Joseph von Lauff
Die Brixiade
Joseph von Lauff

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Die neunte Flasche

                            Nun müßt ihr wie auf Blütenflocken
Und wie auf Plüschpantoffeln gehn,
Und habt ihr keine, tun's auch Socken,
Falls sacht zu wandeln sie verstehn.
Ihr müßt euch von der Weltlust trennen,
Wenn sie zu fesseln euch vermocht,
Und eure Seele, sie muß brennen
Gleichwie ein sanfter Kirchendocht.
Dem Menschlichen müßt ihr entsagen,
Dem Trunk, dem Selleriesalat;
An allen Sonn- und Feiertagen
Nicht frönen mehr dürft ihr dem Skat.
Seid ihr gewillt – nun gut, dann führe
Ich euch bei Weihrauch und Gesang
Durch eine fromme Klostertüre
Zu einem stillen Klostergang;
Von hier aus in den Klostergarten,
Wo süße Blumendüfte wehn
Und wo, wie schneeige Standarten,
Die bleichen Klosterlilien stehn.
Fern allem törichten Gewühle,
Fern allem Glanz und Flitterkram,
Des Daseins sündige Gefühle,
Sie werden blutarm hier und zahm.
Hier führt das Zepter nicht die Pulle,
Genehmigt wird nur ein Absinth,
Und warst du in der Welt ein Bulle,
So wirst du hier zum sanften Rind.
Du wirst zum frommen Seifensieder,
Selbst wenn du einst ein Sykophant,
Und singen wirst du solche Lieder,
Die das Kommersbuch nie gekannt.
Du wandelst hier gleichwie auf Auen,
Die nichts mehr Irdisches beschwert,
Und sehen wirst du gute Frauen,
Die sich der Demut zugekehrt.
Die Stirn umzirkt mit weißem Linnen,
Umlullt von weichen Melodien,
So siehst du die Kartäuserinnen
Hin durch die Klostergänge ziehn.
Sie schreiten, so wie unter Erlen
Ein Bächlein gleitet mit Getön;
Die Blicke sind verstreute Perlen,
Und sie dabei so schön, so schön!
So schön sind sie, wie einst Alkmene,
Wie Phryne und die Potiphar,
Wie einst die griechische Helene,
Wie Lais und Timandra war.
Und sie, die herrlichste von allen
Hier im geweihten Klosterbann,
Sie war dem Zauber auch verfallen,
Der sich um unsre Herzen spann.
Kraft der Gewalt, die ihm gegeben,
In Kraft der märchenhaften Nacht,
Er stellte sie ins volle Leben,
Wie Gott nicht besser es gemacht.
So stand sie da in tiefem Sinnen,
So stand sie unterm Rebendach:
Die Krone der Kartäuserinnen,
Die holde Frau von Eitelsbach.

Als dieses Bild in diesem Rahmen
Die ganze Tafelrunde sah
Und dann gehört noch Stand und Namen,
Sie sprach ein andachtsvolles »Ah!«
Ich wollte schon zur Laute greifen,
Erwecken Ton und Melodie,
Um so, ein Fahrender, zu schweifen
Ins trunkne Reich der Phantasie;
Ich wollte säuseln wie die Weide,
Mit Goethe sprechen, glutentbrennt:
Nur der allein weiß, was ich leide,
Der meine ganze Sehnsucht kennt.
Sie aber schlug die Augen nieder,
Was ich als »nicht gewährt« verstand,
Und über Skapulier und Mieder
Glitt sie mit ihrer bleichen Hand.
Und dann mit sanftem Atemholen,
Zu meinem nicht geringen Schreck,
Erging sie sich auf weichen Sohlen
Und wandte sich an Hubaleck.
Ach! sie, die mit geheimem Trauern,
Doch nicht von Leidenschaft umschäumt,
Ihr Leben hinter Klostermauern
In stetem Einerlei verträumt,
Jetzt durfte sie vom Dasein nippen,
Jetzt war sie draußen, sie war frei;
Drum sprach sie auch mit süßen Lippen
Zum Amtsgerichtsrat Num'ro zwei:
»Was frommen mir die andern Männer,
Die hier das Trinkeramt versehn!
Sie können höchstens sich als Kenner
Auf bürgerlichen Reiz verstehn.
Jedoch die seelischen Genüsse,
Zart wie von Redwitz ein Gedicht,
Die sogenannten Lilienküsse
Begreifen diese Männer nicht.
'ne Bauernmagd ist ihr Ergetzen,
Dazu kommt Rauch- und Schnupftabak;
Nur du allein weißt mich zu schätzen.
Denn du hast adligen Geschmack.«
Da schwamm sein Herz in eitel Wonne;
Er winkte »ja,« und nochmals »ja«
Und riß die überraschte Nonne
Ans Herz mit einem »heureka!«

