Friedrich Maximilian Klinger
Sturm und Drang
Friedrich Maximilian Klinger

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Zweyter Akt.

Erste Scene.

Betty führt Wild, Blasius und La Feu auf.

Betty. Hier Mylords, belieben Sie zu warten, Myladys werden gleich die Ehre haben. (geht ab.)

La Feu. Gut, meine schöne Iris! (sich umsehend.) Ey! es hatt schon so was liebes, anlockendes im Hereintreten. Es ist einem doch ganz anders in einem Damen-Zimmer. Es schauert mir so anmuthig ums Herz. Was schneidst du vor Gesichter, Wild?

Wild. Ich begreif mich noch nicht. So gut ist mir's, alle Gegenstände reden mit mir in diesem Zimmer und ziehen mich an, und so erschrecklich elend, so erschrecklich ungewiß. Ich spring von Gedanken zu Gedanken, ich kann mich an nichts halten. Ach! dann nur, wenn es ganz rein zurückkehrt das unendliche hohe Gefühl, wo meine Seele in Schwingungen sich verliert, in der herrlichen Ferne ihr Liebesbild erblickt, in der Abendsonne, im Mondschein – Und ach! wenn ich denn auf den schnellen Fittigen der Liebe hineil, und es schwindet, verlieret sich immer vor mir. – Ja ich bin elend, ganz in den Gedanken lebend, ich bin elend! o mir! ich glaubte in diesem andern Welttheil zu finden, was dort nicht war. Aber hier ists, wie dort, und dort wie hier. Gott sey Dank! daß die Einbildung die Ferne so herrlich sieht, und steht sie nun am sehnlich erwünschten Punkt, wie der herum streifende Vagabond weiter flüchtet, im sichern Glauben, dort werde der unruhige Geist alles finden. So Welt auf, Welt ab, in zauberhafter, drängender Phantasie, und ewig das einerley, hier wie dort. Wohl Geist! ich folge dir!

Blasius. Traben die Centauren wieder vor deiner Einbildung. – Ich bin wieder so gar nichts, mag so gar nichts seyn. – Wild, es ist schändlich, was du dich ewig mit Gespenstern herum treibst.

Wild. Ich bitte dich – ich werde sie finden. -

La Feu. Die Damen bleiben so lange!

Wild. Hört! ihr wißt, wie ich bin. Wann die Damen einen fatalen Eindruck auf mich machen, so denkt auf eine Entschuldigung, ich zieh ab.

Blasius. Und da hat man wieder seine Flegeley zu entschuldigen. Geh! machs wie du willst. Ich bin gar nicht gestimmt für Weiber, und doch muß ich mich mit ihnen abgeben, weil sie meistens so wenig sind, und ich gar nichts. – Du bist mir zum Ekel, Wild! mir wär's lieb, wenn du mich eine Zeitlang ungeplagt liessest.

Wild. Fällt mirs ein, dich aufzusuchen?

Blasius. Ich kann dich nicht ausstehen. Deine Kraft ist mir zuwider, du drückst mich todt, und daß du ewig nach Phantomen rennst – ich haß dich!

Wild. Wie Du willst. Du liebst mich auch wieder.

Blasius (ihn umarmend.) Wer widersteht Dir? – Junge! Junge! ich bin unbehaglicher wie Du. Ich bin zerrissen in mir, und kann die Fäden nicht wieder auffinden das Leben anzuknüpfen. Laß! ich will melancholisch werden; nein ich will nichts werden. Du sahst mein edles Roß in Madrid den Karren ziehen, ich weinte aus tiefer Seele, und Isebella wischte meine Thränen. Herrlichkeit der Welt! ich kann keine deiner Blumen mehr brechen. Ja wer diesen Sinn verlohren hat, wer dich verlohren hat ewige Liebe, die du in uns alles zusammen hältst!

Wild. Blasius, Du hast mehr als Du glaubst.

La Feu. Wo die Damen bleiben? (die Bücher durchsuchend.) Myladys Bücher machen mir grosse Hofnung daß sie mit süsser Phantasie begabt sind. O die Romanen! o die Feenmärchen! Ach wie herrlich um all die Lügen! Wie wohl dem der sich vorlügen kann!

Zweyte Scene.

Lady Kathrin, Louise, (treten complimentirend auf. Verbeugungen von beyden Seiten.)

