Friedrich Maximilian Klinger
Sturm und Drang
Friedrich Maximilian Klinger

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Fünfter Akt.

Erste Scene.

(Berkleys Zimmer.)

Caroline und Betty.

Caroline. Betty, liebe Betty! ists denn noch nicht vorbey?

Betty. Nein liebe Miß! alle Glieder zittern mir. Man hört immer noch schießen. Aber so stark nicht mehr. Sie meynen, wir siegten. O, Gott! es kommen so viele Verwundete! gar schöne Leute, Miß! da war eben einer mit einem halben Kopf. Das Herz möchte einem brechen.

Caroline. Sieh, Betty! Ich habe Muth! fühlst du nicht, daß ich Muth habe?

Betty. Meine Miß! Sie zittern ja, wie ich. Der liebe alte Lord! und der Kapitain! und der fremde Lord!

Caroline. Betty! –

Betty. Ja, wenn einer todtgeschossen würde, ich raufte mir die Haare aus.

Caroline. Betty!

Betty. O, Sie werden ja ohnmächtig!

Caroline. Laß mich nur allein. Ach jeder Schuß, den ich hörte, traf einen von ihnen, traf mich. Laß mich nur, liebe Betty!

Betty. Ich will nur sehen, obs noch nicht vorbey ist. (geht ab.)

Caroline. (allein.) O diese Nacht! diese Nacht! und dieser Morgen! Wie haben nur meine zarten Fibern gehalten! ich begreifs nicht. Wo kam diese Stärke her? War auf dem Punkt mit ihm zu fliehen, ihn Rache nehmen lassen und dann mit ihm fliehen! Wie kam dieser Gedanke in meine Seele? und daß er sie so ganz erfüllte? Ach, wie er so vor mir stund in peinigendem, grimmigem Schmerz, sein Leiden, seine Sinnen trüb, und denn wild machte – Ihn in aller dieser Qual von mir zu lassen! und jezt vielleicht zerbrochen seine Stärke, erkaltet sein Herz. – Karl!

Zweyte Scene.

Mohr. (tritt weinend auf.) Ich kann keinen finden von ihnen. Ach mein Lord, mich allein gelassen! Und kann auch den guten andern Lord nicht finden, dem ich so viel zu erzählen habe. Ich armer Knabe! ich!

Caroline. Guter Junge! guten Morgen!

Mohr. Ja, liebe Miß! wie ich aufwachte, war mir recht lustig, da hatt' ich eben die ganze Nacht meinen Vater, den Zukai und meine Mutter besucht. Du kennst ihn nicht. Ey du solltest ihn kennen, und wie ihn die Nachbarn lieb haben, und die Feinde fürchten. Sie wollten mich nicht fort lassen, und gaben mir zu essen allerley. Jezt bin ich traurig.

Caroline. Armer Knabe!

Mohr. Gute Miß! wo sind wir dann? Was knallt denn so immer fort? Weißest du denn nicht, wo der Lord ist, mit dem mein Lord und der alte so böß ist? Er war so traurig wie du, und ich wollte ihn lustig machen.

Caroline. Du? Wen?

Mohr. Ja ich. Wie er heißt, weiß ich nicht. Aber wegen seinem Vater. Dir darf ichs nicht sagen, gute Miß! ob du mich schon nicht verrathen würdest, weil du gut bist. Ich hab sie angetroffen. Heysa! drückte mich der Alte! Sieh einmal Miß, er küßte mich, und meine Wangen waren naß, da ward meine Brust dick drüber, daß ich nicht Athem genug hatte. Er ist gar gut, der Alte.

Caroline. Wer denn, lieber Knabe?

Mohr. Still Miß! still! du könntest mirs eben ablauschen, und ich plauderte alles. Dein Vater ist ihm nicht gut, und des Kneipens, Schlagens, Tretens wäre kein Ende für mich. Horch! es kommt jemand. Das ist gut. Ich will den Lord suchen.

