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Nial that sein Bestes, um das Unglück abzuwenden, das er in Folge des Unfriedens mit den Sigfussöhnen für sein Haus fürchtete. Eines Tages ritt er nach Mörk und unterredete sich den ganzen Tag lang mit Ketil Sigfussohn. Am Abend ritt er wieder heim, es erfuhr aber niemand, was sie verabredet hatten. Kurz nachher begab sich Ketil nach Grytaa. »Ich habe lange Zeit viel von meinem Bruder Thraen gehalten,« sagte er zu Thorgjerde, »und das will ich nun zeigen; ich erbiete mich dazu, seinen Sohn Höskuld zu erziehen.« »Das nehme ich an,« sprach Thorgjerde, »unter der Bedingung, daß Du ihm alles Gute thuest, was Du vermagst; Du sollst Geld zulegen, wenn er verheiratet wird und sollst ihn rächen, falls er erschlagen wird; und dieses alles sollst Du mir zuschwören.« Ketil that das, und Höskuld ritt mit ihm und weilte eine Zeit lang auf Mörk. Einst ritt Nial wiederum nach Mörk. Er wurde freundlich aufgenommen und blieb die Nacht über dort. In der Dämmerung rief er Höskuld Thraensohn zu sich, und dieser kam alsbald herbei. Nial zeigte ihm einen Goldring, den er an der Hand trug. Der Knabe nahm ihn, beschaute ihn und schob ihn auf seinen Finger. »Willst Du den Ring als eine Gabe von mir annehmen?« fragte Nial, und der Knabe bejahte es. »Weißt Du auch, wer Deinem Vater den Tod gab?« fragte Nial weiter, und jener antwortete: »Ich weiß wohl, daß Skarphedin ihn erschlug, aber daran dürfen wir nicht mehr denken, denn es ist ein Vergleich geschlossen und volle Buße gezahlt.« »Du hast wohl geantwortet,« versetzte Nial, »Du wirst ein braver Mann werden.« »Ich freue mich Deiner Weissagung,« entgegnete der Knabe, »denn ich weiß, Du schauest in die Ankunft und redest keine leeren Worte.« »Ich will Dir anbieten, daß ich Dich erziehe,« sprach Nial, »wenn Du es annehmen willst.« Der Knabe erwiderte, er wolle diese Ehre annehmen, sowie jede andere, die Nial ihm biete, und so geschah es denn, daß er mit Nial zog. Nial selbst hatte ihn sehr lieb, und seine Söhne schlossen sich ihm an und erwiesen ihm jegliche Ehre. Als er heranwuchs, wurde er groß und stark, sehr schön und hatte prächtiges Haar, war leutselig, freigebig und sanftmüthig: er hatte für jedermann ein freundliches Wort und war bei jedermann beliebt, und zwischen ihm und den Nialsöhnen herrschte niemals Zank, weder in Worten noch in der That. Einst sagte ihm Nial, er wolle für ihn ein Ehebündniß zu Stande bringen; Höskuld bat ihn, dafür Sorge zu tragen und fragte, wo er eine Braut für ihn wüßte. »Es ist ein Mädchen da, namens Hildegunne,« antwortete Nial; »sie ist eine Tochter Starkad's, dem Sohn von Frey's Priester Thord. Eine Heirat mit ihr würde eine glückliche sein.« Höskuld erklärte, er sei mit jeder Wahl zufrieden, die Nial für ihn treffen würde. Bald nachher ritt denn Nial mit seinen Söhnen, Kaare Sölmundsohn und allen Sigfussöhnen ostwärts nach dem Hofe Svinefjeld, der ungefähr in der Mitte der südöstlichen Küste etwas landeinwärts lag. Dort wohnte nämlich Starkad's Stiefbruder Flose Thordsohn, der ein mächtiger Häuptling war. Nial wurde freundlich aufgenommen, blieb die Nacht über und brachte dann sein Anliegen vor. Er versprach, Höskuld eine ansehnliche Mitgift zu geben. Flose erklärte, er sei damit zufrieden und ließ das Mädchen rufen. Sie antwortete, Flose habe versprochen, sie nur an einen Mann zu verheiraten, der Häuptling und Gode sei. »Das würde genügen, um unsre Absicht zu hintertreiben,« meinte nun Flose, »Dich mit Höskuld zu verheiraten; dann will ich auch nicht mehr daran denken.