La Feu. (indem er sie erblickt) Venus Uranie! Paphos Hayne! (zu Lady Cathrin.) Reizende Göttin dieser Insul! Ihr Anblick stimmt mein Herz zu Tönen der Liebe, und meine Nerven klingen das lieblichste Concert.

Kathrin. Mylord! (eine Verbeugung.) Mylord! (coquetirend) Fremde von Ihrem Werth machen uns das traurige Leben hier, leicht und angenehm. Ich habe die Ehre zu reden -

La Feu. Du Blasius, sag doch wie ich heiße – das ist mein Vormund Mylady!

Blasius. La Feu, Mylady! (zu Louise) Miß ich wünschte Sie nicht gesehen zu haben, wenigstens in diesem Augenblick nicht. Ich bin so wenig -

Louise. Ha! Ha! Mylord – Blasius – nicht recht?

Blasius. So nennt man mich.

Louise. Also Mylord Blasius, mir ist leid, daß Ihnen mein Anblick so schwer fällt. Freylich Mylord – (eine spöttische Verbeugung.) – Ha! Ha! Tantens Gegenwart macht den Herrn zum klingenden Instrument. La Vache sonante! Ha! Ha! o das ist zum Sterben! Nu Mylord so ernsthaft? -

Blasius. Ich bin nicht lustig – Schön und dumm! o mir!

Wild. Hier halts der Satan aus! (ab)

Kathrin und Louise. Aber warum geht Mylord weg?

La Feu. Ich muß Ihnen sagen Mylady – Blasius Du weißts ja.

Blasius. Er hat Anfälle von Tollheit, Mylady's, und wenns ihn überfällt, treibts ihn weg.

La Feu. (auf Kathrin zeigend.) Und der Anblick dieser Göttin könnte ihn nicht aufhalten?

Kathrin. O Mylord – - - aber wie sehr bedaure ich, ein so schöner Mensch, ein so starkes wildes Ansehn.

La Feu. Aber ein toller Mensch. Denken Sie er will in Krieg gehen.

Kathrin. Und Sie?

La Feu. (sich kniend.) Hier ist meine Wahlstatt.

Louise. (verdrüßlich) Nicht auszuhalten!

Kathrin. (La Feu ernsthaft aufrichtend) Das Knien läßt Ihnen schön Mylord, vermuthlich deßwegen -

La Feu. Ach! Sie richten auf mit einer Gottheit, mit einer Größe – Vor Mylady, mag sich schon manches Knie wund gekniet haben -

Kathrin. O Mylord! wenn man nur nicht unbemerkt durchs Leben gegangen ist.

Louise. (ärgerlich und schläfrig.) Wo sind Sie Mylord? Der andere Welttheil wird Sie noch besitzen?

Blasius. (verdrüßlich und langweilig) Mylady Sie befehlen -

Louise. (eben so) Mylord! Nichts -

Kathrin. Und Sie Mylord?

La Feu. Ach hin! hin! in Liebe entzückt! Glückliches, seeliges Schicksal das mich diese Bahn führte! Endlich hat dein Grimm nachgelassen, wilder Unstern! und ich fühle wieder neu das Zucken in meinen Adern – Reizende Göttin! ich wünschte mir kleine, kleine Mücken-Augen um alle ihre Reize und Schönheiten im Detail zu durchschauen.

Kathrin. Welcher Ton! wie angenehm munter! – Sind Mylord lange von London? o wenn Mylord etwas von London erzählen wollten!

Louise. O von London! (beyseit) Die Leute sind nicht zum ausstehn!

La Feu. Ja Mylady von London, und ich fühle nur was vor mir ist. London, Mylady! soll eine große Stadt seyn. Ich weiß wenig von der Welt. Gebohren bin ich in London. Komme von den Pyrenäen. O das sind hohe, hohe Berge! Ach Mylady und meine Liebe ist noch höher, wenn Mylady mich lieben könnten -

Kathrin und Louise. Lieben? ha! ha!

La Feu. Kommt Ihnen das lächerlich vor, Myladys?

Louise. Allerdings Mylord! Nein wir lieben nichts.

Kathrin. Still doch Nichtchen! der Unterscheid bleibt doch immer, und es kommt darauf an -

La Feu. Ja reizende Mylady – das einzige was wir haben?

