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Italienreise 1914

 

Genua, Dienstag, 12. Mai.

Heute um vier Uhr hier angekommen. Die Einfahrt in die Stadt unvergleichlich. Edle, schöne, sanfte Berge, herrliche Türme, mir noch ein Gewirr, trotz des Spaziergangs durch die Stadt, der schöne Leuchtturm, das Gehau auf den Bergen. Der Hafen der engste, den ich auf dieser Reise angetroffen habe, aber eben dadurch und daß das Hineinlenken des Schiffes zwischen vielen vielen anderen hindurch, ohne kaum zu drehen, lang dauert, eine Stunde, und schwer ist, interessant, recht ein Hafen. Mehr wie alte Zeit. Ich kenne nun schon gut das Anbordsteigen der Lotsen, wie er unverzüglich zur Kommandobrücke steigt, das Geräusch des Einladens, wie das große Schiff von vielen vielen mit Gütern und Kohlen umstrickt ist. Noch mehrere Lloyddampfer hier, so die große »York«, desgleichen das Kriegsschiff »Breslau«, zu dem ein großer Transport Matrosen unten an Bord war. Ein anderer Teil geht nach Ostasien, um auf den »Planet« abgesetzt zu werden. Es war viel Gewimmel und militärisches Leben auf dem Vorder- und Hinterhauptdeck. Gestern vormittag Musterung, wobei die Mannschaft von Unteroffizieren, dann von Höheren wohl viermal genau angesehen wurde, und dann wurde einem Kapitän, der Zivil trägt, jung und nicht bedeutend aussieht, Bericht erstattet. Den ganzen Tag über vorn Übungsstunden der Musik.

Hier sind sehr viele Menschen ausgestiegen, nur achtzehn sollen geblieben sein von dem vollbesetzten Schiff. Es kommen aber viele zu.

Verpflegung noch besser als auf »Goeben«, sonst dasselbe, Portionen größer. Das etwas Altväterische, der mit kitschiger Landschaft bemalte Speisesaal und das Goeben-Bildnis im Rauchzimmer, noch gemütlicher.

Ich hatte bis hierher einen Herrn von B. als Schlafkameraden, nach der Fremde war mir das nicht unangenehm, obschon im allgemeinen mir das verhaßt ist. Er war ein freundlicher Mensch.

Die Überfahrt Glück, das fremde Meer wieder zu überwinden, Gefühl trotzdem: all das ist nicht sehr weit. Sehr starke Dünung. Das Schiff schaukelte, daß einem der Appetit verging. Herrlich aber, wie die Gischt bis in die Höhe des Mastes und drüber aufspritzte. Das Wasser dabei fast unbewegt. Rötlich blauer Himmel, etwas Wind, Kälte. Ich fror und lag in einem großen Stuhl, lesend über Genua.

Heute, da man nette Menschen bei Tisch kennenlernt, scheiden sie schon wieder, ein blauäugiger weißbärtiger Schwede, ein deutscher Doktor, sehr leicht seekrank, schwerhörig, kurzsichtig auf die Art der goldenen Kette am Pincenez und Muttersöhnchen, aber reizend. Heute abend beim Mahle den Schiffsarzt kennengelernt, auch ein sympathischer Mensch.

Das versinkende Algier war köstlich. Um elf Uhr nachts vorgestern verließen wir es.Die Kasbah hatte nur ein einziges Licht, hunderte Mustapha, sonst die schnurgerade Reihe am Hafen. Schnell hinaus. Gleich Bewegung.

Köstlich seit heute früh um neun die Riviera di Ponente, von Nizza an ganz nahe, bis zum Eingang in den Golf von Genua. Erst hohe Berge im Hintergrund, zum Teil mit Schnee, Nizza, Monte Carlo vorn, Bordhighera, Mentone, noch herrlicher anzusehen aber die Städtchen in den Bergen, wo ein Häuschen dem anderen über die Schulter schaut. Es muß unbeschreiblich sein, von da rückwärts übers Tal auf die hohen Bergrücken und vorwärts aufs Meer zu schauen. Man wünscht sich, in jedem einen Tag zu sein, einen Tag für jetzt, aber nicht zum letzten Mal im Leben. Und doch ist die Fülle dessen, was über mich kommt, so groß, daß ich für Momente manchmal resignieren möchte: es hat keinen Zweck, man lernt einen zu geringen Teil dieses Sterns kennen, sähe man auch jeden Tag etwas anderes. Und sieht man, so wünscht man genauer zu sehen, alles aufzunehmen, zu wissen.

So geht es hier in Genua. Der Reichtum an Architektur und gewiß auch an Malereien, Skulpturen im Innern ist so groß, die Plätze und Straßen so malerisch, daß ich nicht zufrieden bin, nur einen allgemeinen Eindruck zu haben: ich möchte alle Supraporten kennen, in alle Höfe gesehen haben und so weiter. Wenigstens einige Straßen schon mehrmals gegangen, so die Via Garibaldi. Tiefes Erstaunen, dort und in der Via Balbi. Auch Mut, ohne die Sprache durchzukommen zu suchen. Es ging. Das Volk hat etwas Liebenswürdiges im Gesicht, die Männer etwas Friedliches, die oft sehr schönen Frauen auch. Ich staunte, wie gut angezogen die meisten sind. Und mir fiel auf die Ruhe trotz des riesigen Verkehrs. Ich kann in der Karte lesen, stehen bleiben und so weiter, ohne belästigt zu werden. Keine aufdringlichen Schuhputzer, keine Zeitungsausrufer.

Die schmalen Straßen scheinen mir nun nicht mehr sonderbar. Trocknende Wäsche von Haus zu Haus herüber, oft plötzlich strömende Menschen unter mir in einem Engpaß, aber das arabisch Bunte fehlt mir nun. Überhaupt: von Süden ist hier kein großes Gefühl. Vielleicht wäre das, wenn ich hoch vom Norden käme. Auch die Vegetation ist hier nicht so.

Gelbe Stadt. Ich gebe mich einem gütigen Frieden darin hin. Abends bewundere ich die großen Schiffe in der Gegend des unseren: die hohen dunklen Rümpfe mit den hellen Fensterreihen und dicken Schloten. Am Eingang lagen nun Scharen von kleinen Dampf- und Segelschiffen.

 

Genua, Mittwoch, 13. Mai.

Wunderbar, wie jetzt am Abend hinter dem Gewirr von Schiffsgerät, Schloten und Masten, die am Abend wachsen und sonderbarer werden, im Dunkel ein Lichthalbkreis aufsteigt, blaß und sanft unter mildem Himmel. Wunderbar war auch, wie der Tag hinter den immer schärferen Silhouetten verlosch. Die Schönheit der Campanile, mit ihrer nach oben sich vermehrenden Fensterzahl und ihren vorgekragten Gesimsen – die Phare ein doppelter Campanile –, der Kuppeln des Domes San Lorenzo und von S. Maria Carignano, die man überall beim Gang durch die Stadt auch auftauchen sieht, wächst um diese Stunde. Und höher noch steigen die Häuser, die schon sowieso aufeinander gestellt scheinen, die Berge hinan. Wunderbar endlich die Ausfahrt eines Schiffes gegen Abend, wie des »York« vom Lloyd, der sich heute aufmachte, heimwärts. Ein großer Italiener, »Re Vittorio«, mit unendlich vielen Menschen auf Deck, lief kurz vorher ein. Ich habe einen den ganzen Tag dauernden Spaziergang gemacht, vor den vielen Palästen der Via Balbi und Via Garibaldi gestanden, in manche geschaut, in die Universität den Fuß gesetzt, lange in dem über die Maßen schönen Palazzo Doria geweilt mit seinen breiten Treppen und reichen Gewölben, den zierlichen, über die Zeit zierlichen Deckengemälden, die schön zu der Schwere und Breite des Baus stimmen, der lebenden leichten Säulenhalle im Garten, bei dem Brunnen mit Adler, Neptun, und dem andern mit Triton, auf der Treppenterrasse gegen das Meer hin. Den Palazzo Bianco habe ich besucht. Gute Schulbilder, Hauptmeister wie Rubens versagen, das Schönste ist der Gesamteindruck in den Räumen. Laue breite Schwermut: so als sei das immer so gewesen. Und weiter durch Palast an Palast.