Caroline. Komm mit mir!

Mohr. Ich will dir weinen helfen, gute Miß! ach ich habe oft zu weinen! wir Schwarzen lernen weinen gar früh von Euch, aber ihr lacht dann! (geht ab.)

Caroline. Du sollst nicht weinen, Knabe, bey mir.

Dritte Scene.

La Feu, Lady Kathrin. (Beyde auf phantastische Art mit Blumen geschmückt treten auf.)

La Feu. O goldne Zeit! O Herrlichkeit! Ach der ewige, der ewige Frühlingsmorgen in meinem kranken Herzen! Sehn Sie nun, meine Liebe! mein ganzes künftiges Leben, möcht ich so eben, fern von allen Menschen, in einen poetischen, arcadischen Traum verwandeln. Wir säßen an einer kühlen Quelle; unter den Schatten der Bäume, Hand an Hand, besängen die Wunder des Herzens und der Liebe. Und, Mylady! das wär das einzige Mittel, all meine vergangne tragische Situationen zu vergessen. Wir wollten nicht über die Menschen klagen, nicht bitter von ihnen reden, wie Blasius, ewiger Friede in uns, mit uns, und allen, dauernde Freude sollte um uns herrschen. Was mir die Menschen gethan haben, vergeb ich Ihnen so herzlich, als ich Sie liebe. Sehn Sie, Lady, mir hatte der Himmel Empfindungen gegeben, mit denen ich unmöglich bey den Menschen fort kommen konnte. Freylich haben sie mich abgeschliffen, aber Mylady, diesem Herzen blieb noch ein Winkel unverdorben. Und da trats nun hervor, und der Himmel vergebs dem, der mich störe, und das verkehrt nennet!

Lady Kathrin. Ich versteh noch nicht genug. -

La Feu. Ach so will ich meine ganze Empfindung in Ihre Seele legen! Meine Diana! einen süßen, sanften Traum wollen wir träumen, immer so süß wie der erste Kuß der Liebe. Nur phantastisch! Blumenreich!

Lady Kathrin. Sie entzücken mich!

La Feu. Ich bin willens ein Schäfer zu werden. Das war mein Gedanke von lange her. Nur fehlte mirs an einer Schäferin, die hab ich in Ihnen gefunden, liebliche Seele!

Lady Kathrin. O Mylord! und Schäfchen, einen Schäferhut, Schäferstab, Schäferkleid weiß mit roth! Ich hab noch solche eine Maske aus London mitgebracht. Ich sterbe für Freude bey denen süßen Gedanken.

La Feu. Ich kleide mich in einen unschuldigen Schäfer. Wir kaufen uns eine Heerde. Wild schenkt uns einen von seinen Hunden. Und so wollen wir das Leben wegphantasiren. Ewig in Friede, ewig in Liebe leben! o der Seeligkeit!

arcadisch.- nach der Hirten- und Schäferlandschaft Arkadien (Peloponnes) gebildete Bezeichnung für einen natürlichen, freien und

Lady Kathrin. Mylord! Mylord! Und auch Schäfchen?

La Feu. Ja, Mylady! und auch eine Hütte. Ich Ihr Schäfer!

Lady Kathrin. Und auch – ha Mylord – heurathen? -

La Feu. Behüte! ganz geistig, ganz phantastisch. Das ist der Reiz davon. Nur stößt sichs an etwas. Was vor Namen wollen wir denn annehmen in unsern unschuldigen Stand?

Lady Kathrin. Recht zärtliche, Mylord!

La Feu. Ja freylich recht zärtliche, Damon ich, und Sie Phillis.

Lady Kathrin. Ja Mylord! diese Namen haben mir immer in den Poesien wohlgefallen. Ich Phillis! Laßen Sie uns doch geschwinde Anstalt machen.

Vierte Scene

Blasius und Louise. Vorige.

