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Sogleich nach der Heimkehr vom Alting dingten sich Gunnar und Kulskjäg einen Platz auf einem Schiffe von der Bucht (dem jetzigen Christianafjord) und ließen ihre Waaren an Bord schaffen. Als dies geschehen und das Schiff segelfertig war, ritt Gunnar nach Bergthorshvol und anderen Höfen und dankte allen seinen Freunden für die Hülfe, die sie ihm gewährt hatten. Seinen Dienstleuten ging es sehr nahe, daß sie ihn verlieren sollten; an dem Tage, wo er zu Schiffe gehen wollte, trat er zu jedem einzelnen und sagte ihm Lebewohl, sie aber begleiteten ihn aus dem Hofe. Er stemmte die Hellebarde gegen die Erde, schwang sich in den Sattel und ritt fort mit Kulskjäg. Sie ritten den Markarfluß entlang. Unterwegs stolperte Gunnar's Pferd, so daß er herabsprang. Dabei sah er zufällig zum Berghang und zu dem Hofe am Ende des Berghanges hinauf. »Schön ist der Berghang,« rief er aus, »und nie sah ich ihn so herrlich, gelb werden die Saatenfelder und zur Ernte reif, und gemäht ist das Heu auf der Fenz. Ich reite heim.« »Mache doch nicht Deinen Feinden die Freude, daß Du den Vergleich brichst,« rief Kulskjäg, »das wird niemand Dir zutrauen, und bedenke auch, daß dann alles in Erfüllung gehen wird, was Nial vorausgesagt hat.« »Ich ziehe nicht fort,« erwiderte Gunnar, »und gern sähe ich, wenn Du thätest wie ich.« Kulskjäg aber sprach: »Nimmermehr, mein Wort will ich nicht brechen, weder jetzt noch jemals, wenn Menschen auf mich bauen. Wir müssen scheiden. Doch sage meiner Sippe und meiner Mutter, daß ich Island nie wiedersehen werde. Du selbst wirst bald Deinen Tod finden, und ohne Dich will ich hier nicht leben.« Damit trennten sie sich, und Kulskjäg bestieg das Schiff und fuhr ins Ausland, Gunnar aber kehrte nach Hlidarende zurück. Halgjerde empfing ihn voll Freude, seine Mutter aber wurde nicht froh. Während des Herbstes und des Winters verweilte er auf Hlidarende, ohne viele Männer um sich zu haben. Als der Frühling kam, bot Olaf Paa ihm und Halgjerde eine Zuflucht bei sich an, damit er vor seinen Feinden sicher sei; die Haushaltung und den Betrieb sollte dann Ranvejg im Verein mit seinem ältesten Sohn Högne leiten. Derselbe war nämlich jetzt erwachsen eben so wie sein jüngerer Bruder Grane; aber diese beiden Brüder waren sehr verschieden an Sinnesart, denn Högne war brav, Grane jedoch hatte im Wesen viele Aehnlichkeit mit seiner Mutter. Gunnar war erfreut über das Anerbieten Olaf's und sagte, er wolle es annehmen; als es aber zum Treffen kam, konnte er es doch nicht über's Herz bringen, sein Heim zu verlassen.
Auf dem Alting im folgenden Sommer erklärte Gissur Hvide Gunnar für geächtet und vogelfrei, und nach der Auflösung des Tings berief er alle Feinde Gunnar's zu einer Zusammenkunft in der Almannagjaa, einer langen und tiefen Schlucht im Westen des Gesetzberges und nördlich vom Tingvallesee. Zu beiden Seiten steigen die Lavafelsen steil empor und es finden sich in ihnen viele Spalten und Risse, wo sich Erde gesammelt hat, so daß Birkengestrüpp und andre Pflanzen dort wachsen können. Der Grund der Schlucht aber ist eben und ziemlich breit und es wächst Gras dort, so daß die Bauern während der Dauer des Tings ihre Pferde dort grasen lassen konnten. Hier kamen zusammen Gissur, Starkad von Trehörning und sein Sohn Thorgejr, Mörd von Hof und sein Vater, der falsche Valgard, Gejr Gode und Hjalte Skjeggesohn, Önund vom Teufelswald und der Normann Thorgrim von Sandgil sowie viele andre. »Ich will Euch den Vorschlag machen,« sagte Gissur zu ihnen, »daß wir in diesem Sommer gegen Gunnar ziehen und ihn tödten.