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Die Sünde

(Ein Tagebuch)

Dein dunkles Haus ist angefüllt mit Nacht
und Rausch und Rauch und Küssen fremder Lippen
– soviel! – und Tränen eines, der nun tot.

*

Dein Blick ist Glanz. Dein Blick ist Glanz, nicht Glut,
nicht wilde Glut – dein Blick ist kühler Glanz
wie Mond – ist ewiger Glanz – ist Gottheitglanz!

– Ich schlief
bei einem Weibe, deren Leib so sehr
dem deinen glich – und fand in ihrem Auge
nur wilde Glut – und wollte Glanz, nicht Glut –
ewigen Glanz!
Nicht Bettleraugen, deren Hungerglühen
vor Brot vergeht – die Augen eines Spielers,
die Augen eines Spielers, ihren Glanz,
den Gottheitglanz der Augen eines Spielers!
Dein Blick ist Glanz – verträumter Schwachheit
ewiger Hohn und Stachel – Glanz der Welt –

*

– – Und deine Hände – deine Lippen!
Hände und Lippen eines reifen Weibes,
die über einem Jünglingsleibe
noch einmal blühen. In dem vollen Haar
Duft von Vergangenem, von Fremd- und Fernem.
In dem noch vollen, oft geküßten Haar.
Dein Leib so oft zerwühlt, so wild zerwühlt –
uralte Erde, über die
ein junger Pflug hingehen soll!

*

Nun lastet dein geliebter Leib auf mir
wie über dieser Erde
Unendlichkeit von Sternenglanz und Götter.
Des Himmels Lichter sinken tief in mich –
Des Himmels Sterne tief in meine Augen –
in meinem Blick wohnt Gott.

*

Gemisch von Mann und Weib, Mädchen und Greisin
von unerklärtem, knabenhaftem Reiz,
Erzrätsel du! Ein Weib mit Elfenfüßen
und mit dem Nacken eines jungen Stiers!
Verrat an deiner Selbst! Du Gotteslüge –
urewige Wahrheit –

*

– Tag und Traum vergeht.
Du selber nur aus keinem Tag noch Traum –
enthüllst dich ganz. Von deinen reinsten Lippen
fließt das Verschwiegenste – – im Hurenlied.

Wir sind uns bis ins Tiefste offenbar bekannt –
und ähnlich und einander gleich!
Lust! Wir sind eins! Unser Geschlecht
ist eins geworden.

*

Du bist nicht du – du bist nicht mehr – die Zeit:
mein Gotthauch löscht dich wie ein Licht.
Ich bin die Sünde, die der Ewigkeit
Ewigkeitskränze um die Stirne flicht!
Ich bin die Sünde! – – – –


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