Heinrich von Kleist
Penthesilea
Heinrich von Kleist

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Sechster Auftritt.

Die Oberpriesterin der Diana (mit ihren) Priesterinnen (treten auf. Ihnen folgen) eine Schaar junger Mädchen (mit Rosen in Körben auf den Köpfen, und) die Gefangenen (geführt von einigen bewaffneten) Amazonen.

Die Oberpriesterinn.
Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfrau'n,
Laßt jetzt die Frucht mich eurer Wandrung sehn.
Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt,
Beschattet von der Pinie, sind wir sicher:
Hier schüttet eure Erndte vor mir aus.

Ein junges Mädchen. (ihren Korb ausschüttend)
Sieh', diese Rosen pflückt' ich, heil'ge Mutter!

Ein Anderes. (ebenso)
Hier diesen Schoosvoll ich!

Ein Drittes.                                   Und diesen ich!

Ein Viertes.
Und diesen ganzen üpp'gen Frühling ich!

Die andern jungen Mädchen. (folgen)

Die Oberpriesterinn.
Das blüht ja wie der Gipfel von Hymetta!
Nun solch ein Tag des Seegens, o Diana!
Gieng deinem Volke herrlich noch nicht auf
Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben;
Nicht von der Pracht, der doppelten, geblendet,
Weiß ich, wem schön'rer Dank gebühren mag.
Doch ist dieß euer ganzer Vorrath, Kinder?

Das erste Mädchen.
Mehr nicht, als du hier siehst, war aufzufinden.

Die Oberpriesterinn.
So waren eure Mütter fleißiger.

Das zweyte Mädchen.
Auf diesen Feldern, heil'ge Priest'rinn, erndten
Gefangne leichter auch, als Rosen, sich.
Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings,
Die Saat der jungen Griechen steht, die Sichel
Nur einer muntern Schnitterinn erwartend,
So blüht so sparsam in den Thälern rings,
Und so verschanzt, versichr' ich dich, die Rose,
Daß man durch Pfeile sich und Lanzen lieber,
Als ihr Geflecht der Dornen schlagen möchte.
– Sieh nur die Finger an, ich bitte dich.

Das dritte Mädchen.
Auf eines Felsens Vorsprung wagt' ich mich,
Um eine einz'ge Rose dir zu pflücken.
Und blaß nur, durch des Kelches Dunkelgrün,
Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur,
Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht.
Doch greif' ich sie, und strauchl' und sinke plötzlich
In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes
Glaubt' ich, Verlorne, in den Schoos zu sinken.
Mein Glück doch war's, denn eine Rosenpracht
Stand hier im Flor, daß wir zehn Siege noch
Der Amazonen hätten feiern können.

Das vierte Mädchen.
Ich pflückte dir, du heil'ge Priesterinn,
Dir pflückt' ich eine Rose nur, nur Eine;
Doch eine Rose ist's, hier diese, sieh!
Um eines Königs Scheitel zu bekränzen:
Nicht schöner wünscht Penthesilea sie,
Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt.

Die Oberpriesterinn.
Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt,
Sollst du die königliche Ros' ihr reichen.
Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt.

Das erste Mädchen.
Zukünftig, wenn, beim Cymbelnschlag, von Neuem
Das Amazonenheer ins Schlachtfeld rückt,
Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das versprichst du,
Durch Rosenpflücken bloß und Kränzewinden,
Den Sieg der Mütter zu verherrlichen.
Sieh, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieß schon,
Und sausend trifft die Schleuder mir das Ziel:
Was gilt's? Mir selbst schon blüht ein Kranz zusammen,
– Und tapfer im Gedräng' schon mag er kämpfen,
Der Jüngling, dem sich diese Sehne strafft.

Die Oberpriesterinn.
Meinst du? – Nun freylich wohl, du mußt es wissen.
– Hast du die Rosen schon drauf angesehn?
– Den nächsten Lenz, sobald sie wieder reif,
Sollst du den Jüngling, im Gedräng' dir suchen.
– Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen drängen:
Die Rosen schnell zu Kränzen eingewunden!

Die Mädchen. (durcheinander)
Fort zum Geschäfft! Wie greifen wir es an?

Das erste Mädchen. (Zur Zweiten)
Komm her, Glaukothoe!

Das Dritte. (zum Vierten)
                                        Komm, Charmion!

(Sie setzen sich paarweise)

Das erste Mädchen.
Wir – der Ornythia winden wir den Kranz,
Die sich Alcest mit hohen Büschen fällte.

Das Dritte.
Und wir – Parthenion, Schwester: Athenäus,
Mit der Medus' im Schilde, soll sie fesseln.

Die Oberpriesterinn. (zu den bewaffneten Amazonen)
Nun? Wollt ihr eure Gäste nicht erheitern?
– Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr Jungfrau'n,
Als müßt' ich das Geschäfft der Lieb' euch lehren!
Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen wagen?
Nicht hören, was die Schlachtermüdeten,
Was sie begehren? Wünschen? Was sie brauchen?

Die erste Amazone.
Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd'ge.

Die Zweite.
Bös' sind sie uns.

Die Dritte.                   Wenn man sich ihnen nahet,
So wenden sich die Trotzigen schmäh'nd hinweg.

Die Oberpriesterinn.
Ei, wenn sie bös' euch sind, bei unsrer Göttinn,
So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr
So heftig sie im Kampfgewühl getroffen?
Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu trösten:
So werden sie nicht unerbittlich seyn.

Die erste Amazone. (zu einem gefangenen Griechen)
Willst du auf weichen Teppichen, o Jüngling,
Die Glieder ruhn? Soll ich von Frühlingsblumen,
Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir,
Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?

Die Zweite. (eben so)
Soll ich das duftendste der Perseröle
In Wasser mischen, frisch dem Quell entschöpft,
Und dir den Staubbedeckten Fuß erquicken?

Die Dritte.
Doch der Orange Saft verschmähst du nicht
Mit eigner Hand dir liebend dargebracht?

Die drei Amazonen.
Sprecht! Redet! Womit dient man euch?

Ein Grieche.                                                   Mit nichts!

Die erste Amazone.
Ihr sonderbaren Fremdlinge! Was härmt euch?
Was ist's, da uns der Pfeil im Köcher ruht,
Daß ihr vor unserm Anblick euch entsetzt?
Ist es die Löwenhaut, die euch erschreckt? –
Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest du?

Der Grieche. (nachdem er sie scharf angesehn)
Wem winden jene Kränze sich? Sagt an!

Die erste Amazone.
Wem? Euch! Wem sonst?

Der Grieche.                           Uns! und das sagt ihr noch,
Unmenschliche! Wollt ihr, geschmückt mit Blumen,
Gleich Opferthieren, uns zur Schlachtbank führen?

Die erste Amazone.
Zum Tempel euch der Artemis! Was denkt ihr?
In ihren dunkeln Eichenhayn, wo eurer
Entzücken ohne Maas und Ordnung wartet!

Der Grieche. (erstaunt, mit unterdrückter Stimme, zu den andern Gefangenen)
War je ein Traum so bunt, als was hier wahr ist?


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