« »Ich versprach Gunnar,« versetzte Hjalte, »daß ich niemals Theil nehmen wolle an einem Anschlag gegen ihn und das Versprechen will ich halten,« und damit ging er fort. Die übrigen aber einigten sich dahin, Gunnar anzugreifen; sie verpflichteten sich dazu durch Handschlag und setzten auf den Bruch des Gelöbnisses die Acht. Vierzig Mann waren es, die solches gelobten. Mörd sollte acht geben, wenn die Gelegenheit günstig sei, ihren Plan zur That werden zu lassen, und sie meinten, jetzt werde es nicht schwer fallen, Gunnar zu überwältigen, zumal er der Hülfe ermangele, die ihm vordem zu theil zu werden pflegte. Denn nun fehlte ihm nicht nur Kulskjäg, sondern auch Thraen Sigfussohn war außer Landes gezogen, sowie die beiden Nialsöhne Grim und Helge. Als die Männer vom Ting heimritten, kehrte Nial bei Gunnar ein und that ihm kund, was er über seiner Feinde Anschlag wußte. »Ich will meine Söhne Skarphedin und Höskuld zu Dir senden,« sagte er, »sie werden ihr Leben für Dich einsetzen.« »Du hast Dich so edel gegen mich gehalten,« erwiderte Gunnar, »und ich will nicht, daß Deine Söhne um meinetwillen den Tod erleiden.« »Das wird nichts nützen,« versetzte Nial; »fällst Du, so wendet alles Unglück sich doch gegen mich und meine Söhne.« »Solches ist nicht unwahrscheinlich,« entgegnete Gunnar, »allein ich möchte ungern Veranlassung dazu geben. Aber um dies eine möchte ich Euch bitten, daß Ihr Euch meines Sohnes Högne annehmt; von Grane will ich nichts sagen, denn er thut nicht nach meinem Sinn.« Nial versprach es und ritt heim. Nach der Zeit ritt Gunnar noch oft zu allen Zusammenkünften der Männer, ohne daß seine Feinde ihn anzufallen wagten. Zur Erntezeit aber sandte Mörd an Gissur Hvide eine Botschaft, daß Gunnar allein zu Hause sei, da alle seine Leute auf den Inseln sich befänden, um die Heumahd zu beenden. Gissur Hvide und Gejr Gode ritten sogleich ostwärts nach Hof, und hier versammelten sich auch alle anderen, die im Bunde gegen Gunnar waren. Mörd sagte, man könne Gunnar nicht plötzlich überfallen, ohne den Bauer Thorkel auf dem Nachbarhofe von Hlidarende zu zwingen, allein hinaufzugehen und den Hund Sam zu greifen. Darnach brachen sie auf. Unterwegs griffen sie Thorkel und ließen ihm die Wahl, entweder Sam zu fangen oder erschlagen zu werden. Thorkel wählte das erstere und zog mit ihnen. Als die Schaar an den Zaun des Hofplatzes von Hlidarende kam, machte sie halt, Thorkel jedoch ging hinauf zu den Häusern, vor denen Sam lag und lockte ihn hinab in einen Hohlweg. Hier aber bemerkte Sam die Bewaffneten und fiel Thorkel an und packte ihn an der Gurgel. Da hieb Önund vom Teufelswald mit einer Axt Sam auf den Kopf, so daß sie tief in das Hirn eindrang. Sam stieß ein furchtbares Geheul aus, wie niemand es je zuvor vernommen hatte und stürzte todt nieder. »Uebel spielt man Dir mit, Sam mein Bruder,« rief Gunnar, als er auf seinem Lager in einer Bodenkammer des Wohnhauses durch das Geheul geweckt wurde, »und es wird wohl so kommen, daß der eine dem andern bald nachfolgt,« fügte er hinzu. Es währte denn auch nicht lange, bis er einen rothen Rock vor der Luke auf dem schrägen Dach zum Vorschein kommen sah. Es war der Normann Thorgrim, der zum Hause hinaufgesandt worden war, um zu erfahren, ob Gunnar daheim sei, und derselbe war an der Bretterwand des Hauses hinaufgeklommen. Gunnar stieß mit seiner Hellebarde durch die Luke nach ihm und durchbohrte ihm den Leib. Er glitt aus und stürzte hinab, und lief darauf zurück zu den übrigen auf dem Felde. »Ist Gunnar daheim?« rief ihm Gissur entgegen. »Selbst mögt Ihr zusehen, ob Ihr es erfahren könnt,« erwiderte Thorgrim, »daß aber seine Hellebarde daheim ist, das habe ich erfahren,« und nach diesen Worten sank er todt zur Erde. Die übrigen aber eilten zu den Häusern hinauf. Gunnar empfing sie so wohl mit seinen Pfeilen, daß sie nichts ausrichteten. Nach einer Weile mußten sie innehalten und stürmten dann wieder heran, aber auch diesmal mußten sie sich zurückziehen. Beim dritten Ansturm, der heftiger war als die vorhergehenden, hielten sie länger aus, mußten aber dennoch weichen. Da sah Gunnar, daß ein Pfeil auf der Wand außerhalb der Luke lag. »Dieser Pfeil gehört ihnen,« sagte er, »den will ich auf sie abschießen und es wird ihnen zur Schande gereichen, von ihren eignen Waffen getroffen zu werden.