Hinaufgestiegen zu der Viletta Dinegro. Was machen die paar fremden Tiere dort? Die Aussicht auf Stadt und Meer. Gelb gegen Blau. Gegründet, fest, aber nicht dick und satt.

Mittag gegessen im Ristorante Milano, in der Galleria Mazzini. Da geriet ich mit meinem Italienisch in die Brüche. Doch ist es angenehmer, gar nichts zu wissen als etwas und zu fürchten, doch gleich durchschaut zu werden. Wein und Essen waren vorzüglich.

Weiter die aussichtsreichen Uferstraßen steigend hin, die gesuchten Kirchen im engen Häusergewirr ganz und gar verloren, nicht zu finden. Ich dachte schon, es werde bei dem Dome San Lorenzo bleiben, den ich einsam und ohne daß viele Menschen in ihm waren, besuchte. Die sehr, sehr schöne Johanneskapelle. Die Grabmäler und Gemälde stehen zu dunkel und verborgen, als daß man den vollen Eindruck haben könnte. Dann kam ich durch breitere und baumgesäumte Straßen, die Via Corsica, Via Antonio Gavotti, Via Rivoli an S. Maria Carignano und der Piazza Carignano. Dort ruhte ich unter den Bäumen angesichts der schönen dunkelgelben Kirche, ihrer hohen stolzen Kuppel auf einer Bank aus und ging dann die steile Ponce di Carignano hinab, bis ich plötzlich durch die Stradone di S. Agostino seitlich rechts diese schöne alte Kirche fand und nicht viel weiter San Donato. Auf der ersteren wächst auf dem Giebel hohes Gras, lieblich weht es hinter einer winzigen Madonna mit Kind. So müssen eigentlich Gotteshäuser liegen und die überraschenden Plätze: unauffällig, ein Zufall bildet sie zwischen ebenso hohen und höheren Häusern, der Fuß zögert, darauf in der Kühle der fünf, sechs Stock hohen Häuser, die zusammenrücken bis auf ein, zwei Schritt, und den Schritt fallend abwärts lenken, in Dunkel und Kühle, wo die Gewerke geschehen, Tischlereien, Schneidereien, alte vornehme Bogen eingebaut sind, graurote und graue Türme mit dem oberen Geschoß herüberragen, schwer ganz zu sehen und vielleicht bis unten frei gar nicht zu erreichen. So lange kreuz und quer. Schließlich mündet doch alles auf die lebhaften Uferstraßen. Wäsche hängt quer über die Straßenbreite, wie vorher hinter ungeheueren Mauern in einer stürzenden Schlucht aus Häusern, einem bröckelnden Steinbruch, wo Menschen wohnen. Zu dem unendlich schönen Palazzo San Giorgo, dessen Fenster, je öfter man sie sieht, umso köstlicher werden, zurück zum Hafen.

Außerhalb und oben liegen Forts. Signale der Feuerwehr. Es macht mir alles einen soliden Eindruck, vom welsch Windigen sieht man nichts. Der malerische Schutt, der malerische Verfall – das ist alles.

 

Freitag, 15. Mai.

Unterwegs von Genua nach Neapel. Wir fahren bei wunderbarem Wetter. Der Himmel ist zwar nur an einer Seite blau, nach der italienischen hin türmen sich immer Wolken. Nachmittags und gegen Abend erscheinen sie gelb, wie auch der Himmel lange vor Sonnenuntergang in einem stumpfen befriedeten Gelbrot strahlte. Das Meer nicht blau: blauschwarz, blaugrau. Das graue Meer ist wohl die genaueste Bezeichnung als etwas allgemeines. Um sechs bis sieben hatte die Flut nördliche Frische. Ganz dicht ein Felseiland, an dem wir höchstens fünf Minuten lang vorüberfahren. Ein Leuchtturm darauf, wenig Bäume, ein Haus. Oben etwas wie ein verfallener Turm. Schön gerundet nach Norden ins Meer, langsamer abschwellend nach Süden. So gibt es heute den ganzen Morgen über immer wieder diese Inseln zu sehen. In strahlender Einsamkeit und Schärfe. Auf manchen wohnen vielleicht gar nicht Menschen. Auch in den Formen sind sie einander sehr ähnlich. Etwas Bestimmtes, doch nicht Hartes. Es kommt Musik in die Seele, das in steter Wiederholung zu sehen. Auch die fernen Landrücken, deren Gewölk blau an den Horizont gezeichnet ist. Solange wir seit Genua fahren, haben wir das Land nicht ganz verloren. Abends Leuchttürme und eine geknickte Figur aus Lichtern einen Hang hinan. Am herrlichsten, wenn nicht die Abendinsel – sie scheint ins Meer geworfen, damit es auf ihr Abend wird, ein Horst der Einsamkeit, wohin Sehnsüchte der Seele fliegen und da bleiben über meine Dauer hinaus, bis ans Ende der Welt, bis die Flut hinübergespült ist, und noch dann weht es um die Zeit des gilbenden Tages – also am herrlichsten war die Fahrt an der Riviera hin. Ausgestreute Häuser die Berghänge hin, Kehren des Ufers, Orte eingehegt, der glatte Abstieg der Berge ins Meer, die bestimmte Sonderung: Berg ist Berg und Meer ist Meer. Santa Margharita, Rapallo, Portofino. Ich kann es nach den Bildern, die ich sah, wiedererkennen. Dann der schneegeneckte Appenin im Hintergrunde. Nicht so hoch alles wie gegen Nizza zu, doch schöner noch. Leider müssen wir eine Zeitlang hinunter, um Mittag zu essen. Die Küste bleibt. Ich kann es nicht sagen, woher der Reiz dieser nebelhaften Linie kommt, anders, bestimmter als von Wolken. Vielleicht, weil es eine Wolke ist, bewohnt von Mensch und Tier, die unsichtbar sind, wie in den öden schwebenden Dünsten?

Keine Schiffe gesehen unterwegs, außer kleineren Seglern an der Küste.

Gestern um halb eins haben wir den Anker gelichtet. Fünfundzwanzig Stunden bis Neapel. Gestern früh wurde zur Bequemlichkeit der Passagiere der große Lloyddampfer »Berlin« von draußen hereingeschleppt, auch an den Quai Federico Guilelmo. Nach ein paar Stunden fuhr er ab. Es geht mir sonderbar, wenn ich etwas ein paarmal gesehen habe, dann werden mir die Augen heiß. Langsam, langsam, zwischen Schloten und besponnenen Masten hindurch, liebkosend den doppelterhöhten Leuchtturm und die Türme der Stadt, zieht das große schwimmende Haus hinaus.

