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Vorwort

Die vorliegende Dichtung war durch 34 Jahre nur Angelegenheit des Verfassers.

Sie ist Auszug aus einem Bündel vergilbter Schriften aus den Jahren 1895 und 1896. Die alten Papiere tragen die Aufschrift: »Spiele und Freuden im Garten Epikurs.«

In einer Weinlaube über der Eisack, beim »Faltingoier«, habe ich diese Gedanken in meiner Jugend niedergeschrieben. Einen rosenroten Sommer lang, einen weingesegneten Herbst lang und noch nach Weihnachten, als die Sonne die schon tief verschneiten Dolomiten beglänzte.

Ich erinnere mich, wie alltäglich um eine bestimmte Stunde der Blitzzug von München nach Rom an meiner seligen Laube vorüberbrauste und wie dann jedesmal ich einen Becher mit Wein hob und dem Zuge nachrief: »Grüße die Ewige Stadt und den Heiligen Vater.«

Von Einfluß auf diese Blätter war der Lebenskreis, aus dem sie gewachsen sind.

Am anderen Ende des Dorfes grübelte ein verwandter und doch entgegengesetzter Geist, Omar al Raschid Bey.

Sein Lebenswerk (es ist der Nachwelt erhalten unter dem Titel: »Das Hohe Ziel der Erkenntnis«) war der Gegenpol, an welchem dieses heidnisch-epikuräische Bekenntnis sich entzündete.

Omar al Raschid kleidete seine Gedanken in eine âranâda-Upanischad, welche er dem Buddha in den Mund legte.

Das Wort âranâda übersetzte er mit »Sturmesausklang«. Es ließe sich auch wiedergeben mit: Auflösung, Wonne, Liebe, Unbegrenztheit, Tod, Erlösung vom Ich.

In Trotz und Jugend machte ich nun zum Helden einer kosmisch-pandämonischen Gegenphilosophie den vielgeschmähten »Materialisten« Epikur.

Allabendlich tauschten wir die Gedanken auf einer Holzaltane über dem Fluß.

Es ist heute mir wohl bewußt: Die naturunmittelbare Lebensvergötterung hat nicht gehindert, daß der Ethiker, der Logiker gerade damals in den Bann des Buddha geriet.

Der Versuch, den außermenschlichen Naturmythos mit der menschlich-buddhistischen Erkenntnis zu versöhnen, erfüllte noch manche Jahre.

Aber wie die erste Niederschrift ausklang in eine Verklärung des Nirvana, so vermag ich auch heute nicht meine Lebenslehre frei zu halten von der christlich-buddhistischen Erkenntnis des Leidens. Das heißt von dem Nur-Menschlichen: Logischen und Ethischen, Denken und Wollen, Urteil und Wert.

Omar al Raschid und seine Gefährtin Helene Böhlau waren die ersten Freunde, denen die ursprüngliche, zu breit angelegte und darum bald beiseite geschobene Gedankendichtung mitgeteilt wurde. Das adeligste der in ihr auftretenden Mädchen trug die Züge der jungen Paula, welche die schönen Tage mit uns teilte und nachmals Lebensgefährtin eines verehrten Denkers geworden ist.

Vor allen hatte teil an den fernen Tagen einer, von dem damals ich mit dem Meister unserer Jugend sagen durfte: »Wir sind zwei Flammen vom selben Herd, zwei Krater auf einem Vulkane.«

In oft täglichen Briefen wurden die Rätsel der Dichtung um und um gewälzt. Meine Absicht war zuerst, ein erzählendes Bild zu malen. Da ich aber ohne Vorarbeit hellseherisch drauflosphilosophierte (ich nahm während jenes Jahres kein anderes Buch in die Hand als einzig Schopenhauers Werke), so bat ich die Teilnehmenden, die Richtigkeit von Einzelzügen zu prüfen. Aber der Freund schrieb: »Deiner Dichtung wird keiner gerecht, der dabei an geschichtliche Wirklichkeit denkt. Sorge dich nicht um Geschichtliches und Zeitliches.«

Ich habe denn auch in der ersten Niederschrift den Epikur zum Zeitgenossen des Plato gemacht, ja, habe die beiden Gestalten Plato und Epikur ineinanderfließen lassen; ich ließ die Sappho Oden vortragen im Garten Epikurs; kurz, sprang so ungeheuerlich um mit Geschichtsüberlieferung, daß heute, manche Verwegenheit mißbilligend, ich vor den alten Aufzeichnungen sitze als ein Fremder, der den Nachlaß eines Verstorbenen ordnend, einige inzwischen reif gewordene wohlbewährte Gedanken ausbaut für ein ganz anderes Geschlecht.

Der beziehungsreiche Kreis teilnehmender Leser, denen seither manche meiner Arbeiten zu Erlebnissen geworden sind (auch dann, wenn Mißwille, Stolz, Trägheit verbot, das zu danken), wird nicht verkennen, daß »Meine Tiere«, »Blumen« und »Dämonen« zusammengehören: drei Blüten am Stamm selben Lebens.


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