« »Thue das nicht, mein Sohn,« warnte seine Mutter, »und rufe sie nicht wieder herbei, nachdem sie sich zurückgezogen haben.« Gunnar aber entsandte den Pfeil und traf einen Mann, welcher schwer verwundet wurde, doch merkten die anderen es nicht, da er etwas abseits stand. »Es kam eine Hand zum Vorschein, die trug einen Goldring,« rief Gissur; »dieselbe nahm einen Pfeil, der auf dem Dache lag; sie haben wohl nicht Waffen genug da drinnen, da sie sie draußen suchen; laßt uns darum herangehen.« »Laßt uns ihn mit samt dem Hause verbrennen,« sprach Mörd. »Niemals soll das geschehen,« erwiderte Gissur, »selbst wenn es mein Leben gälte. Du magst lieber Rathschläge ersinnen, die etwas taugen, da Du ja doch so schlau sein sollst.« Es lagen aber einige Taue auf dem Felde, die bei stürmischen Wetter über das Haus gespannt zu werden pflegten, um dasselbe festzuhalten. Auf Mörd's Vorschlag nahmen sie diese und schlangen sie um die Enden des großen Balkens, an dem das ganze Sparrenwerk des Daches befestigt war, und darauf zogen sie das ganze Dach vom Hause herunter, ohne daß Gunnar dessen gewahr wurde, ehe es vollbracht war. Indessen fuhr er fort mit seinem Bogen zu schießen, so daß sie nicht an ihn herankommen konnten. Mörd rieth wiederum, ihn zu verbrennen. »Ich weiß nicht, warum Du Vorschläge machst, auf die niemand eingehen will,« schalt Gissur; »niemals soll das geschehen.« In demselben Augenblick aber lief einer die Wand hinan und durchhieb Gunnar's Bogensehne, Gunnar jedoch ergriff mit beiden Händen seine Hellebarde, durchstieß ihn und schleuderte ihn zur Erde hinab. Das war der zweite Mann, den Gunnar tödtete. Einem anderen, der ihm gefolgt war, stieß Gunnar die Hellebarde durch den Schild, so daß ihm beide Arme gebrochen wurden und er hinabstürzte, und dieses war der neunte Mann, den Gunnar verwundete. Dabei erhielt er jedoch selbst zwei Wunden, allein er fürchtete sich weder vor Wunden noch vor dem Tode, das räumten alle ein. »Gieb mir zwei Locken von Deinem Haar,« sagte er zu Halgjerde, »und flicht Du mir eine Bogensehne daraus, Mutter,« zu Ranvejg. »Hängt etwas davon ab?« fragte Halgjerde. »Mein Leben hängt davon ab,« rief er; »kann ich nur meinen Bogen gebrauchen, so werden sie mir niemals nahe kommen.« »Dann werde ich Dir die Ohrfeige gedenken, die Du mir gabst,« sagte sie, »mir ist es gleichgültig, ob Du Dich längere oder kürzere Zeit wehrst.« »Ein jeder hat das Seine, wodurch er sich einen Namen erwirbt,« entgegnete Gunnar, »ich werde Dich nicht lange bitten.« Ranvejg rief ihr zu: »Arg handelst Du, und lange wird Deine Schande leben.« Gunnar aber fuhr fort, sich trefflich und mannhaft zu wehren; er verwundete noch acht Mann, so daß viele ihren Wunden erlagen, und fuhr so fort, bis er vor Ermattung umsank. Da stürmten seine Feinde heran und schlugen ihm viele schwere Wunden. Indessen entkam er ihnen und wehrte sich noch lange, bis sie ihn endlich tödteten. Da sprach Gissur: »Einen gewaltigen Recken haben wir hier zur Erde gestreckt und gar schwer ist es uns geworden; die Kunde von seinem Widerstand wird bleiben, so lange man im Lande wohnt und den Acker baut.« Darauf ging er zu Ranvejg und bat um ein Fleckchen Erde, um ihren beiden Todten einen Hügel aufzuwerfen. »Je mehr Erde ihr wollt, desto lieber ist es mir,« antwortete sie, »ich gönne sie am liebsten euch allen.« »Groß ist Dein Verlust,« entgegnete Gissur, »und man wird Dir nicht verargen, daß Du redest, wie Du es thust.« Er verbot auf dem Hofe etwas zu rauben oder zu zerstören und zog nach vollbrachter That mit seinen Mannen ab.
