Theodor Kirchhoff
Eine Reise nach Hawaii
Theodor Kirchhoff

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Elftes Kapitel

Gesellschaftliches Leben in Honolulu. – Verkehr unter den Deutschen. – Mischehen. – Cocktails und Poker. – Eine Stadt voll von Telephonen. – Kostspieliger Haushalt. – Kalakaua und seine Vorgänger. – Ein gewissenloser Herrscher. – Die zwei großen Revolutionen. – Claus Spreckels und Kalakaua. – Königliche Freudenfeste. – Ein zweiter Prinz Heinz. – Hula-Hulas im Boothause. – Ein Luau. – Geburtstagsbesuch bei der Königin Kapiolani. – Großer Empfang im Palast. – Neujahrsbesuche.

Während der nächsten zwei Wochen lernte ich das gesellschaftliche Leben in Honolulu näher kennen. Von meinen verheirateten Landsleuten wurde ich in ihre Familienkreise eingeführt, wo ich manchen sehr angenehmen Abend verlebte. Die meisten von jenen Deutschen waren Teilhaber bedeutender kaufmännischer Geschäfte, Inhaber großer Kommissionshäuser (die Zucker und Reis verschiffen, den Pflanzern Vorschüsse machen und sie mit Waren versorgen), Besitzer von Zuckerpflanzungen u.s.w. – mit einem Wort, reiche Leute. Die Einrichtung ihrer Wohnungen war ohne Ausnahme nicht nur äußerst bequem und dem tropischen Klima angemessen, sondern oft glänzend. Die geschmackvoll ausgestatteten geräumigen Zimmer, die vielen tropischen Pflanzen, die herrlichen Gärten mit ihren Rasenplätzen, Bosketts und Reihen prächtiger Königspalmen bewiesen, daß die in Honolulu wohnenden Deutschen die Kunst verstanden, ihr Leben dort durch eine anmutige Umgebung angenehm zu gestalten. Das deutsche Reich wird durch Herrn H.F. Glade, Teilhaber des großen Hauses H. Hackfeld & Comp., vertreten, der mir auf die liebenswürdigste Weise entgegenkam.

Die Gastfreundschaft, welche ich in Honolulu in so überreichlichem Maße genoß, hatte nichts von der Aufdringlichkeit und dem Großthun reicher Emporkömmlinge aufzuweisen. Wiederholt habe ich dort an größeren Gesellschaften teilgenommen, die so angenehm verliefen, als befände ich mich in den gewählten Kreisen einer großen deutschen Stadt, nicht in einem vom Weltverkehr fern entlegenen überseeischen Platze. Die Speisen und Getränke, die Aufwartung, Ausstattung u.s.w. – kurzum, alles und jedes, was von einer feinen Tafelrunde verlangt wird, war musterhaft. Nur der prangende lange Tischläufer, der als Blumenbeet auf der Tafel angebracht war, erinnerte mich daran, daß ich mich hier in einer Tropenstadt, nicht in Deutschland oder in Amerika aufhielt. Auffallend war auch die Abwesenheit von Damen bei Tisch. Dies erklärte sich dadurch, daß die Gastgeber hawaiische Frauen hatten, denen die deutsche Sprache nicht geläufig war, und die sich deshalb bei solchen Gelegenheiten am liebsten in ihre Gemächer zurückziehen.

Bei manchen von unseren in Honolulu ansässigen Landsleuten ist dies der Fall. Den vor einem Menschenalter dort eingewanderten Deutschen blieb, falls sie ihr Leben nicht als Junggesellen beschließen wollten, keine andere Wahl, als sich unter den Töchtern des Landes eine Gattin zu wählen. Nicht wenige von jenen brachten es zu hohem Wohlstand und Ansehn, sie bewegen sich in den besten Gesellschaftskreisen, und so war es ganz natürlich, daß ihre Töchter von später einwandernden Deutschen wieder zu Frauen genommen wurden. Auf den Sandwichinseln hat sich auf diese Weise eine Mischlingskaste gebildet, deren Nachkommen ganz und gar Hawaiier sein werden. Die zahlreichen Kinder in diesen Familien kann man, ohne zu übertreiben, als hübsch bezeichnen, und es befinden sich unter den herangewachsenen jungen Damen Schönheiten ersten Ranges. Manche von ihnen haben eine vorzügliche Erziehung in Deutschland oder in Amerika genossen; aber sie stehn trotzdem in der Gesellschaft vor den Vollblut-Weißen, welche die erste Rangstufe bilden, wenn auch nur in geringem Maße, zurück. Meistens sprechen sie englisch, wogegen ihre Mütter heute noch fast nur hawaiisch reden. Bemerkenswert ist, daß Mischehen weit häufiger von Deutschen als von Mitgliedern anderer europäischer Nationalitäten geschlossen werden.

