Richard Kralik
Die Argonauten an der Donau
Richard Kralik

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfter Akt.

Gegend an der Donau wie im ersten Akt.

Nero kommt mit kriegerischem Gefolge. Die Drohung des kolchischen Königssohnes beunruhigt mich immer mehr. Ich fürchte, daß er Ernst macht, und in der Tat einen Streit mit Jason hervorrufen wird, um ihm trotz meines Urteilsspruches die Gattin und das goldene Vlies abzunehmen. Es ist meine Pflicht und mein Recht, als Markgraf derlei Gewalttat in meinem Bereich zu verhindern. Laßt uns eine günstige Stellung aufsuchen, von der aus wir die Abziehenden beobachten können!

Alle ab. Absyrtos kommt mit den Kolchiern.

Absyrtos. Ich habe den Markgrafen mit seinen Kriegern hier vorbeizieh'n geseh'n. Er will wahrscheinlich das verhindern, was ich im Sinne habe und was meine Ehre mir befiehlt. Ich habe euch, meine tapfern Kolchier, auf Waldespfaden hierher an den Ort geführt, wo Jason sich mit den Seinen und mit seinem Raub einschiffen wollen wird. Ihr werdet das mit mir zu verhindern wissen. Haltet eure Waffen bereit und versteckt euch hier in diese Büsche, um den argen Griechen aus dem Hinterhalt zu überfallen, ihn zu töten, uns des Vlieses und der Prinzessin zu bemächtigen. Unsere Schiffsleute sind bereits angewiesen, die Segel und Ruder bereit zu halten, so daß wir in der zweifellos entstehenden Verwirrung uns sofort einschiffen und alsobald als Sieger nach Kolchis zurückkehren können.

Ein Kolchier. Als Sieger? Aber mein Prinz Absyrtos, wenn dein Anschlag mißglückt? Ist es nicht frefelhaft, also den Landesfrieden in diesen fremden Gebieten zu brechen? Die Griechen werden sich nicht so leicht überraschen und überwinden lassen. Du hast sie selber durch deine Drohung gewarnt.

Absyrtos. Schweig und gehorche! Ich weiß, was ich getan habe und was ich tun will. Aber still, ich glaube, da kommen schon unsere Feinde. Ha, kaum ertrag ich's, sie zu sehen. Zurück da! Verbergt euch und wartet in Ruhe auf mein Vorgehen und auf meinen Befehl zum Angriff!

Sie verstecken sich; die Argonauten kommen: Jason, Medea, Orpheus und Krieger.

Jason. Ha, es war nur eitle Prahlerei von Absyrtos. Siehe, meine Medea, er wagt es nicht, uns in den Weg zu treten. Und wenn auch, so bin ich auf der Hut und werde seine Frechheit abzuwehren wissen.

Medea. Ach, mein Herz ist voll Unruhe. Ich ahne Schlimmstes. Mein Bruder Absyrtos wird nicht ermangeln, das auszuführen, was er gedroht hat. Ich kenne ihn. Du irrst dich, wenn du meinst, weil er gedroht, werde er nicht so unvernünftig sein, es auch wirklich zu tun. Du kennst nicht den barbarischen Geist der Kolchier, den ich selbst nur mit Überwindung meiner selbst abgelegt habe, ach, vielleicht noch nicht ganz abgelegt habe; denn ich fühl' es, auch ich wäre zu äußersten Taten bereit, wenn, wenn ich etwa an dir, o Jason, irre werden müßte, wen du, ach, wenn du mich von dir stoßen könntest, wenn du, hörst du, wenn du dich einem anderen, lieblicher scheinenden Wesen zuwenden würdest, wenn –

Jason. Aber Medea, wie erschreckst du mich! In welche grauenvolle Tiefen läßt du mich schauen! Aber nein! Dich reißt nur das Ungeklärte unserer jetzigen Lage fort zu solchen Einbildungen. Laßt uns zu Schiffe eilen! Schon wartet alles dort auf uns. Das gute Schiff Argo ist bereit zur Abfahrt! Du bist mein! Mein ist der Siegespreis dieser abenteuerlichen Fahrt, das goldene Vlies! Laß uns schnell meine Heimat, das schöne Griechenland erreichen, wo alle schreckenden Gespenster durch unsere Liebe und durch den uns umleuchtenden Ruhm hinweggebannt sein werden!

Absyrtos stürzt mit den Kolchiern hervor. Halt ein, Räuber und Verführer meiner Schwester! Räuber unseres Königsschatzes, des goldenen Vlieses! Laß beides fahren und kehre, mit Schmach bedeckt, als beschimpfter Abenteurer in deine Heimat zurück, die dich ausgespien hat, dir selber zum Verderben! Sie wollte deinen Tod, deinen Untergang; so hab' ihn denn, wenn du nicht auf deinen Doppelraub verzichten willst!

Jason. Wie, Absyrtos? Du wagst es, die Heiligkeit dieses gastlichen Landes zu verletzen? Hältst du etwa mich und die Meinen für wehrlos und unfähig, einem so frevelhaften Angriff zu widerstehen? Gib uns die Bahn frei! Wag es nicht, mich, Medea oder das golden Vlies zu berühren; sonst erfahre, wie wir Griechen in gerechter Verteidigung unserer Ehre und unseres Rechtes euch Barbaren widerstehen können!

Absyrtos. Ha, mit Worten glaubst du, feiger Grieche, mir widersteh'n zu können? Vorwärts, meine tapferen Kolchier! Zeigt dem Griechen, was wir Barbaren leisten können, wenn wir jenen Dieben in offenem Kampf gegenüberstehen!

Jason. Du willst es, Absyrtos! Du rufst dein eigenes Verderben herauf! So renne denn in mein Schwert und stirb durch eigenen Frevel und Torheit!

