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Erster Brief.

Madame,

sollten Sie ebenso gefühlvoll als schön sein; oder sollte der leidenschaftlichste, der treueste, der verschwiegenste Liebhaber als Preis seiner brennenden Leidenschaft von Ihnen nur Geringschätzung und Härte erfahren? Ach, macht es Ihnen Vergnügen, ihn verzweifeln zu lassen? Nein, ich kann es nicht glauben. Ich denke besser von Ihnen. Erinnern Sie sich der letzten Unterredung, die mit Ihnen zu haben ich die Ehre hatte? Sie war sehr anziehend, wir hatten es gründlich von der Liebe. Ich sah damals klar in Ihr Herz. Ich erinnere mich in meinem letzten Augenblick noch an alles, was Sie mir zu sagen geruhten. Sie glaubten ohne Zweifel mit einem gänzlich uneigennützigen Menschen zu reden, der kaum neugierig sei, Ihre Denkart kennen zu lernen. Indes gestehe ich Ihnen: ich suchte gar nichts anderes, als Ihre Gefühle aufzudecken. Sie gaben sich mir ganz, ohne das geringste Mißtrauen. Ach, hätte ich verstanden, aus Ihrer Aufrichtigkeit meinen Vorteil zu ziehen, Sie hätten nicht mehr zurückgekonnt. Wohl zwanzigmal war ich versucht, Ihnen zu Füßen zu fallen und Ihnen ewige Liebe zu schwören. Wie habe ich schon bereut, es nicht getan zu haben! Ich werde vielleicht auf lange Zeit hinaus keine so vorteilhafte Gelegenheit mehr finden, Ihnen zu schwören und Sie zu überzeugen, wie sehr ich Sie anbete. Und Sie werden vielleicht so rasch nicht wieder geneigt sein, mir Glauben zu schenken. Das, worüber wir sprachen, hatte uns beide erregt. – Überhaupt waren wir über viele Dinge einig, die sicherlich, wenn Sie nur ein wenig gewollt hätten, uns noch weit geführt hätten. Endlich, bilde ich mir ein, Sie hätten mich mit Güte angehört …

Sie werden ohne Zweifel erstaunt sein, daß ich, trotzdem ich mich manchmal ohne Zeugen mit Ihnen unterhalten kann, darauf komme, Ihnen einen Brief zu schreiben. In der Tat ist dies außergewöhnlich. Aber ich gehöre zu den Menschen, die im Schreiben kühner sind, als im Reden. Ich hätte nie den Mut gehabt, Ihnen unter vier Augen, das zu sagen, was ich Ihnen in meinen Briefen schreiben werde, wenn Sie es erlauben. Richtig überlegt, ist es das Beste, was ich tun kann; denn ich kann Ihnen zehnmal im Tag schreiben, aber Sie nicht einmal frei sprechen.

Ich bin …

Es wurden mehrere Briefe unterdrückt, die zu leidenschaftlich schienen Anmerkung des französischen Herausgebers..

 

Zweiter Brief.

Madame,

ich habe gute Lust, mich zu rächen für all das schlimme Geschwätz, das Ihr Gatte gestern in Ihrer Gegenwart an mich hinredete. Doch müssen Sie sich zur Hälfte an meinem Anschlag beteiligen: Lieben Sie mich immer so sehr, als ich Sie liebe, und wir werden alle beide gerächt sein.

Wann und wo werde ich das Glück haben, allein mit Ihnen sprechen zu können? Ich habe Ihnen so vieles zu sagen. Unserm gemeinsamen Feind, will sagen Ihrem Gatten, habe ich alles bezahlt, was ich ihm für meine Pension schuldig war. Ich verließ, wie er es ja wollte, in aller Hast sein Haus, so daß ich alle meine Sachen zurückließ. Das ärgert mich indes nicht im geringsten. Obgleich ich viele Dinge sehr nötig hätte, so empfehle ich Ihnen dringend, mir nichts zu schicken. Ich werde heute oder morgen selbst alles holen und dazu eine Zeit wählen, in der Ihr Eifersüchtiger nicht da ist. Denn ich glaube auch, wenn er mich wiedersehen würde, wäre seine Freude schwerlich so groß, als meine, wenn ich Sie wiedererblicke.

Welch schreckliche, grausame Nacht habe ich verbracht! Doch wie bekam sie Ihnen? Wie sehne ich mich nach einer Nachricht. Beruhigen Sie mich über diesen Punkt, der mich in jeder Hinsicht interessiert. Schreiben Sie mir zwei Worte, ziehen Sie mich aus meiner Unruhe; denn ich bilde mir tausend Dinge ein, eines trauriger als das andere. Vor allen Dingen verbergen Sie mir nichts. Ich umarme Sie viel tausendmal

und bin immer …

 

Dritter Brief.

Monsieur,

es gibt keine Rolle, die mein Einfaltspinsel von Gemahl diese Nacht nicht neben mir gespielt hätte. Er schwor, weinte, kam in Wut und sagte mir Freundlichkeiten: es hing nur von mir ab, daß Frieden werde. Er ist ein guter Mensch, der aber die Gabe hat, mir so sehr zu mißfallen, als Sie mir gefallen. Sie scheinen wütend gekränkt durch all diese Grobheiten, die er Ihnen sagte. Sie haben Recht: aber sind Sie nicht auch wieder glücklich, sie verdient zu haben? Ich nehme es übrigens auf mich, alles wieder vergessen zu machen. Er wird heute nicht ausgehen, kommen Sie also nur morgen um vier Uhr. Wir werden Zeit genug haben, uns zu verabreden. Seien Sie überzeugt, daß meine Bereitwilligkeit der Ihren entspricht und daß ich bin usw. …

 

Vierter Brief.

Madame,

trauen Sie Ihrem Gatten nicht. Sie glauben ihn weit weg, aber ich habe ihn soeben am Ende der Straße gesehen. Ich konnte mir sein Manöver wohl vorstellen; ich weiß, wessen die Herren Eifersüchtigen fähig sind. Und deshalb würde ich mich auch sehr gehütet haben, zu Ihnen hinaufzugehen, ohne vorher zu rekognoszieren. Es ist zwar ein kleines Männchen, dessen Wachsamkeit wir täuschen müssen, da er uns aber offen den Krieg erklärte, wollen wir ihn nicht schonen. Schimpflich für uns, wenn es ihm glücken könnte, auch nur im geringsten die Reihe unserer Freuden zu stören! Seine Maßnahmen müssen sie uns nur reizender machen und uns ein Grund sein, sie umso öfter zu genießen. Denken Sie nicht auch so? – – – Mit Betrachtungen wollen wir es aber nicht bewenden lassen, handeln wir gemeinschaftlich. Vielleicht werde ich im Augenblick, da Sie den Brief lesen, bei Ihnen sein. Ich werde unter dem Schutze eines Fuhrwerks den Blicken Ihres Griesgrams zu entgehen suchen.

 

Fünfter Brief.

Monsieur,

mir ist, als sei es schon ein Jahr, daß ich Sie nicht mehr gesehen. Ich gehe vor Langeweile zugrunde. Ich erwarte Sie mit Ungeduld. Kommen Sie, und mein hochzuverehrender und würdiger Gemahl möge Sie immerhin eintreten sehen. Ich nehme alle Gefahren auf mich, und was könnte er, selbst wenn er uns beisammen fände, dagegen sagen? Ist es ein Verbrechen, wenn ich mit Ihnen rede? Weiß er nicht, daß Sie alles, was Sie in Ihrem Zimmer zurückgelassen haben, noch holen müssen? Wenn er aber doch die Sache schief nehmen und sich zornig anstellen sollte, – seien Sie überzeugt, ich werde es mit ihm aufnehmen. Ich will keine Sklavin sein. Wenn ich ihm einmal die geringste Gewalt über mich einräumte, ei, wo käme ich da hin? Der Gatte überwältigt die Frau, wenn Sie nicht Verstand genug hat, ihm Widerstand zu leisten. Er wird ihr Tyrann, ihr Herrscher! Wie drückend ist Hymens Joch! Werde ich mich jemals davon befreit sehen? Ich bin wahrlich sehr zu beklagen. Ach, ein bißchen Trost muß ich haben, o, eilen Sie mich zu trösten! Sie sind ein Mann von Lebensart und der Geeignetste, einer Frau über ihren häuslichen Ärger hinwegzuhelfen.

 

Sechster Brief.

Madame,

es freut mich sehr, daß ich nicht länger bei Ihnen geblieben bin. Wie glücklich sind wir durchgeschlüpft! Ich begegnete Ihrem Gatten an der Türe. Wenn er den Teufel gesehen hätte, hätte er nicht erstaunter sein können. Als er indes sah, daß man mir mein ganzes Gepäck nachtrug, erholte er sich ein wenig von seiner Überraschung. Wir grüßten uns, ohne miteinander ein Wort zu wechseln. Ich bin in großer Furcht, er habe Sie noch in einer gewissen Verwirrung angetroffen, aus der er die schrecklichsten Konsequenzen hätte ziehen können. Was sagte er zu Ihnen? Wie empfingen Sie ihn? Fing er wieder, wie es seine Art ist, an, Streit zu suchen? War nicht ich mit im Spiel? Ich wollte um Alles auf der Welt wetten, daß er mich nicht schonte – –

Je schlechter ich mit ihm stehe, desto besser werde ich mich mit Ihnen stellen. Die ganze Nacht dachte ich an Sie. Ja, mir scheint, seit Ihr Gatte uns verfolgt, ist meine Liebe zu Ihnen beträchtlich gewachsen. Sie werden es selbst bemerkt haben. Ich hoffe Ihnen heute neue Beweise dafür geben und Ihnen schwören zu können, daß mich nie etwas hindern kann, völlig Ihr eigen zu sein.

 

Siebenter Brief.