Louise. O Tante! Ich habe Kopfweh. Mir ist nicht wohl, und Blasius ist wieder so stumm wie ein Fisch, und wenn er ein Wort spricht quält er einen. Er spricht gar von Heurathen.

Lady Kathrin. Pfuy!

Blasius. Ich sag ia nur, wir hätten die besten Eigenschaften darzu. Weil wenn wir beysammen sind, ich Langeweile habe und Miß Langeweile hat. Diese zu haben und zu ertragen, gehört ja zum Ehestand. Unsre Virtuosität besteht darin, also -

Louise. Was sprechen Sie wieder? Ueberhaupt muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihrer völlig müde bin. Sie haben mich durch Ihr fatales Betragen ganz aus meinem Wesen gebracht, ich bin mir selbst ärgerlich worden. Sonst war ich lauter Freude, lauter Heiterkeit, ein Tag wie der andre, aber Sie verderben alles, gehn Sie nur!

Blasius. Miß! Warlich Ihr Gesicht ist mir oft ein guter Sonnenschein! lassen Sie michs manchmal anblicken, nur reden Sie nicht.

Louise. So! wenn ich eben wollte, und dann einzuschlafen für lauter gutem Sonnenschein.

Blasius. Verstehn Sie doch nur!

Louise. Schämen Sie sich!

Blasius. Hm! hm! ich bin herabgespannt wieder heute, das Gott erbarm!

Louise. Tante! wir wollen spielen. Nein tanzen – Tanzen Sie nicht Mylord?

Blasius. O weh!

Louise. Es ist mir so dumm – der Mensch da.

L. Kathrin. Ich hab Dir viel zu erzählen, gar viel. Hör, wir wollen ein Schäferleben führen. La Feu ein Schäfer, und ich eine Schäferin.

Louise. Ha! Ha! Ha!

Blasius. Wohl la Feu! Gedeyen und Glück!

La Feu. Ja Bruder! ich will träumen bis an meinen letzten Tag.

Blasius. Nun wohl, und ich will Eremit werden. Ich hab eine schöne buschichte Höhle ausgespührt, da will ich mich mit meinem noch übrigen Gefühl hinein verschliessen, und das Leben von neuem anfangen, das wir auf den Alpen verlassen haben. Himmel und Erde sind mir Freunde worden diese Nacht, und die ganze Natur.

Louise. Hi! Hi! Lassen Sie uns spielen, und thun Sie was Sie wollen.

Blasius. Was ist denn das Lermen, Trommeln und Gelauf? Die Sinnen vergehn mir ja.

L. Kathrin. Sie kommen aus dem Krieg, Mylord!

Louise. Die armen Leute! was werden sie so müde vom Schiessen seyn!

Fünfte Scene.

Berkley. Capitain (hinkend). Vorige.

Berkley. Lach Junge! lach! ha! ha! das war heiß, das war brav!

Capitain. Der Teufel soll mich holen, eh ich noch einmal zu Lande fechte. Zu Wasser, Vater! bey allen Elementen, wer schwimmen kann, schwimme, und bleib vom Lande weg. Nehm mir doch einer die Kugel aus der Wade! Der Donner erschlag den Landkrieg! Nehm mir doch einer die Kugel aus der Wade, das Ding zieht verflucht, hab mich stark verblutet und kann kaum mehr stehen.

Berkley. Ist das der Werth Lermens zu machen? Wo ist mein Kind? meine Jenny?

La Feu. Aber wie kommen der Mylord zu einer Kugel in der Wade? Sind Sie denn gelaufen etwa? -

Kapitain. Schert euch zum Teufel mit eurer Frage, Herr Naseweis! -

Lady Kathrin. Nicht so streng, Neffe! kommen Sie Mylord! wir wollen unsre Sachen in Ordnung bringen.

La Feu. Ja liebe Lady! (ab, und Blasius und Louise.)

