Joseph von Lauff
Die Brixiade
Joseph von Lauff

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Die siebente Flasche

              Bislang, wo mir die Wundergabe
Des Zauberers noch nicht verliehn,
Ließ ich behaglich und im Trabe
Mein Flügelroß des Weges ziehn.
Jetzt aber, wo die Geister riefen,
Wo mich umzirkt ein stolzer Bann,
Da sporn' ich meinen Hippogryphen
Und leg' die Schenkel fester an.
Den vollen Lorbeerkranz im Haare,
Ich fühle mich den größten gleich,
Und ohne Zügel und Kandare
Durchsprengen wir das Märchenreich.
Manch einer wird mich scheel begleiten,
Der gleichfalls Wort und Weise mißt,
Wie das seit Anno Tobaks Zeiten
So unter Dichtern Mode ist.
O jerum! wird dir mal ein Treffer,
Hast gute Arbeit du geschweißt,
Sofort naht dir ein kleiner Kläffer,
Der frech als Prellstein dich verschleißt.
Ja, ja, die Leutchen dieser Sorte,
Bald sind sie fern, bald sind sie nah;
Doch steigt dein Glanz – mit einem Worte,
Dann sind sie totensicher da.
Mir soll's egal sein! – Laßt sie rasen;
Du aber frisch ins Morgenrot!
Die Hunde bringen zwar dem Hasen,
Dem Adler aber nie den Tod.
Dem Adler gleich . . . O Gott! ich schwärme.
Warum auch nicht? – ich bin so frei;
Denn Seifenschaum und viel Gelärme
Gehört mal zur Poeterei.
Das weiß so mancher stolz erregte,
So manch ein kundiger Adept;
Denn, wenn ein faules Ei er legte,
Bewährte stets sich dies Rezept.
Drum viel Gelärm und viel Emphase!
Tut's doch so mancher brave Mann –
Und du stößt sicher mit der Nase
Zuletzt an einen Geldsack an.
Pfui, Teufel, willst du mich versuchen
Mit deinem süßlichen Gesicht!
Du kannst getrost die Worte buchen:
Nein, diese Sorte reizt mich nicht.
Ich schwinge meinen Pfropfenzieher . . .
Die Schenkel ein! – und dann im Nu
Mit hellem Pegasusgewieher
Geht's himmelwärts der Gottheit zu.