Kommen Sie mir nicht mehr unter die Augen, es ist fertig, Monsieur. Mein Entschluß ist gefaßt, wir werden uns nicht mehr sehen. Ich habe ewigen Frieden mit meinem Gatten geschlossen. Ich habe mich entschlossen, ihn so sehr zu lieben, als er mich liebt. Das wird mir leicht gelingen. Als er gestern eintrat, warf er sich mir zu Füßen, ergriff meine Hände, preßte sie, badete sie in Tränen und endlich sprach er so zärtlich zu mir, so verständig, daß er mir die Augen öffnete, mich rührte, mich erschütterte, überzeugte. O Gott! wie freundlich war er zu mir! Jeden Augenblick überschüttete er mich mit Küssen – – mit Küssen! – – Nie hätte ich gedacht, daß ein Gemahl so leidenschaftlich lieben könne. – – Wie ein Liebhaber!

Ich gehe nur deshalb so ins einzelne, um Ihnen zu beweisen, daß Sie an mich nicht mehr denken dürfen. Ich bitte Sie mich ganz zu vergessen. Was würde es Ihnen auch frommen, mich noch zu lieben, da Sie doch nichts mehr zu hoffen haben? Ich bin mir nun meiner Pflichten in ihrem ganzen Umfange bewußt. Nichts wird mich in Zukunft veranlassen können, sie wieder aus dem Auge zu verlieren. Ach! Sie waren mir gewiß sehr teuer, und doch, glaube ich, sind Sie nun in meinen Augen nicht mehr als jeder Andere. Ich will nur noch für den leben, für den ich leben muß.

Sträfliche Freuden haben keinen Reiz mehr für mich; nein, nur Vergnügen, denen keine Gewissensbisse folgen und die die Tugend nicht verletzen, sollen mich künftig erfreuen. Ich erröte über alle meine Schwachheiten, und meine Zügellosigkeiten machen mich schaudern. Ich könnte und sollte sie Ihnen alle persönlich vorwerfen. Aber die Gefahr wäre zu groß; ich kenne mich. Vielleicht würde ich wieder ein Feuer anfachen, das nur unter der Asche schlummert, ein Feuer, das die Zeit allein ganz auslöschen kann. Ich schließe und fliege in die Arme meines Gatten.

 

Achter Brief.

Sie haben mir also den Tod geschworen. Nun gut, Madame, Sie werden in kurzer Zeit befriedigt sein. Ich fühle es, ich kann nicht leben, wenn ich nicht für Sie lebe – Sie sind auf einmal ganz umgewechselt. Wenn ich mich an Ihre frühere Güte erinnere, habe ich Ursache, an allem zu zweifeln, was Sie mir eben schrieben. Wie, Sie wollen mir nicht mehr erlauben, Sie zu sehen? Gestern redeten Sie ganz anders zu mir. Ach, kann man sich so schnell verändern, wenn man wahrhaft liebt? Worin habe ich das Unglück, Ihnen zu mißfallen? Nennen Sie mir mein Verbrechen! Was tat ich, was sagte ich? O wie unglücklich bin ich, und wie grausam sind Sie! – – Sie bitten mich, ich solle Sie ganz vergessen; halten Sie das Ding für möglich? O, haben Sie eine bessere Meinung von sich und von mir. Ich bitte Sie, gewähren Sie mir aus Gnade einen Augenblick, in dem ich mich über alles, was Ihr Brief enthält, aussprechen kann. Sie haben mich zu sehr geliebt, um mir das abschlagen zu können. Ihrem Gatten wünsche ich alles Schlechte und Ihnen bin ich so gut – –

 

Neunter Brief.

Sie wollen mich ohne Zweifel veranlassen, meinen Entschluß aufzugeben, den ich gefaßt: Wäre das nicht Ihre Absicht, was würden Sie mich dann um eine Zusammenkunft bitten? Sie wissen, welche Gewalt Sie über mich hatten und bauen noch darauf, mich nach Ihrem Willen zu drehen. Geben Sie diesen Irrtum auf, nichts wird mich bestimmen können, meine Gesinnung zu ändern. Dessen bin ich sicher. Wenn Sie mir glauben, ersparen Sie mir den Kummer, Ihnen das Gleiche, das ich Ihnen eben schreibe, ins Gesicht sagen und sich selbst die Kränkung, es anhören zu müssen. Wenn Sie mich indes unbedingt sprechen wollen, schreiben Sie es mir. Die Furcht, mir Vorwürfe von Ihnen zuzuziehen, läßt mich darein willigen. Ich werde Ihnen einen Ort bezeichnen, wo wir uns heute Abend frei aussprechen können. Sie bilden sich ein, ein Wunder zu vollbringen und mich zu bekehren – – Täuschung! Ich warne Sie: alle Ihre Versuchungen werden umsonst sein. Ich gebe zu: Sie haben Geist, wissen zu überreden, sind verführerisch, dringend, gefährlich, verwegen, … zu jeder andern Zeit hätte ich Sie gefürchtet. Aber jetzt fühle ich genug Standhaftigkeit in mir, um Ihnen zu widerstehen.

Ich bin …

 

Zehnter Brief.

Ja, Madame, ich habe keinen größern Wunsch, als Sie einen Augenblick zu sprechen. Seien Sie so gütig und willfahren Sie mir. Ich werde Ihre Güte nicht mißbrauchen. Sie riskieren nichts mit mir, ich bin in keiner Weise mehr furchtbar. Befürchten Sie nicht, daß ich in Vorwürfe gegen Sie ausbreche. Das würde sich für mich nicht mehr schicken. Sie haben mich mit Ihrer Güte beehrt, Sie entziehen sie mir wieder, und ich täte Unrecht, wollte ich mich darüber beklagen. Sie haben die besten Gründe von der Welt, so zu handeln. Sie brennen für Ihren Gatten, Sie fassen wieder eine schöne Leidenschaft für ihn, ich wüßte nichts Besseres, und wünsche, daß es von Dauer sei und Sie amüsiere.

Indes fühle ich die ganze Größe meines Verlustes – – aber dies ist ein Übel, für das es keine Heilung gibt. Und dann – – Sie haben Ihren Entschluß gefaßt, was bleibt mir da anderes übrig, als mich auch zu entschließen? Wenn ich Sie um eine Unterredung bitte, so ist's nur deshalb, weil es ratsam ist, daß wir auf anständigere Art auseinander gehen. Ich erwarte Ihre Befehle.

 

Elfter Brief.

Monsieur,

Sie können sich um drei Uhr zu mir begeben, ich werde dafür sorgen, daß mein Mann nicht da ist. Ich bin in Wahrheit zu gut. Nachdem ich mit Ihnen so barsch gebrochen, sollte ich mich nicht der Gefahr aussetzen, Sie wiederzusehen. Das ist eine Lächerlichkeit, die ich mir nicht verzeihe, und die Folgen haben kann, sehr ernste Folgen. Trotz all meiner Entschlüsse und meiner vermeintlichen Standhaftigkeit fürchte ich mich davor, mit Ihnen allein zu sein. Am Ende bin ich auch nur ein Weib. Wenn Sie mir eine Gefälligkeit erweisen wollen, kommen Sie nicht; wir haben uns nichts so interessantes zu sagen. Ich will Ihnen indes gestehen: ich werde nicht unbedingt erzürnt sein, wenn ich Sie sehe.

 

Zwölfter Brief.

Monsieur,

ich bin auf den Tod krank. Sie haben mir gestern einen tötlichen Schrecken eingejagt. Ich kann mich kaum mehr davon erholen und begreife nicht, wie ich noch die Kraft habe, Ihnen zu schreiben. Ich hätte eigentlich gute Lust, Ihnen Vorwürfe zu machen. Unglücklicher, der Sie sind, Sie bitten mich um eine Unterredung, ich gewähre sie Ihnen, weil ich fest damit rechne, vor Ihnen sicher zu sein. Sie hatten mir in einer Weise geschrieben, die mich überzeugte, daß Sie es billigen, wenn ich mit meinem Gatten eine Art von Frieden schließe. Sie ließen mich höchstens einen schwachen Unwillen erkennen, wie konnte ich da ahnen, daß Sie solche Torheiten begehen würden, wie Sie dann bei mir begingen? Sie sind ein Heuchler, ein wahrer Tartuffe in der Liebe! Wenn ich Sie nicht gehindert hätte, Sie hätten sich mit Ihrem Degen durchbohrt. Es ist wahr, Ihr Unwille, Ihre Wutausbrüche bewiesen mir, wie überschwänglich Sie mich lieben. Aber gestehen Sie nur auch ein: die Schnelligkeit mit der ich den Stoß parierte, den Sie gegen sich richteten, hat Sie überzeugt, daß man Sie auch nicht haßt. Es gelang mir nicht ohne Mühe, Sie zu entwaffnen. Sie sind ein schrecklicher Mensch. Nur um Sie zu besänftigen, um Sie wieder zu sich selbst zu bringen, mußte ich Ihnen versprechen, daß man Sie immer lieben wird, mußte ich Ihnen auch tausend verbindliche Dinge sagen, Ihnen tausend freundliche Blicke schenken. Ich mußte mir Unrecht geben und Ihnen Recht, mußte Ihnen alles versprechen.