Vorher um dieses, dann um unser Schiff, das sich auch bereit machte, buntes Treiben. Jungen, die Rad schlagen und auf Händen gehen. Die Reisenden werfen viel zu viel Kupfer unter sie, um den Rattenkönig zu sehen, der sich dann aus der Balgerei um die Münzen bildet. Von Zeit zu Zeit jagen Polizisten sie weg. Auch die Händler. Mit Operngläsern mehrere. Zweihundert Mark, dann ein Schilling – sie wollen verhandeln. Blöde dicke Uhren. Die Matrosen sehen alles an. In Kähnen Männer mit Obst. Ebenfalls von den Matrosen werden Körbe an Stricken heruntergelassen mit den Münzen, und das Obst oder der Fiasco Wein kommt dafür herauf. Frauen mit Liegestühlen: sie zeigen mit den Fingern den Preis an, zehn zuerst, neun, sechs, drei, zweieinhalb. Nur wenn einer »eins« sagt, sehen sie nicht hin und verhandeln nicht. Ansichtskartenhändler natürlich, gräßlich bunte Karten meistens, Panoramen, werden bei der Mannschaft auch viel los. Einer, der drahtene Kleiderbügel hat, über einem eine lumpige Vogelscheuche von Anzug, die allein abschrecken könnte, zu kaufen. Wird nichts los. Ein halbes Dutzend Zeitungshändler mit deutschen und englischen Zeitungen und Zeitschriften. Viele schreiende Kinder an Bord, mit einer Chinesin mit Hosen mit wohlgebügelter Plättfalte.

Von der Gesellschaft noch auffällig ein portugiesischer Zirkel. Machen viel Radau. Neben meiner Kabine. Ein vollbärtiger Herr soll Gouverneur von irgendwas sein. Der nette musikalisch und literarisch gebildete Schiffsarzt aus München, der mein Tischnachbar ist, schreibt ihm bei der Ausfahrt aus Genua das schäbige abmontierte Kriegsschiff zu. Es liegt übrigens eine ganze Galerie solcher schmutziger Wracks dort im Hafen. Manche nur noch halb. Leere Vierecke, wo die Platten weggenommen sind.

Kurz vor der Abfahrt kam ein dicker Harfner mit einem ausgedienten, zerrupften, ergrauten Instrument, und ein kleines Mädchen mit einer Geige. Sie spielten sehr gut, die Kleine sauber, mit der Temperamentlosigkeit und Akkuratesse des Kindes, der Alte voll eingreifend mit dicken Fingern und Falstaffvisage und weit herauszupfend, als sollten die abbrechenden Töne mit. Valse brune. Dann deutsche Gassenhauer aus den Operetten, die unvermeidlich scheinen. Zuerst aber, fast Tränen über das Bild, die sentimentale Sonne, schöne Stadt, der Hafen. Die Münzen wurden von den Jungen aufgegriffen, aber jede dem Musikanten abgegeben. Unsere brutale Musik spielte dann immer dazwischen. Doch in jeder Pause setzten sie ein, bis zur Abfahrt des Schiffes. Es flog viel zu viel Geld hinab. Und verstimmt wurde ich zuletzt, als noch immer und immer, während das Schiff schon langsam fuhr, der italienische Dicke seinen Hut lüftete und wie bedürftig nach Geld aussah. Die Fremden allein sind schuld an dem Verderb dieser Leute.

Das Wetter ist andauernd kühl, nur gestern gegen Abend und noch spät so, daß man ohne Mantel spazieren konnte.

 

Neapel, 15. Mai.

Die letzten Stunden der Fahrt hierher gehören zu dem Schönsten, was ich überhaupt je genossen habe. Eine fast steife Frische war in der Luft, das Meer wurde ganz blau. Nach der Küste zu schwebten Wolken über den Gebirgen. Herrlich klar und grün die Insel Ischia, nachher Procida. Ungeheuerlich sah das Kastell auf dem Bergkopf bei Ischia aus, als wir uns von Norden näherten. Prachtvoll gezackt, ganz schwarz. Unvergeßlich, wenn auch vielleicht unbeschreiblich. Dann Capri, das blaudunstig blieb, und schließlich in die Bucht hinein. Der Vesuv, von weitem ungemein imposant, er raucht nicht im geringsten.

Bei völliger Annäherung an die Stadt enttäuschend häßlich diese selbst, wie auch die Berge. Dann nette Leute: ein großer Gepäckträger, ein netter Kutscher in einem lächerlich kleinen und wackeligen Wägelchen.

Nach Hotel Russia, Via S.Lucia 34. Ganz altertümlich, unter dem Schreibtisch liegen die Flocken hoch, Steinfußboden, nach einem Gartenhof hinaus. Ich fühle mich ganz wohl darin. Außerdem ist es billig. Himmelhohe Häuser herum. Der Kellner spricht deutsch, die Zimmerfrau französisch, also wird es schon gehen. Dicke Mauern wie in einem Kastell. Bei der Fahrt herrlicher Blick auf Meer und Hafen. Wäscheverhängte Straßen.

 

Capri, den 20. Mai.

Hier ist das Himmelreich. Es ist sehr schwer, auch nur ein Wort zu sagen. Ich hause in einem großen Zimmer, in dem aus allen vier Ecken Gewölberippen aufschießen, ein paar hundert Meter über dem Meere, auf beiden Seiten mit Aussicht darauf. Und auf die Berge und die engen Gassen der Stadt.

Leere prosaische Worte das, aber wie soll ich es fassen. Nur Verse können sich dem Wesen nähern.

Ich wurde von Frau Dr.M. und Herrn H. hier am Strande begrüßt und hinaufgefahren, bis zur Piazza. Den übrigen Weg zur Pension Windsor kann kein Fahrzeug mehr machen, zwei Schritt breit ist die Enge. Mit Stufen, Windungen, Torbogen. Wir haben hier ausgezeichnet gegessen und gingen dann aus, Languste und Wein genommen. Durch die Nachtstille hinauf. Von meinen zwei Balkons die unsagbare Aussicht auf die Stadt mit vereinzelten, verschlafenen Lichtern, sanften Baumschatten an den Wänden, kleinem Getürm und Gewinkel, den Bergen und dem Meere im Hintergrunde. Selig unsagbar ums Herz.

Schon die Fahrt. Kleiner Dampfer. Sehr bewegt. Viele Damen, ekelhafte Sorte von Deutschen, seekrank, erbrachen sich, als wir hier ankamen, aufs ausführlichste. Der Vesuv qualmte herrlich nah daran vorbei. Durch die ganze Bucht Castellammare, auf hohen Felsen, mit schönen Bergen dahinter im Grün. Kähne rudern, auf- und abgeworfen von der Flut, in die Nähe des Dampfers. Vorne junge Männer, die unglaublich geschickt balancieren, ruhig, während der Kahn geworfen wird, so weit vorgebeugt wie nur irgend möglich, erhaschen sie das Seil am Dampfer. – Sorrent in gleichmäßigeren Bergen. Dann die schöne Spitze hier und die plötzlich anwachsende, plötzlich sich bewaldende Insel. Die weißen Blöcke werden Häuser, aus blauem Dunste grüne Ballen, weiche Pinien strecken sich oben, Bäume, Blüten und Gras werden unten, zum ersten Male mir, Wege, meinen Fuß zu empfangen.