Louise. (zu Blasius.) Mylord träumen so immer fort. Alle meine Munterkeit verläßt mich bey Ihnen.

Blasius. Verzeihen Sie mir, ich bin so gerührt – Sie sind schön Miß!

Louise. Und Sie sehr unterhaltend.

Blasius. (nach langer Pause.) Sie haben Langeweile. Ich bedaure, daß ich Sie nicht besser unterhalten kann. Mein Unglück ist das immer, da nichts zu seyn, wo ich alles seyn sollte. Und ich liebe so stillschweigend, Miß, wie Sie sehen daß ich würklich im Fall bin. -

Louise. Lieben, Mylord? Was wollen Sie damit sagen? Stillschweigend lieben! Ach der Langeweile! Liebt Lord Wild auch so? Nicht als ob ich neugierig wäre – ich mags nicht wissen – Wenn Sie nur munter wären!

Blasius. Ja munter! (ich ennuire mich zum Sterben. Mein Herz ist so kalt, so todt, und das Mädel ist so schön und lustig. -)

Louise. Ich kriege Vapeurs – Wollen Mylords den Thee in Garten nehmen? Das Zimmer bekommt ihnen vielleicht nicht.

Blasius. Wies Ihnen beliebt.

Louise. O Himmel! (schlägt ihn mit dem Fächer.) werden Sie doch lebendig!

Blasius. Ich bin noch von der See – und habe – habe -

Kathrine. (die Zeit über mit La Feu still gesprochen.) Nun Mylord?

La Feu. Ja wie ich Ihnen sage, kommen Sie nur. O meine Göttin, ich bin vor Ihren Augen wieder alles geworden. Wer kann so viele Liebenswürdigkeit sehen, ohne daß nicht alle Fasern am Leibe lebendig werden. Ja meine Göttin! ich will Ihnen viel, viel von den Schwingungen der Liebe erzählen, die meine Phantasie über die Sonne jagen. Und Mylady! (küßt sie.) ich liebe Sie!

Kathrine. (bey Seite) Das ist curios! ich versteh ihn nicht, und gefällt mir doch. (laut) Mylord, Sie sind -

La Feu. O Sie! – mich deucht wir sympathisiren.

Kathrine. Was heißt das sympathisiren?

La Feu. Gott behüte! So weit verstehe ich mich nicht Mylady, zu wissen was die Worte heißen.

Kathrine. Was Sie boshaft sind Mylord! (alle ab.)

Dritte Scene.

Miß Caroline. (allein.) Waren dies die Engelländer? Ferne, ferne, ewig ferne! – Gut daß sie weg sind. (in stiller Schwermuth verlohren.) Ja so, just so sah er aus, wie er da eben aus meinen Augen hervortritt, und sich vor mich hinstellt. (nach einem Ort hinreichend.) O meinem Herzen so lieb! – Er bleibt so lange – Ach! ich werde Carl Bushy nicht mehr sehen, darf Carl Bushy nie mehr sehen! Und seh ich ihn nicht? (begeistert.) Meine Augen sehen nach ihm, mein Herz schlägt nach ihm, und es haben ihn meine Augen, und es hat ihn mein Herz.

Vierte Scene.

Wild. (tritt auf ohne anzuklopfen, den Huth durch die ganze Scene aufbehaltend, fährt zurück da er die Lady gewahr wird.)

Caroline. (erschrocken.) Wie? Wer?

Wild. (mit gehefteten Blick und ganzer Seele sie anschauend.) Vergeben sie Miß, ich habe mich in der Nummer geirrt.

Caroline. Mylord! ein Irrthum der in einem Gasthofe leicht möglich ist. (ihn unruhig anschauend.)

Wild (verworren, verwildert, forschend, an ihren Augen hangend.) Mylady, darf ich? – Mylady – ja ich gehe – gehe ja schon – (immer näher tretend) aber Mylady – ich bleibe ja hier. – Und wenn Sie eine Engelländerin sind wie man mir gesagt hat, wenn Sie -

Caroline. (die sich zu fassen sucht.) Mylord, darf ich bitten, mit wem habe ich die Ehre zu reden? Mein Vater wird sich sehr freuen einen Landsmann zu sehen.