O Himmel, was hätte ich begonnen, wenn ich Sie in Ihrem Blute zu meinen Füßen hätte sehen müssen? Welch entsetzliches Schauspiel! Welch ein Jammer! Ich zittere, wenn ich daran denke. Glauben Sie mir, keinen Augenblick hätte ich ein solches Elend überleben können. Ich hätte mich über Sie gestürzt und mir selbst das Leben genommen, Ihnen zur Rache und mir zur Strafe dafür, daß ich Ihren Tod verschuldet. Ich wäre mit Ihnen ins Grab gestiegen und hätte Ihnen den rauchenden Degen aus der Brust gezogen um mich selbst darein zu stürzen. Ach! wie konnten Sie glauben, daß ich jemals aufhören könnte, an Ihnen zu hängen? Als ich Ihnen von meinem Gatten und seinen Heldentaten sprach, übertrieb ich. Ich wollte Sie und mich selbst prüfen. Sie lassen sich mit Kleinigkeiten schrecken. Lesen Sie meine Briefe wieder durch und Sie werden sehen, daß die Art, in der ich Ihnen zu verstehen gebe, ich liebe Sie nicht mehr, klar zeigt, daß ich Sie mehr als je liebe. In jeder Zeile, in jedem Wort malt sich die Leidenschaft und mein jetziger Brief steht im engsten Zusammenhang mit den vorhergegangenen. Ich bin erstaunt, wie lang er geworden, es muß wohl ein Vergnügen sein, Ihnen zu schreiben. Mein Gemahl und ich sind wieder ganz vereinigt; dies kann aber nicht hindern, daß wir – Sie und ich – es nicht noch mehr sind. Die Gatten haben Rechte, man hat Gefälligkeiten für sie, muß sie haben. Sie haben ein Vorrecht, aber all dies hat keine Folgen. Das Herz ist nicht dabei. Je mehr sie sich geliebt glauben, um so leichter kann man sie betrügen – – Mein Wunsch wäre, daß wir uns alle Tage sehen könnten, oder, wenn dies nicht möglich ist, uns wenigstens schreiben. Ich werde von fünf bis sieben Uhr allein sein.

 

Dreizehnter Brief.

Meine Liebe,

Sie haben mir alle meine Narrheiten verziehen, werfen Sie mir sie nun auch nicht mehr vor. Welche Freude bereitete mir Ihr Brief! Ich kann nicht aufhören, ihn immer wieder zu lesen und küsse ihn jeden Augenblick. Sie sind so gütig, alle Befürchtungen zu zerstreuen, die ein eifersüchtiger Liebhaber nur hegen kann. Wie soll ich Ihnen danken? Kein Wort scheint mir stark genug, Ihnen meine Erkenntlichkeit auszudrücken. Ich werde Sie heute Abend sehen, aber nur zwei Stunden – – ich, der immer bei Ihnen sein, Sie für ewig besitzen möchte. Ich will sie aber ausnützen, diese wenigen Augenblicke. Es ist erst zehn Uhr, wie langsam verschleicht doch die Zeit. Ich muß wohl oder übel versuchen, mich vorerst mit meinen Wünschen zu unterhalten.

 

Vierzehnter Brief.

Lieber Freund,

gute Nachricht. Mein Gatte wird acht Tage auf dem Lande zubringen. Wichtige Geschäfte rufen ihn. Sind Sie nicht ebenso entzückt wie ich? Ich beabsichtige, mir in seiner Abwesenheit gute Tage zu machen. Sie sollen meine Anordnungen wissen. Er reist morgen in aller Frühe ab, und ich muß ihn bis Poissy begleiten. Bewundern Sie meine Gefälligkeit – ich möchte aber nicht allein zurückkommen. Wenn Sie daher ein wenig Zeit haben, kommen Sie mir entgegen. Ich rechne auf Sie. Heute können wir uns unmöglich sehen. Das ist mir nicht weniger ärgerlich als Ihnen. Aber morgen werden wir dafür den ganzen Tag beisammen sein. Seit wir uns lieben, haben wir nie soviel Zeit gehabt, es uns zu gestehen und zu beweisen. Wir werden uns für alle Freuden, die wir heute verlieren, schadlos halten. O, ich kann es kaum erwarten, bis es morgen ist! Mehr kann ich Ihnen nicht schreiben, denn ich fürchte zu sehr, mein Gatte könnte mich überraschen.

 

Fünfzehnter Brief.

Liebe Freundin,

was für ein Ehrenmann, für ein liebenswürdiger Mann ist doch Ihr Herr Gemahl! Das ist sehr schön von ihm, daß er auf acht Tage weggeht. Wie glücklich werden wir sein! Ich wünsche ihm eine gute Reise, mein Wunsch käme aber noch mehr von Herzen, wenn er dahin reiste, wo der Pfeffer wächst … Ich werde mich gleich am Morgen nach Poissy begeben. Ich werde im ersten Gasthaus sein und Sie dort erwarten. Ich bin ganz außer mir, ach, ich kenne mich nicht mehr vor Freude. Ich schaue in die morgige Zukunft; welch beneidenswertes Geschick erwartet mich! Wie glücklich wird uns dieser Tag vergehen! Nur seine kurze Dauer wird uns betrüben. Aber jeden Augenblick wird eine neue Freude unvergeßlich machen. Fern von allen Verleumdern, Eifersüchtigen und Aufpassern werden wir uns in Sicherheit den Ausbrüchen unserer gegenseitigen Zärtlichkeit hingeben. Wie süß, wenn man sich liebt, wie wir uns lieben, das heißt, soweit man sich beim Sehen allein lieben kann. Es gibt im Leben kein größeres Glück; ich koste seine Süßigkeiten im Voraus. Und doch bleibt alles, was ich heute fühle, hinter der Wirklichkeit sicherlich weit zurück.

Weit weg vom Lärm werden wir uns morgen ganz besitzen, die vollkommenste Liebe wird unsere Schwüre krönen. Voll von uns selbst werden wir die ganze Welt vergessen. Sie werden ganz mir gehören und ich ganz Ihnen. Tausend entzückende Gedanken gehen mir durch den Kopf und in allen sind nur Sie. Morgen sollen Sie unterhalten werden! O die Narrheiten, die wir uns sagen, die wir begehen wollen!

Aber begreifen Sie auch die ganze Größe der Genugtuung, die wir acht Tage lang nacheinander genießen werden? Der morgige Tag wird uns entsetzlich kurz vorkommen und die Augenblicke werden uns nur so zerrinnen – – – sind Sie nicht auch dafür, daß wir sie gut anwenden müssen, daß wir keinen verlieren dürfen? Denken wir nicht, daß es uns einmal leid sein könnte; fort mit trüben Gedanken! Ich werde heute Nacht sehr anmutige Träume haben – nur von Ihnen. Denn keinen Augenblick kann ich mehr leben, ohne an Sie zu denken. Ich habe es Ihnen gesagt, so oft geschrieben: Sie müssen davon überzeugt sein.

 

Sechzehnter Brief.

Mein lieber Freund,

ich bin in Verzweiflung und mit gutem Grund. Er ist heute Nacht angekommen – – ja, mein Gatte ist angekommen. Er hatte uns acht Tage gegeben, sie sind zu Ende, und wir haben ihn wieder. Wie pünktlich! Ich fühle es wohl, ich liebe Sie mehr als je, und dies ist die Wirkung seiner Rückkehr. Ich war das zufriedenste, das lustigste Wesen von der Welt und weshalb? weil ich an Sie dachte. Aber, als er wieder kam, ging plötzlich eine Änderung in mir vor. Ich glaubte meinen Tyrannen zu sehen, meinen Henker. Aus der reinsten und vollkommensten Freude fiel ich in den menschenscheuesten Trübsinn, in eine vollständige Niedergeschlagenheit, eine Zerknirschung, die sich nicht beschreiben läßt. Ich konnte mich nicht zwingen, ihn lächelnd zu empfangen. Er merkte wohl, daß es mir keine Freude war ihn wiederzusehen, und er hat mir deshalb auch geschickt einige Vorhaltungen gemacht. Wie unglücklich bin ich, daß ich mit ihm leben muß. Seine Abwesenheit hatte nur den einen Erfolg, mich erkennen zu lassen, wie liebenswert Sie sind und wie hassenswert er. Ja, ich sehe es voraus, ich werde ihn wütend hassen! Selbst von ihm zu reden, ist mir jetzt eine Qual. Seine Gegenwart fürchte ich so sehr, als ich Sie herbeisehne. Bis ans Ende der Welt ginge ich, um ihm zu entfliehen. Der Tod wäre besser als das Leben, das ich nun führen werde. Ich weine vor Wut, das Leben würde ich mir nehmen, wüßte ich nicht, wie kostbar es Ihnen ist. Nie war ich in einer düstereren Gemütsverfassung als heute. Alles mißfällt mir, alles langweilt mich, alles ist mir zur Last; jeder Augenblick, den ich fern von Ihnen bin, ist für mich verloren. Sie verflossen so rasch, diese acht Tage, in denen wir zwanglos miteinander lebten. Acht Tage, die unter wahren Freuden dahinflossen, schienen uns nur ein Augenblick zu sein. Ich werde sie immer im Geiste, im Herzen bewahren … Kommen Sie, sprechen Sie mit mir, lassen Sie nicht auf sich warten. Mein Gatte liegt in tiefem Schlummer, lassen Sie mich nicht im Stich. Mein Zustand ist bemitleidenswert. Meine Vernunft gerät auf Abwege. Ich denke nur noch an Sie. Ich rede nur noch von Ihnen. Wenn ich Sie sehe, werde ich ruhig sein. Von allem auf der weiten Welt liebe ich nur Sie, und hasse alles außer Ihnen. Alle meine Wünsche gehen nur auf den Besitz Ihres Herzens, möchte ich Ihnen ebenso Ihr Ein und Alles sein! Ich wollte Ihnen noch mehr schreiben, aber ich habe die Kraft nicht dazu. Urteilen Sie über meine Lage.

 

Siebzehnter Brief.