Heute auf der himmlischen Insel spazieren. Berge. Meer. Meer. Berge. Felsen. Seligkeit. Gewölk. Gelber Ginster dringt überall durch. Orchideen. Rosen. Geranien. Der Hang ist gelb. Herrlich grünblaue Farbe des Meeres am Fuße der Felsen. Eine schwarze Schlange. Hunderte von Eidechsen, unscheinbar, aber freundlich schlüpfen sie das Gemäuer entlang überall hin. In der Pension eine fast auf meinen Balkon. Schwüle Luft, etwas bedeckt. Das runde schöne Vorgebirge drüben, weiter der Apennin. Einsames Glockenschlagen, das auf den Felsen klingt, sie aber nichts angeht. Zerschundene Kinder, wie aussätzige. Ein Alter, der nach Almosen piepst wie ein Stummer, quiekend.

Am 19. in Pompeji ] gewesen. Aus dem verwahrlosten Neapel sehr bald in ungeheuer fruchtbares Land. Gepflegter Wein, gepflegtes Gemüse, sehr üppig. Die elektrische Kleinbahn hält mitten in der Fruchtbarkeit. Die I. Klasse wie bei uns eine schlechte dritte. Zerschlissener schmutziger roter Plüsch. Schlösser in strotzender Wildnis. Breite Alleen. Ein trutziges Kastell, aus dessen Ecktürmen Scharten wie aus einem Marzipangebilde ausgebrochen sind. Man hörte sehr viel Deutsch wie auf dem Dampfer nach Capri, und man hört Übelstes reden. So wie alle nach Sorrent fragen, seelenlos wie die abgeklapperte Sentimentalität, ebenso in Pompeji. Haus der Vettier überschwemmt. Wenn man die ekelhaftesten Visagen stehen und Notizen machen sieht, mit philiströser Geschäftigkeit, scheut man sich überhaupt zu schreiben. – Und wirklich ist alles unbeschreiblich. Soll ich die Tatsachen aus dem Baedeker nachschmieren? Die Sonne, die spielenden Eidechsen nehmen den Urschauer. Nur manchmal in den Tempeln, in einigen ganz verlassenen Winkeln, regt es sich. Die Häuser kommen mir teils wie noch bewohnt vor. In dem einen, dem der goldenen Amoretten, habe ich meine mitgebrachte Mahlzeit verzehrt.

 

Freitag, 22. Mai.

Auf dieser Wunderinsel weiter erobert. Sie ins Herz gehoben, in die Seele. Gestern auf dem Tiberio gewesen. Eindruck der schönen runden Wölbungen, der runden Bogen und einer über alles erhabenen Lage.

Im Winde brandete das Meer an die ein paar hundert Meter hohen gelbbraunen Wände; saß ich am Muttergottesbild, hob der Wind die jammernden Laute herauf, sie kletterten an den stürzenden Schroffen, schüttelten sich in den trocknen, dickblättrigen lorbeerartigen Bäumen, daß diese wohl fürchteten, herabgerissen zu werden, und heulten in die Stille. Das aufgescheuchte Gras warf sich. Unten Wunder von Farben. Der unterhöhlte feste Fels schwebte im indigoblauen verschwebenden Nichts. Der Vesuv blies einen dicken weißgrauen, über dem Wasser fast olivgrünen Rauch übers Meer bis an die Insel. Niedergedrückt den ganzen Hang des Berges flog er in dünneren Schleiern übers Meer bis an unsere Insel.

Herrlich die Sonne. Auf einem grünen Feuersaume schwebten die Felseninseln, die Winde springen auf und donnern und winseln. Eine Sichel roten Lichtes legte sich um den Horizont. Wie in eine Gasse wuchs es in den Himmel. Wolkengleich, göttlich von der Erde getrennt die Felseninsel, das Festland, der breite Feuerberg, schwebte sie, mit ihren Weingärten, düftekochend, mit ihren Häusern und Menschen beim Abendmahl. Wolkengleich blaue unwesenhafte Klumpen und Streifen Dunstes gleich den übrigen Wolken.

Beim Rückweg, zwischen Steinmauern gegängelt, der atmende Wind in den Ölgärten.

Das unglaubliche Blau. Die Durchsichtigkeit des Wassers bis auf den Steingrund.

Heute hinab zur piccola marina. Frisches Wasser. Die hunderte von Eidechsen. Die stolze Wand des Solaro. Viele badende junge Mädchen.

Gestern früh die Malerplatte und Castiglione. Überall bei jedem Schritt neue Wunder des Blicks.

Schirokkoluft.

Vorgestern zu Wagen nach Anacapri und zu Fuß nach Tragara. Uberraschende Freiheit. Großartige Öde des Abhangs des Solaro gegen dieses Ende der Insel. Etwas Regen. Bedeckter Himmel. Vorweltliches Licht, ungestörte Welt.

 

Capri, Sonnabend, 23. Mai.

Gestern eine herrliche Rundfahrt um die Insel in kleinem Boot. Das Meer so indigoblau, daß ich denke, die Hand, die hineinlangt, muß es auch sein. Braungelbe Felsen, alle die Orte, wo ich schon war. Trotzdem fast abweisende Großartigkeit. Grotte del Bove Marino. Weiße Grotte mit Stalaktiten. Uberall die hängenden Felsenbaldachine. Weiße Segel fern. Die hohen Tiberiusburgen. Zurück hinauf die Kruppstraße. Die schön singende Brandung. Der Vogeljäger, der blitzschnell sichtet und knallt. Nicht mehr so viele Badende wie am Morgen.

Vorgestern auch mit H. schönster Abend. Bei Costantina gesessen. Vier Spieler und Sänger. Nebenan singt uns auch die Prinzessin Carracioli etwas vor. Herrliche Sternennacht.

 

Dienstag, 26. Mai.

Heute ein rechter Sturmtag. An der Seite der kleinen Marina spritzt die Brandung fünf Meter hoch, bisweilen auch zehn. Auffällig viele Menschen stehen dort und sehen es an. Ein langer trockener Palmzweig am Weg, eine mit der Wurzel ausgerissene Geranie. Mit eingekniffenem Schwanz streicht ein Kater das Dach entlang. Beide Türen knacken, klappern und schlagen, obwohl geschlossen. Das Meer im großen lila, vorn nur gelb. Wachteln, erzählt Herr van B., sollen in der Morgendämmerung gegen die Felsen fliegen und niederfallen. Sie sehen sie nicht. Menschen, Möwen, kleine Adler warten schon auf sie. Die warme Schirokkoluft lähmt etwas. Zwischen den Mauern stehende Stille, dann plötzlich werfen sich wild die Eukalyptusbäume. Blumentöpfe drohen überall. Der Vesuv weißumrauscht, wohl hundert Meter, an seiner Höhe geschätzt.