Kapitain. Gut daß sie abziehen. O Neptunus dein Seehund! Sie schossen teuflisch auf unsern Flügel, Vater! Wild muß einen Bund mit dem Satan haben. Die verdammte Gegenwart, Festigkeit und Starrheit im Menschen – die dumme Kugel! Vater! geht mit auf mein Schiff, wir wollen für die Colonien capern. Der verdammte Wild!

Berkley. Ich kann Dir sagen, Harry! ich hab Ehrfurcht für Wild kriegt und noch mehr Haß für Bushy.

Sechste Scene.

Caroline. Vorige.

Berkley. Siehst Du Miß, da sind wir.

Kapitain. Trag auf! Mich hungert!

Caroline. Mein Vater! mein Vater!

Berkley. Sieg!

Kapitain. Wollt aber lieber geschlagen seyn. Bushy hat die meiste Ehre davon. Der that Teufels-Dinge mit seinen Freiwilligen. Daß dich der Donner mit der Kugel! Ich kann mich heute nicht mit ihm schießen.

Caroline. Armer Bruder, eine Wunde! und Bushy hat sich so brav gehalten?

Kapitain. Ach halts Maul! meine Reputation ist hin, ich möcht vergehen in Wuth.

Caroline. Ist denn Wild davon kommen?

Kapitain. Was gehts Dich an? Ja!

Berkley. Kümmre Dich nicht, Harry! Du bist brav. O Miß! nimm mein altes Haupt an Deine Brust. O wie herrlich hier zu liegen! Es war mir so närrisch in dem Feuer heut. – O meine Kinder! ich kann die Freude nicht mehr ertragen, ich fühle daß ich am Ende meiner Laufbahn bin.

Siebente Scene.

Mohr. Vorige.

Mohr. (zu des Kapitains Füßen.) O Lord! Lord! lieber Lord! Du blutst!

Kapitain. Faß Herz, Junge! und hohl mir die Kugel aus der Wade. (siehts genau an.) Es ist neben ein gegangen! Bey Gott, Berkley! Eine Ehrenwunde! Küß Deinen Sohn! he meine Schwester!

Berkley. Gottlob, das hat mich nicht wenig geplagt. (küßt ihn.)

Mohr. O weh! was ein Loch!

Kapitain. Narr! pack an! – he! das wust ich doch Vater, daß ich feste stund.

Berkley. Laß doch den Feldscheer kommen!

Kapitain. Nein! Ich will keine Wunde haben.

Achte Scene.

Wild. Vorige.

Wild. Miß! liebe Miß! – He, schon da Mylords! Verdräng das Gefühl, Wild! – Guten Tag! So komm ich dann um Dich abzuholen, Kapitain! Meine Wunde ist tief, und wenn ich nicht ersticken will, muß ich Rache haben.

Caroline. Karl! Du Karl!

Wild. Still Miß! und habe Mitleid mit mir. Rache für Bushy, Kapitain!

Kapitain. Ich hab eine Kugel hier, und mag jetzt nicht.

Wild. Setz Dich zu Pferd! He Feiger! wenn Du mich auf Deinem Schiff hättest, nicht wahr? Ich zerreiß Dich wie ein wildes Thier, wenn Du nicht zur Stunde kommst.

Berkley. He Bushy! lerm nicht. Wir sind da.

Wild. Gut, Mylord!

Kapitain. Laßt mir ein Pferd satteln. Diese Kugel soll stecken hier, und Du sollst mir nicht lange posaunen.

Wild. Herrlich! Miß! Lebe wohl Miß! – O Jenny! lebe wohl!

Caroline. Du gehst – gehst so – Karl! ich verlaß Dich nicht!

Wild. Liebe! schone! ach schone. (beyde ab.)