Absyrtos. Weh, ich bin verwundet! Ich bin zu Tode getroffen! Mein Fluch treffe dich, Jason, Räuber, und dich, Medea, entartete Schwester! Rächt mich, o meine Kolchier! Ich sterbe. Stirbt.

Jason. Versucht nicht weiter zu kämpfen, verführte Kolchier! Euer ungerechter Anführer büßte seinen tollen Frevel durch seinen Tod. Laßt in Frieden vom Kampf, der zu nichts mehr führen kann!

Kolchier. Das sehen wir ein, edler Jason. Nur ungern folgten wir dem Königssohn zum Kampf. Nun, da er tot ist, bleib uns kaum anderes übrig, als seine Leiche dem trauernden Vater zurückzubringen.

Nero, Limma, Kaspar und andere Österreicher kommen.

Nero. Was muß ich hören? Absyrtos hat es doch gewagt, meiner markgräflichen Gewalt zu spotten und den Frieden des Landes so frevelhaft zu brechen? Kam ich zu spät? Wo ist er, daß ich ihn nach Recht bestrafe?

Jason. Seine eigene Tat hat ihn bereits gerichtet! Er wollte mich töten und rannte sinnlos in mein Schwert. Hier liegt er tot inmitten der Seinen, die jeden weiteren Kampf aufgegeben haben.

Nero. So straft sich jede Übeltat und jeder Rechtsbruch von selbst. Sieh' es, o Welt! Seht es, o Götter, die ihr auf unser Osterland mit Huld herniederschaut!

Die Göttin Ostara erscheint in den Wolken.

Ostara. Ja, wir schauen auf euch nieder!
Hör es, alles Osterland!
Seht, ich komme heute wieder,
Ostara mit Heil genannt,
Ostara, die traute Freundin
Der Athene Griechenlands.
In des Himmels Namen bringe
Ich den Völkern neuen Glanz.
Bringe ihnen neue Mahnung,
Daß nur wahres Recht besteht
Und daß aller arge Frevel
Durch sich selber untergeht.
Merkt es euch, ihr Österreicher,
Merkt es, wenn in später Zeit
Wieder wird von bösen Feinden
Euer heilig Recht entweiht!
Denn durch alle Götter, hört es,
Ist an allen Ehren reich
Ausgezeichnet eure Heimat,
Euer holdes Österreich!
Darum hört, was heut im Namen
Aller Himmlischen mein Wort
Euch verkündet, und behaltet
Es im Sinne immerfort!
Jason, kehre mit Medea
Nun nach Griechenland dahin,
Aber hüte dich, einst treulos
Dir zu schaffen Ungewinn!
Und so wills das strenge Schicksal:
Laß das heil'ge Gold'ne Vlies
Hier im Land; den spätsten Herrschern
Sei zum höchsten Zeichen dies
Ihres Ruhms! Sie sollen stiften
Einst des Goldnen Vlieses Bund,
Der als höchste Ehre gelte
Auf dem ganzen Erdenrund.
Eine Vorbedeutung sei es
Jenes Gotteslammes traut,
Das dereinst als Heil der Welten
Göttlich waltend wird geschaut.
Wahre dies, du edler Markgraf!
Deine Enkel werden noch
Eines heilgen deutschen Reiches
Fürsten sein, in Frieden doch
Alles Erdreich zu beherrschen.
Drum, o Kolchier, bleibet hier,
Lasset euer Angedenken
Stets lebendig sein, daß ihr
Östreich seiner Sendung mahnet,
Bis ans ferne Schwarze Meer,
Still dem Lauf der Donau folgend,
Zu verbreiten Ruhm und Ehr'!
Also sei der Argonauten
Zug auch allen nur zum Heil,
Die da meinen Worten folgen.
Lebet wohl! Ich flieg in Eil'
Wieder zu des Himmels Höhen,
Wo bei Gott ich ewig weil'.

Sie verschwindet.

Nero. Dank dir, o Himmlische! Österreich wird nie der Göttin des Ostens, des Lichtes, des Frühlings, der Osterfreude vergessen. So lebt also wohl, ihr Argonautenhelden! Kommt glücklich nach Hause, mit Ruhm gekrönt!

Limma. Dir, Medea, wünsche ich vor allem Glück! Möge deine Ehe dir und deinem Gemahl zum Heil ausgehen!

Kolchier. Wenn du uns Kolchier hier also in der Ostmark aufnehmen willst, so wollen wir, den Worten der Göttin gehorsam, als deine Untertanen dableiben.

Nero. Ihr seid uns als Ansiedler willkommen.

Jason. So will ich denn dir, o Markgraf, dem Gebote der Göttin Ostara gemäß, das goldene Vlies hier übergeben. Mir genügt der Ruhm der Tat. Lebt wohl, und so stimme denn, mein Sänger Orpheus, das Abschiedslied an, in das wir Argonauten alle einstimmen werden!

Orpheus singt.

Wohlan, laßt uns die Fahrt vollbringen!
Unser Sieg, schwer erkämpft, schalle laut durch die Welt,
Daß sich der Ruhm, den wir erringen,
Noch in spätester Zeit bei den Enkeln erhält!

Kaspar. Sie laufen schon im Sturmschritt zur Donau hinunter! Sie springen ins Schiff, sie ergreifen die Ruder, sie spannen das Segel auf, sie winken uns zu. Und heidi, schon zerteilt der schäumende Schnabel der Argo die weißen Wellen der blauen Donau.

Auf d'Reis viel Glück!
Wir bleiben zurück
Im Österreicher-Land,
Als das beste bekannt.
Is uns auch keine Schand!

 << zurück