Bonaventura
Nachtwachen
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Anhang

1.

Briefe

Schellings Sohn an J. H. Fichte über die »Nachtwachen«.

Eßlingen 30. April 1858.

Hochzuverehrender Herr Professor!

Hier folgt die Varnhagensche Notiz über die muthmaßliche Entstehung des fraglichen Romans mit bestem Dank zurück. Ich war erst vorgestern in Stuttgart, wo mir mein Vetter, der Garnisonsprediger, die Karte mittheilte, auf der Sie mich um Zurückgabe jener Notiz angingen. Ich bearbeite gegenwärtig für den Druck Schellings Philosophie der Kunst, die er 1802/03 in Jena, und, wie ich vermuthe, im Jahr 1804 zum zweitenmal in Würzburg vortrug. Diese Schrift ist nach Inhalt und Form von der Art, d. h. so merkwürdig, daß, wenn Schelling, wie der Verf. jener Angaben über die Entstehung des Romans supponirt, damals sich »in ziemlicher Geldverlegenheit« befunden hätte, man nicht einsieht, warum er nicht damals diese Philosophie d. K. herausgab, wodurch er sich zweifelsohne viel mehr Geld gemacht hätte, als indem er den Roman, wie Varnhagen voraussetzt, um Geld zu bekommen für Dienemann schrieb. Da Schelling die Philosophie der Kunst noch im Jahre 1852 in seinem Mémoire über seinen handschriftlichen Nachlaß für theilweise druckwürdig erklärte, wie sollte er sie damals nicht für druckwerth geachtet haben? – Bis jetzt habe ich keine Spur gefunden, welche Schellings Autorschaft jenes Romans anzeigte, obgleich aber die Philosophie der Kunst, in welcher auch die (moderne) Poesie seiner Zeit kritisirt wird, Aehnlichkeiten mit dem besagten Roman zeigen sollte, wenn derselbe Schelling zum Urheber hat. Hat mein sel. Vater jene Nachtwachen Bonaventuras verfaßt, so verdanken sie ihren Ursprung sicher nur Schellings Humor, der sich in dieser Weise auslassen wollte, ohne alle Nebenabsicht; da ihm aber zugleich daran lag, sich als Verfasser nicht zu bekennen (indem er nur Werke der Wissenschaft unter seinem Namen ausgeben wollte) – so konnte er nichts besseres thun, als die launige Arbeit Dienemann zu überlassen. Vielleicht findet sich noch irgendwo im Nachlaß Schellings ein Beleg für seine Autorschaft; vor der Hand muß alles Muthmaßung bleiben.

Indem ich mein Bedauern darüber ausdrücke, Ihren Besuch versäumt zu haben, und von Herzen wünsche, daß Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin sich wohl befinden, bin ich Ihr

gehorsamster
F. Schelling.

Rudolf Seydel an Prof. Weiße in Leipzig.

Berlin, d. 12. Oct. 1858.

Geehrtester Herr Professor.

Gewiß bin ich nicht der erste, der Ihnen die traurige Nachricht von dem plötzlichen Tode Varnhagens bringt. Ich habe Unglück mit meinen Besuchen ... Die »Nachtwachen« hatte ich Sonntag Nachmittag schon in der Tasche, verschob aber den Besuch, weil ein anderer mich länger als ich dachte aufhielt – denselben Sonntag Abend ist er über dem Schachspiel durch einen Schlaganfall hinweggenommen worden. Heute lese ich die Nachricht, indem ich zum zweiten Male mich zu dem Besuche rüste. Das Buch, das nunmehr an sich selbst und mit Namensinschrift usw. im Werte steigt, glaube ich zurückbehalten zu müssen, da es Ihnen vielleicht als Andenken willkommen wäre – wenn Sie nicht mir von Neuem auftragen, es den Hinterlassenen zu überbringen. – – – –

2.

Des Teufels Taschenbuch

Man hat sich in den Taschenbüchern bereits dergestalt erschöpft, indem es außer den historischen, poetischen und dergleichen schlechthin, noch eine Menge für das weibliche Geschlecht, für die elegante Welt u. s. w. u. s. w. gibt, daß es in der That nothwendig erscheint, mit dem Publikum zu wechseln, weshalb denn diesem T eufels Taschenbuche, welches zur Ostermesse erscheinen wird, hier eine flüchtige Erwähnung eingeräumt ist.
Bonaventura.