Berkley. Hm! bin ich wieder so verworren! so schwach! – He! Harry! Du sollst Dich nicht mit ihm schießen. Was? mit dem Sohn eines Feindes? ha! und warum? weil Du Deinen Vater gerochen hast? Geschworen seys bey dem Schatten meiner lieben Lady! Du sollst nicht! Hat sein Vater mich um alles gebracht, um Ruhe und Glück! Ich will meine ausgeweinte Augen eher ausreißen, ich! Du sollst nicht! ha! komm nur!

Kapitain. Helft mir von der Kugel, und ich helf ihm vom Leben! (ab.)

Neunte Scene.

Garten.

Wild. Caroline.

Wild. O Miß! Miß! dieser Tag war gut. Der half meinem Herzen in etwas heraus, aber so wie ich hieher komm, und so wie ich hier steh vor Dir in diesen Gefühlen – Jenny! warum mußt ich zurückkehren? Warum verschont bleiben? und sah so viele um mich hinsinken. Ich muß Rache haben, Miß! von Deinem Bruder! fühle Grimm hier, fühle Liebe hier – fühlst Du Jenny, siehst Du? ich steh so an dem Abgrund des menschlichen Beginnens – am Ende des menschlichen Gefühls, denn es reißt hier, Miß: (auf die Brust zeigend) und zerspringt hier! (auf die Stirne zeigend) und hier Dein Bild, das ich nicht will, und immer mehr, immer heißer will – Jenny, alle Qual! alle Liebe!

Caroline. Ist denn nichts da das rette? Ist denn nichts da das helfe? – Komm hier in meine Arme, lieber Geängsteter! Laß Dir Ruhe geben, Laß Dir Liebe geben! Nur diese Blutgierde, diese Rachgierde nicht! Vergieb meinem Bruder! nein, Du kannst nicht. – - - Karl! so still und todt – - und ich so ganz ohne Rettung unglücklich. – Ich wollte so eben meine letzte Stärke aufbieten. Sie schwindet hin, und ich! – ach ich hatte den, nach dem ich rief und seufzte! – er ward mir gegeben! Karl! und so endets?

Wild. Verbirg deine Thränen! Verbirg dein Leiden! Verbirg mir deine Liebe, Nein, gieb mir Liebe, daß ich bis auf den zerstörenden Augenblick lebe und empfinde. Es hat mich schon so taub und fühllos gemacht, und nur das Theilnehmende deiner liebenden Augen löst die Starrheit auf, und läßt mich in dem erschrecklichen innern Zerreissen etwas fassen, woran ich halten kann. O Jenny! wie kann das dein Bruder seyn! Der Mörder! – O es ist Sünde, es vor deine Ohren zu bringen, ich fühl wie es deine Nerven trift – es will nicht mehr über meine Zunge, es ist mir so tief im Herzen, und spannt meine Brust aus. – He! so sollst du haben, lechze! und lechze! und hast ja all meine Sinnen gefangen. – Miß! Miß! was ist dir dann?

Caroline. Laß mirs nur noch dunkler werden vor den Augen, und schwerer hier. Ich geh zu Ende, so gern zu Ende – Du zerstörst so gewaltig.

Zehente Scene.

Mohr. Vorige.

Mohr. Lord! Lord! find ich dich endlich? – Ach! habe dir zu erzählen. Lieber Lord! – schick nur die Miß weg, lieber Lord!

Wild. Laß mich, Junge, jezt!

Mohr. O Lord! Lord! ich wollte dir vom alten Mann reden, der mich liebt, und den ich liebe. Es ist ein grauer Kopf, nicht todt! (leise.) glaub mir! bey allen Göttern! ich hätt mich lieber mit ihm in die See gestürzt – er ist nicht todt!

Wild. Willst du mir vorlügen?

Mohr: Sie leben beyde. Sey nur freundlich, und dann will ich dirs erzählen. Ach! der Schiffslieutenant, ein guter Mann, nahm sich ihrer an. Ich bettelte so lange zu seinen Füssen, bis er einwilligte. Wir belogen den Kapitain, als wären sie in die Barke gesetzt, und die Barke schwamm doch leer weg. Ha! ha! ha!