Mein Lieber,

er trutzt mit mir, umso besser. Wir sind oft stundenlang beisammen, ohne ein Wort zu reden. Ich habe ihn im Verdacht, daß er jetzt eifersüchtiger als jemals ist; umso schlimmer für ihn. Wissen Sie vielleicht, daß auch ich eifersüchtig bin? Glaubwürdige Leute haben mir versichert, sie hätten Sie mit einer fremden Schauspielerin gesehen. Eine glänzende Eroberung! Ich glaubte, Sie hielten doch mehr auf Ihren Ruf, als daß Sie auf solche Mädchen hereinfielen. Was haben sie denn so Anziehendes? Liederlichkeit im Bunde mit ungemeiner Dummheit und Unwissenheit, dazu eine beständige Unanständigkeit im Reden und Betragen, eine Unverschämtheit, über die sie manchmal selbst staunen müssen, das sind so ziemlich die Qualitäten der Theatermädchen. Talent? Das Mädchen, das so elend ist und zum Theater geht, liefert damit den Beweis, daß es kein Talent besitzt. Ich kann es nicht verstehen, wie Männer ihr Vermögen mit derartigen Kreaturen zerrütten können. Man findet bei ihnen nur das grobe Vergnügen der Sinne, aber ich verstehe wohl, wie man dabei seine Gesundheit ruinieren kann. Eine solche verschenkt heute ihre Gunst zu den höchsten Preisen und vor drei Monaten noch gab sie sie wohlfeil an Jedermann. Ich mache ihnen aber kein Verbrechen daraus, daß sie sind, wie sie sind. Sie verleugnen eben weder ihre Herkunft noch ihre Erziehung. – – Die Leidenschaft reißt mich hin und das Bild, das ich zeichne, ist zu stark. Eine Eifersüchtige redet zu Ihnen. Übrigens nehme ich alles zurück, was etwa übertrieben ist. Wenn mir nicht auch sehr liebenswürdige Schauspielerinnen bekannt wären, hätte ich keine solche Angst davor, daß Sie sich in eine verlieben könnten, die Sie mir entrisse. Die Furcht, Sie zu verlieren, macht mich boshaft und schlecht und läßt mich Abscheulichkeiten erfinden. Wie entzückt wäre ich, wenn Sie unschuldig wären! Ich wünschte es für Sie und mich. Seien Sie dort, wo wir uns gestern sahen, ich werde in einer Stunde oder später hinkommen, um Ihre Einwände zu hören. Sie werden in mir keinen strengen Richter finden, ich verspreche Ihnen im voraus, daß ich nachsichtig sein werde. Und doch zittere ich davor, Sie möchten schuldig sein. – – Kommen Sie immerhin, man wird Ihnen verzeihen können.

 

Achtzehnter Brief.

An Herrn Mongeot.

Ich habe also zwei Kranke auf dem Halse, meinen Gatten und meinen Geliebten. Das nenne ich Unglück haben. Sie versichern mir, meine Gegenwart könne Sie wieder gesund machen. Wenn das wahr wäre! Aber ich wage es nicht, am hellen Tage zu Ihnen zu kommen. Ich fürchte, die Frauen der Nachbarschaft sehen mich eintreten. Die größten Feinde einer Frau sind die andern Frauen. Man würde weiß Gott was schwatzen, und am andern Tag wäre es das Stadtgespräch. Man ließe uns Spießruten laufen, Sie und mich, und spricht ohnedies schon genug über uns. Nein, wir wollen keinen Grund zu neuem Geschwätz geben und niemand auf unsere Kosten amüsieren. Dann macht es mir auch die Wohlanständigkeit zur Pflicht, immer bei Herrn Lescombat zu sein. Wenn ich ihn nur einen Augenblick verlasse, ruft er mich sofort. Heute Nacht kam es zu einem heftigen Ausbruch. Im Vergleich zu seiner Krankheit ist die Ihre nichts. Ihr Arzt, den wir auch haben, hat es mir versichert. Ihretwegen bin ich jetzt ruhig. Soeben läßt man auf Anordnung des Arztes meinem Gatten am Fuß zur Ader. Das wäre zu spaßhaft, wenn ich plötzlich Witwe würde. Aber das Glück wiederfährt mir nicht. – – Ich werde Sie heute noch umarmen. Wenn Sie etwas nötig haben, schreiben Sie mir. Sparen Sie sich nichts ab. Ihr Leben ist für mich von solcher Bedeutung, daß Sie ganz besonders sorgfältig mit ihm umgehen müssen.

 

Neunzehnter Brief.

Monsieur,

es handelte sich gestern um nichts geringeres als darum, meines Herrn Gemahl Beichte zu hören und zu versehen. Ich selbst kündigte ihm an, daß er sich darauf vorbereiten müsse; er antwortete mir aber, daß er sich so schlimm nicht fühle, um seine Zuflucht zur Kirche zu nehmen. Ich bestand dann nicht mehr darauf. Er hatte in der Tat recht. Heute Nacht kam es zu einer Krise, die ihn rettete. Also werden wir ihn bald wieder auf den Beinen sehen. Ihnen wünsche ich von Herzen das Gleiche. Ihren ersten Besuch, den Sie machen, sind Sie mir schuldig. Wir werden neue Freuden genießen. Ich langweilte mich schrecklich die ganze Zeit über, in der Sie das Zimmer hüteten. Ich machte alle möglichen Gelübde für Ihre Wiederherstellung. Ach, es wäre mein Tod gewesen, wenn ich Sie verloren hätte. Es ist ohnedies erstaunlich, daß die Furcht, die mich während Ihrer ganzen Krankheit quälte, mich nicht schon krank machte. Wenn ich über mich hätte verfügen können: ich hätte Sie keinen Augenblick verlassen und hätte Tag und Nacht bei Ihnen zugebracht. Niemand, außer mir, hätte Ihnen etwas bereiten oder reichen dürfen. Aber die Pflicht, oder vielmehr der Zwang der Pflicht, rief mich anderswohin.

Ich erwarte unzählige Vorwürfe meines Gatten, sobald er dazu genügend Kraft haben wird. Obgleich ich allem, was er von mir fordern konnte, Genüge leistete, bemerkte er doch wohl, daß ich alles nur pflichtmäßig tat und mit dem Herzen weit weg war. Ich werde mich übrigens leicht darüber trösten. Von Ihrer Seite erwarte ich Dank und Freundschaft, die mich für all seine Brutalitäten vollauf entschädigen sollen. Ich weiß sogar schon, daß er Absichten mit mir hat. Er hat sich einem Freunde anvertraut und dabei die Einfalt gehabt, zu gestehen, er glaube, ich hasse ihn und liebe Sie. Er habe zu begründeten Verdacht, um nicht die Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, die er für notwendig halte. Sein Entschluß stehe fest. Er wolle mich, sobald er gänzlich wieder hergestellt sei, in ein Kloster bringen, wo ich niemand sehen solle als nur ihn – – Ja! Der Barbar will mich von Ihnen trennen! Wehe, was sollten wir beide beginnen, wenn wir nicht einmal mehr den Trost hätten, uns zu sehen?

Wir werden Anschläge ersinnen müssen gegen diesen Feind, der uns martern will. Wenn er es wagen sollte, einen so kühnen und grausamen Schritt zu tun, glaubt er denn, daß sein Verbrechen ungestraft bleiben würde, daß mir in Ihnen kein Rächer erstände? Ich rechne indes noch damit, ihm zuvorzukommen und mit ihm ernsthaft über diesen Punkt reden zu können. Sie werden erfahren, was er mir antwortet. Gewinnen Sie nur rasch wieder Kräfte und mißbrauchen Sie Ihre Genesung nicht. – – Gestern bekam ich zwei Liebeserklärungen. In der einen bittet mich ein Krösus, den Sie gut kennen, um ein Rendezvous; Sie werden begreifen, daß er vergeblich bat. Er machte mir indes den Vorschlag, mir ein glänzendes Auskommen zu sichern, aber all seine Reichtümer blenden mich nicht. Ich liebe nur Dich und werde nie einen andern lieben. Dein Herz ist der einzige Schatz, der mich ergötzt. – –

Ich sage Dir dies nicht, um mich wichtig zu machen, sondern um Dir zu zeigen, daß ich nichts vor Dir zu verbergen habe. Du hast noch einen Rivalen, einen jungen Kriegsmann. Er bittet mich um die Erlaubnis, zu mir kommen zu dürfen, unter dem Vorwand, mit meinem Gatten über seinen Zustand reden zu wollen. Sein Brief ist sehr gut und ich gestehe: ich habe ihn mehrmals gelesen. Dieser Sohn des Mars sieht ganz so aus, als wollte er eine Schönheit militärisch behandeln. Sein eleganter Läufer hat mir ein Schmuckkästchen von ihm präsentiert; ich habe es zwar aus Neugier aufgemacht, aber auf der Stelle wieder zurückgegeben. Geh, befürchte nichts und sei über den Besitz meines Herzens beruhigt. Nichts wird mich zu einem Tausch bewegen können. Ich liebe nur Dich, nur Dich! – – Wir werden sicherlich heute länger beisammen sein können, als gewöhnlich. Ich werde Dir die beiden Briefe mitbringen, von denen ich sprach. Wir werden uns über sie lustig machen und dann werde ich sie vor Deinen Augen verbrennen. – – Deine Gesundheit ist mir teuer. Versprich mir, Dich nur mit bloßen einfachen Freundschaftsbeweisen zu begnügen. Adieu.

 

Zwanzigster Brief.

Meine Liebe,

Ihr Gatte ist sicherlich verrückt geworden. Er hat mir heute morgen im Luxembourg in Gegenwart von mehr als zwanzig Leuten eine Szene gemacht. Ich bewahrte einige Zeit Stillschweigen und hörte mit Geduld alles an, was ihm beliebte, mir zu sagen. Aber als ich sah, daß er es zu weit trieb, konnte ich mich nicht enthalten, ihm schroff zu erwidern. Man umringte uns. Ich entschloß mich noch rechtzeitig, rasch die Türe zu gewinnen. Aber er folgte mir und hörte nicht auf, mich mit Vorwürfen und Beleidigungen zu überschütten. Ich bat ihn mehrmals, zu schweigen, aber er achtete nicht darauf. Endlich blieb ich stehen, und sogleich ging er auf mich los. »Einer von uns«, rief er wütend, und legte die Hand an den Degen, »muß zugrunde gehen. Schuft, den Schimpf mit dem Du mich täglich bedeckst, will ich in Deinem Blute abwaschen. Ich bin von allem unterrichtet. Du hast meine Frau verführt, hast mir die Ehre geraubt, nimm mir auch das Leben, wenn Du kannst. Glaube nicht, mir zu entrinnen.« – Ich war bestürzt, behielt aber seinem Zorn und seinen Drohungen gegenüber kaltes Blut. Ja, ich redete freundlich zu ihm, brachte es fertig, ihn zu besänftigen, und wir machten im ersten besten Café Frieden. Ich glaube aber, dieser Friede ist seinerseits nicht aufrichtiger gemeint als von mir aus. Ich brenne darauf, Ihnen unser ganzes Gespräch über Sie zu erzählen. Es war kurios genug. Ich freue mich aber sehr, daß ich Geistesgegenwart genug besaß, einen Auftritt zu vermeiden, der Ihnen und mir äußerst nachteilig hätte sein können. Es kostete mich zwar viel, über mich selbst zu siegen, aber dem, der wirklich liebt, ist alles möglich. Sagen Sie sich in meinem Namen die zärtlichsten, die leidenschaftlichsten Dinge. – Wir werden uns ohne Zweifel in der Comédie treffen, wie ausgemacht.