Sonntag war das Fest des heiligen Costanzo, des silbernen Mannes ohne Unterleib in der phantastisch häßlichen Kirche. Morgens Geknall und Geschieße auf dem Berg. Gegen neun ein Konzert auf der Piazza. Prozession. Blaubeschleierte Mädchen, Fahnen, Männer mit Ordensgewand. Ihnen guckt der Alltag ganz weit aus dem Hals des Gewandes mit ihren ledrigen Gesichtern. Viel Geistlichkeit, charakteristische, gewandte, denkende, aber reichlich ungebildete Gesichter. Der Heilige selbst schwankt mit dem gütigen Bischofsgesicht und Mitra und drohendem Zeigefinger durch die engen Straßen und Treppen. Blumen, Ginster, Fiori di S. Costanzo fliegen überall aus den Fenstern. Sie bedecken nachher die Quadern und zeichnen golden ihre Fugen nach. Operettenmusik dazu. Gegen Abend Konzert, durch Regen unterbrochen.

 

Amalfi, 29. Mai.

Hier sitze ich nun auf einer runden Steinbank an einem runden Steintisch unter einer Eiche und Ölbäumen. Im Mittagsschatten. Auf der Höhe. Das Meer ist so blau, daß ich mich kaum glaube. Das Küstengebirge über der blendenden Weiße der Stadt schwach violett mit hellgrauen Runzeln darin. An schönsten Buchten vorüber von Capri aus. Erst das öde Cap Minerva und die öden Gebirge daran, aber unbeschreiblich schön. Alte graue breite Warttürme, zinnengekrönte, nach oben etwas verjüngte Würfel. Segelschiffe mit viel Zeug, dunkle Segel, schwer schleifend mit breitem Bug in dem herrlich stillen Morgenmeer. In den alten Türmen ist vielleicht seit Jahren niemand gewesen. Dann schießt das Gebirge steil auf. Der zackige, von weißen, wie horchenden Wolken umlehnte Monte San Angelo. Darunter Positano. Wohl dreißig Reihen Häuser in unbewegtem Tanze den runden Berg hinan und an beiden Seiten die Hänge hinauf, die ernste Steile, ganz dicht die allerhöchste Höhe bläulich stumpfer Stein und die Zinnen im Himmel. Delphine ums Schiff. Das ist fast leer. Die Gewaltsamkeit des Unfaßbaren durch einen Traum des Lebens hindurch. Und immer neue Dörfer hinter dem männerlosen Dorf, aus dem die meisten, schon mit fünfzehn Jahren, nach Amerika gehen, um reicher zu werden. Die Straße mit dem Steinwall und den abgesenkten Viadukten und Mauern gegen die Tiefe. Klöster auf der Höhe. An jedem schönsten Punkte Häuser. Mit runden Bogen im unteren Geschoß. Glockentürme viereckig, nicht hoch, ohne Spitzen, herrlich, herrlich alles.

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt taucht Amalfi auf, Hotel de la Sirene. Etwas aufdringliche Angebote von Kutschern, Führern, Händlern, Jungen. Bettelnde Weiber. Der Blick unglaublich, wie auch jetzt aus dem Garten hoch überm Meere. Vielleicht noch mehr aus dem alten Kapuzinerkloster, das jetzt Hotel ist, mit langen kühlen Gängen, dem engsäuligen, gewaltig aufstrebenden und belasteten Kreuzgang, schimmernd weiß, dem ziemlich engen Hof, in dessen Mitte mit der Inschrift: vita umbra (viel erloschen daran), die schönen, von geschmacklosen Statuen wie dem stigmatisierten heiligen Franziskus verunzierten Kirche, dem Speisesaal und den Zellen, in denen jetzt nur der etwas fade und faule Geruch des Reichtums haftet. Mit runden Säulen eine lange, lange Säulenterrasse, überlaubt von Wein, glühende Orangen dahinter und Spalier von Zitronen von reinstem Gelb und vollendet üppiger Form. Nach gutem Frühstück hinab in die Stadt. Verwunschenheit. Millionen Fliegen. Jedes Haus wie ein Palast. Bogeneingänge. Fabriken und Werkstätten in schönen Gewölben. Wie jahrtausendealte Spinnenweben, dick verstaubt, gleich schemenhaften Vogelnestern. Der Mühlbach fließt ein Stück unter Gewölben. Der Putz bröckelt. Bogen über die Straße. Geschrei, aber wenig Menschen. Nebenan über großen, zerfressenen Felshöhlen Häuser. Bogen, die kleiner die Höhlen nachmachen. Weiße Stalaktitenzapfen hängen darin. Auf der Spitze ein alter Kastellturm, Ruine.

Die letzten Tage in Capri. Ganz traumhaftes Verweilen. Die Witwe in Anacapri Giovanna, die Wein bringt. Der Wein auf dem Monte Solaro, bei Regen, mit dem Gang durch den Ölberg, den Farrenhang, den brennenden Ginsterberg, den Duft. Die Ruinen, das brandende Meer in ungeheurer Tiefe, die zackig aufstürmende Wand. Abends mit Herrn H. bei Costantina. Wieder zweieinhalb Flaschen weißen Capriwein und die unübertrefflichen Langusten. Zuletzt durch die schweigenden Gassen, wo jedes Haus geschlossen ist, ans Meer. Es singt in der warmen Sommernacht gewaltig und wie unverändert umzirkt es der ewig veränderte weiße Brandungssaum.

Den Vormittag darauf unten in den Klippen gesessen und viele Stunden betrachtet, wie das weiße Wasser heraufschlürft, in Bogen spritzt und staubt, bald da, bald da, lauter redet, ganz einer und für sich, kleine lautere Seen in den spitzigen schwarzen Felsmulden bildet, in laufenden, hundertfach immer neu geschaffenen Bächen herunterfällt und immer versiegend nie versiegt. Und man spürt, das Wasser ist stärker als die harten Felsen.

Gänge auf den sanfteren Wegen zwischen bald hohen, bald kleinen Mauern, wo man durch Türen, Spalten, Zerstörungen der Mauern in die steinige Fruchtbarkeit hineinstaunt. Die ewigen Begleiter, die Eidechsen, die wie das Leben der Mauern aus ihnen schlüpfen und in den grellen Steinen wieder verschwinden. Mittags bei Morgano, wo die schlanke, schwer mit den Schuhen klappernde Marietta den Kaffee bringt.

Ziehende Orangendüfte, hangende Zitronen. Weiße Margeriten, blaue Campanella. Winden. Rosen. Die Lilienpracht an der Villa Lysis, um die segnende Bronze, wo alles Wilde gemildert ist in goldenes Weben überm Meer. Junge Zypressen.

Die furchtbare und herrliche Fahrt in kleiner Barke zur blauen Grotte. Zuerst bewegte, hinter dem Bagni Tiberio, nach dem hohen Vorgebirge, wilde See. Die nach allen Seiten zerklüfteten Wogen gehen unter dem Boot durch, ohne es zu tragen und ohne es zurückzuwerfen. Der Ruderer schwitzt. Grelle Sonne blendet entgegen auf schwarzem brüllendem Wasser. Ganz dicht an dem Felsen vorbei, an dem sich bei Zurückwogen nasse Abgründe öffnen. Keine Möglichkeit, irgendwo zu landen. Gefahr zu zerschellen. Wenn das Boot wie ein Tropfen Öl seitwärts eine Welle herunterglitscht, sagt der Fährmann: Tarantella senza musica. Ich kann auf der schmalen Sitzbank mich kaum halten, der Schwung der Wellen herunter wirft mich öfter fast vornüber. Ich mag das letzte Stück, wo das Wasser unheimlich wächst, kaum noch fahren. Endlich nach langer schwerer Mühe des Ruderers die Grotte. Der Eingang schlägt von unaufhaltsamer Brandung ganz zu, krachend, donnernd und gurgelnd fährt das Wasser daraus zurück. Wir warten mit eingezogenen Rudern. Die See schlägt uns von dem Felsen zurück, einmal stoßen wir doch dagegen, obschon mit der ruhigeren, durch einen Felsen gebrochenen Wucht. Da ergreift er die Kette oben, und in einem Moment der Leere fahren wir unter schnellem Schwünge ein. Bewegung auch drinnen, aber doch ein unheimlicher Friede. Unbeschreiblich hellblaues Wasser, wie auf Feuer sind wir gehoben. Wir sitzen natürlich im Wasser, bespritzt und an Füßen und Beinen durchnäßt. Das schwerlastend schwarze Gewölbe. Die Sonne vorn, die brausend heranschlägt, Dämmerung schaffend – dann wieder der blendende Diamant des Himmels.