Wild. Herrlicher Junge! – Miß!

Caroline. Wie, neues Leben! wie, neue Kraft! (fassen den Jungen an.)

Mohr. Wir versteckten die Alten in einen kleinen, kleinen Winkel, und ich stahl ihnen Zwiback und Wassers satt. Aber nur verrath dem Kapitain nichts, und du auch nicht, Miß! er würde mich fortjagen, oder todt peitschen.

Wild. Göttlicher Junge! Wo sind sie?

Mohr. Still nur, und verrath mich nicht.

Wild. (ihn umfassend, aufhebend und starr zum Himmel sehend.) Mein Vater lebt!

Caroline. (an seinen Hals.)

Mohr. Jobs! Jobs! Gieb acht Lord!

Eilfte Scene.

Lord Bushy mit langsamen, matten Schritten. Da er seinen Sohn gewahr wird, seine Kraft zusammenfassend, ohne ein Wort zu reden, in Wilds Arme sinkend.

Wild (erstarrt in Freude.)

Lord Bushy. (nach langer Pause.) O bin ich da!

Wild. Vater! an deinem Herzen wieder ich!

Caroline. Mylord! auch ich!

Lord Bushy. Bin ich da! Halte mich, Karl! So wenig Othem, so wenig Kraft für die Freude!

Wild. Hab ich das wieder funden! (Jenny und seinen Vater umarmend.) Herz! Herz! wie wohl kann dir werden! Diese Silberlocken! Dieser Anblick! Hab ich das all wieder!

Lord Bushy. All wieder! ganz wieder, deinen Freund und Vater! Laß mich nur ein wenig zu Athem kommen!

Mohr. (den Alten umhalsend.) Bist du mir gut, Vater?

Lord Bushy. Komm doch, Lieber, leg dich zu mir!

Mohr. Der Kapitain.

Lord Bushy. Laß ihn kommen. Hab Waffen hier. (auf Herz zeigend.)

Caroline. Mylord! ach Mylord! hassen Sie mich. nicht! – wenn Sie mich kennen -

Lord Bushy. Ich hasse nichts, meine Liebe. Meine Augen sind trübe geworden, wer sind Sie, Miß?

Wild. Sie haben mir erlaubt, mein Vater, die in allen Winkeln der Erde aufzusuchen, die meine Seele hatte. Ich hab sie gefunden – Jenny! meine Jenny! Habe sie gefunden, und jezt erst fühl ich. wieder, was ich gefunden habe.

Lord Bushy. Berkleys Jenny! o die ich Tochter nannte, eh noch Haß uns schied, und immer liebte, komm in meine Arme! Wohl mir, Dank dir für alle Stunden, die du mir sonsten mit deiner Liebe versüßtest, und Dank dir für diese Liebe, Miß! Und Dank dir schwarzer, guter Junge, daß du mich dieser Stunde aufbehalten hast! Weißt du Karl, was du dem Knaben schuldig bist! Er beschrieb dich mir in deinem Leiden, deine Angst, ach! wie leicht erkannt ich dich! – hat er dir erzählt?

Wild. Alles, mein Vater! alles!

Lord Bushy. Nun Miß, und immer meine Tochter! die Liebe hat meinen Sohn gut geführt. Wo ist Berkley? bist du ausgesöhnt, Karl? führt mich doch zu ihm!

Caroline. Mylord! nein!

Lord Bushy. Haßt er mich immer noch?

Wild. O mein Vater! so eben war ich im Begriff – Lassen Sie uns fliehen und nicht weiter reden. Ich vergebs dem Alten, und dem Kapitain, da Sie da sind. Jenny! wirst du uns verlassen?

Lord Bushy. Seyd Ihr ruhig. Ich will mich Berkley darstellen, was kann ihm mein Anblick Zorn einjagen, er muß ihn versöhnen. Hab ich ihn doch gesucht, und da ich ihn finde – ich bin da, bleibe da, Karl!

