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Die Blumen. Ein Spiel in Versen.

Dieser erste dramatische Versuch Körner's während seines Aufenthalts in Wien entstand aus Anlaß einer bestimmten Gelegenheit auf den Wunsch des Dr. F. W. Grossing, dem der Dichter auch die Handschrift schenkte.

1811.

Personen: Rosa, Lilla. Scene: Eine ländliche Stube. Tische auf beiden Seiten; auf dem einen ein Rosenstock, auf dem andern eine Lilie. Eine Guitarre lehnt an einem Stuhle.

Rosa und Lilla (jene mit dem Rosenstock, diese mit der Lilie beschäftigt).

Rosa. Sieh nur, Lilla, wie mein Röschen
Freundlich aus den Blättern lacht! –
Sieh die Menge schöner Knospen! –
Welche reiche Frühlingspracht! –

Lilla. Schwesterchen, komm doch herüber!
Schau' doch meine Lilie an!
Sieh den vollen Kelch der Blüthe,
Wunderherrlich angethan!

Rosa. Stolzer mag die Lilie prangen,
Doch wie diese blüht sie nicht: –
Schimmern nicht des Röschens Wangen
Wie des Morgens Zauberlicht? –

Lilla. Bunt ist Deiner Rose Glühen,
Schneeweiß ist der Lilie Kleid. –
Rosenliebe soll verblühen,
Lilienunschuld trotzt der Zeit. –

Rosa. Auch mein Röschen soll nicht welken,
Immerblüthe nennt man sie. –
Immerblüthe kann nicht welken,
Ewig blüht sie oder nie. –

Lilla. Weißt Du noch, wie uns der Alte
An dem krummen Pilgerstab
Dort im stillen Buchenwalde
Lilie und Rose gab?

Rosa. Ach, das bleibt mir immer theuer! –
's war ein lieber, lieber Greis,
Augen noch voll Jugendfeuer,
Bart und Locken silberweiß. –

Lilla. Segnend legte er die Hände
Erst auf Dein Haupt, dann auf meins;
Gab uns dann, eh er sich trennte,
Diese Stöckchen, Jeder eins.

Rosa. Sprach zu mir: »Du junge Rose,
Knospe, wie das Röschen hier,
Nie sei Du die Blüthenlose! –
Immerblüthe schenk ich Dir. –
In des Frühlings mildem Wehen,
In des Sommers lichtem Schein,
Magst Du reich an Blüthen stehen,
Mit den Rosen Schwester sein.
Aber wenn des Jahres Walten
Diesen ihre Pracht geraubt,
Magst Du Deinen Schmuck behalten,
Blüthenvoll und reich belaubt! –
Dann darf in des Winters Tagen
Deiner Zweige voller Kranz
Noch die schönen Blüthen tragen
Aus des Frühlings Jugendglanz.« –

Lilla. Zu mir sprach er: »Diesen Stengel,
Liebe Lilla, schenk ich Dir. –
Fleckenlos, wie Gottes Engel,
Trägt er seine Glocke hier. –
Fleckenlos, wie er, bewahre
Dir das Herz in Deiner Brust!
Von der Wiege bis zur Bahre
Sei Dir dieses Schmucks bewußt! –
Steigt aus tiefer Erde Falten
Nacht empor und träge Ruh,
Schließt vor ihrem dunkeln Walten
Heilig still der Kelch sich zu. –
So im lauten Weltgetümmel
Schließ' die Augen wie das Herz,
Wende Dich, wie er, zum Himmel,
Wandle rein durch Lust und Schmerz!« –

Rosa. Und nun sieh! in voller Blüthe
Steht mein liebes Röschen da; –
Ach, wie gern ich mich bemühte,
Da ich nie ein schönres sah!

Lilla. In des Königs großem Garten
Steht solch eine Lilie nicht.
Darum freut's mich, sie zu warten,
's ist mir eine liebe Pflicht.

(Sie begießen die Blumen.)