Einleitung

Meine Brüder! (ich rede die Teufel an) es gibt auch außer unserm eigenthümlichen Reiche noch manches Interessante, und die Erde selbst wirft ein Uebriges aus, was in moralischer oder ästhetischer Hinsicht für einen Teufel leicht von Wichtigkeit sein dürfte. Einseitigkeit ist das Grab der Bildung; schaut euch nur unter den Menschen um, wie sie alle nach Universalität jagen, wie kein Schuster mehr bei seinem Leisten bleibt, jedweder Hofschneider nebenzu auch zum Staatsschneider sich auszubilden sucht, wie alles auf der Erde im Treiben und Jagen begriffen ist, jeder Einzelne alle Hände voll zu thun hat, die Füße und den Kopf nicht ausgeschlossen, um möglichst das Ganze zu repräsentiren. – Soll denn der Teufel allein in dieser Universalität zurückbleiben? – Beim Teufel, nein!

Doch aber ist es bis jetzt mit unserer wissenschaftlichen Bildung schlecht bestellt, zu einer schönen Literatur, in dem Sinne, wie Schlegel davon redet, ist noch gar kein Anfang gemacht, eben so wenig wie zu einer häßlichen; denn ich bin zweifelhaft, ob wir vermöge unserer individuellen ästhetischen Anlagen zu der erstern überhaupt tendiren können. – Gesteht es, meine Brüder, wir sind im Ganzen ziemlich zurück, weshalb uns die Menschen denn auch nicht sonderlich mehr fürchten oder achten und selbst auf unsere Kosten Sprüchwörter einzuführen wagen – als dummer Teufel! armer Teufel! u. dgl.

Laßt uns diesen Schimpf von uns abzuwälzen versuchen, und zu dem Ende mindestens einige Versuche im Aesthetischen oder Antiaesthetischen anstellen. Ich zweifle mit Jean Paul, daß uns das erste sonderlich glücken wird, obgleich dieser Schriftsteller (den ich deshalb besonders schätze, weil er auch für uns ein Uebriges in seiner poetischen Schatzkammer niedergelegt hat, und neben dem goldführenden Strome, den er durch das Paradies zieht, wie Dante auch einen siedenden schwarzen Styx und Phlegeton in die Unterwelt hinabbrausen läßt;) uns allerdings einen großen Humor zugesteht, und nur unser Lachen zu peinigend findet, was sich indeß mit dem Karakter des Teufels sehr wohl verträgt. –

Wir wollen deshalb von diesem peinigenden Lachen einiges in literarischer Hinsicht auswerfen, und ich kündige zu dem Ende mein Taschenbuch an, das das erste ursprünglich für Teufel bestimmte ist, bei dem ich aber auch den geheimen Wunsch hege, daß es sich, obgleich eine verbotene Waare, glücklich durch die literarischen Thorsteher und Visitatoren auf der Erde schleichen möge, um auch dort in dem Buchhandel verbreitet zu werden. Ja es dürfte, noch der jetzigen Humanität des Zeitalters, die sich auch auf den Teufel erstreckt, selbst dort einigen Nutzen stiften, indem das Lachen ein giftabtreibendes Mittel seyn soll, welches, in physischer Hinsicht, italienische Bravo's beweisen, die, wie man sagt, durch einen anhaltendes Lachen erregenden Kitzel, die aqua toffana von ihren auf diese Weise Gefolterten sich zu verschaffen wissen.

Zu guter letzt verspreche ich möglichst interessant in diesem Taschenbuche zu seyn, mich auch nicht so grell und ungebildet, wie die alten Teufel, zu betragen, was sich überhaupt für eine veredelte Bosheit keineswegs schickt; sondern vielmehr möglichst nach sächsischer Eleganz und Konduite zu streben, und meine Wahrheiten, die meinem Karakter als Lügengeiste getreu, freilich immer Unwahrheiten bleiben, und in welcher einzigen Rücksicht mich irdische Schriftsteller bisher nachgeahmt haben, möglichst mit spitzen Fingern anzugreifen, so daß ich in jeder gesitteten höllischen Gesellschaft ohne Bedenken gelesen werden kann. –

Sollte man von diesem allen indeß in vorliegendem Teufels Taschenbuche das Gegentheil vorfinden, so weiß man schon aus dem obigen, was man sich in Hinsicht auf Wahrheit und Lüge von mir zu versprechen hat.

der Teufel.


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