Wild. Ihr Vater? Miß! Haben Sie einen Vater? – Ach! hier! hier! Mir ist so gut, so verwildert gut. – Ja Mylady, ich bin ein Engelländer – ein Unglücklicher – heiße Wild, und ist mir – ja Mylady in diesem Augenblick. -

Caroline. (leidend.) Wild? – Sind Sie nicht aus Yorckshire? ihr Gesicht – Ihr – Ihr – ja Mylord aus Yorckshire, meyn ich, müßten Sie seyn.

Wild. Aus Yorckshire? Nein! – Mir schlägts so in der Seele – ach hier find ich was ich in der weiten Welt suchte. (ihre Hand faßend.) Sie sind ein Engel Mylady, ein herrlich, gefühlvoll Geschöpf. (zum Himmel sehend.) Hast du mir noch solch einen Augenblick aufbewahrt! Lassen Sie mich's sagen! Ich fühl's so tief – Ihre Augen – ja Ihre Augen voll Seel und Leiden – und dieses Herz hier – zerrissen und tief! tief unglücklich. Ich reise hierher um mich in der nächsten Bataille todtschießen zu lassen – und – und – will mich todtschießen lassen.

Caroline. So verworren – o Sir, leiden Sie?

Wild. Ja leider! – o des Menschen Leiden ist so mannigfaltig – oft so wunderbar – und dabey – Myladys Name?

Caroline. Mein Vater, Mylord, ist Lord Berkley.

Wild. (fährt zusammen.) Lord Berkley! – das wars – das lebendige Bild!

Caroline. Was fällt Ihnen das so auf? Kennen Sie den unglücklichen Lord Berkley?

Wild. Kennen? Nein! – und sie Jenny Caroline Berkley?

Caroline. Ja Sir! (sich umsehend im äußersten Kampf.) O Sir! Sir! wer sind Sie?

Wild. (vor ihr kniend ihre Hände faßend.) Nein Miß – ich bin – meine Zunge ist so schwach, meines Herzens so viel – ich bin – Miß Berkley – (geschwind aufspringend.) der Glückliche der Sie gesehen, der Sie durch alle Welten – (nach der Thüre.) der unglückliche -

Caroline. Carl Bushy! – Mein Carl!

Wild. (an der Thür.) Ach hier! hier! (seine Arme nach ihr ausstreckend.)

Caroline (auf ihn zueilend.) Carl Bushy und verläßt mich? – bist du? bist du? Nur dies Wort, ach! und laß sich denn meine Seele lösen!

Wild. (sie umfaßend.) Ja ich bins! Jenny! bin Carl Bushy! bin der glückliche – Jenny! – Ach! habe dich gefunden!

Caroline. Laß mich doch zu mir kommen! – die Freude – die Angst – du bist Carl – es ist mir – doch Carl Bushy!

Wild. Was erschrickst du? Was tödtest du die Freude in meinen Gebeinen, die mich durchbebt? – Ich bins, der dein Bild im Herzen, dich und deinen Vater in allen Winkeln der Erde suchte.

Caroline. Meinen Vater! Meinen Vater! Rette dich! Er haßt Bushy und seinen Sohn. Rette dich! fliehe! Ach mich verlassen! fliehen! und habe dich noch nicht gesehen. -

Wild. Ich? Jenny! fliehen? und ich bin hier in deiner Gegenwart, hänge hier an deinen süßen Augen, und kehrt so eben die erste Freude meines Lebens zurück – fliehen? Wer reißt mich weg von hier? Alle Wildheit meines Sinnes ergreift mich! Wer reißt mich weg von hier? Wer reißt Carl Bushy von Miß Berkley? Laß deinen Vater kommen! bist du nicht mein, warst mein von den ersten Jahren der Kindheit? Wuchs mit dir auf, unser Herz, Seel und Wesen vereinigte sich. Warst meine Braut, eh du die Bedeutung des Worts verstundest. – (kalt.) Ich bleibe hier, Miß! ich bleibe hier. -

Caroline. Du machst mir so bang.

Wild. Soll ich gehen? – Jenny! Jenny ich habe dich ja.

Caroline. Laß mich doch einen Augenblick nach dem Balkon!

Wild. Gut, Miß! ich bleibe hier. Nichts bringt mich weg von hier. Der Himmel hat ein Band um uns geschlungen, das keine menschliche Hand trennen kann. Hier warte ich den Feind deines neuen Vaterlandes ab, warte meinen Feind ab.