Rosa. Freust Du Dich nicht auch auf heute,
Nicht auf Spiel, Gesang und Tanz,
Liebe Lilla, wenn wir Beide
Fliegen in der Tänzer Kranz?

Lilla. O, wie sollt' ich mich nicht freuen? –
Mädchen bin ich so wie Du; –
Schlingen sich die bunten Reihen,
So gehör' ich gern dazu. –
Doch vergiß nur nicht das Beste,
Weil des Tanzes Lust erscheint. –
Weißt Du denn, was zu dem Feste
Heut das ganze Dorf vereint? –

Rosa. Mädchen! Willst Du mich betrüben? –
Ob ich's je vergessen mag! –
(Auf ihr und ihrer Schwester Herz zeigend.)
Hier und hier steht es geschrieben:
Heute ist ein Segenstag,
Und die freundlichste der Horen
Kommt mit frischem Lebensmuth; –
Die der theure uns geboren,
O, sie ist so lieb, so gut!

Lilla. Sag', was wählst Du zu dem Feste
Für ein Kleid? Wie schmückst Du Dich? –
Denn es freuen edle Gäste
Mit der Kinder Freude sich.

Rosa. Eben wollt' ich Dich befragen, –
Wie wird man Dich, Schwester, sehn? –
Weiß möcht' ich am Liebsten tragen,
Weiß steht immer gar zu schön. –
Und vorzüglich bei dem Tanze
Bleibt es doch die höchste Zier. –
Lilienweiß im reichen Kranze
Flecht' ich durch die Locken mir. –
Lilla, meinst Du nicht?

Lilla. Natürlich!
Dir gebührt deshalb der Preis!
Und gewiß, er steht recht zierlich,
So ein Kranz von Lilienweiß. –
Ich hingegen, Schwester, wähle
Mir ein röthliches Gewand,
Und das dunkle Haar vermähle
Sich mit einem Rosenband. –
Sag', was denkst Du? –

Rosa. Sehr zu loben! –
Sicher steht es allerliebst. –
Mag ich Deine Gunst erproben,
Ob Du mir die Lilie giebst? –
Sieh, ich bitte! –

Lilla. Und so eben
Kommt die Bitte Dir zurück:
Willst Du mir das Röschen geben,
Dankt Dir Deiner Schwester Blick.

Rosa. Liebe Lilla! Ach, verzeihe!
Diese Rose fordre nicht!
Hätt' ich sonst, was Dich erfreue,
Wäre mir Gewährung Pflicht.

Lilla. Sieh, ich will Dir Alles schenken,
Steht Dir sonst noch etwas an;
Aber Du mußt selbst bedenken,
Daß ich die nicht lassen kann. –

Rosa. Lilie soll mich so nicht schmücken? –

Lilla. Sag', was sonst mir übrig blieb'! –
Röschen darf ich so nicht pflücken? –

Rosa. Nein, ich hab' sie gar zu lieb! –
Lieber ohne Schmuck zum Feste,
Lieber weder Tanz noch Lied,
Als daß meiner Blumen beste
So ihr Leben welk verblüht.

Lilla. Schwester, Du hast Recht! – Mit Freuden
Will ich ohne Rosen gehn.
Lieber möcht' ich Hunger leiden,
Als die Lilie welken sehn. –

Rosa. Blühe, Röschen, ohne Sorgen,
Blühe Deinen Frühling hier!
Du bleibst mein, Du bleibst geborgen,
Und es trennt mich nichts von Dir.

Lilla. Nein, Dich darf ich nicht verschenken,
Lilie, ich behalte Dich!
Immer müßt' ich an Dich denken,
Und dann weint' ich bitterlich.

Rosa. Kostet's mich auch eine Thräne,
Ach, bald ist sie weggelacht! –
'S waren freilich hübsche Pläne,
Alle herrlich ansgedacht.