« »So meine ich es nicht,« versetzte Hildegunne, »nur möchte ich, daß Ihr ihm zu solcher Stellung verhelfet.« Da bat Nial sie, drei Winter zu warten, ob er zu diesem Zweck etwas ausrichten könnte, und das versprachen sie. Nial suchte nun Höskuld die Stellung eines Goden zu verschaffen, aber niemand unter den alten Goden wollte seine Häuptlingsstelle ihm abtreten. In demselben Jahre waren große Streitsachen auf dem Alting beizulegen, und viele Männer suchten wie gewöhnlich Rath bei Nial. Allein niemand vermochte seine Sache nach dem Rath, den er von Nial empfangen hatte, zum Austrag zu bringen, so daß die Männer unverglichen heimreiten mußten. Im nächsten Jahre herrschte deshalb großes Mißvergnügen auf dem Alting und viele äußerten, es nütze wenig, die Sachen dort vorzubringen, sie wollten lieber mit Schwert und Speer ihr Recht heischen. Da trat Nial auf und sagte: »So darf es nicht sein, und es frommt nicht, Gesetz im Lande zu vermissen.« Es sei jetzt erwiesen, meinte er, daß die alte Einrichtung der vier Viertelsgerichte Island war dazumal in vier Viertel getheilt. Diesen Vierteln entsprachen die genannten Viertelsgerichte auf dem Alting. auf dem Alting nicht hinreiche, um dem Rechte seinen Lauf zu lassen. Er schlug darum vor, ein Fünftesgericht zu errichten; demselben sollen alle besonders wichtige Sachen unterworfen sein, und das Urtheil solle dort unter schwereren Eiden und strengeren Formeln gefällt werden. Dieser Vorschlag fand den Beifall des Gesetznenners Damals waren die Gesetze in Island noch nicht geschrieben und man konnte deshalb nicht nachschlagen in den Rechtsverhandlungen. Darum hatte man einen »Gesetznenner«, einen besonders gesetzkundigen Mann angestellt, der bei streitigen Fällen den Wortlaut des betreffenden Gesetzes zu nennen hatte. Skapte Thorodsohn und wurde angenommen von dem Gesetzgericht. Das Gesetzgericht hatte über die Aufnahme neuer Gesetze zu entscheiden. Hiernach bedurfte man aber für das Fünftegericht viermal zwölf Richter, und da nun jeder Gode bisher einen Richter bestellte und bisher im ganzen nur dreimal zwölf Richter vorhanden gewesen waren, so war es also nöthig, zwölf neue Goden einzusetzen. Nial schlug daher vor, daß dies geschehen möge, und es solle jedem Mann freistehen, sich von seinem Gerichtskreis, zu dem er bisher gehört habe, loszusagen und sich unter denjenigen der neuen Goden zu stellen, der ihm am meisten zusagte. Als dieser Vorschlag ebenfalls angenommen wurde, bat Nial um die Erlaubniß, für Höskuld Thraensohn auf Hvidenes im Südlande eine Godenstelle errichten zu dürfen. Das wurde ihm zugestanden, so daß für Höskuld's Heirat kein Hinderniß mehr im Wege stand und er mit Hildegunne Hochzeit hielt. Den ersten Winter über blieb er mit ihr auf Bergthorshvol, und Hildegunne vertrug sich gut mit Bergthora. Im nächsten Frühling kaufte Nial Land bei Vorsaböj, nordwestlich von Bergthorshvol zwischen der Thjorsau und der Hvidau, eine Strecke vom Meere entfernt, und übertrug es an Höskuld; auch verschaffte er ihm selbst das Gesinde. Höskuld zog dahin mit Hildegunne und baute sich dort an. Aber es herrschte stets die innigste Freundschaft zwischen ihm und Nial, so daß keiner von ihnen in irgend einer Sache sich gut berathen glaubte, wenn er nicht den andern zuvor befragt hatte. Auch die Nialsöhne verkehrten immerfort mit Höskuld, und sie luden sich gegenseitig ein in jedem Herbst und beschenkten sich reichlich, so groß war die Freundschaft.