Wild. Ich kann nicht da seyn und ihm vergeben. -

Lord Bushy. Warum nicht? Friede und Ruhe ist in meine Seele gekehrt, sie wird auch zu Berkley einkehren. Ich hab nichts gefunden in all meinen Verirrungen, als dies, und habe alles gefunden.

Zwölfte Scene,

Kapitain, Berkley. (hastig nach.)

Berkley. Harry! Harry! He Harry! du sollst nicht!

Kapitain. (zu Wild.) Wo bleibst du denn, he? – Was hier, Miß? – (indem er Lord Bushy gewahr wird.) Ist das Traum? he, Mylord Bushy, bist du Fleisch und Bein?

Berkley. (fährt zusammen.)

Lord Bushy. Ich bins, Kapitain.

Kapitain. Teufel und Hölle! Hat dich die See so lieb? Vater, es ist Bushy, der alte Bushy!

Berkley. Ich seh es ja, ich fühl es ja. Komm doch fort mit mir, Harry! Es geht mir so warm ums Herz -

Lord Bushy. Lord Berkley!

Berkley. Nur deine Stimme nicht! ich fürchte deine Stimme! Was für Anschläge wider mich führen dich hierher?

L. Bushy. Anschläge des Friedens und der Liebe. (will seine Hand fassen, er hält sie zurück) Reue meines vergangenen Lebens: Vergessen der wilden Leidenschaften! Mylord! ich hab alle Sünden auf mich genommen, hab eine Pilgrimschaft vollendet hier, voll Kummer und Leiden, laß mich hier die Fahne der Ruhe aufstecken!

Berkley. Geh doch nun weg hier! – Komm fort, Miß! daß ich nicht in Versuchung komme, zu diesem oder jenen.

Lord Bushy. Berkley! bist Du noch nicht da wo man Ruhe gern fühlt?

Kapitain. Nu Sir! meine Pistolen und Pferd ist bereit, meine Wunde vergessen.

Wild. Ich hab Dir vergeben, Kapitain, da ich ihn wieder fand.

Kapitain. Und ich Dir nicht, Sir!

Berkley. Kömmst Du bald zu mir, Miß! was stehst Du da unter Bushys?

Caroline. O mein Vater!

Wild. (sie umfaßend.) Sie ist mein, Mylord! Du gabst mir sie als ich Knabe war, sie ist mein!

Berkley. Soll ich. Dir fluchen, Miß! komm Kind!

Caroline. Mein Vater!

Kapitain. Berkley! ich werde toll hier!

Wild. (die Miß umfaßend) Wir wollen weg hier, Grausame! Aber die Miß geht mit. Hier ist Pistole, und hier ist Tod! Nehmt sie!

Kapitain. Laß mich ihn doch niederschießen, Mylord!

Berkley. Hund Du toller! (Wild hält Miß so fest in seinen Armen.) Da knall sie mit nieder, und alle Welt Anmuth liegt begraben für mich. Sieh das Mädchen an so schön und gut, und so häßlich in Bushys Armen. Liebe Miß! will Dich locken! mit Liebe locken! willst du nicht bald kommen, schöne Miß! willst Du wohl! Komm doch, liebes, sittsames Kind zu deinem alten Vater! Du nur allein kannst seine Nerven sanft und mild stimmen, das fühl ich so eben. Komm doch nur, ich will die Bushys ruhig ziehen laßen.

Wild. Soll ich hier mein Leben enden, Miß?

Caroline. Vergebet! mein Vater vergeßt! (nach Berkley immer reichend, von Wild wieder zurückgehalten.)

Berkley. Pfuy Miß! schäme dich! Ich bitt dich, Mädchen, bring mich nicht auf. Miß! ich bitt, ich flehe dich, und meine graue Haare, mein alter Kopf, halts nicht mit meinen Feinden, und komm geschwinde zu mir! Komm doch, Kind! Du pflegtest und wartetest mich, ich will jetzt Dich pflegen und warten. He Miß! soll ich wahnsinnig werden, Miß? Soll ich Ekel und Haß für mein Kind kriegen? Dich verfluchen und die Welt? es wird mir toll ums Herz, Miß!

