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VI

Der Wind hatte sich gelegt; eine große Stille herrschte in dem gemütlichen hübschen Raum. Das war die richtige Umgebung für das Ehepaar Deherche, das so zärtlich und früher so lustig gewesen war, und beim Betrachten dachte Le Goutelier an seine eigene Wohnung, die kalt und reizlos war, an sein eintöniges Leben, welches sich, seit er die Schiffahrt aufgegeben hatte, zwischen den Wänden seines Büros und denjenigen seiner Behausung abrollte.

Hier merkte man, daß jedes Möbelstück, jede Kleinigkeit seine Geschichte hatte, eine Erinnerung bedeutete, daß alles mit Liebe zusammengebracht worden war zur Erhöhung der Behaglichkeit und Augenfreude. Dieses mit Perlmutter eingelegte Möbel erinnerte an eine Kreuzerfahrt nach China, das ziselierte Messing an eine Reise nach der Türkei, dieser auf seinem Vogelständer eingenickte Papagei an einen Aufenthalt in Afrika.

Ohne Zweifel bewegten sich die Gedanken von Frau Deherche in gleicher Richtung, denn sie schwieg, in tiefes Nachsinnen versunken. Le Goutelier sagte, um die Stille zu unterbrechen:

»Gedenken Sie, in Havre zu bleiben, oder wollen Sie woanders hin?«

»Ich hab' noch nicht darüber nachgedacht, aber ich glaube, daß ich, so gern ich mich auch aufs Land zurückziehen möchte, doch in einer Stadt werde leben müssen. Mein Junge wächst, er muß eine gute Schule besuchen, und ich habe nicht das Recht, meine Wünsche seinen Interessen voranzustellen.«

»Sie haben recht«, murmelte Le Goutelier.

Aber er war offensichtlich zerstreut und horchte fortwährend auf die Geräusche von draußen. Endlich läutete die Glocke im Flur, und bald darauf überbrachte das Dienstmädchen eine Karte.

»Ich lasse bitten«, sagte Frau Deherche.

Der Juwelier trat ein; Frau Deherche stellte vor:

»Herr Le Goutelier, Prokurist der Transozeanischen Gesellschaft.«

Die beiden Männer begrüßten sich; dann begann der Juwelier in einem etwas verlegenen Ton:

»Das, was ich Ihnen zu sagen hätte, gnädige Frau, ist mehr persönlicher Natur ...«

Frau Deherche beruhigte ihn:

»Sie können vor diesem Herrn ruhig sprechen. Er war der Chef und Freund meines Mannes.«

»Und ich bitte Sie, zu glauben, gnädige Frau,« fügte Le Goutelier hinzu, »daß ich auch ganz der Ihre bin, Ihnen vollkommen ergeben ...«

»Gnädige Frau,« begann Serrièges von neuem, »Sie haben mir drei Schmuckstücke anvertraut. Ich habe die beiden ersten sofort geschätzt; was das dritte anbelangt, so habe ich einige Vorbehalte gemacht, bin aber jetzt genau orientiert und kann Ihnen eine positive Antwort geben. Der Wert dieses Rubins ist ungefähr ...«

Le Goutelier unterbrach ihn.

»Gleichgültig, mein Herr; Frau Deherche hat es sich überlegt und beabsichtigt, nicht mehr zu verkaufen.«

Der Juwelier sah sie fragend an und sagte: »Das ist was anderes«, und zog das Etui aus seiner Tasche. Ohne es zu nehmen, sagte Frau Deherche:

»Es stimmt, daß ich ihn, für den Augenblick wenigstens, lieber behalten möchte. Da Sie aber die Liebenswürdigkeit hatten, ihn zu prüfen und abzuschätzen, möchte ich den Wert erfahren. Irgendein Ereignis könnte mich zwingen, meinen Besitz zu veräußern, und für diesen Fall wüßte ich gern, was für einen Betrag dies repräsentiert ...«

»Dies repräsentiert«, betonte Herr Serrièges, »rund sechzigtausend Francs.«

»Was sagen Sie?« rief Frau Deherche.

»Das ist ja irrsinnig«, lächelte Herr Le Goutelier.