Wenn Höskuld Nialsohn zwischen Bergthorshvol und Holt, wo er mit seiner Mutter Hrodny wohnte, unterwegs war, führte ihn die Straße an dem Zaun des Hofes Samstad vorbei. Daselbst wohnte ein Mann, namens Lyting, der mit Thraen's Schwester Stenvör verheiratet war; derselbe war groß und stark und reich begütert, aber bösartig. Eines Tages war ein Gastmahl auf Samstad; dort waren Höskuld, der Gode von Hvidenes, und alle Sigfussöhne, außerdem Grane Gunnarsohn, Gunnar Lambesohn und Lambe Sigurdsohn. Während des Mahles, als Lyting auf seinem Sitze saß, kam ein Weib herein und rief: »Es war schade, daß Ihr so weit entfernt waret, sonst hättet Ihr den Prahlhans an unsrem Hofe vorüberreiten sehen können.« »Welchen Prahlhans?« fragte Lyting. »Höskuld Nialsohn,« antwortete das Weib, worauf Lyting versetzte: »Ja, es hat mich oft geärgert, ihn hier vorüberreiten zu sehen, willst Du Deinen Vater rächen, Höskuld, dann bin ich bereit, mit Dir zu ziehen und Höskuld Nialsohn zu tödten.« »Uebel würde ich meinem Pflegevater Nial lohnen,« antwortete Höskuld; »mögest Du schlecht fahren für Deine Aufforderung!« und damit sprang er vom Tische auf, ließ seine Pferde holen und ritt sogleich fort. Darauf hetzte Lyting Grane Gunnarsohn auf; aber dieser sagte, er wolle nicht einen Vergleich brechen, den gute Männer mit ihm geschlossen hätten. Dasselbe erwiderten Gunnar Lambesohn, Lambe Sigurdsohn und alle Sigfussöhne und ritten alle fort. Als sie fort waren, sprach Lyting: »Jedermann weiß, daß ich keine Buße empfangen habe für meinen Schwager Thraen und ich will mich nimmer mehr damit zufrieden geben, daß keine Blutrache für ihn geübt wird.« Darauf rief er seine beiden Brüder Halkel und Halgrim herbei, die ebensowenig friedfertig waren wie er, und außerdem drei Dienstmannen; diese sechs legten sich an Höskuld's Weg und verbargen sich in einem Graben. Gegen Abend kehrte Höskuld Nialsohn zurück. Sie sprangen alle auf und drangen auf ihn ein. Er wehrte sich tapfer, verwundete Lyting an der Hand und tödtete zwei von seinen Dienstmannen, fiel aber endlich. Sie versetzten ihm sechzehn Wunden, schlugen ihm aber nicht den Kopf ab und darnach eilten sie in einen Wald und verbargen sich dort. An demselben Abend fand Hrodny's Schafhirte die Leiche Höskuld's und meldete der Mutter ihres Sohnes Tod. Sie befahl ihm Pferd und Fuhrwerk zu nehmen, und so fuhren sie dahin, wo Höskuld lag. »Ich dachte mir es wohl,« sprach sie, als sie ihn sah, »er ist nicht ganz todt, Nial kann größere Wunden heilen.« Sie legten ihn auf die Balken, denn das Fuhrwerk war eine Art Schlitten, der dazu diente, das Heu über sumpfige Stellen zu schaffen, und fuhren ihn nach Bergthorshvol, wo sie ihn in den Schafstall trugen und ihn aufrecht an die Wand setzten. Sie gingen beide zum Wohnhause und klopften an, und als ein Knecht öffnete, schlüpfte Hrodny an ihm vorüber und eilte an Nial's Bett. Sie weckte Nial. »Komm hinaus mit Deinen Söhnen,« rief sie, »und siehe Deinen Sohn Höskuld; und nimm diese da mit,« fügte sie hinzu, auf Bergthora zeigend. »Laßt uns unsre Waffen mitnehmen,« sprach Skarphedin, und darauf folgten sie Hrodny nach dem Schafstall. Sie hielt das Licht hoch und sprach: »Hier liegt nun Dein Sohn Höskuld, Nial! Viele Wunden hat er und bedarf kundiger Hülfe.« »Das Zeichen des Todes sehe ich an ihm, aber keine Spur von Leben,« versetzte Nial. »Warum hast Du ihm aber nicht den letzten Dienst erwiesen?