»Ich bitte,« rief sie mit Erblassen,
»Nicht diese derbe Vehemenz!
Die mußt du jenen überlassen
Und deinem Freunde Peter Zenz.
Dein Minnen sei wie Zephirsäuseln,
Sei wie ein ätherleichtes Ding
Und wie das sanfte Flügelkräuseln
Von Schmetterling zu Schmetterling.
Wer adlig denkt, soll adlig werben;
Die Leidenschaft sei stets bewacht,
Sonst geht das junge Glück in Scherben,
Das ich so himmlisch mir gedacht.«

So wie ein allzufreier Sprudel
Sich plötzlich sieht im Schwung gehemmt,
Und wie ein naßgeword'ner Pudel
Sein Schwänzchen traurig einwärts klemmt,
Genau so und sich weißlich färbend
Erging's auch unsrem lieben Rat,
Dann aber, demutsvoll ersterbend,
Das Wort ihm auf die Zunge trat:

    »O allerschönste der Frauen,
    O wolle gnädig schauen
    Auf den beschämten Mann;
    Denn die Felder und die Wälder und die Muskelkraft
    Und die Nacht und der köstliche Rebensaft,
    Die waren schuld daran.

    O wolle nicht entgelten,
    Daß ich als Töffel und Velten
    Mich plötzlich so benahm;
    Denn die reinste wie die feinste in der Christenheit
    Und das Weib in dem duftigen Nonnenkleid
    Bleibt stets mir lobesam.

    Drum, allerschönste der Frauen,
    O wolle gnädig schauen
    Auf den beschämten Mann;
    Denn die Felder und die Wälder und die Muskelkraft
    Und die Nacht und der köstliche Rebensaft,
    Die waren schuld daran.«

Da nickte sie wie eine Blume,
Und er, von ihrer Hand gestreift,
Umgriff, wie man im Heiligtume
Das Allerheiligste umgreift,
Ja, so umgriff er ihre Wangen
In hehrer, göttergleicher Ruh
Und zog mit zärtlichem Verlangen
Ihr Mündchen seinen Lippen zu.
Und dann, des eignen Glücks Gestalter,
Der hinter sich die Erde läßt,
Sog er sich wie ein Blütenfalter
An ihrem Rosenmunde fest.

»So ist es gut, so bin ich stille,«
So sprach sie lächelnd vor sich hin;
»Jetzt rasten bei mir Wunsch und Wille,
Jetzt weiß ich, daß ich glücklich bin.
Nun weiß ich doch, warum ich blühte,
Warum die Sonne mich beschien
Und Gott in seiner Vatergüte
Mir solche Schönheit hat verliehn.
Nun bin ich kregel wie ein Schmerlchen,
Ja, selbst zum Sterben gern bereit;
In deinen Armen, liebes Kerlchen,
Wird mir der Tod zur Seligkeit.«

Wie Abälard und Heloise
Sich einst in trunkner Harmonie
Gefunden auf beblümter Wiese,
Ja, so entgeistert standen sie.
Sie wären selbst auf goldnen Stufen
Gestiegen in des Himmels Blau,
Wenn nicht das Amtsgericht gerufen:
»O jerum, meine arme Frau!«
Wenn nicht und von so ungefähre,
Mit einem Stimmchen glockenhell,
Vom Wirtshaustisch gesprungen wäre
Von Ürzigs Bergen – die Mamsell.
Nicht viele gab's so keck wie diese;
Sie rief denn auch den beiden zu:
»Verschwinde mit der Zimperliese,
Dann hat die arme Seele Ruh!«
Da, um den tiefen Schmerz zu enden,
Die hohe Frau in Ohnmacht sank;
Er aber trug auf lieben Händen
Sie auf die nächste Rosenbank.
Er löste hier am keuschen Mieder
Den etwas straffenden Verschluß
Und meinte dann: »Es geht schon wieder,«
Und gab ihr einen zarten Kuß.
Beim Anblick dieser Herrlichkeiten
Der Sänger ruht, der Sänger schweigt;
Doch wieder schwirrt es in den Saiten . . .
Habt acht! – Der zehnte Kantus steigt.


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