Der Juwelier entschuldigte sich fast:

»Mein Herr, ich sage Ihnen meinen Käuferpreis, den ich gewissenhaft ermittelt habe. Es könnte bei der gegenwärtigen Hausse in Edelsteinen sein, daß dieser Ring einen Käufer findet, der mehr zahlt. Aber das wäre ein Liebhaberpreis, eine Laune ... Ich wiederhole jedenfalls, daß ich für sechzigtausend Francs Käufer bin.«

Frau Deherche stammelte:

»Sechzigtausend Francs? Sechzigtausend Francs? ...«

Le Goutelier zuckte die Achseln.

»Das ist ja ein Witz!«

Da verlor der Juwelier seine Ruhe:

»Mein Herr, ich bin ein ehrlicher Mensch und habe nicht die Gewohnheit, diejenigen auszunützen, die mich mit ihrem Vertrauen beehren. Ein Stein ist kein reines Gold; nur das Gold allein hat einen sicheren Wert ...«

Le Goutelier lachte auf:

»Es ist hier weder der Ort noch die Zeit für ein derartiges Gelächter, seine Ursache ist aber nicht die, die Sie vermuten, Sie können mir glauben. – Sechzigtausend Francs für diesen Rubin? ... Sehen Sie doch, wie erstaunt Frau Deherche über diese Summe ist! Ich bewundere die fabelhafte Geschicklichkeit der Nachahmer. Ich muß gestehen, daß ich niemals geglaubt hätte, daß die Rekonstitution, oder wie das heißt, bis zu diesem Grad die Echtheit vortäuschen kann.«

Frau Deherche hörte mit großen Augen und zitternden Lippen zu. Le Goutelier fuhr fort:

»Im übrigen beweist Ihr Irrtum, daß Sie geringe Erfahrung in der Abschätzung solcher Dinge haben ...«

Der Juwelier setzte das offene Etui auf den Tisch und antwortete ruhig:

»Mein Herr, ich wiederhole, daß ich für sechzigtausend Francs Käufer bin. Und ich füge hinzu, daß ich ein ausgezeichnetes Geschäft dabei mache.«

Er hatte diesen Satz so unzweideutig gesagt, daß Le Goutelier sein Lächeln aufgab und Frau Deherche sich an ein Möbelstück lehnen mußte. Le Goutelier faßte sich zuerst:

»Frau Deherche wußte sich nicht im Besitz eines so wertvollen Schmuckstückes. Sie glaubte wohl, daß dieses Juwel einen hübschen Betrag repräsentierte, aber von da bis ...«

Frau Deherche wollte sprechen. Sie schwieg auf sein Zeichen, und er fuhr fort:

»Dieser Ring ist ein Erbstück von einer Verwandten, und gerade wegen der daran haftenden Erinnerungen möchte Frau Deherche sich nicht davon trennen und hat sich nun entschlossen, Sie um Rückgabe zu bitten. Nicht wahr, gnädige Frau?«

Unfähig, ein Wort hervorzubringen, neigte Frau Deherche ihren Kopf zum Zeichen des Einverständnisses.

»Sollten Sie es sich überlegen, gnädige Frau,« sagte der Juwelier, »so bleibe ich zu Ihren Diensten und zwar zum Preis, den ich Ihnen genannt habe.«

Frau Deherche nickte wieder bejahend.

Le Goutelier begleitete den Besucher hinaus. Als er zurückkam, fand er Madame Deherche unbeweglich vor dem Tisch, auf dem das Schmuckstück leuchtete. Diese kurze Unterredung, die wenigen Sekunden des Alleinseins hatten sie derart verändert, daß er an der Schwelle stehenblieb und sie in ihrem Nachdenken nicht zu stören wagte. Ihre zusammengezogenen Augenbrauen gaben ihrem fahlen Gesicht den Ausdruck unsagbaren Schreckens. Etwas, das schwerer war als Worte, schneidender als Schmerz, hatte sie niedergedrückt. Wie ein verwundetes Tier stand sie da. Der Blick ihrer Augen, die plötzlich blau umrändert waren, hatte eine unerträgliche Starrheit; die steife Haltung ihres Oberkörpers ließ sie größer erscheinen, und die Unbeweglichkeit ihrer ganzen Gestalt war so groß, daß alles Leben daraus entwichen schien.