 

Einundzwanzigster Brief.

Monsieur,

seit ich Sie kenne, schienen Sie mir nie so wenig dienstfertig gewesen zu sein, als gestern. Daran gewöhnt, immer schmeichelhafte Dinge von Ihnen zu hören, schien es mir sonderbar, daß Sie nur über die Personen des Stückes mit mir sprachen. Ich sollte Sie für leichtsinnig halten. Keine Frau war im Theater, die Sie nicht unbarmherzig beäugelt hätten. Vor allen Dingen haben Sie mir zu sehr die Schauspielerin gelobt, die die Zaire spielte. Ihr Blick hing ununterbrochen an ihr, und ich fing mehrere Seufzer auf, die sicherlich nicht mir galten. Selbst Tränen vergossen Sie. Ich will Ihnen kein Verbrechen daraus machen, daß Sie zärtlich und empfindsam sind, wohl aber daraus, daß sie es für andere sind, während Sie bei mir weilen. Ich weiß wohl, es wird Ihnen leicht sein, sich wegen des Eindrucks, den die Zaire auf Sie machte, zu entschuldigen. Sie sagen mir, ihre süße klingende Stimme dringe bis auf den Grund des Herzens und errege hier Unruhe und süße Angst, sie bewege die Seele ohne sie zu trüben, kurz alles, selbst das Kleinste, sei an ihr besonders rührend. Hierin stimme ich Ihnen bei. Ich habe selbst das Gleiche gefühlt, aber ich verstand es, Tränen und Seufzer, die nicht alle auf Sie gingen, Ihren Augen und Ohren zu verbergen.

Ich treibe die Eifersucht ein wenig weit, aber ich kann es nicht gestatten, daß man mich liebt und gleichzeitig irgendeine andere ebenso liebenswürdig wie mich findet. So bin ich einmal. Gewöhnen Sie sich daran, wenn Sie mir immer gefallen wollen. Ja, ich bin ein seltsames Weib. Sie werden nicht einmal gemerkt haben, daß meine Augen die Logen gemustert hätten, oder daß ich einen Kavalier angeschaut hätte. Die Stattlichsten scheinen mir häßlich, wenn ich sie mit Ihnen vergleiche. Selbst die Schauspieler in ihren reichen Kostümen und mit allem geschmückt, was uns täuschen kann, konnten weder durch ihren gefälligen Anstand noch durch ihren Vortrag den geringsten Eindruck auf mich machen. Mein Herz ist voll von Ihnen, und für jeden andern Gegenstand verschlossen. Lernen Sie von mir, wie man lieben muß. Ich verlange in der Liebe Zartheit und Lebhaftigkeit und hasse vor allem jede Teilung. Ich könnte Ihnen noch Vieles vorwerfen, aber ich schweige. Erforschen Sie Ihr Herz und Sie werden selbst fühlen, daß Sie schuldig sind, wie schwach Sie mich lieben, und wie still Ihre Liebe ist, so ganz anders als die meine.

Mein Gatte kam gestern sehr spät nach Hause, und wir hatten einen Streit, der alles bisherige übertraf. Er schwor mir, entweder stecke er mich in ein Kloster, oder er sei entschlossen, selbst zu verschwinden, und nie mehr solle man etwas von ihm hören. Diese Drohungen sind nicht so schrecklich, aber ich fürchte sehr, er will mich nicht mehr ausgehen lassen. Es wird ihm zwar schwer werden, dies durchzusetzen, aber wenn er es schließlich unbedingt verlangt, werde ich mich wohl dazu entschließen müssen. Er sagte mir die unanständigsten Worte, – ich bin wütend auf ihn. Aber könnte ich mich nicht von ihm scheiden lassen? Könnten Sie ihm nicht einen Streich spielen? Ich weiß so viele Frauen, die weniger schön sind als ich, und die ihren Gatten den Kopf auch zurechtsetzten. Wir werden uns über diesen wichtigen Punkt beraten müssen. Wir wollen nur dem Unheil zuvorkommen, das man uns bereiten will. Ich wollte Ihnen nur zwei Worte schreiben, aber wenn ich an meinen Geliebten schreibe, finde ich kein Ende. Ich werde Sie heute Abend erst sehr spät sehen können. Fürchten Sie nicht, daß ich Sie mit all den kleinen Treulosigkeiten, die Sie gestern Abend verübten, schikanieren werde. Wir werden aber auf lange Zeit nicht mehr ins Theater gehen, ich komme dort nicht auf meine Rechnung.

 

Zweiundzwanzigster Brief.

Madame,

ich sehe es voraus, Ihr Gatte wird nicht aufhören, Sie zu quälen, dieser Unmensch! Großer Gott! Wollen Sie mir Glauben schenken? Verlassen wir Paris. Ich habe in London einen Freund in sehr guten Verhältnissen. Vor langer Zeit schon lud er mich ein, ihn zu besuchen. Wollten Sie es wagen, mir zu folgen? In diesem Lande der Freiheit werden wir ganz nach unserem Geschmack und nach unseren Wünschen leben können. Niemand wird unser Glück stören. Wenn Sie nicht wären, wäre ich schon dort, aber die süße Kette, die uns aneinander knüpft, hat mich immer zurückgehalten. Ich werde zwar mein Vaterland verlassen müssen, aber ich werde nichts vermissen, da Sie bei mir sind. Wenn Sie nur all die Verfolgungen betrachten, die wir hier noch ausstehen müßten, werden Sie sicher den Ausweg ergreifen, den ich Ihnen vorschlage. Wir können auch in London unsere Talente verwerten und vielleicht rascher und glänzender unser Glück machen. Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, auf gerichtlichem Wege sich leicht von ihrem Gatten trennen zu können. Wenn er reich wäre, täten Sie besser, ihn für unmündig erklären und einsperren zu lassen. Dazu wären nur gute Freunde nötig. Sie würden ihm dann ein mäßiges Jahrgeld geben und sich seines ganzen Besitzes freuen. So aber sehe ich nur einen Ausweg, Sie von einem Feinde zu befreien, der Ihnen beständig vor Augen ist; es ist nichts anderes als die Flucht. Überlegen Sie, was ich Ihnen vorschlage, denn es verdient ernstliche Beachtung. Ich wäre in Verzweiflung, wenn ich Sie vielleicht in einen schlimmen Handel verwickelt hätte und mich dann fortwährend Ihren Vorwürfen preisgegeben sähe. – – Wie süß ist es, sich seiner Verfolger zu entledigen und wie grausam, verurteilt zu sein, sein Leben mit einem Manne zuzubringen, den man verabscheut! Leiden Sie nicht schon lange genug? Wollen Sie immer sein Opfer sein? Das unselige Band Hymens hat Sie gegen Ihren Willen ihm verbunden und Ihr Herz strafte das Ja Lügen, das Ihr Mund stammelte. Ach! konnten Sie denn all die Trübsal ahnen, die Sie erwartete? Warum aber weiter unter Knechtschaft und Tyrannei seufzen? Brechen Sie die Ketten, ehe ihre Last Sie erdrückt! Suchen wir unter einem andern Himmelsstrich die Glückseligkeit, die uns hier flieht! Was mich angeht, ich wäre mit Ihnen glücklich, selbst inmitten einer Wüste. Um Sie würde ich Freunde, Verwandte und Vermögen verlassen. Ich lebe nur für mein Idol, zu dem ich bete. Mit ihm vereint zu sein, ist meine ganze Lust, von ihm getrennt zu werden, wäre mein ganzer, mein einziger Schmerz. Sollten Sie anders denken? Wenn alles Sie zwingen will, sich Übeln zu unterwerfen, die jeden Tag schlimmer werden, sollten Sie da noch zögern, einem Liebhaber zu folgen, der mit Ihnen unter den Grausamkeiten leidet, die Sie ausstehen?

Lesen Sie meinen Brief noch einmal durch und überlegen Sie reiflich alles, was darin steht. Da es uns unmöglich ist, uns heute zu umarmen, und Ihr Gemahl Sie am Ausgehen hindert, so teilen Sie mir Ihren Entschluß brieflich mit. Entschließen Sie sich schnell, das Übel drängt. Bedenken Sie Ihre Lage und Ihre Liebe zu mir. Wie bedauere ich Sie! Ihr Zustand entpreßt mir blutige Tränen! Der heutige Tag wird mir unendlich lang vorkommen, da ich nicht das Glück habe, Sie zu sehen. Die Wut sitzt mir im Herzen, ich wollte Sie rächen um jeden Preis.

 

Dreiundzwanzigster Brief.