Der Fährmann mahnt bald zur Umkehr, weil das Meer immer wilder wird. Wir können lange nicht hinaus, weil schneller und heftiger die Brandung eindonnert. Endlich. Zurück auf blaudicken Wasserbergen, die von hintenher unter dem Boote einherfahren. Ich bin mehr gewöhnt und fühle keine Gefahr mehr. Bei dem Bagni aussteigen. Eine Welle der Brandung durchnäßt mich ganz. Der Schiffer sehr froh über seine fünf Lire statt drei Lire fünfzig. Armer Mann doch. Bei der Rückkehr hören wir von der Korallenfrau, ihr vorgestern dort verunglückter Schwager sei gestorben. Der Kahn al bano gegangen, zwei Damen gerettet, er erhielt einen Stoß gegen die Brust. Bluterguß. Tod. Schrecklich.

 

Ravello, Sonnabend, 30. Mai.

Ich wohne im Hotel Palumbo, dem alten Bischofspalast, beinahe vierhundert Meter über dem Meer mit unendlicher Aussicht darauf sowie die vier Bergrücken, die von beträchtlicher Höhe gegen das Wasser hin absinken. Heute Mittag fallen einige Tropfen Regen, morgens waren die Berge wie Samt, und gestern strahlte alles, das Meer wieder in schwebendem Lichte.

Die Bedienung ist leider muffig und unfreundlich. Um die schöne Stunde des Eindunkeins betrogen, weil man nicht draußen servieren wollte. Immerhin. Ein Rosengarten, säulenumgeben, zwischen denen eine Mauer mit Sitzbänken läuft. Ranken herauf und Wein. Blick auf endlose Weingärten, Öl und Feigen dazwischen, die Berge waagerecht durch Mauern zerschnitten, bis oben.

Die Fläche eines solchen Gartens, der meist laubenartig angelegt ist, selber in Stöcken oder schräg der Sonne entgegen die Pflanzen trägt, ist häufig der Abschluß für eine Mauer, die sich zu spitzsteiniger, irgendwo in Treppen mündender Straße absenkt, und die andere Seite der Straße bildet wieder den Abschluß der grünen Blätterebene. Noch sind keine Trauben zwischen den Blättern. Es muß im Herbste köstlich anzusehen sein. Auch die meisten Blumen sind im Verblühen, nur die Geranien noch nicht. Und manche Gärten halten noch ihr schlaffes, buntes, aus der Erde gesogenes Feuerwerk müd in die Höhe.

Dieser Ort und die umliegenden – ich war auf beschwerlichem, von den Steinmauern geführten und von Eidechsen durchhuschten und durchschlichenen Wege nach Minori hinuntergestiegen – ist eingeschlafen, ja abgestorben. Fliegen und Vögel leben hier mehr als die Menschen. Ihrer sind zu wenig, die Last der Zeit und die Pracht der Paläste zu schwer für sie. Einer der ältesten italienischen Paläste, der dei Rufoli, ganz grau, mit schöner Galerie und schönen Türmen, ist teilweise schon unter die Erde gesunken, der Palast gegenüber der Dépendence des Hotels völlig zertrümmert. Im Garten geht man auf ebener Erde, bis plötzlich ein großes Mauerloch vor dem Fuße klafft, das untere Gemächer, verfallen, steingefüllt aufzeigt. Halbe Mauern, Scherben von Vasen, noch zusammenklebende Ziegelsteine, alles liegt wüst und unangerührt durcheinander. Kirchtürme, die nur noch schöne Gespenster sind, zerfressen überall, ragen auf den Bergen.

Die Normannenzeit, aber ohne ihre Wucht, Gehäuse mit ausgeblasenem Leben, vergeht in den anderen Zeiten. Ein Schuster hämmert in irgend einem Palast das Leder. Eine große Osteria ist ein Weingarten geworden, in ihrem Brunnen stecken Gewölbe. Hallen geräumig, säulengetragen, taugen nur noch zu Aufbewahrungsräumen schlechter Waren. Eingänge, meist unverschlossen und bloß durch schlechte Holztüren verwahrt. Hin und wieder in einer Ruine ein verkleistertes Loch. Vierzehn Kirchen und vier Klöster. Jetzt nichts. Die schöne eingelegte, von sechs Löwinnen getragene Kanzel in der Kathedrale und dem Ambo gegenüber das vielleicht einzig unversehrte. Der Turm bröckelt auch. Die anderen rundköpfigen rundfenstrigen Normannentürme.

Nur um Mittag und früh am Morgen, wohl auch abends, geht ein müde fröstelndes Glockenklappern durch sie, ein greisenhaftes Wiederholen der Zeit, ein langes Schlagen; wenn man ihm nachzählt, führt es einen über die vierundzwanzig Stunden hinaus weit in eine andere Zeit und verläßt einen dann plötzlich. Die zierlicheren Gedanken der Baumeister, die über den Türen, an den Fenstern den Wanderer empfingen, fallen herab und zerschellen. Wen kümmerts noch? Der Wein wächst und ist voll und sehr schwer. Wagner hatte hier Klingsors Zaubergarten gefunden. Es ist wirklich alles märchenhaft verwunschen, umso mehr, als es von den Menschen hier nicht bemerkt wird. Sie wohnen darin, in ihrem engen Kreise, und nehmen von der Stadt nur, was ihren Bedürfnissen dienen kann. Was darüber hinaus an diesem Teile ist und mit dem anderen unbenutzten in höherem Leben lebt, ist nicht für sie. Der schöne Löwenbrunnen auf der Piazza, wo immer ein paar Knaben die Tiere umarmen und ihnen das Wasser abfangen. Mir hat der Ort keine Schwermut, weil es mir ist, als grüße ich etwas Bekanntes, Verlassenes wieder, etwas, was mir bekannt ist, ohne daß ich vorher dagewesen bin.

Aufwachendes Erstaunen über den Riesentanz der Berge heran, deren Größe man so leicht aus dem Gedächtnis entfallen läßt. Herrliches Land!

Die beiden kleinen schwarzen, schlanken italienischen Torpedoboote aus Amalfi waren hier. Auf der Höhe dröhnten Kanonen. Was die barbarischen Menschen noch immer an Kriegsgerät bereit haben!

