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Der Erobrungskrieg

(1793)

        Wie sich der Liebende freut, wenn nun die Geliebte, der hohen
    Todeswog' entflohn, wieder das Ufer betritt;
Oft schon hatt' er hinunter geschaut an dem Marmor des Strandes,
    Immer neuen Gram, Scheiter und Leichen gesehn;
Endlich sinket sie ihm aus einem Nachen, der antreibt,
    An das schlagende Herz, siehet den lebenden! lebt!
Oder wie die Mutter, die harrend und stumm an dem Thor lag
    Einer durchpesteten Stadt, welche den einzigen Sohn
Mit zahllosen Sterbenden ihr, und Begrabenen einschloß,
    Und in der noch stets klagte das Todtengeläut,
Wie sie sich freuet, wenn nun der rufende Jüngling herausstürzt,
    Und die Botschaft selbst, daß er entronnen sey, bringt.
Wie der trübe, bange, der tieferschütterte Zweifler,
    (Lastende Jahre lang trof ihm die Wunde schon fort)
Bey noch Einmal ergrifner, itzt festgehaltener Wagschal,
    Sehend das Übergewicht, sich der Unsterblichkeit freut!
Also freut' ich mich, daß ein großes, mächtiges Volk sich
    Nie Eroberungskrieg wieder zu kriegen entschloß;
Und daß dieser Donner, durch sein Verstummen, den Donnern
    Anderer Völker, dereinst auch zu verstummen, gebot.
Jetzo lag an der Kette das Ungeheuer, der Greuel
    Greuel! itzt war der Mensch über sich selber erhöht!
Aber, weh uns! sie selbst, die das Unthier zähmten, vernichten
    Ihr hochheilig Gesetz, schlagen Erobererschlacht.
Hast du Verwünschung, allein wie du nie vernahmst, so verwünsche!
    Diesem Gesetz glich keins! aber es sey auch kein Fluch
Gleich dem schrecklichen, der die Hochverräther der Menschheit,
    Welche das hehre Gesetz übertraten, verflucht.
Sprechet den Fluch mit aus, ihr blutigen Thränen, die jetzo
    Weint, wer voraussieht; einst, wen das Gesehene trift.
Mir lebt nun die Geliebte nicht mehr: der einzige Sohn nicht!
    Und der Zweifler glaubt mir die Unsterblichkeit nicht!

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