Als das Gerücht von Gunnar's Tod sich verbreitete, mißbilligte man die That in allen Gauen, und mancher Mann trug Leid darob. Diejenigen, denen es am meisten nahe ging, waren Nial und die Sigfussöhne. Diese fragten Nial, ob es thunlich sei, die Sache anhängig zu machen. Nial meinte nein, da Gunnar geächtet gewesen sei. »Lieber mögen wir sie in ihrer Ehre kränken, indem wir aus Rache einige von ihnen tödten,« sagte er. Sie warfen einen Hügel auf über Gunnar; die Hellebarde aber wollte Ranvejg nicht zu ihm ins Grab legen lassen; niemand dürfe sie anrühren, es sei denn, daß er Gunnar's Tod rächen wolle. Sie war auch so heftig gegen Halgjerde, daß sie dieselbe beinahe ermordet hätte, denn sie sei es gewesen, die Gunnar's Tod verschuldete, behauptete sie. Halgjerde floh mit ihrem Sohne Grane zu ihrem Schwager Thraen auf Grytaa; es wurde eine Erbtheilung abgehalten und Grane erhielt seinen Theil von den Ländereien, Högne aber blieb auf Hlidarende und behielt Ranvejg bei sich. Er war ein tüchtiger und braver Mann. Bald darauf kam Skarphedin Nialsohn nach Hlidarende, um Högne bei der Rache beizustehen. Einst wollten sie nachts zu diesem Zweck ausziehen und Högne nahm die Hellebarde mit sich. Laut erklang dieselbe, so daß Ranvejg erwachte. »Wer rührt an der Hellebarde?« rief sie voll Zorn; »habe ich doch allen verboten, sie anzurühren!« »Ich will sie meinem Vater bringen,« antwortete Högne, »damit er sie mitnehme nach Walhalla und sie trage auf dem Waffenting.« »Vorerst magst Du sie selbst tragen,« sprach sie, »und Deinen Vater rächen; sie kündete den Tod eines Mannes oder mehrerer.« Damit brachen Skarphedin und Högne auf. Zuerst ritten sie nach einem Hof, wo sie Gejr Gode's Sohn Hroald zu finden glaubten, denn er rühmte sich, Gunnar den Todesstreich gegeben zu haben. Sie trieben das Vieh in die Ställe und dadurch lockten sie Hroald und noch einen anderen Mann hervor. »Hier sind Männer,« rief Skarphedin und streckte den anderen nieder, während Högne den Hroald mit der Hellebarde durchstieß. Hierauf wandten sie sich nach Trehörning. Sie erstiegen das Dach des Hauses und rissen das Gras aus, das dort wuchs. Die, welche drinnen waren, glaubten, es sei das Vieh und kamen hervor. Skarphedin tödtete Starkad und Högne Thorgejr. Endlich suchten sie Mörd auf Hof heim und überfielen ihn plötzlich. Er bat um Frieden unter jeder Bedingung und Skarphedin zwang ihn, Högne über die Bedingungen entscheiden zu lassen, obwohl dieser sagte, er hätte nicht daran gedacht, sich mit dem Mörder seines Vaters zu vergleichen. Jetzt sollten diese neuen Blutthaten auch gebüßt werden, und es wurde ein Gauting abgehalten. Hier aber setzte Nial durch, daß der Ueberfall gegen Gunnar und seine Tödtung angesehen wurde, als wenn er nicht geächtet gewesen wäre. Mörd mußte die Bußen zahlen, und damit kam ein rechtsgültiger Vergleich zu Stande. Später verschaffte Nial Högne eine günstige Heirat, und es herrschte stets unverbrüchliche Freundschaft zwischen ihnen. Schließlich bleibt noch übrig zu erzählen, daß Kulskjäg zu König Svend Tjuguskjäg (dänisch Tveskjäg = Doppelbart) Svend Tjuguskjäg war der Sohn Harald Blauzahns. in Dänemark kam und dort Christ wurde. Hernach aber zog er nach Miklagaard (Konstantinopel) und das letzte, was man von ihm erfuhr, war, daß er sich dort verheiratet habe, daß er Anführer des Varägerheeres geworden und dort bis zu seinem Tode geblieben sei. Es ist eine interessante Thatsache, daß die griechischen Kaiser in Konstantinopel um diese Zeit von einer Leibwache umgeben waren, die ausschließlich aus Dänen, Isländern, Norwegern und Schweden bestand. Sie hießen Varäger (Väringer) und halfen, natürlich gegen hohen Sold, dem Kaiser in seinen Kriegen. Wegen ihrer gewaltigen Tapferkeit waren sie berühmt und gefürchtet.