Der Kutscher, als wir von Amalfi die schwer steigende Straße mit niedrigem Wall und oft hoher Mauer hinter ihr hinauffuhren. Er verhandelte über die Fahrt nach Salerno. Drehte sich um, hockte zu uns und ließ die Pferde gehen. Blieben sie am Fleck, trieb er sie mit einem gutmütig entrüsteten, erstaunten und ermunternden Aaa! weiter. Wechselte den Laut auch mit o und i. Fröhlich sang er sich Liedchen vor. Nach jeder Blume schlug er. Einmal sprang er ab, eine Rose zu pflücken, und fand keine. Er sagte niemals eine Entschuldigung oder fragte gar um Erlaubnis. Ob er den Preis im Baedeker lesen könne? No, questo pezzo no lo mi parato. Es sei zu teuer, sechzehn Lire. Nein, il Baedeker e molto antico. – Ein Soldo, abgenutzt, sei consumato. Aber seine Pferde, die bei der schönen Mittagshitze sehr schwitzten, wären cavalli da fuoco, cavalli di corso und hätten il primo premio gewonnen. Sein Hut flog weg: er ihm langsam nach, und mit der Peitsche stochernd, schob er ihn noch weiter, fing ihn endlich und ließ nicht ab, bis er ihn vom Peitschenstiel geschleudert und dann mit dem Kopfe aufgefangen hatte.

 

Neapel, 3. Juni.

Aus dem verzauberten Ravello weiter. Schöne Abendstimmung, nach Scala gewandert. Viele Glühwürmer schweben durch die Tiefen und durch die Straßen, am Dome hin, durch die Glockentürme. Frau M. hält einen für eine Sternschnuppe. In einem ganz einfachen Café gesessen. Kind schreit, Katze kommt. Luft von beiden Seiten. Und weiter hinauf die spitzigen Steine. Am Morgen die hohe Rechnung, aber es war alles gut. Freundlicher Abschied auch von Wirtin, mit Händedruck. Ist Schweizerin.

Wieder in den Händen des drolligen Kutschers. H. hatte den Stock in Amalfi vergessen; er die phantastischsten Pläne, den Bastone wiederzuschaffen. Er will ihn schicken, will von der Straße abbiegen, bittet um ein Billet ans Hotel, begegnet schließlich dem Prinzipal des Hotels Vittoria in Cava dei Tirréni, in das wir wollen, der nach Amalfi fährt, läßt ihn abspringen, ganz selbstverständlich, und trägt ihm auf, ihn zu bringen. Es ist Pfingsten, nirgend aber etwas vom Fest zu merken. Sehr schmutzige und zerlumpte Leute arbeitend, schleppend. Geschäfte auf.

Wieder hockt der Kutscher vorn und redet. Will nicht nach Salerno. Es stänke Krankheiten. Das Hotel Aquila d'Oro, in dem wir absteigen wollen, existiere nicht. Es existiert, wie wir nachher sahen. Dazwischen erzählt er ein Abenteuer und holt einen vorn eisenbeschlagenen Totschlägerknüppel heraus, kriecht auf die Deichsel zwischen die Pferde. Es tropft. Er zieht eine Regenjacke an, schäbig, zerrissen, aber in Tripolis gewesen mit ihm im Kriege. Als es mehr regnet, schlägt er ungefragt das Verdeck ab, nimmt Frau M. den Regenschirm aus der Hand. Sie meint, er will ihn schließen, aber er beschirmt sich damit. Sonderbar sieht er aus mit dem feinen Seidenschirm. Ungefragt hält er bei einer Obstbude am Capo d'orso. Wir müssen kaufen. Dann: wir sollen Santa Lucia singen. Er tuts dann selbst höchst mangelhaft. Zufrieden über den Lohn.

Wir fuhren nach Cava, durch das herrlich gelegene Vietri. Herrliche Straße, Wachttürme auf der Höhe. Wein. Ölbäume. Öde. Glatte Felsen. Am Kap zerfressene. Klöster oben. Gemäuer in jeder Höhle, oft mit den kleinen römischen Ziegeln. Verfallenes, Verfallenes überall! Die Straße königlich gebaut. Die gerundete niedrige Mauer. Schöner Blick auf die Eisenbahn. Rasend durch das klappernde Cava. Alle Uhren schlagen hier unendlich. Sie können nicht genug wiederholen, was sie doch nicht verstehen. Kolonnaden der Hauptstraße. Sehr, sehr viele Menschen. Leckere Geschäfte aller Art. Nichts von Pfingsten. Am Ende der großen Stadt biegen wir ab in einen alten Palast, das Hotel.

Ein großer Salon von wenigstens zwölf Metern Länge, mit vielen vornehmen Sitzen. Schöne Spiegel. Eingelegte Schränke und Kommoden. So auch in den Schlafzimmern. Hohle gemalte Decken, dicke Mauern. Teppichbelegt der Boden bis zum Rande. Nur das Lager ist überall schmal und das Kopfkissen hart, daß man Genickstarre bekommen möchte, und die Waschgelegenheit beschränkt. Die gemalten Decken bis ins Klosett. Ausgezeichnetes Essen.

Dann auf nach Paestum. Lage der Stadt: rundum Berge in mäßiger Höhe, etwa wie Baden-Baden, große Fruchtbarkeit. Auf der Bahn können fünfzig Lire nicht gewechselt werden. Wir schrapen das Letzte zusammen und kommen in drollige Verlegenheit, da wir kein Kleingeld haben und nicht das geringste, keine Karte, keinen Kaffee und so weiter kaufen können. Da erlöst uns das Billet auf der Umsteigestation Battipaglia.

Wir fahren erster Klasse und müssen heraus, sobald Platz ist in der zweiten. Beide jedoch gleich schmutzig, verklierte Fensterscheiben, Staub, verschossene, schäbige Polster. An den Türen werden die Finger ganz schwarz. Nach Paestum ein hüpfender Zug. Klein, langsam. Fruchtbares Land, das ebener wird. Zwischen Weiden große Büffelherden. Etwas wolkenverhängter Himmel. Vor der Stadtmauer, imposant aus Steinquadern gefügt, mit rundem Tor in der Mitte, die fünf Kilometer mißt und vielfach zu sehen ist, steigen wir aus. Schöne Einsamkeit. Häßliche große Hauskästen vor den Tempeln innerhalb der Mauer. Wieder schönste Lage. Gemessen entfernt die hohen ernsten Berge, auf achthundert Meter etwa nah das Meer. Farrenwälder wuchern grün an den Cerestempel und den gelben Neptuns ] heran. Kartoffelfelder. Distelhecken, anderthalb mal so hoch wie ich. Weiter Hafer und Gerste, mannshoch. Da sagt man noch, hier sei es öde! Einsam und still nur ist es. Das Meer glänzt blau, blendet quecksilbern. Zwischen Sonnenpausen stürzen Regengüsse, ganz kurz. Die unglaubliche Schönheit der Bauten (mit Ausnahme der Basilika, auch eines dorischen Tempels, wo irgend etwas nicht stimmt, vielleicht die Zierlichkeit und geringe Höhe der Säulen nicht zur Größe oder den breiten Kapitalen und zu starker Verjüngung oben) nicht zu beschreiben. Sie wirkt immer eindringlicher, brennend, erhöhend wie Wein und Göttliches. Pferde jagen herum, Raben fliegen drüber, in Scharen. Die ungeheure Last des Daches auf dem Neptuntempel, die heitere Freundlichkeit der kleineren. Sie stehen und warten und haben noch nicht ausgedient. Hier ist auch heiliger Geist von Pfingsten. Trümmer anderer Tempel, schön, das Amphitheater. O, was Robert Guiskard hier zerstörte und verschleppte, wiegt schwerer als was er auferbaute – so die Kathedrale von Salerno. Alles war ohne Menschen, Kustoden und Führer, so wie es eigentlich sein muß.