« fügte er hinzu, als er sah, daß seine Nasenlöcher offen waren. »Darum wollte ich Skarphedin bitten,« erwiderte Hrodny, und Skarphedin drückte ihm die Nase zu. »Wer ist nach Deiner Meinung der Mörder?« fragte er Nial. »Es wird Lyting von Samstad mit seinen Brüdern sein,« antwortete Nial. Da sagte Hrodny: »Ich lege es in Deine Hand, Skarphedin, Deinen Bruder zu rächen und ich erwarte, Du wirst Dich als ein braver Mann zeigen, obschon er außerehelich war.« Bergthora sprach: »Wunderlich steht es mit Euch; um nichtiger Dinge willen seid Ihr sogleich bereit zu Mord und Todtschlag, in dieser wichtigen Angelegenheit aber grübelt Ihr und bedenkt Euch, ohne zur That zu schreiten, und wenn nun Höskuld der Gode von Hvidenes kommt und Euch bittet, auf einen Vergleich einzugehen, dann sagt Ihr natürlich sofort ja.« »Unsre Mutter treibt uns zum Kampf und thut darin recht,« sagte Skarphedin und suchte nun selbst seine Brüder zu überreden.
Skarphedin zog sogleich aus mit seinen Brüdern. Im Walde hörten sie die Stimmen von Männern und gingen denselben nach. Da fielen Halgrim und Halkel durch Rimegyge, Lyting aber entkam. Grim und Helge eilten ihm nach und schlugen ihm eine schwere Wunde, er aber rannte weiter, erwischte ein Pferd und ritt nach Vorsaböj. »Solches Schicksal durftest Du erwarten,« sagte Höskuld der Gode von Hvidenes, als er das Ereigniß vernahm, »denn ganz unsinnig bist Du vorgegangen; jetzt kannst Du bewahrheiten, daß nur kurze Weile die Hand sich des Kampfes freut.« Indessen sagte er zu, als Lyting ihn bat, einen Vergleich zwischen ihm und Nial zu vermitteln, und ritt sogleich nach Bergthorshvol. Die Nialsöhne waren soeben zurückgekehrt und hatten sich schlafen gelegt. Höskuld ging zu Nial und sagte: »Ich komme, um einen Vergleich zu erbitten für Lyting, meinen Oheim, wiewohl er sich gröblich gegen Euch vergangen, den Vergleich gebrochen und Deinen Sohn erschlagen hat.« Nial antwortete: »Deinetwegen will ich mit Lyting einen Vergleich eingehen.« »willst Du Deine Söhne nicht herbeirufen?« fragte Höskuld. »Nein,« versetzte Nial, »das würde den Vergleich nicht anbahnen; aber den Vergleich, den ich schließe, werden sie halten.« Nial setzte nun fest, Lyting solle doppelte Mannbuße erlegen, ohne für seine Wunden und seine Brüder Buße zu erhalten. »Auf Samstad mag er wohnen bleiben,« fuhr Nial fort, »indessen geschieht es auf seine eigne Verantwortung hin und am räthlichsten ist es, daß er sein Land verkauft und auswandert.« Mit diesem Bescheid ritt Höskuld heim. Als die Nialsöhne erwachten, fragten sie, wer dagewesen sei. Nial antwortete: »Mein Pflegesohn Höskuld.« »Dann hat er für Lyting Fürbitte gethan,« versetzte Skarphedin. »So ist es,« entgegnete Nial. »Das war nicht gut,« sprach Grim. »Hättest Du Lyting eins versetzt, wie man es von Dir erwarten konnte, dann hätte Höskuld ihn nicht mit seinem Schilde gedeckt,« erwiderte Nial. »Laßt uns unsern Vater nicht tadeln,« mahnte Skarphedin. Er sowie seine Brüder hielten den Vergleich, und Lyting blieb im Gau wohnen. Höskuld Nialsohn aber hatte einen außerehelichen Sohn namens Amunde; derselbe war blind geboren und trug darum den Zunamen »der Blinde.« Drei Jahre nach seines Vaters Tode war er auf einem Ting und ließ sich an den Hütten entlang führen, bis er zu derjenigen kam, die Lyting bewohnte. Er ließ sich in die Hütte und vor Lyting führen. »Ist Lyting von Samstad hier?« fragte er. »Was ist Dein Begehr?« erwiderte Lyting. Amunde sprach: »Welche Buße willst Du mir geben für meinen Vater Höskuld? Ich bin ein außerehelicher Sohn und habe keine Buße empfangen.