Mein lieber Freund,

ich bin die Unglücklichste aller Frauen! Ach, ich kann all dem Kummer, der über mich hereinbricht, nicht mehr widerstehen. Ich habe Ihren Brief gelesen, zweimal gelesen, er flößt mir Mut ein und ich bin geneigt, Ihnen zu folgen. Sie würden mich falsch beurteilen, wenn Sie dächten, daß mich noch irgend etwas hier halten könnte. Aber wie sollen wir fliehen? Ich kenne Ihre Lage. Und in ein fremdes Land gehen, ohne das Mindeste zu besitzen von dem wir auch nur einige Monate leben könnten? Ihr Freund wird uns wohl aufnehmen und uns einige Zeit unterstützen. Aber so groß auch sein Eifer sei, er wird unser bald überdrüssig werden. Wenn man Freunde belästigt, hören sie bald auf, es zu sein. – Ich habe die ganze Nacht geseufzt und geweint. Mein Gatte kam auch und spottete meines Kummers. Der Grausame wollte mir tausend Freundlichkeiten erweisen, er wagte es, mir zu sagen, daß er mich hübsch finde; dann affektierte er Begierden und verlangte, ich sollte sie erhören. Aber lieber hätte ich mir das Herz durchbohrt, als darein gewilligt. Der Tag überraschte mich in Tränen gebadet und in einer entsetzlichen Aufregung. Ich überließ mich den schwärzesten und traurigsten Gedanken. Sie würden schaudern, wenn ich sie Ihnen gestände und beschriebe. Wessen ist eine Frau in der Verzweiflung nicht fähig? Ich kann meine unheilvollen Pläne dem Papier nicht anvertrauen, ich wagte es kaum, sie Ihnen mit einigermaßen lauter Stimme zu erzählen. Ich sterbe vor Verlangen, die Henkerin meines Henkers zu sein. – – – Himmel, was habe ich gesagt? Werden Sie mich nun nicht hassen? Wirst Du mir nicht Deine Achtung, Deine Freundschaft und Deine Zärtlichkeit entziehen, die einzigen Dinge, die mir wertvoll sind? Ich bin ganz verwirrt. Verzeihe, Teurer, Liebster! Die Wut meiner Liebe ist zu groß, als daß sie davor zurückschreckte, sich am Leben derjenigen zu vergreifen, die uns verfolgen. Wenn ich auf Verbrechen sinne, so tue ich es nur, um ganz Dir angehören zu können. Wenn ich meiner Verzweiflung nachgegeben hätte, wäre es diese Nacht geschehen gewesen; wir wären gerächt und mein Gatte gestraft. Wohl hundertmal wollte ich ihn im Schlafe anpacken und ihm das Leben nehmen. Aber immer war es, als ob mir jemand den Arm zurückhielte. Ist es Furcht, ist es ein Vorzeichen, was mich noch abhält? – – Ruhig würde ich sterben, wenn ich mein Opfer getroffen hätte.

Dieser Brief wird Dich schaudern machen. Aber, wenn Du wie ich Dein Herz bewegt fühlst von Haß und Verzweiflung und Rachedurst, wirst Du auf mein Verlangen eingehen. Ich halte Dich nicht für feige. Wenn Du es wärest, hätte ich Dich nie geliebt. Ist es vielleicht doch eine Verwegenheit von mir, Dir etwas zu schreiben, was ich in mir selbst verschließen sollte? Geh, ich liebe Dich zu sehr, um etwas von Dir zu befürchten. Komme, besuche mich. Ich habe keine Rücksicht mehr zu nehmen. Dein Schritt wird vielleicht das Ungeheuer, das ich verabscheue, in Verwunderung setzen. Komm und führe die barbarischen Entschlüsse, auf die ich sinne, zum Ziel. Komm und bewaffne meinen Arm. Kein Mitleid! Ich erwarte Dich. Wenn Du Dich weigerst meiner Raserei beizupflichten, wenn Du einen Augenblick schwankst, opfere ich Dich und dann mich. Entschuldige eine wahnsinnig Verliebte. Hättest Du die Falschheit, mich im Stich zu lassen? Ich unterliege, sieh meine Niedergeschlagenheit.

 

Vierundzwanzigster Brief.

Liebe Freundin,

wie, Du willst, daß ich der Mörder Deines Gatten sei? Nein, niemals wirst Du dazu meine Einwilligung erlangen. Ersparen wir uns die Gewissensbisse und Züchtigungen, die einem so ungeheuern Verbrechen folgen würden. Du hältst mich einer solchen Niedertracht für fähig? Verfüge über mein Leben, ich opfere es Dir freudigen Herzens, aber fordere nicht die schreiendste aller Freveltaten von mir. Ich hasse Deinen Gatten nicht weniger als Du. Kann ich Dir denn nur durch eine Schandtat das Übermaß meiner Liebe beweisen? Du würdest mich bald verabscheuen, wenn ich die verbrecherische Gefälligkeit hätte, in Deine Absichten einzuwilligen; laß uns fliehen; ich bin Dein Mitschuldiger, aber fordere nicht mehr von mir. Was findest Du denn so Lockendes an einem Verbrechen, dessen Gedanke allein schon Dich erschrecken sollte? Laß Deinen Gatten leben, aber entziehe Dich seinen Eifersuchtsausbrüchen. Du verweigerst mir Deinen Anblick, wenn ich Dir nicht zustimme, wenn ich nicht mit dem Dolch in der Hand vor Dir erscheine. Was für ein schrecklicher Dämon gab Dir so unmenschliche Gedanken ein? Oh höre auf die Vorwürfe Deines Gewissens; ich beschwöre Dich. Lieber verzichte ich auf Dich, als daß ich das billige, was sich Dein Herz vorgenommen hat – – Mißbrauche nicht die Gewalt, die Du über mich hast. Welch ein Ruhm wäre es für Dich, über meinen vergeblichen Widerstand zu triumphieren? Oh, könnte ich Dir das Bild Deines ermordeten Gatten zeigen, das Bild Deines Geliebten, wie er Dir den Dolch reicht, rot vom Blute Deines Gemahls. Ein entsetzlicher Anblick! Du würdest zurückweichen vor Grausen – – – – Du würdest mich mit den bittersten Vorwürfen überschütten. Kein ehrloses Schimpfwort, das ich nicht verdiente! Du selbst vielleicht würdest mich verfolgen, Natur und Menschlichkeit sprächen gegen mich. Mein Anblick allein würde Deinen Zorn entflammen. Rache! wäre Dein einziger Gedanke, und nie würdest Du es mir verzeihen, daß ich Dir geglaubt habe. Denke doch auch an die schrecklichen Folgen, die wir vielleicht nicht vermeiden könnten. Versetze Dich im Geiste in jene Winkel, in denen soviel Elende seufzen und nichts zu erwarten haben, als das Hochgericht. Wolltest Du mich denn auf dem Schafott enden sehen? Wehe, weiß ich denn, ob nicht auch Du in mein Verbrechen verstrickt würdest und das gleiche Geschick erleiden müßtest? Weiß ich, ob ich nicht so feige bin, alles zu gestehen? In jenen entsetzlichen Augenblicken, in denen man daran ist, durch Henkershand sein Leben zu verlieren, kann man da für sich einstehen? Du bist mir unendlich teuer, aber ach, was gibt Dir die Sicherheit, daß nicht die Martern und die Schrecknisse, die man mir bereiten wird, mir ein Wort entreißen können, das Dir zum Verderben würde? Ich will einen Augenblick annehmen, ich hätte Glück und entwischte mit Dir; den Gewissensbissen, den Selbstvorwürfen könnten wir nicht entrinnen. Einem würde es vor dem andern grauen, wir würden uns gegenseitig verachten und uns so viele Vorwürfe machen, als wir uns vorher Freundlichkeiten sagten. Halte mich nicht für kleinmütig, in jedem andern Falle könntest Du sehen, was ich für Dich zu tun imstande bin. Du drohst mir, mich zu opfern, wenn ich Dir unter die Augen komme ohne den Mordstahl, mit dem ich Deinen Gemahl durchbohren soll. Ich fürchte Dich nicht, und wenn Du fähig wärst, das auszuführen, was Du mir ankündigst, wäre ich glücklich, durch Deine Hände zu fallen. Treffen wir uns. Wir wollen beraten und einen Ausweg suchen, der weniger grausam und weniger gefährlich ist. Ich schmeichle mir, Dich zu bewegen, daß Du auf ein so tragisches Komplott verzichtest. Ich werde Dich überreden. Du wirst mich dafür noch mehr lieben. Beruhige Dich und gib nicht dem Haß nach, der Dich anreizt. Habe doch mit Dir selbst Mitleid. O, daß wir es nie zu bereuen hätten, uns gekannt zu haben!

 

Fünfundzwanzigster Brief.

