Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Widmung

ἀεὶ γὰρ τὸν ὅμοιον ἄγει δαίμων ὡς τὸν ὅμοιον.

Steil hing in den Schroffen Burg Säben,
Hoch klebte das Kloster am Fels,
Durch Täler voll Rosen und Reben
Die Eisack schoß, jähen Gefälls.
Da saß ich und harrte auf Fernen
Und hatte doch selige Näh'
Und pflückte von Wolken und Sternen
Der Jugendlust Weh.

Es schwebt' eine dämmrige Laube
Wildhoch über Wassern im Lauf,
Da reifte glühgoldene Traube,
Da mahnte der Vogel: »Flieg' auf!«
Du Leben hold fülltest den Becher,
Ich wußt' es nicht, aber ich trank,
Ein selig-unseliger Zecher,
Ohn' Rast, ohne Dank.

Es kamen aus Wassern die Seelen,
Es kam aus dem Feuer der Geist
Und was uns die Grüfte verhehlen
Und was in den Lüften umkreist.
Aus Wolkengold warfen die Stunden
Zarte Verse mühelos zu,
Noch hielten mich Götter umwunden
Und flüsterten: »Du!«

Du Rosenblatt, Myrten und Glocken,
Meines Hauptes Kranz voller Glanz,
Du Kranz in den jungwirren Locken,
In Winden und Wettern mein Kranz,
Den aufs Haupt meine Engel drückten,
Als das Herz noch in Traumland daheim,
Wo wir Blätter und Blumen pflückten:
Gedanke und Reim.

Die Schriften, die alten hier halt' ich,
Quillt hervor manch lebendig Gesicht,
Umspielend mich hundertfaltig
Wie nachts auf Wassern das Licht.
Ich grüß' euch, geliebte Gestalten,
Die mir gaben, denen ich gab,
Hätt' gerne die Treue gehalten
Über Streit und Grab.

Gespenstisch steigen aus Wellen
Grau Schiffe des Ehmals empor.
Wo seid ihr nun, Freunde, Gesellen,
Du Alter? Du Mädchen? Du Tor?
Wir haben einander verloren,
Wir Träume, Gesicht auf Gesicht,
Ich suche, was einst ich geboren,
Und finde nicht.

Und blieb ich denn selber der Alte?
Wie Wasser blau rann es dahin,
Weiß nicht, was ich habe und halte,
Ob Wasser, ob Flamme bin.
Meine Engel, die liebend mir nahten,
Verriet ich an Wirklichkeit,
Ferner Bilder zeitlose Saaten
Verstarrten zu Zeit.

Nun weiß ich: »Nur Leben und Wachsen
Ist Kern, ist Stern dieser Welt,
Eitel Possen sind's, eitel Faxen,
Was der Mensch dabei denkt, davon hält.
Stets wesen in Wasser die Seelen,
Stets dauert in Flamme der Geist,
Und was uns die Grüfte verhehlen
In Lüften kreist.«

Was wandelt im Lichte der Sonnen
Ist Gleichnis platonischen Raums,
Was Menschenwelt gönnte: die Wonnen
Sind Abglanz von Blumen des Traums.
Nichts hoffend mehr, ohne Erwarten
Verschließe mein irdisches Haus
Und trete aus Laube und Garten
In Nacht hinaus.

Doch heut noch, der einsame Zecher
In der dämmrigen Laube beim Wein,
Erheb' ich dir, Leben, den Becher
Und grüße den Abendschein.
Ich weiß es nicht, hast du gelogen,
Die da sprach: »Ich bin dein, du bist mein«,
Die drunten mir lockt aus den Wogen:
»Komm! Springe hinein!«


 << zurück weiter >>