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1
... da steht nun dies Gerüst – soviel als Planken
      
 eben ein Bette zählt – wackelig aufgeschlagen.
      
 Und um die Lippen, um die Augen, bis
      
 hoch in die Schläfen hat uns schon geschminkt
      
 die Lust. Und in den würgenden Kehlen sitzt's
      
 wie Stückchen Äpfel oder Nüsse ... 
      
2
Aber
      
 wo einem Hammerschmied der Bizeps hüpft,
      
 da fühl' ich meinen Arm nur wie sehr arg
      
 zerbleut. – Zerbleut vom eigenhändigen Fügen,
      
 meinst du, des Liebesrechtecks – klaffend wie ein Grab –?
      
 und mehr zerschunden vom Hinunterlassen
      
 noch der Roßhaarmatratze – recht wie einen Sarg –?
      
 – Nicht doch! nicht doch! Vielmehr weil alles Blut
      
 (so kalkulier' ich ung'fähr das Manöver)
      
 zu ander'n, tiefer'n Muskeln, sie zu füllen,
      
 ausrückte, sind die Arme mir so leer
      
 und schmerzen drob ...
3
Und da! mit einemmal
      
 – nicht etwa von Ziehleuten angelernt
      
 oder dem Tapezierer abgeguckt –
      
 stemm' ich die beiden Fäuste – prüfend,
      
 nein, nicht so sehr und sonst mich vergewissernd
      
 wie's Tapeziers und Ziehmanns Praktik sein mag –
      
 stemm' ich die beiden Fäuste wollüstig
      
 ... einfach wollüstig in dies brünstige Rot,
      
 das wie das Innere von meines Weibes Mund: warm
      
 ... warm, seiden ... seiden und dabei nicht feuchter
      
 als meiner Brille angelaufene Gläser – – – –
      
 Und dann? –
      
 Und dann ist's mir noch viel zu wenig, bloß
      
 mit den zween Fäusten in dem Schwellenden
      
 (dem Federnden und der besonderen Appretur!)
      
 hinauf bis zu den Knöcheln dazustehn:
      
 sondern ein Etwas von vor Jahrzehntausenden-
      
 mal-zehn, vor Hunderttausenden von Jahren
      
 macht mich mit Eins (hops! plumps! – wie sang das nur? –
      
 und ich erinner' mich: noch gestern fuhr 
      
 ein Staubtuch ähnlich über eine Klaviatur ...)
      
 macht mich mit Eins auf allen Vieren gehn –
      
 auf allen Vieren drauf spazieren gehn –
4
... dabei fortwähr'nd die Ohnmacht in den Armen
      
 – Denn alles Blut längst stürzt' so nach der Mitte
      
 von meinem Leibe und den Lenden zu,
      
 daß ich unterm Gilet hervor den warmen
      
 Luftstrom aus meinem Schoß
      
 bis in den Geißbart um mein Kinn verspür' ...
– – – – – – – – – – –
Dabei fortwähr'nd die Ohnmacht in den Armen!
5
Metapher: Unser Bett – 'ne Wanderbühne!
      
 Den »Hof« als Publikum. (Der »Hof«: Lakain ...)
      
 Repertoire: die eine Pantomime!
      
 (An Kerr: kann auch 'ne Kantomime sein ...)
      
 ...
      
 ...
      
 Danach schlürft' ich
      
 ins andere Gemach
      
 dieser unserer neuen
      
 Zweizimmerwohnung
      
 mit Warmwasserheizung
      
 und dito Versorgung
      
 hinüber.
      
 Da hing
      
 an der ungern verlassenen
      
 wunderschönen Tapete
      
 vom restlos ausgepfändeten
      
 (recte: das Abzahlungsgeschäft
      
 hatte die sämtlichen Möbel
      
 fluchend wieder zurückgenommen) 
      
 und hierauf exmittierten
      
 Trockenwohner-Ehepaar
      
 ein Zettel!
      
 Nur ein Zettel!
      
 Aber was stand darauf?
»Wir haben nichts mehr als nur unsern Ehe-Schein.
      
 D. h. wir dürfen – dürfen! – beieinander sein.
      
 Und dürfen traurig aufeinander ruhn.
      
 Und dürfens weinend miteinander tun.«
      
                         Da capo.