Caroline. Ich bin Dein Kind, Lord! Dein gutes, treues Kind!

Capitain. Sie spielen mit uns, Vater!

Berkley. Nur diese Gnade, lieber Himmel! daß ich dieses Kind vergesse! aus diesem verworrnen Drang komme!

L. Bushy. Berkley, wir nannten uns einstens Bruder. Lebten in Freundschaft und Liebe. Ein böser Geist trennte uns. Mir ist die vorige Empfindung längst zurückgekehrt, sollte es bey dir nicht geschehen können? Bruder!

Berkley. Rede nicht! Bushy rede nicht! ich haß und hasse, lieb und liebe!

Bushy. Dein Haß ist mir schwer gefallen, jetzt verdien ich ihn nicht mehr. Sieh ich stehe am Rande des Grabes. Gedanken der ewigen Ruhe haben längst meine Seele gefüllt, und geben mir Stärke, jemehr mein schwacher Körper zusammen sinkt. Berkley, da lügt man nicht, und ich thats nie. Hier, wo Wahres vom Falschen getrennt wird, sag ich Dir, daß ich unschuldig bin am Verheeren Deines Hauses, an Deiner Verbannung. Der es that, liegt längst im Thale des Todes verschlossen. Ruhe seiner Asche! sein Name und seine Triebfedern sollen nicht über dieses Herz kommen.

Berkley. Du hättest das nicht gethan? – alter Heuchler!

L. Bushy. Es ist hart, Berkley! mein Angesicht spricht für mich, und meine Offenheit, die mich viel gekostet hat. Unser Unglück war Mißverständniß, daß wir nach einem Ziel trieben, unsere Interessen sich an einander stiessen, meine zu hastigen Leidenschaften, und Deine noch feurigere. O Mylord! was erhielten wir! was wurden wir Beyde? Laß uns alles gut machen, laß uns in Liebe leben!

Caroline. O mein Vater! es ist alles so wahr was Mylord sagt – (an seinen Hals) Deine Jenny! Du bist erweicht!

Wild. Edler Berkley!

Kapitain. Es ist schändlich, sich vertragen wie Weibsleute am Ende.

Caroline. Harry! lüge Dir keine Empfindung an! Ich seh Dir an, daß Du gerne wünschtest -

Kapitain. Geh doch! – ich will auf mein Schiff.

L. Bushy. Bruder Berkley, ich will mich rechtfertigen vor Dir, nur erkenne jetzt mein Herz rein!

Berkley. Ich kann Dich nicht lieb haben – bleibe hier!

L. Bushy. (ihn umarmend.) Ich erkenne Dich.

Berkley. Laß mich nur! es ist mir so wirr noch, bleibt nur hier beysammen!

Wild. Brav Mylord! und Du Capitain?

Kapitain. Ich weiß das noch all nicht. Komm Knabe!

Berkley. Bleib Harry!

Kapitain. Es mißfällt mir ja. Ich muß erst einig mit mir werden, eh' ichs mit andern werden kann. Mohr! Mohr!

Mohr. Hier lieber Lord!

Kapitain. Komm mit, und mach mir Spaß! (ab.)

Mohr. Ja weinen für Freude, wenn Dir das Spaß macht. (ab.)

Berkley. Komm, Bushy, die Allee hinab, ich will versuchen, ob ich mich mit Dir vertragen kann. Ich kann Dir noch über keine meiner Empfindungen Wort geben, haß Dich noch, und – es fällt mir so vieles ein – Komm nur! (ab.)

Wild und Caroline (in allem Gefühl der Liebe sich umarmend.)

Der Vorhang fällt zu.


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