, um Blockhütten zu bauen. Diese Hütten wurden mit dazugehörigem Grundstück für ein bis mehrere tausend Dollar das Stück verkauft. Die eingehenden Gelder wurden sofort wieder in anderen Unternehmungen angelegt. Er wandte und drehte das Gold, bis alles, was er anfaßte, sich in Gold zu verwandeln schien.

Aber dieser erste wilde Winter nach Carmacks Fund lehrte Daylight vielerlei. Trotz seiner verschwenderischen Veranlagung verlor er nicht das Gleichgewicht. Er sah die wilde Vergeudung der neuen Millionäre und konnte sie durchaus nicht verstehen. Zwar widersprach es nicht seiner Natur und seinen Anschauungen, einmal alles auf eine Karte zu setzen und in einer Nacht durchzubringen. Das hatte er selbst in jener Pokernacht in Circle City getan, als er fünfzigtausend – alles, was er besaß – verlor. Aber die fünfzigtausend hatte er nur als den Beginn von etwas Größerem betrachtet. Wenn es um Millionen ging, dann war es etwas anderes. Ein solches Vermögen durfte man nicht auf den Boden der Wirtshäuser ausstreuen, wie die neuen Millionäre, die allen Sinn für die Wirklichkeit verloren hatten, es buchstäblich mit dem Inhalt ihrer Elchlederbeutel taten, MacMann zum Beispiel machte in einem Wirtshaus eine Zeche von dreißigtausend Dollar; und der grobe Jimmie brauchte hunderttausend monatlich, um vier Monate in Saus und Braus zu leben, bis er schließlich in einer Märznacht betrunken in den Schnee fiel und erfror; und Wasserfall-Bill, der drei wertvolle Claims mit seinen wahnsinnigen Ausschweifungen durchgebracht und sich dreitausend leihen mußte, um fortzukommen, hatte alle hundertundzehn Dutzend Eier, die der Markt von Dawson aufwies, für vierundzwanzig Dollar das Dutzend aufgekauft und dann seinen Wolfshunden vorgeworfen, nur weil eine junge Dame, die ihn genasführt, gerne Eier aß.

Champagner wurde zu vierzig und fünfzig Dollar die Flasche verkauft, Dosenaustern zu fünfzehn Dollar. Daylight machte diesen Wahnsinn nicht mit. Er hatte nichts dagegen, die ganze Wirtsstube mit Whisky zu fünfzig Cent das Glas zu traktieren, aber irgendwo in seiner ausschweifenden Natur lehnte sich ein Sinn für Schicklichkeit und Rechenkunst dagegen auf, fünfzehn Dollar für den Inhalt einer Austerndose zu bezahlen. Andererseits gebrauchte er vielleicht mehr Geld, um Leuten zu helfen, die sich wirklich in Not befanden, als die neugebackenen Millionäre für ihre sinnlosen Ausschweifungen. Vater Judge am Hospital hätte von weit wertvolleren Geschenken als den ersten zehn Sack Mehl erzählen können. Aber fünfzig Dollar für eine Flasche Champagner! Das war unsinnig.

Und doch konnte er gelegentlich noch eines seiner alten, lärmenden Feste geben. Aber er tat es aus anderen Gründen. Man erwartete es von ihm, weil es so seine Art seit alters her gewesen. Und dann konnte er es sich leisten. Aber er machte sich nicht mehr soviel aus dieser Art Zerstreuung. Sein Machtgefühl hatte sich in einer anderen Richtung entwickelt. Es war zur Begierde geworden. Obgleich er bei weitem der reichste Minenbesitzer in Alaska war, wollte er doch noch reicher werden. Es war ein hohes Spiel, das er spielte, und er liebte es mehr als sonst irgend etwas. Auf gewisse Weise wirkte er schöpferisch. Er tat etwas. Eine andere Saite in seiner Natur wurde angeschlagen, aber er konnte über eine gelungene Millionenspekulation in Eldorado Claims nie die gleiche Freude fühlen wie beim Anblick seiner arbeitenden Sägemühlen oder der großen Flöße, wenn sie den Fluß hinabfahren sollten und sich in dem großen Wirbel oberhalb des Moosehide Mountain gegen das Ufer schwangen. Gold war selbst in der Wagschale nur ein abstrakter Begriff. Es repräsentierte andere Dinge, verlieh die Macht, etwas zu schaffen. Aber die Sägemühlen waren die Dinge selbst, sie waren konkret und greifbar, und man konnte weitere Dinge mit ihnen schaffen. Sie waren Wahrheit gewordene Träume, die unzweifelhafte Verwirklichung eines Märchens.

Mit dem Sommerzustrom von draußen kamen die Berichterstatter der großen Blätter und Zeitschriften, und alle schrieben sie in erster Linie über Daylight. Er wurde für die Welt die mächtigste Gestalt Alaskas. Als einige Monate später der spanische Krieg ausbrach, vergaß man ihn natürlich darüber, aber in Klondike selbst blieb Daylight ständig die hervorragendste Persönlichkeit. Wenn er die Straßen von Dawson durchschritt, wandte sich jeder Kopf, um ihm nachzusehen, und in den Wirtschaften betrachteten ihn die Chechaquos ehrfurchtsvoll und ließen ihn kaum aus den Augen, solange er in Sicht war. Er war nicht nur der reichste Mann im Lande, nein, er war Burning Daylight, der in der ersten Frühzeit dieses jungen Landes über den Chilkoot den Yukon hinabgekommen war, um die älteren Giganten, Al Mayo und Jack MacQuestion, zu treffen. Er war der Burning Daylight von Hunderten wilder Abenteuer, der Mann, der der eingefrorenen Walfängerflotte Botschaft über die öden Tundren gebracht, der im Laufe von sechzig Tagen die Post von Circle City nach Salt Water und zurück gefahren, der im Jahre 1891 den ganzen Tanana-Stamm vor dem Hungertode gerettet hatte, kurz, der Mann, der die Phantasie der Chechaquos stärker in Anspruch nahm als ein Dutzend anderer Männer auf einmal.

Was er tat, erregte die Aufmerksamkeit der Menge, so spontan und zufällig es auch geschah. Und seine letzte Tat war immer in aller Munde, ob er in dem wilden Wettlauf nach Danish Creek gesiegt oder den berühmten kahlen Grislybären am Sulphur Creek getötet oder am Geburtstag der Königin in einer Kanuregatta gesiegt hatte, an der er teilnehmen mußte, weil der Repräsentant von Sourdough im letzten Augenblick ausgeblieben war. So war es auch einmal nachts im »Elchgeweih« zu der längst versprochenen Revanchepartie mit Jack Kearns gekommen. Es war ausgemacht worden, daß das Spiel bis acht Uhr morgens dauern sollte, und da belief Daylights Gewinn sich auf zweihundertunddreißigtausend Dollar. Für Jack Kearns, der bereits mehrfacher Millionär war, bedeutete der Verlust nicht viel. Aber die ganze Gemeinde fiel fast von den Stühlen über die hohen Einsätze, und jeder von den Dutzend Berichterstattern, die anwesend waren, schickten ihrem Blatt einen sensationellen Artikel.

 


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