Mein lieber Freund,

denke an das, was Du mir versprochen hast; man täuscht mich nicht ungestraft. Du hast mir geschworen bei allem was Dir heilig ist, mir meinen Gatten vom Halse zu schaffen: ich verlasse mich mit der Sorge um meine Rache ganz auf Dich. Himmel, ich werde also bald frei sein! Ich werde gerächt werden! Ich sehne mich nach diesem für mich so entzückenden Augenblick; wähle nur den richtigen Zeitpunkt. Denke daran, daß es um Dein und mein Leben geht. Siehst du wie weit meine Raserei geht; wenn Du Dich nicht genügend fest fühlst, um mir zu dienen, gestehe es mir. Es gibt noch andere Mittel, um mich von einem Unmenschen zu befreien, der immer nur damit beschäftigt ist, mein Unglück zu mehren. Ich bin nur noch Wut! Die Hölle ist in meinem Herzen und nichts ist mir mehr heilig. Ah! könntest Du in das Herz eines beschimpften, verfolgten, verzweifelten Weibes schauen, Du würdest den Befehl, den ich Dir gab, sehr rasch ausführen. Mit welchem Entzücken werde ich den Tod meines Gatten vernehmen, mit welcher Freude werde ich seinen Mörder sehen! Nie wirst Du mir je der Liebe würdiger erscheinen, niemals liebte ich Dich so zärtlich, als ich Dich dann lieben werde. Aber ach, die Befürchtungen, die Du mich schon sehen ließest, zeigen mir die Sache in einem andern Lichte. Nein, Du wirst das Herz nicht haben, mir Genugtuung zu verschaffen. Du fürchtest diese wenigen Augenblicke zu verlieren, die den Lauf unseres Leben bilden. Das ist's, das Dich zurückhält. Du hast mich nie geliebt, nie hast Du für mich diese ungestümen Ausbrüche empfunden, die die Liebe einflößt. Niemals sah ich in Deinen Augen diese Glut, die man nicht verbergen kann, und die verkündigt, wie sehr das Herz entflammt ist. Ich verfluche mich, daß ich Dich kennen lernte. Du hast mich verführt. In Gleichgültigkeit verbrachte ich meine Tage. Da kamst Du, mich aus dem Schlaf zu rütteln, in dem ich lag, und Du verstandest es durch Deine schmeichelhaften Gespräche, durch tausend zuvorkommende Aufmerksamkeiten mein Herz zu gewinnen. Du zwangst mich, Dir meine Niederlage zu gestehen, Du siegtest über meine Launen, meinen Widerstand und meine Pflicht. Hätte ich mich irgend einem andern hingegeben und nicht Dir, mein Gatte wäre schon nicht mehr. Glaubst Du mich einschüchtern zu können durch Dein nichtiges Geschrei? Du gibst mir ein schreckliches Bild von den Qualen, die die Verbrecher erdulden müssen. Du schilderst mir kräftig all die Schrecken, die die letzten Augenblicke dieser Elenden begleiten. Du willst, ich solle mich im Geiste auf einen öffentlichen Platz versetzen und sehen, wie Du, weil Du meinen Wunsch befriedigt hast, unter den Händen des Henkers vor allem Volk Dein Leben aushauchst. Du drohst mir selbst mit dem gleichen Los. Du teilst mir mit, Du hättest den Mut nicht, den Martern zu widerstehen, die man Dich erleiden lassen würde; Du würdest mich als Deine Mitschuldige angeben. – – Es tut nichts, fahre nur so fort, laß Dich nicht durch die Sorge um mein Leben in Verwirrung bringen, es wird mir verhaßt sein, wenn mein Gatte lebt. Von Herzen gern opfere ich es, wenn ich mich dafür an seinem Blute sättigen kann. Doch genug davon Dir gegenüber. Warum gehst Du nicht, Elender und denunzierst mich augenblicklich dem Gericht? Ich glaube, Du bist zu allem fähig. Wenn Du indes meine Wünsche befriedigen kannst, wenn Du meine Begierden unterstützest, wenn ich Dich mit dem Blute meines Gatten bedeckt sehe, erwarte alles von mir. Tausend Leben würde ich für Dich hingeben. Du wirst immer der Gott meines Herzens sein. Nie wirst Du so geliebt werden, wie ich Dich dann lieben werde.

 

Sechsundzwanzigster Brief.

Meine liebe Freundin,

es ist nur zu wahr, daß ich Dich anbete; alle Deine Vorwürfe zerreißen mir das Herz. Ich werde Dir beweisen, daß ich sie nicht verdiene. Wohlan, Du sollst befriedigt werden, Du wirst sehen, daß ich keine Furcht für mein Leben kenne, wenn es sich darum handelt, Dich zu retten. Und wenn der Tod sich mir in tausend Gestalten zeigte, ich würde nicht zurückbeben. Ich sehe alles voraus, was mich erwartet, ich lese in der Zukunft das unheilvollste Los, das schrecklichste Geschick; aber ich erschrecke nicht darüber. Ja, Dein Gatte wird durch meine Hand sterben. Ich sehe nur noch meinen Feind in ihm. Dein Herz wird der Preis meiner Freveltat sein, ich muß Dein Gefallen erringen, Deine Güte verdienen, ich muß Dir beweisen, daß ich Dich immer leidenschaftlich liebte, daß ich Dich lieben werde bis zu meinem letzten Atemzug. Aber um eine Gnade bitte ich Dich, Du wirst so großmütig sein, sie mir zu gewähren: erlaube, daß ich Deinem Gemahl als rechtschaffener Mann entgegentrete. Ich hoffe seiner leicht Herr zu werden und werde so die Befriedigung haben, Dir Genugtuung verschafft zu haben, ohne ein Mörder geworden zu sein. Mit Gefahr meines Lebens will ich das seine haben. Zeit und Ort werde ich passend zu wählen wissen, fasse Dich in Geduld, wir wollen nichts überstürzen. Ich will lieber warten bis die günstige Gelegenheit da ist, als mich der Gefahr aussetzen, daneben zu schießen. Ich weiß so ziemlich die Wege, die er tagtäglich macht. Lange wirst Du den Urheber Deiner Leiden, Deinen Tyrannen nicht mehr sehen. Du schiltst mich feig, machst es mir zum Vorwurf, daß ich Dir das Entsetzen der Strafen ausmalte; ich werde Dir nicht mehr davon sprechen. Aber ich weiß es ganz gewiß, daß Du es mir noch vorwerfen wirst, daß ich Deinen Gatten getötet habe; daß Du mich so sehr hassen wirst, als Du mir jetzt versprichst, mich lieben zu wollen. Aber meine Liebe ist zu groß, als daß solche Gedanken mich von meinem Entschluß abbringen könnten. Gib mir acht Tage, dieser Aufschub ist nicht lang. Sage mir dann nie mehr, ich hätte Dich nie geliebt, sondern nur das Vergnügen genossen, Dich zu verführen. Niemals entzündete noch die Liebe eine rasendere Leidenschaft, als die, die mich für Dich entflammt; kurz, ich werde alles tun, was Du willst, rede, man wird Dir gehorchen. Nicht die Raserei ists, die mich treibt, nein, einzig und allein der Ruhm Dir zu gefallen, läßt mich in alles einwilligen. Ich kenne im Leben kein anderes Vergnügen, als das, Dir Freude zu bereiten. Beurteile mich also gerechter und laß Dich alles gereuen, was Du mir gesagt, was Du mir geschrieben hast. Diese Schroffheit in Deinen Ausdrücken! Fast scheint mir, Du wolltest Dich Deines Gatten nur entledigen um gleichzeitig auch mich los zu werden. Fast glaube ich, daß Du statt eines Opfers zwei willst und gleichzeitig den Geliebten und den Gemahl opfern willst. Ja, nur Rache scheint Dich zu beseelen, Liebe nicht. Ich wünsche, daß all das, was ich Dir vorausgesagt habe, nie eintreffen werde, ich wünsche, daß alles zu Deiner Befriedigung ende, aber vergiß nie, wenn wir entdeckt werden, sind wir verloren. Dein Leben will ich retten und nicht das Meine. Heute Abend werde ich Dir das Gleiche wiederholen, was ich Dir eben schreibe. Ich brenne vor Begierden, Du mußt sie erfüllen, nach dem, was ich Dir eben geschworen.

 

Siebenundzwanzigster Brief.

Also fertig, Monsieur, ich werde mich mit meinem Gatten wieder versöhnen, um mich an Ihnen zu rächen; ich werde mich ihm zu Füßen werfen und ihm all die schrecklichen Anschläge gestehen, die ich im Herzen trug. So sehr er mich verabscheuen muß, so sehr will ich ihn lieben. Ich hatte auf Sie gerechnet; ich hatte Sie für fähig gehalten, alles für mich zu tun. Sie haben mir so oft geschworen, ich könne über Sie verfügen, und ich war so einfältig gewesen, allen Ihren Grimassen, und allen Ihren trügerischen Vorspiegelungen Glauben beizumessen.

Wie kam es doch, daß ich einen Menschen wie Sie auch nur einen Augenblick geliebt habe? Ich schäme mich – – – Diesen Fehler werde ich mir nie verzeihen! Ich habe Sie all Ihren Rivalen vorgezogen; ihre Zahl war nicht klein, und sie verbanden mit der innigsten Zärtlichkeit auch beträchtliche reelle Vorzüge. Ich habe alles verachtet, alles zurückgewiesen, – – um Dich Treulosen. Keine Gelegenheit ließ ich verstreichen, ohne Dir auf tausend und abertausend Arten meine glühendste Zuneigung zu beweisen. Was habe ich nicht aus Rücksicht für Dich erduldet? Habe ich nicht Deinetwegen mit meinem Gatten gebrochen? Habe ich nicht Deinetwegen auf alles verzichtet, was die Welt mir Verführerisches bot? Ich brachte Dir das Opfer meiner Ruhe, ich opferte Dir mein Glück, meine Reize. Hätte ich eine Krone besessen, für wen anders als für Dich? Ja, was war doch schuld daran, daß Du mich unterwerfen konntest, mich, die auf die glänzendsten Eroberungen, die sich von allen Seiten boten, keinen Wert legte?

Hätte der Himmel verhütet, daß ich Dich jemals sah, daß ich Dich je anhörte! Wird man glauben, daß ein Mann, der meine Seele beherrschte, der mir schwor, ich herrsche in der seinen, nicht geruhte, mich von meinem grausamsten Feinde zu befreien? Du bist an allem meinem Unglück schuld, Du hast mich Schritt für Schritt in den Abgrund geführt und nun, da es einer Heldentat bedarf um mich zu retten, weichst Du zurück? Es ist übrigens immerhin etwas wert für mich, auf den Grund Deines Herzens geblickt zu haben. Wie verächtlich! Wie hasse ich die Männer!

Komm mir nur nicht, um Dich wieder anzubieten. Untersteh Dich nicht, mir die Hilfe Deines Armes anzutragen; ich wäre völlig entehrt, wollte ich Dein Anerbieten annehmen. Du bist nichts als ein Ungeheuer, ein Barbar! O dies Glück, wenn ich vergessen könnte, daß ich Deine Seufzer erwiderte, daß ich Dir Zärtlichkeit auf Zärtlichkeit zurückgab, daß ich mich Dir hingab ohne Falsch! Der Gedanke allein tötet mich. So innige Freunde wir waren, so grimmige Feinde müssen wir sein. Verhängnisvolle Macht meiner Reize! auf welch Unwürdigen hast Du gewirkt! Ich schreibe Dir das letzte Mal. Laß es Dir niemals einfallen, mir unter die Augen zu treten. O, wenn doch alle Übel auf einmal über Dich kämen! Aber Du kannst ja nicht einmal so viel ertragen, als Du verdientest. Geh, Feigling, nur ein trauriges Los ist Dir vorbehalten. Wie ruhmvoll für mich, daß ich mich von Dir losgemacht, daß ich Dich behandle, wie Du es verdienst und Dich für immer verabscheue! Flieh weit von mir.