Zurück in einem schnelleren, aber auch sehr schmutzigen Zug. Frau M. einen Handschuh pechschwarz gemacht. Es regnet. Müdigkeit. Bei der viel verspäteten Ankunft in Cava hats aufgehört. Spät, leer, großer Saal, eine Kerze vor seinem Eingang, eine düstere Lampe auf unserem Tisch. Guter schwerer Wein.

Morgens zu früh erwacht. Zur Bahn. Das Gepäck ist nicht da. Der Portier wird im Wagen zurückgejagt. In mehreren Sprachen war abgemacht, er möge es zeitig bringen, er hat es in jeder mißverstanden. Dann noch gerade. Lustige Verlegenheit von Herrn H. und Frau M., denen das Geld eingeschrumpft ist. Lustige Sparsamkeit in Salerno. Am Bahnhof dort unbegreifliche Verlotterung, Schmutz, Unfreundlichkeit, Gestank, Häßlichkeit. Lange Fabriken mit Schloten, öde Häuser. Erst nachher kommt man in die schön gelegene alte Stadt. Schirokkoluft, Gewitter. Wir pilgern ein paarmal die zwei Kilometer lange Hauptstraße auf und ab, essen verhältnismäßig teuer im Aquila d'Oro, wo sehr viele Offiziere sitzen, und so wird es Zeit zur Trennung. Auf dem Schiff noch ich mit. Es geht. Winken.

Nach den schönen gemeinsamen Tagen sehr verlassen. Sehe den Dom, steige die schmale Straße. Große Hallen und Treppen, Vorräume wie Säle, Madonnenbilder, alle mit einer elektrischen Birne erleuchtet, selbst ungerahmte Druckblätter. Sonderbare Höfe, alles wie für die Ewigkeit, alles schon verfallen und nicht mehr wie heut. Die große Zeit wohnt noch hier, aber sie ist nicht. Gregor VII., Hildebrand liegt in der Kirche, Evangelist Matthäus soll es. Guiskard hat sie gebaut. Steil hinan und hinab, halb und ganz im Keller Osteria, wo man einmal sitzen möchte.

Droschke zur Bahn. Dreiviertel Stunde Verspätung des Zuges, der dann vorzüglich ist. Freundlich-mickeriger Gepäckträger, der auf der Schwelle zu den Schienen geduldig sitzt und gute Reise wünscht. Regenguß bis fast nach Neapel. Alle Sitze besetzt.

Der Gepäckträger hier noch mit drei anderen Stücken beladen, an der Sperre darum Schwierigkeiten, doch zwei Soldi heben sie. Nachher Streit mit einem Taxameterkutscher doppelten Tarifs, was er mir sagte und der Kutscher hörte. Saust herunter, packt ihn, würgt ihn, schimpft, ein Schutzmann mit theatralisch großen Gebärden weist ihn auf den Bock und den Träger auf die andere Seite. Ich gebe ihm fünfzig. Nachher der Kutscher muß wechseln, mit bittender Geduld versagt er mir, das Gewünschte herauszugeben, und daß es Pfingsten sei. Mag er.

Unendlich froh, als ich einen kleinen Berg lieber Briefe hier finde und in einem noch besseren Zimmer lese. Lauter gute und treue Nachricht.

Die Esel in Salerno schrieen so unglücklich, wie ein Mensch überhaupt nicht unglücklich sein kann. Ich liebe diese Tiere mit ihren aufmerksamen klugen Ohren.

 

Donnerstag, 4. Juni.

Auf dem Dampfer »König Albert«. Jetzt liegt Neapel in der Sonne und hält die gleißende Lichtseite seiner Häuser, Dreiecke und Vierecke, in die klare Luft. Der Vesuv erzählt sich etwas vor: er hat eine besinnliche weiße Wolke auf dem Kopf.

Alles sieht unendlich schön aus – das Castel Nuovo oben, weiter Camaldoli, im weißen Schatten Capri, wo ich noch immer weile, Pracida, Nisida, Ischia, sehr zurück Posilip, Ischia. Herzensfreude, zur See zu fahren. Die Taucherkunststücke. Die Händler, die einen richtigen Karten-, Korallen- und Schmuckladen an Bord aufgeschlagen haben. Mittagsschläfrigkeit. Unser Schiff mit zwei Schloten, hoch und groß, war das schönste im Hafen.

Nach der Rückkehr aus Salerno kam mir Neapel sehr sauber vor. Die Trams gehen wieder übrigens sehr glatt und recht schnell. Viele neue malerische Punkte entdeckt. Tore, Paläste in den Höfen, versteckte Barockkirchen, Einladendes, kleine Kneipen und Läden. Schön in einer schattigen Halle ein Heiligenbild mit drei brennenden Kerzen davor, draußen Menschengewimmel. Auf und ab. Die breiten Quadern. Kühle und Glut durcheinander.

Am 2. war ich in Pozzuoli. Schöne Fahrt zu Wagen. Durch die Zehntausende von breitblättrigen Weinstöcken, die den Falerner tragen. Camaldoli herrlich auf der Höhe. Stickige Luft vorher in dem kilometerlangen Tunnel, welcher den Berg durchbohrt. Zur Solfatara. Ungeheuer freche Führer, acht Lire gleichsam für nichts. Schwindler und Betrüger. Ich habe geschimpft wie auf der ganzen Reise nicht. Sehr interessant die Solfatara. Ich ging durch den Krater. Es hallt dumpf auf dem ebenen Sand. Sechs Meter tiefer wachsen heiße Wasser auf. Lachen, trübe, schweflig. Eine 50° warm, eine 100° und eine schlammbrodelnd 200°. Blasen werfend und kochend. Der Boden auch warm. Dazu Sonne von oben. An den Seiten dampft es aus vielen Erdlöchern. Selbst ein ganz kleines faucht die hingehaltene Hand heiß an, Feuchtigkeit schlägt sich daran nieder. Dann zischt es aus einem größeren Loch ein paarmal mannshoch herauf. Eine angezündete und hingelegte Fackel vermehrt den Dampf. Aus Dutzenden von Löchern wabert er herauf. Eine ganz große Stelle mit Mineralen. Hier brodelt ein riesiger Sand in Blasen. Sonderbar in der Ebene der nicht hohe Kraterrand, in dem Gras wächst und schon hohe Bäume stehen. Der Monte Nuovo wächst weiter, welcher im Mittelalter (1230, glaube ich) zuletzt gearbeitet hat. Und noch viele Kraterkessel. So auch der Lago Agnano, der sich nach einem Ausbruch gebildet hat.

Nicht weit das Amphitheater, Ellipse, Löcher für Wasser, um Seekämpfe aufzuführen. Reihen von Käfigen für die wilden Tiere. Gefängnisse. Sehr groß. Von oben schöne Aussicht. In der Stadt der melancholische, im Wasser stehende Serapistempel. Säulen, in die Meerschnecken hineingenagt haben.

Pozzuoli schmutzige Stadt, viel gehandelt und gebettelt. Zurück wundervolle Fahrt am Meere.

 

Anmerkungen aus ©-Gründen nicht mit aufgenommen. Re.


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