Das tut der Wein, der Fürst der Fürsten,
Mit seinem Fliederblütenhauch!
Er wirft mit goldnen Leberwürsten
Die goldnen Schinken aus dem Rauch.
Wo er gebeut, da wird entriegelt,
Was hinter Schloß und Angel schlief,
Und seinem Freudenruf entsiegelt
Sich ein mit Wachs petschierter Brief.
Er schwichtet, wo die Herzen glühen,
Der Hunde störendes Gebell;
Er läßt die Frauenzierden blühen
Wie Rosenzwillinge am Quell.
Sein Heldengeist, sein Feuerbrodem
Verwandelt Sinne, Herz und Hand;
Kurzum, er ist in einem Odem
Theurg, Prophet und Nekromant.
Und so auch hier . . .
                                  Kaum, daß vom Munde
Des Doktors Wort und Ton gelallt,
Kaum, daß die mitternächt'ge Stunde
Im lieben Moseltal verhallt –
Er fühlte sich als Herr und Meister
Und ließ, ein Gaukler, riesengroß,
Die noch im Glas gebannten Geister
Von ihren engen Fesseln los.
Es war kein Traum, kein eitel Wähnen,
Worin der Doktor sich gefiel!
Umtanzt von spielenden Phalänen
Begann das rätselhafte Spiel.
Die Flaschen mit den Balsamtröpfchen,
Sie inkarnierten sich als Weib;
Die Kapsel ward zum schmucken Köpfchen,
Das Glas zum minniglichen Leib.
Die einen, köstliche Violen,
Sie dufteten nach frischem Weck;
Die andern neigten schon verstohlen
Zum niedlichen Matronenspeck.
Dem Wink des Zauberers gewärtig,
Sie hüllten sich in Duft und Flor,
Und kaum war eine fix und fertig,
So trat sie auch schon lächelnd vor.
Die erste – ährenblond und flachsen,
Sie kam daher in schlichtem Zwilch;
Die junge Brust war ihr gewachsen
Wie eitel Blut und Buttermilch.
Direkt aus gläsernem Behälter,
Die prallen Waden nackt und bloß,
Sprang sie, ein Kind aus Valwigs Kelter,
Dem Amtsgerichtsrat auf den Schoß.
Damit nun keiner irrig lese,
Vielleicht vom Hauch des süßen Weins,
Sei noch bemerkt in Parenthese:
Dem Amtsgerichtsrat Num'ro eins.
Ich meine den, der kurz geschoren;
Da gibt es keine Indulgenz . . .!
Sie aber biß ihm in die Ohren:
»Du kennst mich doch noch, lieber Zenz?«
»Na, ob und wie?!« – so sprach der dicke,
Der Themis vielerprobter Mann
Und sah mit einem feuchten Blicke
Das dralle Moselmädel an.
»Du bist die Sehnsucht meiner Nächte,
Mein goldgefaßter Turmalin,
Und wenn die Arbeit mich mal schwächte,
Warst du mir Trost und Medizin.
Ich folgte sinnend deinen Spuren,
Ich war dir nah auf Schritt und Tritt,
Wie Salomo auf Sichems Fluren
Gefolgt der schönen Sulamith.
Wie er, der stolze Potentate,
Die braune Judenmaid geherzt,
Bei dir in trauter Kemenate,
Ich habe wonnig dich umscherzt.
O du mein Hühnchen, meine Taube,
Mein Herzgespiel seit Olimszeit,
Wenn einer an dich glaubt, ich glaube
Au deine holde Weiblichkeit!
Selbst dann, wenn ich vom Traum umzogen,
In meinem Bettchen, weich und warm,
Geschnarcht, daß sich die Balken bogen,
Selbst dann noch hielt ich dich im Arm.
Mir völlig gleich, ob das Gelichter
Profanen Daseins uns umgafft:
Als Mensch und als Vollstreckungsrichter,
Ich nehme hiermit dich in Haft.
Drum her zu mir! Die Zeit ist günstig;
Uns winkt der köstlichste Genuß!
Wir beide, du und ich, sind brünstig . . .
Komm, Mädel, gib mir einen Kuß!«
Er tät sie heben, tät sie lüften;
Die beiden Hände griffen nach,
Bis sie mit ihren prallen Hüften
Ihm recht bequem zu Willen lag.
Dann ließ den Mund er tiefer schweben,
Und unter freudigem Applaus
Trank er ihr Seele, Geist und Leben
Mit einem tiefen Seufzer aus.
Umhegt von weizenblonden Haaren,
Von weichen Armen fest umhalst,
Da ließ er einen Schnalzer fahren,
Wie er ihn niemals noch geschnalzt.
Hei, das war köstlich, das war bene!
Hei, wie's ihm von der Lippe glitt!
Und wir als Zeugen dieser Szene,
Wir schnalzten alle tapfer mit.
Als zögen selber wir auf Balze,
So waren wir darauf erpicht,
Und bei dem freudigen Geschnalze,
Wir hörten nicht und sahen nicht,
Wie seine perldurchstickten Schleier
Das Märchen immer schöner wob
Und sich in hochgemuter Feier
Die zweite Flasche schon erhob;
Wie sie, geschmückt zum hohen Feste,
Wie sie, vom Mondenlicht umspielt,
Im Kreise der erlauchten Gäste
Verständnisinnig Umschau hielt.
Ich sah sie kommen, sah sie gleiten,
In holder Scham den Kopf geneigt;
Und wieder schwirrt es in den Saiten . . .
Habt acht! – Der achte Kantus steigt.


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