Le Goutelier machte einen Schritt vorwärts. Im Nu verschwand die Verzauberung, die ihren Körper versteinerte. Sie hob das Kinn; ein Arm löste sich, dann der andere; sie streckte die rechte Hand gegen den Tisch, nahm den Ring, hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und steckte ihn auf den Ringfinger der linken Hand.

Bis zu diesem Augenblick waren ihre Augen, die etwas Unbestimmtes in der Ferne zu suchen schienen, ihren Bewegungen nicht gefolgt. Die Kälte des Metalls ließ sie unmerklich erzittern; sie senkte die Stirn, betrachtete ihre weiße Hand, auf der der Rubin sich wie ein Blutfleck abhob; dann riß sie plötzlich den Ring vom Finger, warf ihn auf den Tisch und wich zurück.

Ihre Stimme aber war kaum verändert, als sie sagte:

»Herr Le Goutelier ... wie lange ist es her, ... daß mein Mann sechzigtausend Francs ... Ihrer Kasse schuldet?«

Er versuchte, die Antwort hinauszuziehen:

»Ich weiß nicht, ich weiß nicht mehr genau ...«

»Doch, Sie wissen es, Sie müssen es mir sagen.«

»Nun denn,« gestand er mit Bedauern, »seit zwei Jahren ... vielleicht noch etwas länger ...«

Sie sagte nur: »Ach«, preßte die Hand gegen die Stirn und überlegte. Le Goutelier begann wieder:

»Sehen Sie, liebes Kind, Sie müssen ...«

Durch eine Bewegung brachte sie ihn zum Schweigen.

»Lassen Sie mich, bitte, mir fällt es schon schwer genug, meine Gedanken zusammenzuhalten ... Zwei Jahre, vielleicht noch länger, sagen Sie? Folglich hat er also diesen Stein nicht mit dem Geld gekauft, das ihm die Gesellschaft vorstreckte?«

»Zweifellos ... wahrscheinlich ...« murmelte Le Goutelier.

»Als er ihn mir gab, versicherte er, daß dieser nicht mehr wert sei als die anderen ...«

»Vielleicht nahm er es an ... gutgläubig?«

Sie verneinte heftig. Eine unbestimmte Ahnung schien ihren Geist zu erleuchten; noch war es kein Verdacht, nur ein ungewisser Schauder, der sich verdichtete. Langsam sagte sie:

»Sollte er Einnahmen gehabt haben, von denen ich nichts wußte?«

»Wie meinen Sie das?«

»Wo sollte er denn sonst eine derartige Summe hernehmen?«

Durch eine Bewegung der Schultern zeigte Le Goutelier seine Unfähigkeit, darauf zu antworten. Auch ihn schien diese Enthüllung zu verblüffen. Zunächst hatte er versucht, das was daran unheimlich, beunruhigend war, abzuschwächen; hier halfen nicht mehr banale Phrasen, tröstende Reden, ja selbst das Schweigen. Die Tatsache war da und forderte eine Erklärung. Das Leben von Deherche war so durchsichtig! Kein verdächtiger Verkehr, keine andere sichtbare Sorge, als die Behaglichkeit seines Heims aufrechtzuerhalten. Er versuchte trotzdem die Gedanken der jungen Frau von den Zweifeln, die sie überkamen, abzulenken.

»Es kann sein, und das ist die einfachste und wahrscheinlichste Erklärung, daß er den Stein auf Kredit gekauft hat ...«

»Einem armen Offizier einen solchen Kredit? Das ist noch unsinniger als alles andere.«

Er entschuldigte sich:

»Was wollen Sie ... Ich suche ... ich tappe ... Ihre Unruhe beginnt, auch mich zu ergreifen ...«

»Nein, Herr Le Goutelier, sagen Sie das nicht! Wir haben beide im selben Augenblick den gleichen Gedanken gehabt. Wenn es anders wäre, warum sollten Sie dann vor dem Juwelier dieses Märchen von dem geerbten Ring erfunden haben?«

Er war um eine Antwort verlegen. Die junge Frau fuhr leidenschaftlich fort:

»Auch ich habe die Gefahr gefühlt, auch ich empfand die Notwendigkeit, vor diesem Mann eine plausible Erklärung zu finden, und habe durch mein Schweigen den Vorwand gebilligt, habe ihm den Anschein der Wahrheit verliehen! Denn wir haben gelogen, einer wie der andere! ... Und wenn dieser Juwelier sich dennoch getäuscht hätte? Ich muß mein Gewissen beruhigen! Ich werde nach Paris fahren, werde zehn Sachverständige zu Rate ziehen ...«