« »Volle Buße habe ich gezahlt,« versetzte Lyting; »Dein Großvater und Deines Vaters Brüder haben sie empfangen.« »Das weiß ich,« sagte Amunde, »welche Buße willst Du mir aber geben?« »Keine,« antwortete Lyting. Da sagte Amunde: »Es will mich nicht bedünken, daß das recht sein kann vor Gott, da Du mir solchen Schmerz angethan hast. Jetzt möge Gott zwischen uns richten!« Damit ging er fort; als er aber in die Thür trat, wandte er sich um, und seine Augen wurden geöffnet. »Gelobt sei unser Herr,« rief er aus, »jetzt erkenne ich seinen Willen.« Darauf sprang er auf Lyting zu und hieb ihn mit seiner Axt auf das Haupt, daß er sogleich entseelt niederstürzte. Amunde eilte wieder fort, als er aber an die Stelle kam, wo seine Augen aufgethan wurden, da schlossen sie sich wieder, und er war seitdem blind sein Leben lang. Er ließ sich zu Nial und dessen Söhnen führen und sagte ihnen seine That an. »Das darf man Dir nicht anrechnen,« sagte Nial, »denn solches ist durch das Schicksal bestimmt. Geschieht aber etwas derart, so soll es uns warnen, daß wir nicht die von uns stoßen, die uns so nahe stehen.« Nial bot Lyting's Verwandten Buße an, und Höskuld der Gode von Hvidenes brachte den Vergleich zu Stande, so daß Lyting's Verwandte Amunde Sicherheit gelobten. Seit diesem Ereigniß herrschte lange Zeit Ruhe.
Der falsche Valgard war lange Jahre im Ausland gewesen, und während dieser Zeit war sowohl der Glaubenswechsel eingetreten als auch das Fünftegericht eingesetzt und die neuen Goden gewählt worden. Er kehrte beim in demselben Sommer, wo Lyting erschlagen wurde. Er war nicht sehr erfreut, als er von allen Veränderungen erfuhr, die während seiner Abwesenheit stattgefunden hatten. Als er nun auch hörte, daß viele Bauern sich aus dem Gerichtskreis seines Sohnes Mörd in den des Goden Höskuld von Hvidenes begeben hatten, forderte er Mörd zur Rache auf. »Du mußt Feindschaft stiften zwischen Höskuld und den Nialsöhnen,« sagte er; »diese sind heißblütige Männer, die Du leicht dazu treiben kannst, Höskuld zu erschlagen; viele werden ihn zu rächen suchen und werden schließlich Nial und seinen Söhnen den Tod bringen. Erst dann kannst Du erwarten, Deine Häuptlingsstelle wiederzuerhalten.« Mörd schwur, er wolle seinen Rath befolgen. »Ich möchte aber gern, daß Du den Christenglauben annimmst, Vater,« sprach Mörd, »denn Du bist ein alter Mann.« »Das thue ich nicht,« antwortete Valgard, »und am liebsten wäre es mir, wenn Du selbst den Christenglauben aufgäbest.« Mörd weigerte sich, Valgard aber zerbrach ihm alle Kreuze und andre heilige Zeichen. Bald nachher wurde er krank und starb und wurde bei Hof nach heidnischem Brauch in ein Hügelgrab gelegt. Nach kurzer Zeit nun ritt Mörd nach Bergthorshvol. Er schmeichelte den Nialsöhnen mit süßen Worten und legte es überhaupt darauf an, ihre Gunst zu gewinnen. Es gelang ihm auch, und er machte sich ihnen schließlich so unentbehrlich, daß sie niemals eine Sache beriethen, ohne ihn ebenfalls zu befragen. Nial aber war damit übel zufrieden. Einst lud Mörd die Nialsöhne und Kaare zu einem Gastgebot; es war ein großes Gastmahl, und sie erhielten alle köstliche Gaben von ihm bei ihrem Abschied. Skarphedin empfing eine goldene Spange, Kaare einen silbernen Gürtel und die übrigen ähnliche Dinge. »Diese Gegenstände habt Ihr theuer erkauft,« sagte Nial, als sie ihm dieselben zeigten; »hütet Euch, daß Ihr sie nicht mit der Münze bezahlt, die Mörd wünscht.