Caroline. (sanft.) Nur diesen wilden störrischen Blick nicht! – Versprich mir deinen Namen zu verbergen.

Wild. Was du wilst, o Jenny! Fühltest du einen Augenblick die Qualen, die dieses Herz durch die Welt jagten! Ich habe mich abgearbeitet, ich wollte mich zu Grunde richten. Und ach! diese Stunde noch übrig, mir diese Stunde noch übrig! und doch alles Elend? Aber ich will nichts sinnen und fühlen mehr. Ich habe dich ja, und Trotz sey geboten! Trotz sey geboten, dem Starrkopf!

Caroline. Was diese Verzweifelung, dieses schreckliche unbehagliche, dieser Grimm in deinen jagenden Augen?

Wild. Dein Vater! ja dein Vater! mein Vater – beyde zu Grunde. Miß! ich laß dich nicht. Es ergreift mich so ungestüm – ja Jenny du fliehst weg mit mir, verlässest dieses Land mit mir! (sie umarmend.)

Caroline. Laß mich doch!

Wild. Lauscht dein Vater auf mein Leben? – o es ist mir so wohl in dem Tumult. – Meine beste!

Caroline. Einen Augenblick Carl! – wenn mein Vater käme!

Wild. Und noch Haß? Immer noch der rachgierige Berkley! Und meine liebende, süsse, kleine Miß! Gott sey Dank! der mir bey diesen ungestümen Sinn, so viel seiner liebsten Gabe zugetheilt hat. Ja Miß! nur die Liebe hat diese Maschine zusammen gehalten, die durch ewigen, innern Krieg ihrer Zerstörung jede Stunde so nah war.

Caroline. Guter Carl! du bist doch immer der wilde, gute Junge. So dacht ich dich mir. O die Jahre! die Jahre, die so hingingen! Glaubst du wohl, ich war dreyzehen Jahre, du funfzehen, wir wurden von einander gerissen, ich in diesen andern Welttheil, kam her, du warst da, ja du warst da, und wo ist der Ort in der Welt, den du nicht ausfülltest?

Wild. Und du! was denn nun? Was alles das mich plagte! Du bists, was ich in der Welt suchte und begehrte, dieses Herz auszusöhnen. Ich fand dich, fand dich in Amerika, wo ich den Tod suchte, find Ruhe und Seligkeit in diesen süßen Augen. (umfaßt sie.) Und so habe ich dich, so habe ich dich, Miß Berkley! Und halte dich, und was Wild hält – ich kann deinen Vater erwürgen, dich zu besitzen. Aber so ists Wonne, so ists sanft. (küßt sie.)

Caroline. (sich loswindend.) Erschrecklich! Wild! Carl! wo ist der Blick, der mir Leben giebt für dies Wort?

Wild. Hier Miß! (küßt sie.)

Fünfte Scene.

Berkley. Vorige.

Berkley. Hm! Morgen – - He! was da? was ist das?

Wild. (fest.) Ich küßte Mylady.

Berkley. Und du Miß, liessests geschehen?

Caroline. Mylord!

Berkley. (bitter.) Adieu Miß!

Wild. Mylord, wollen Sie mich beleidigen? Ich bitte Sie Miß, bleiben Sie. Unmöglich kann Lord Berkley einen Menschen beleidigen, den er nicht kennt. Ich bin ein Engelländer, heiße Wild, und wollte Sie besuchen.

Berkley. Brav, mein Herr!

Wild. Ich habe gelitten in der Welt, habe gelitten und meine Sinnen sind etwas wirr geworden. Ungestüm bemeistert sich oft meiner. Ein Unglücklicher findet in der Welt so wenig Theilnehmung, ich fand sie bey Miß – Mylord und wo man das findet – ich küßte die Miß, und würde es gethan haben, wenn ihr Vater gegenwärtig gewesen wäre.

Berkley. So jung und unglücklich? Sehn Sie mich an! Mich, Mylord!

Wild. Ja, Mylord, so jung und unglücklich, und unglücklicher, da es an Geduld fehlt, da das Gefühl so stark ist. Es hat mich bitter gemacht, und nur diesen Augenblick fühlte ich, daß noch Freude in der Welt ist.

Berkley. Ich könnte mich für Sie intereßiren. Ich bitte Sie Sir, setzen Sie sich in ein ander Licht. Diesen Zug und diesen Zug in Ihrem Gesichte kann ich nicht ausstehn.