Le Goutelier schien nicht zu hören und war in Gedanken vertieft. Die Anspannung seiner Gesichtsmuskeln, die zusammengezogenen Brauen, diese äußeren Anstrengungen verrieten die Arbeit seines Gehirns. Das letzte Wort riß ihn aus seinem Nachdenken, und er sprach mit lauter Stimme:

»Ich beschwöre Sie, nichts zu unternehmen.«

»Warum? Was befürchten Sie?«

Er vermied es, seine Befürchtungen auszusprechen und sagte nur:

»Warum haben Sie mich nicht um Rat gefragt, bevor Sie den Schmuck diesem Herrn Serrièges zur Abschätzung übergaben? Wer weiß, ob es nicht bereits zu spät ist, um das zu vermeiden, was unter allen Umständen hätte vermieden werden müssen? ...«

»Zu spät? ... Vermeiden? Ich verstehe nicht ... Erklären Sie ...«

»Verlangen Sie nicht Einzelheiten, die ich nicht geben kann. Begnügen Sie sich damit, dem Rat eines klugen, vorsichtigen und ... ängstlichen Freundes zu folgen. Vergessen Sie nicht, daß ich Wert darauf gelegt habe, daß dieses Schmuckstück wieder in Ihren Besitz gelangt, und nun dürfen Sie es nicht mehr aus der Hand geben. Von den dreien, die von seiner Existenz wissen, ist mir die Verschwiegenheit von zweien sicher; Ihre und meine ... Gebe Gott, daß der dritte unsere Verlegenheit nicht erraten hat und ebenfalls schweigt! ...«

»Ich flehe Sie nochmals an, mir zu erklären ...«

»Ich kann nicht.«

»Ich verlange es!«

Er antwortete verzweifelt:

»Ich kann nicht; ich kann wirklich nicht ... Ich kann Ihnen nur sagen: ich habe das Gefühl, daß um uns herum ernste Dinge geschehen, furchtbar ernste ...«

Madame Deherche stieß einen wilden Schrei aus:

»Sagen Sie doch das Wort: ein Diebstahl! Er, ein Dieb? Welch Grauen! ... Doch Sie haben recht, ich werde gehorchen, meinem unglücklichen Kind zuliebe ... Dieses fürchterliche Schmuckstück muß verschwinden ...«

Mit einer plötzlichen Bewegung warf sie ihr Cape um die Schultern. Le Goutelier hielt sie zurück:

»Sie haben nicht das Recht, es zu zerstören. Wenn das wirklich nicht Ihnen gehört, dürfen Sie deshalb den rechtmäßigen Besitzer darum bringen?«

Er drückte sich mit der Gewichtigkeit der Überlegung aus, mit einer kalten und verzweifelten Vernunft, und der Ton seiner Stimme war so nachdrücklich, der Befehl so eindeutig trotz seiner Milde, daß die junge Frau den Umhang hinabgleiten ließ und unbeweglich stehenblieb. Er bestärkte sie durch einen mitleidsvollen Blick und flüsterte so erregt, daß die Worte kaum über seine Lippen kamen:

»Ich erkenne jetzt in Ihnen den ehrlichen Menschen, den ich vermutete. Was auch geschehen mag, rechnen Sie auf mich; immer, überall werden Sie mich bereit finden, Ihnen in jeder Weise zu helfen. Die Pflicht, der Sie sich unterordnen, ist furchtbar. Sie wiegt alle Fehler auf, die dazu geführt haben.«

Er erwartete, daß sie nach diesen heftigen Erschütterungen in Tränen ausbrechen würde. Sie aber fand die Kraft zu lächeln:

»Ich gehorche Ihnen, Herr Le Goutelier, aber das ist nicht mein Verdienst; ich muß es tun, weniger aus Ihren Gründen, als um zu zeigen, wie sehr ich an die Unschuld meines Mannes glaube. Wenn die Ereignisse, die Überraschungen, das Unerklärliche mich fünf Minuten haben zweifeln lassen, so ist es schon zuviel. Selbst im Augenblick, da ich das Wort Dieb aussprach, war mir die Unsinnigkeit einer derartigen Beschuldigung klar. Mein Mann ein Dieb? Ehe ich das glaube, muß man mir beibringen, an nichts und an niemanden mehr zu glauben; zu verachten, was schön, was gut, was mutig ist; das Verbrechen mit der Tugend zu verwechseln, was weiß ich? ... Mein Kind zu hassen, ... an mir selbst zu zweifeln ... Dieser Stein bleibt hier, zur Verfügung aller. Weit davon entfernt, seinen Besitz geheimzuhalten, werde ich versuchen, alle von seiner Existenz in Kenntnis zu setzen. Selbst wenn ich ihn trotz meiner Trauer am Finger tragen sollte ...«

»Hüten Sie sich davor, die öffentliche Meinung herauszufordern, das Unglück heraufzubeschwören! Die öffentliche Meinung ...«

»Meinung? Sie können sich nicht vorstellen, wie gleichgültig sie mich läßt ... Was das Unglück anbelangt ... Was für ein Unglück hätte ich zu befürchten, das schlimmer wäre, als das, welches mir widerfahren ist: mitten im Glück den aufrichtigsten, den mutigsten und geliebtesten Gatten zu verlieren?«

»Die Ehre ist mehr wert als das Leben, mein armes Kind, und bedenken Sie, daß ...«

»Ich bedenke nichts. Niemals werde ich glauben können, daß mein Mann nicht untadelhaft war! Ich kann niemand zwingen, im Grunde seiner Seele denselben Glauben zu tragen, und wie schmerzlich die Schläge auch sein mögen, die mich treffen sollen, ich werde sie überstehen. Später, wenn mein Junge groß ist, wird er alles rächen, wenn es sein muß, den Vater und die Mutter.«

Sie ergriff den Ring, steckte ihn auf ihren Ringfinger und schloß:

»Dieser Stein ist an meinem Finger; er wird dableiben, bis man ihn mir entreißt. Und ich denke, das wird nicht so bald sein.«

»Ich wünsche es von ganzem Herzen«, sagte Le Goutelier ... »Vielleicht sind Sie im Recht, nach allem? ... Tausend Übereinstimmungen sind noch kein Beweis ... Unbestimmte Reden hatten mich verwirrt; Ihr Vertrauen beruhigt mich ... Wahrhaftig, ich bin nahe daran, zu glauben, daß dieser ganze Tratsch nicht stichhaltig ist ...«

»Sehen Sie,« lächelte traurig Frau Deherche, »ich frage nicht mal danach ...«

»Sie haben recht. Trotz meiner grauen Haare und meiner Erfahrung bin ich an Ihnen gemessen ein Kind. Schließlich sind die Versicherungen dieses Herrn Serrièges keine Worte des Evangeliums! Fragen Sie andere Sachverständige ...«

»Nicht mal das.«

Er nahm die Hand von Frau Deherche und betrachtete, im Augenblick als er sie an seine Lippen führte, den Ring:

»Immerhin, das ist seltsam! ... Ich könnte schwören, es scheint mir, ich hätte mit eigenen Augen einen vollkommen gleichen Rubin gesehen ...«

Die kleine Hand in seiner großen geöffneten zuckte; er wiederholte:

»Vollkommen gleich ...«

»Wo?« fragte Frau Deherche.

Er öffnete die Lippen, um zu antworten; aber er hob die Achseln.

»Achten Sie nicht auf das, was ich Ihnen soeben sagte: es ist absurd, es ist widersinnig.«

»Sagen Sie es trotzdem.«

Er schien entschlossen und begann: »Nun gut ...« Er besann sich aber und sagte in so herzlichem Ton, daß jede Erklärung überflüssig schien:

»Glauben Sie mir, das ist so dumm, so unsinnig, daß ...«

Er suchte etwas, das den Gipfel des Paradoxen, des Unmöglichen, kennzeichnete.

»Als ob ich Ihnen erzählte, Ihnen, daß dieser Schmuck in der Tat früher einem Ihrer Verwandten gehört hätte! Doch es schlägt gerade sieben; ich muß fort; ich habe Sie bereits viel zu lange aufgehalten.«

Sie sah, wie er durch den Garten ging, wie er einen Augenblick vor dem Gitter stehenblieb, und dachte:

Wann hat er eigentlich gelogen?


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