Mein Gatte wird also leben! Ach, wie vernichtet mich dieser Gedanke! Ich werde den sehen müssen, den ich so oft hinterging und warum? Nur Dir zu Liebe, Verräter! Deinetwegen, für den es Pflicht und Ruhm sein sollte, ihn zu opfern.

O Himmel! welch unglückseliges Geschick harrt meiner! Wie kraftlos werde ich mein Leben hinschleppen! Meine größte Marter wird der Gedanke an Dich sein, der Gedanke, daß ich so feige, so schwach war, Dir mein Herz zu schenken. Doch ach! Du besitzest es noch; nur zu sehr merke ich es an den verwirrten Gefühlen, die mich beunruhigen. O zeige Dich seines Besitzes würdig. Eile, fliege, morde meinen Gatten. Schlage Dich nicht mit ihm; das Waffenglück ist ungewiß. Daß er sterbe, ist alles, was ich verlange. Ich bin nur ein Weib, aber ich habe hundertmal mehr Entschlossenheit als Du.

 

Achtundzwanzigster Brief.

Madame, das Blut, an dem Sie sich sättigen wollen, wird also fließen, da ich Ihnen nur als Mörder, als Meuchelmörder Ihres Gemahls gefallen kann. Ich schwöre Ihnen, Sie werden zufrieden sein. Aber wo ihn finden? Wo ihn angreifen? Er darf mir nicht entrinnen. Ich sehe kein anderes Mittel, als das, das Sie mir gestern vorschlugen; es ist sicher und unfehlbar. Stellen wir dem Opfer eine Schlinge. Wir wollen Versöhnung heucheln, ihm ewige Treue schwören und ihn nur umarmen, um ihn zu ersticken.

Ich werde in Kurzem Ihrem Gatten besuchen und ihn um eine vertrauliche Unterredung bitten. Ich werde ihm gestehen: allerdings hätte ich auf seine Frau sträfliche Blicke geworfen, ich sähe aber mein Unrecht ein und bedauere sehr, ihn beleidigt und seine Freundschaft verloren zu haben. Kurz, ich werde ihm einreden, daß ich nichts so sehr wünsche, als seine Freundschaft wiederzugewinnen, daß ich von nun an sein bester Freund sein, und alles was ich besitze, ihm zur Verfügung stellen wolle. Selbst mein Leben wolle ich für ihn hingeben. – – Durch solche Köder wird er sich fangen lassen. Sie können mich dabei unterstützen. Er ist von Natur gutgeartet und leichtgläubig; er wird nicht so vorsichtig sein, uns zu mißtrauen. Ich sehe ihn schon die Arme nach mir ausstrecken und sein Herz mir wieder zuwenden; ich höre schon, wie er mich beschwört, das Vergangene zu vergessen. Nun, er wird nicht lange die Früchte eines Friedens genießen, der so falsch wie unheilschwanger ist. Welche Freundschaftsbeweise wird er an mich verschwenden! – Er geht seiner letzten Stunde entgegen und sein Vertrauen in uns wird seinen Tod nur beschleunigen. Ich wünsche es; ich brenne vor Gier, mich mit seinem Blute zu färben und mich Deiner würdig zu zeigen. Ich schaudere – – – – Aber lassen wir diese schrecklichen Gedanken. Du hast gesprochen; ich darf nicht mehr überlegen. Ich werde ihm ein Vergnügen, einen Spaziergang vorschlagen und so den Abgrund, in den ich ihn stürzen werde, mit Blumen bedecken.

Unsere Vorkehrungen scheinen uns vor allen Verfolgungen sicher zu stellen. Frohlocke, der Sieg ist sicher; morgen wirst Du keinen Gatten mehr haben. Sieh, wie weit die Macht der Liebe reicht, die mich entflammt. Ich bin taub für Gewissensbisse und Furchtbeklemmungen; Du mußt gerächt werden; Dein Geliebter muß Deinen Gatten ermorden. Es sei! Ich bin bereit – – – – Warum drängst Du so? Dem Himmel und der Erde werde ich ein Greuel sein. O Himmel! Wir sind beide in einer seltsamen Verblendung befangen. Verhängnisvolles Band, das unsere Augen verhüllt, warum habe ich nicht die Kraft, dich zu zerreißen!

 

Neunundzwanzigster und letzter Brief.

Mein süßer Geliebter,

mein Gatte wollte ausgehen, aber ich habe ihn zurückgehalten. Kommen Sie unverzüglich, ich erwarte Sie, er ist ganz in der Stimmung, Ihnen zu glauben. Ich habe ihm tausend Freundlichkeiten erwiesen; zuerst war er darüber erstaunt, dann entzückt. Ich liebe ihn unendlich zärtlich, seit ich sehe, daß er mir nicht mehr entrinnen kann. Ich werde also das Vergnügen haben, ihn Ihnen zu überliefern. Wie wird er sich in seiner Eigenliebe geschmeichelt fühlen, wenn er hört, wie Sie sein Herz wieder fordern und ihn bitten, von neuem Freundschaft mit ihm schließen zu dürfen. Wie allerliebst erscheinst Du mir, seit Du entschlossen bist, mich glücklich zu machen! Wie werden wir uns lieben! Unser Schicksal wird beneidenswert sein! So zärtlich ich auch sein mag, nie werde ich es so sehr sein können, als Du es verdienst. O, das Entzücken, Dich noch rauchend vom Blute unseres Feindes in die Arme zu schließen! O Gott, ich sterbe noch vorher vor Freude. Verzeihe mir all die Worte, die ich Dir gab. Wärst Du mir weniger teuer gewesen, so hätte ich mich zum Stillschweigen verdammt und die Belohnung jener abschlägigen Antwort wäre Gleichgültigkeit gewesen; aber ich las in Deinem Herzen, daß es nur darauf ankomme, Dich zu entflammen. Endlich ist es mir geglückt. Ich habe meinem Geliebten die Augen geöffnet, ich habe ihn gerührt. Meine Gedanken wurden seine Gedanken, meine Interessen sind ihm heilig, und meine Begierden sind die Richtschnur der seinen. Mäßige Deinen Eifer noch etwas, Geliebter, Du wolltest, daß ich schon befriedigt sei, aber Du brauchst nicht lange mehr zu warten.

Mein Gatte hat heute morgen etwas Geld erhalten. Dies könnte sich nicht besser treffen. Im Notfalle können wir es brauchen. Du weißt, alles was ich habe, ist Dein – – aber ich vertrödle die Zeit mit unnützen Reden. Geh, suche Deine Beute. Wie langsam schleichen die Augenblicke an mir vorüber! Laß Dich nicht aufs Überlegen ein, überlaß Dich keinem panischen Schrecken, sieh kein Unheil, wo keines ist. Hast Du alles vorbereitet? Ich bin in einer Erregung, die sich nicht beschreiben läßt. Jeden Augenblick befürchte ich, daß jemand komme, um uns zu stören und unsere Pläne zum Scheitern zu bringen. Beeile Dich! niemals mehr werden wir eine Gelegenheit finden, die unsern Absichten so günstig ist. Alle Welt wird glauben, mein Gatte habe Dich ermorden wollen. Die Idee mit der Pistole ist wunderbar. Man weiß ja, wie sehr Eifersüchtige zu Exzessen neigen. Mein Gatte hat sich manchmal bitter über Dich beklagt, und es laut ausgesprochen, daß er nur eine Gelegenheit der Rache suche. Braucht es noch mehr, um Dich unschuldig erscheinen zu lassen? Was übrigens mich angeht, so werde ich Dir in allem beistehen. Ich werde diesen unwürdigen Gatten, der bald gelebt haben wird, beschuldigen, Dir nach dem Leben gestrebt zu haben. – – Dieser Tag wird der schönste unseres Lebens sein. Sei für immer meiner Freundschaft, meiner Zärtlichkeit, meiner Erkenntlichkeit sicher. Ich werde nur für Dich leben, könnte ich es denn, nach dem, was Du für mich getan hast, noch für einen andern? Adieu Teurer, Geliebter, Angebeteter. Wenn der Streich gefallen ist, laß es mich wissen. Ich umarme Dich im Voraus tausend und abertausend Mal. Ich brenne darnach, Dich wiederzusehen.

 

Billet.

Madame,

endlich habe ich ihn. Ich bin im Luxembourg. Wir haben uns schon mehrmals umarmt. Er überläßt sich mir vollständig. Himmel! Was habe ich Ihnen versprochen! – – Entbinden Sie mich meiner Schwüre. Wenn ich an den Todesstoß denke, der Ihren Gatten treffen soll, zittere ich an allen Gliedern, und das Blut erstarrt mir in den Adern. Ich bin mir selbst ein Gräuel. Doch, Sie wollen es, Madame. Wider meinen Willen gebe ich Ihrem unerbittlichen Drängen nach. – – Wir werden bald vom Tische aufstehen und Sie werden bald hören, daß Ihr Gatte gelebt hat. Aber Sie tragen die Schuld, Sie befehlen mir, ihm das Leben zu nehmen.

Ich habe ihn einen Augenblick allein gelassen, um Ihnen dies zu schreiben mit derselben Hand, die im nächsten Augenblick das Opfer treffen wird, das Sie gezeichnet haben. Welche Tollkühnheit übrigens von mir, Ihnen dies unheilkündende Billet durch fremde Hand zu senden. Ich weiß nicht mehr, was ich sage, und nicht mehr, was ich tue. Ich bin ganz außer mir. Wenn Sie Ihren Gatten noch retten wollen, eilen Sie. – – Wozu habe ich mich verpflichtet? Was gibt mir die Gewißheit, daß ich trotz aller Maßregeln, meine Schandtat den Augen der Menschen zu entziehen, nicht doch gesehen werde? Bedenken Sie, daß ein rächender Gott im Himmel wohnt. – – Bald will ich Ihnen gehorchen, bald schaudere ich wieder davor zurück. Wehe, ich ahne es, unser Verbrechen wird nicht ungestraft bleiben. Wäre ich Unglückseliger doch nie geboren!

 


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