Heinrich von Kleist
Penthesilea
Heinrich von Kleist

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Dreizehnter Auftritt.

Penthesilea, Prothoe, Achilles, Gefolge von Griechen und Amazonen.

Achilles. (indem er der Königinn die Rüstung öffnet)
Sie lebt nicht mehr.

Prothoe.                         O mögt' ihr Auge sich
Für immer diesem öden Licht verschließen!
Ich fürchte nur zu sehr, daß sie erwacht.

Achilles.
Wo traf ich sie?

Prothoe.                   Sie raffte von dem Stoß sich,
Der ihr die Brust zerriß, gewaltsam auf;
Hier führten wir die Wankende heran,
Und diesen Fels just wollten wir erklimmen.
Doch sei's der Glieder, der verwundeten,
Sei's der verletzten Seele Schmerz: sie konnte,
Daß sie im Kampf gesunken dir, nicht tragen;
Der Fuß versagte brechend ihr den Dienst,
Und Irrgeschwätz von bleichen Lippen sendend,
Fiel sie zum zweitenmal mir in den Arm.

Achilles.
Sie zuckte – sahst du es?

Prothoe.                                 Ihr Himmlischen!
So hat sie noch den Kelch nicht ausgeleert?
Seht, o die Jammervolle, seht –

Achilles.                                             Sie athmet.

Prothoe.
Pelide! Wenn du das Erbarmen kennst,
Wenn ein Gefühl den Busen dir bewegt,
Wenn du sie tödten nicht, in Wahnsinn völlig
Die Leichtgereizte nicht verstricken willst,
So gönne eine Bitte mir.

Achilles.                                 Sprich rasch!

Prothoe.
Entferne dich! Tritt, du Vortrefflicher,
Tritt aus dem Antlitz ihr, wenn sie erwacht.
Entrück' ihr gleich die Schaar, die dich umsteht,
Und laß, bevor die Sonne sich erneut,
Fern auf der Berge Duft ihr niemand nahn,
Der sie begrüßte, mit dem Todeswort:
Du bist die Kriegsgefangene Achills.

Achilles.
So haßt sie mich?

Prothoe.                       O frage nicht, Großherz'ger! –
Wenn sie jetzt freudig an der Hoffnung Hand
Ins Leben wiederkehrt, so sei der Sieger
Das Erste nicht, das freudlos ihr begegnet.
Wie manches regt sich in der Brust der Frauen,
Das für das Licht des Tages nicht gemacht.
Muß sie zuletzt, wie ihr Verhängniß will,
Als die Gefangne schmerzlich dich begrüßen,
So fordr' es früher nicht, beschwör ich dich!
Als bis ihr Geist dazu gerüstet steht.

Achilles.
Mein Will' ist, ihr zu thun, muß ich dir sagen,
Wie ich dem stolzen Sohn des Priam that.

Prothoe.
Wie, du Entsetzlicher!

Achilles.                               – Fürchtet sie dies?

Prothoe.
Du willst das Namenlos' an ihr vollstrecken?
Hier diesen jungen Leib, du Mensch voll Greuel,
Geschmückt mit Reizen, wie ein Kind mit Blumen,
Du willst ihn schändlich, einer Leiche gleich – ?

Achilles.
Sag' ihr, daß ich sie liebe.

Prothoe.                                     Wie? – Was war das?

Achilles.
Beim Himmel, wie! Wie Männer Weiber lieben;
Keusch und das Herz voll Sehnsucht doch, in Unschuld,
Und mit der Lust doch, sie darum zu bringen.
Ich will zu meiner Königinn sie machen.

Prothoe.
Ihr ew'gen Götter, sag' das noch einmal.
– Du willst?

Achilles.               Kann ich nun bleiben?

Prothoe.                                                     O so laß
Mich deine Füsse küssen, Göttlicher!
O jetzt, wärst du nicht hier, jetzt sucht' ich dich,
Und müßt's an Herkuls Säulen sein, Pelide! –
Doch sieh': sie schlägt die Augen auf –

Achilles.                                                         Sie regt sich –

Prothoe.
Jetzt gilt's! Ihr Männer, fort von hier; und du
Rasch hinter diese Eiche berge dich!

Achilles.
Fort, meine Freunde! Tretet ab.

Das Gefolge des Achills. (ab)

Prothoe. (zu Achill, der sich hinter die Eiche stellt)
                                                    Noch tiefer!
Und eher nicht, beschwör' ich dich, erscheine,
Als bis mein Wort dich ruft. Versprichst du mir?
Es läßt sich ihre Seele nicht berechnen.

Achilles.
Es soll geschehn.

Prothoe.                       Nun denn, so merk' jetzt auf!


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