« Hernach kam Mörd nach Vorsaböj und versuchte Höskuld einzureden, daß die Nialsöhne ihren Spott mit ihm getrieben und sogar zu wiederholten Malen ihm nach dem Leben gestanden hätten. Höskuld wollte ihm aber keinen Glauben schenken. »Und selbst wenn Du recht haben solltest,« sagte er, »wenn Du meinst, daß ich sie tödten muß, um nicht von ihnen selbst getödtet zu werden, so will ich doch lieber durch sie den Tod erleiden, als selbst ihnen den geringsten Schaden thun.« Besser gelang es Mörd bei den Nialsöhnen und Kaare; er überredete sie in der That, zu glauben, daß Höskuld ihnen nach dem Leben trachte, und es kam bald so weit, daß sie keinen Umgang mehr mit ihm pflegten und fast nicht mehr mit ihm redeten, wenn sie zusammentrafen. Höskulds Verwandte wurden darum auch unruhig um seinetwillen. Einst war Höskuld zum Besuch bei Hildegunne's Oheim aus Svinefjeld. Dieser warnte ihn und bot ihm um seiner Sicherheit willen den Aufenthalt in seiner Nähe an. Höskuld wollte sein Anerbieten indessen nicht annehmen. »Man würde sagen, daß ich furchtsam sei, wenn ich nicht daheimzubleiben wagte,« erwiderte er. Als er heimkehren wollte, schenkte Flose ihm einen Scharlachmantel, der bis zum Schoße verbrämt war. Darnach ritt Höskuld zurück, und der Winter verlief, ohne daß sein Verhältniß zu den Nialsöhnen besser wurde. Im nächsten Frühling kam Mörd eines Tages nach Bergthorshvol. Er verleumdete Höskuld wie gewöhnlich und hatte noch viel mehr gegen ihn vorzubringen als sonst; er reizte die Nialsöhne auf's heftigste gegen ihn und sagte, wenn sie ihn nun nicht tödteten, dann würde er ihnen zuvorkommen. »Du sollst Deinen Willen haben,« versetzte Skarphedin, »wenn Du mit uns ziehen willst.« »Das will ich!« antwortete Mörd. Darauf verabredeten sie, er solle am Abend wiederkommen, »was haben sie da draußen?« fragte Bergthora Nial. »Ich weiß es nicht,« entgegnete er, »mir haben sie es nicht anvertraut, und das thaten sie doch immer, wenn ihre Anschläge gut waren.« In der nächsten Nacht kam Mörd wieder nach Bergthorshvol, und die Nialsöhne Und Kaare nahmen ihre Waffen und ritten mit ihm nach Vorsaböj. Dort lauerten sie hinter einem Zaun bis Sonnenaufgang. Um diese Zeit kam Höskuld aus dem Hause; er trug den Mantel, den er von Flose empfangen hatte. In der einen Hand hatte er sein Schwert, in der andern einen Korb mit Korn. Er näherte sich dem Zaune und begann zu säen. Da sprang Skarphedin auf, Höskuld wollte fliehen. »Hoffe nicht zu entfliehen, Hvidenesgode,« rief Skarphedin und hieb ihn auf den Kopf, so daß er in die Knie sank. »Gott sei mir gnädig und vergebe Euch,« schrie Höskuld und darnach verwundeten ihn alle, so daß er starb. Mörd redete einen Augenblick leise mit Skarphedin und eilte darauf fort, die Nialsöhne aber und Kaare ritten nach Bergthorshvol zurück. »Das ist eine traurige Zeitung,« sagte Nial, als sie ihm sagten, was sie ausgerichtet hatten; »lieber hätte ich zwei von meinen Söhnen verloren, wenn nur Höskuld noch lebte.« »Du bist alt,« sprach Skarphedin, »darum ist es glaublich, daß es Dir nahe geht.« Nial aber erwiderte: »Ich weiß besser als Du, was daraus folgen wird.« »Was werden denn die Folgen sein?« fragte Skarphedin. »Mein Tod,« antwortete Nial, »und der Tod meines Weibes und aller meiner Söhne.« »Was weissagst Du mir denn?« fragte Kaare. Nial entgegnete: »Schwer wird es ihnen fallen, gegen Dein Glück anzukämpfen; Du wirst ihnen allen zu stark sein.« Es ging aber dieses Ereigniß Nial so nahe, daß er nie darüber reden konnte, ohne zu weinen. So heftig erschütterte ihn niemals eine Sache.