Caroline. O mein Vater, Mylord leidet so viel.

Berkley. Du könntest uns verlassen. Ich seh Mylord an, daß man aufrichtig mit ihm seyn kann. All sein verwildertes Wesen spricht so herzlich.

Caroline. Wenn Sie befehlen – (Wild an der Thür bittend zuwinkend.)

Berkley. Und wie ich sage, Mylord – Sie müssen mir vergeben. Ich hatt einen Feind, einen gräßlichen Feind, der mich in die schrecklichste Lage versetzte, worin ein alter Mann nur kommen kann, und sahe Sie Mylord, wenn ich ihn ertapp wo's sey, bin ich gezwungen ihn zu martern, bis ich diese Züge, die ich an Ihnen tadle, aus seinem Gesicht verschwinden seh. Sie scheinen ein braver Mensch zu seyn, weiß Gott! ich thu mir Gewalt an, Ihnen nicht um den Hals zu fallen, und Sie wie einen Sohn zu herzen. Aber auch einen Sohn verlohr ich durch ihn. Und also Mylord, müssen Sie mir vergeben.

Wild. Wie Sie wollen, wie Sie wollen.

Berkley. Ja in dieser Unruhe, in diesem verzweifelnden Ton, worin Sie dies sagen, ich verstehe; und wie sich Blicke durchkreuzen, die einem das Herz abgewinnen könnten. Nur Geduld! man gewöhnt sich. Und wenn Sie unglücklich sind, und Galle haben, werden wir schon einig.

Wild. Daß ich diese habe, Mylord – aber wozu das all? Nun meine Bitte an Sie! Könnten Sie einem Menschen der mir gleich sieht, erlauben, als Volontair die Campagne gegen Ihre Feinde mitzumachen?

Berkley. Von Herzen gerne. Seyn Sie willkommen! Ich will gleich zum General gehen. Kommen Sie doch mit!

Wild. Ich bin deswegen gekommen, und je eher, je besser.

Berkley. O Mylord! auf so einen Tag hab ich lang geharret. Mir ist nicht besser, als ein Canonenfeuer.

Wild. Mir wirds gut werden, hoff ich.

Berkley. Aus welcher Gegend von England sind Sie?

Wild. Aus London.

Berkley. Nun dann, Lord Berkleys Schicksal müssen Sie wissen.

Wild. Ich hab davon gehört.

Berkley. Nur nicht kalt drüber weg, junger Mensch.

Wild. Bin nicht kalt, Mylord, nur grimmig über die Menschen, die so vieles anders haben könnten, die sich ewig scheren.

Berkley. Hast du Sinne? Mensch! Hast du Herz? Ich bin Lord Berkley, verfolgt, verdrängt, ausgeworfen, um Weib und Sohn gebracht. Hast du Herz, junger Mensch, oder hat dich eignes Elend stumpf gemacht? nun denn, so strecke dich aus und seegne die Welt! und kennen Sie Bushy?

Wild. Nein, Mylord!

Berkley. Haben Sie von ihm gehört? Ich bitte Sie, wie gehts ihm? Elend, kümmerlich?

Wild. Glücklich, Mylord!

Berkley. Schämen Sie sich! glücklich? haben Sie das Mädchen gesehn? Sehn Sie meine graue Haare, meine stirre Augen! Glücklich?

Wild. Hat Haus und Hof verlassen müssen. Ins Königs Ungnade gefallen, ist unsichtbar geworden.

Berkley. Tausend Dank, Mylord! tausend Dank! he, Bushy! so bin ich in etwas gerochen! Gehts ihm recht kümmerlich? Es kann ihm nicht elend genug gehen. Nicht wahr? er hat kein Haus, das ihm Obdach gebe, keine Hand, die sein Alter pflegte?

Wild. Er ist glücklich, Mylord!

Berkley. Ich bitte Sie, gehn Sie aus meinem Zimmer. Sie sind ein Freund von ihm, und mein Feind. Haben seine Sprache, seine Mienen – und bey Gott! ich seh Bushy in Ihnen. Gehn Sie doch, wenn Sie einen alten Mann nicht aufbringen wollen.

Wild. Glücklich, daß ers nicht achtet. Glücklich in seinem Sinn, meyn ich.