Lilla. Wird sich doch was Andres finden,
Wenn's an Rosen auch gebricht. –
Muß man sich denn Kränze winden? –

Rosa. Müssen? – Nein, man muß es nicht! –
Aber wenn man in die Locken
Sich ein hübsches Kränzchen drückt,
Lilienweiß wie Schneees Flocken,
Ei, so ist man schön geschmückt! –
Und wir schmücken uns doch gerne –
Mädchen müssen eitel sein: –
Schmücken sich doch selbst die Sterne
Nachts mit hellem Strahlenschein.

Lilla. Nun, Du wirst es schon verschmerzen,
Und wir kommen doch zum Tanz –
Lieber mit zufriednem Herzen
Als mit einem Thränenkranz.

Rosa. Recht so, Schwester! – Untersuche
Aber jetzt, wie's draußen steht;
Ob man festlich bald im Zuge
Zu der hohen Linde geht.

Lilla. Wol, ich eile! – Unterdessen
Rathe Dir mit Mädchenlist; –
Ros' und Lilie wird vergessen,
Wenn man nett und einfach ist. (Ab.)

Rosa. Freilich hätt' ich gern ein Kränzchen;
Doch, was hilft's, 's ist nicht geglückt! –
Und zu einem frohen Tänzchen
Komm' ich leichter ungeschmückt;
Brauche nicht daheim zu bleiben, –
Und das fröhliche Gewühl
Soll den Unmuth bald vertreiben;
Sang und Tanz half immer viel.

Lilla (kommt schnell herein). Schwester Rosa, komm geschwinde!
Lass' uns nicht die Letzten sein!
Zu der alten dunkeln Linde
Ziehen schon die bunten Reihn. –
Ueberall, in allen Blicken,
In der Menge ganzem Schwarm
Lächelt freudiges Entzücken;
Aller Herzen schlagen warm!

Rosa. Nun, so komm! –

Lilla. Erst lass' mich fragen,
Sag', wie feiern wir den Tag? –
Kleine Gaben sah ich tragen,
Wie's die Liebe geben mag.
Jeder hatte ihr im Kreise
Etwas Liebes ausgesucht:
Bänder, Kränze, Lieder, Sträuße,
Eine Blume, eine Frucht. –
Wenn sie Alle Gaben spenden,
Ist auch uns die Gunst verliehn; –
Sollen wir mit leeren Händen
Vor dem lieben Altar knien? –

Rosa. Aber, Lilla, was für Gaben,
Was für Opfer wählen wir? –
Was wir wissen, was wir haben,
Ist ja schon Geschenk von ihr!

Lilla. Freilich! – Doch wozu Bedenken?
Liebe fordert ja nicht viel;
Und Geliebte zu beschenken,
Schafft ein seliges Gefühl. –
Weiß ich doch, mit güt'gen Augen
Wird das Opfer angeblickt;
Selbst die kleinsten Blümchen taugen,
Wenn sie nur die Liebe pflückt.

Rosa. Wol, so lass' uns Blumen pflücken! –
Bald gewunden ist der Kranz,
Um die Freundliche zu schmücken. –
Zeit ist noch zu Spiel und Tanz.

Lilla. Möchten wir denn lange warten,
Schwesterchen, dann ist's zu spät! –
In des Dorfes ganzem Garten
Nicht das kleinste Blümchen steht. –
Denke Dir, mit Rosenblättern
Alle Stufen reich beschenkt;
Auch sind überall den Göttern
Freudenkränze aufgehängt.
An den Miedern bunter Schönen
Blüht der frisch gepflückte Strauß,
Und es weht, das Fest zu krönen,
Blumenduft durchs ganze Haus! –

Rosa. Sprich, was soll man da beginnen? –

Lilla. Ja, ich überleg' es noch. –

Rosa. Schwester, kannst Du nichts ersinnen? –

Lilla. Liebste Rosa, rathe doch! –

Rosa. Weder Veilchen, weder Nelken? –

Lilla. Nur umsonst war' das Bemühn!

(Beide stehen im Nachdenken; dann fliegen sie auf einmal auf ihre Blumenstöcke zu und brechen die Blüthen ab.)

Rosa. Schöner kann kein Röschen welken! –

Lilla. Lilie schöner nicht verblühn! –

(Der Vorhang fällt.)


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