Berkley. Das sollt er nicht seyn. Seine Haare sollten ihm zu stechenden Schlangen werden, und die Fasern seines Herzens zu Scorpionen. Sir! er sollte nicht schlafen, nicht wachen, nicht beten, nicht fluchen können, und so wünschte ich ihn zu sehen. Dann wollte ich großmüthig seyn, ihm eine Kugel vor dem Kopf geben, sehn Sie! das hat er verdient, Ewigkeit Qual zu leiden; aber großmüthig wollte ich seyn, Sir, meiner Miß zu Gefallen. Hätten Sie meine Lady gekannt, Mylord, die aus Schmerz starb, (Wilds Hand anfassend, der sie bey den letzten Worten zurückzieht.) ich weiß, Sie würden mit mir Ihre Hände aufheben und Bushy und seinen Nachkommen fluchen. Aber sagen Sie mir, Mylord, wie gehts Bushys Sohn?

Wild. Zieht in der Welt herum ohne Ruhe. Elend durch sich, elend durch das Schicksal seines Vaters.

Berkley. Das ist gut, Mylord! Das ist gut! Glauben Sie, daß er noch lebt?

Wild. In Spanien jetzt.

Berkley. Aber ich habe Hoffnung, daß sein Vater ihn nie mehr sehen soll. Habe Hoffnung, daß der junge Bushy durch Liederlichkeit seinen Körper ruiniren, und in der besten Jugend hinwelken soll. Er soll ihn nie mehr sehen. Mylord, die Freude wäre zu groß einen Sohn wieder zu sehen. Denken Sie, seinen Sohn wieder sehen, was das einem seyn muß, ich könnte rasend werden. Wenn ich meinen Harry, meinen süßen störrischen Jungen so manchmal in Gedanken vor mir auf seinem Klepper reiten seh, und Vater! Vater! rufen und klatschen – Er soll ihn nie mehr sehen! (Wild, der abgehen will.) Bleiben Sie doch noch, Mylord! Aber sagen Sie mir, hat Bushy Vermögen davon gebracht? Mylord, wenn mir einer ewig von Bushys Unglück erzählte, ich wollte in der Welt nichts thun, als zuhören. Hat er davon gebracht?

Wild. Genug, Mylord, um in seinem ruhigen Sinn zufrieden leben zu können.

Berkley. Das ist mir leid. Ich wünschte ihn bey mir um ein Pfund betteln zu sehen. Glauben Sie daß ichs ihm gäbe?

Wild. Warum nicht Mylord? Er gäbe Ihnen was er hat.

Berkley. Meynen Sie? Nun, wenn meine Miß dabey stünde, vielleicht, vielleicht auch nicht. O es ist ein erschrecklicher Heuchler, der alte Bushy. Ich fürcht, er brächte mich um ein Pfund mit seiner heuchlerischen Miene. Ist er nicht ein Heuchler, Mylord?

Wild. Nein, wahrhaftig nein!

Berkley. Was wissen denn Sie! Freylich müssen Sie seine Partie nehmen, da Sie seine Nase tragen.

Wild. Mylord, ich gehe schon.

Berkley. Vergeben Sie mir doch! Sagen Sie mir nur noch, wo ist der neidische Hubert hingekommen?

Wild. Begleitet den alten Bushy.

Berkley. Dank Sir! Elend?

Wild. Findt Stof genug für seinen rauhen Neid, und befindet sich wohl in seinem Humor.

Berkley. Behüte Sir! das verbitt ich mir. Er muß so viel leiden als Bushy. Ich bitt Sie, lassen Sie ihn leiden! Lügen Sie mir vor, er litte!

Wild. Nun Mylord, ich muß zu meinen Freunden. Sie besorgen doch, daß ich enrollirt werde?

Berkley. Ja Mylord, leben Sie wohl. Sie haben mir viele Freude gemacht. Kommen Sie bald zu mir, diesen Abend noch zu Tische. Ich könnte Sie fast lieb haben. (Wild ab.) Nun ist mirs wohl. Ha! Ha! Bushy und Hubert, liegts schwer auf Euch? Gesegnet sey der König! – Geh doch! Es macht mir recht kindische Freude. Der Mensch da ist mir nur halb recht. Er hat so was fatales und starkes in seinem Wesen, just wie Bushy. Das weiß der Teufel! – Ich muß doch meiner Miß die Freude erzählen. (ab.)


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