Die liebenswürdige Aufnahme, welche ich in den deutschen Kreisen der Stadt Honolulu gefunden habe, ist mir eine angenehme Erinnerung geblieben. Wenn ich etwas an der großen Gastfreundschaft auszusetzen habe, so ist es der übermäßige Aufwand in seinen Weinen, wobei der Champagner eine große Rolle spielt und namentlich der unvermeidliche »Cocktail«, der sofort für den Gast von kundiger Hand zubereitet wird. Von letzterem Getränk habe ich in Honolulu in vier Wochen mehr zu mir nehmen müssen, als ich davon in San Francisco in 25 Jahren genossen habe. Das Pokerspiel, welches den Schluß fast einer jeden Abendgesellschaft bildet, stammt, ebenso wie der Cocktail, aus Amerika. Ich kann nicht umhin zu bemerken, daß das Pokerspielen seinen Verehrern eigentlich ein geistiges Armutszeugnis ausstellt, denn gebildete Männer sollten doch den Austausch des lebendigen Worts einem so anrüchigen Spiel vorziehen. Ohne Kartenspiel scheinen die Honoluluer überhaupt nicht leben zu können. Vom Könige Kalakaua herab bis zum Stiefelputzer spielt dort allewelt Poker, Sevenup, Kribbage und Skat. Nur das geistvolle Whist wird vernachlässigt.

Solche unter den deutschen Junggesellen, die in den großen Geschäftshäusern und Banken angestellt sind, halten in neuerer Zeit gern gemeinschaftlich Haus – drei oder vier von ihnen zusammen. Sie mieten eine große Wohnung, beschäftigen chinesische oder japanische Diener und Köche und führen ein recht zufriedenes Dasein, wobei Poker und Cocktails natürlich nicht zu den verbotenen Freuden gehören. In früheren Jahren bestand in Honolulu ein deutscher Klub, der aber infolge dieser Abgeschlossenheit der jüngeren Männer, die jetzt in kleinen Kreisen meistens unter sich verkehren, nicht länger bestehen konnte. Die ziemlich zahlreiche deutsche Mittelklasse (Gewerbtreibende, kleinere Kaufleute, Handwerker u.s.w.) hat einen Gesangverein Arion gegründet, von welchem mitunter recht hübsche Abendunterhaltungen veranstaltet werden. Deutsche Sitte, deutsche Sprache, Musik und Gesang werden dort gepflegt. In den Räumen des »englischen Klubs« finden die Fremden stets eine freundliche Aufnahme.

Daß Droschken in Honolulu beim Besuch abstatten unentbehrlich sind, wurde bereits erwähnt. Ist die Zeit zum Abschiednehmen gekommen, so wird durch das in jedem größeren Hause angebrachte Telephon eine Kutsche herbeigerufen, die sich, einerlei zu welcher Stunde in der Nacht, in kurzer Zeit einfindet. Ich möchte bezweifeln, daß es eine zweite Stadt in der Welt giebt, die im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viele Telephone aufzuweisen hat, wie Honolulu, wo ein solches zu jeder besseren Hauseinrichtung gehört. Viele Häuser besitzen sogar zwei Fernsprecher, weil es in Honolulu zwei Telephon-Linien giebt, die einander grimmig befehden, und man nicht immer sicher ist, mit einem bestimmten Instrumente eine Botschaft an die richtige Stelle senden zu können. In der Stadt giebt es tausend Telephone, die auch mit den auf der Insel Oahu liegenden Zuckerpflanzungen und Ansiedelungen in Verbindung stehn. Sogar der König entbietet oft seine Busenfreunde durch das Telephon zum Pokerspielen nach dem Palast. – Erwähnen muß ich noch die große Sicherheit in den Straßen und Wohnungen, bei Tage und in der Nacht. Niemand verschließt in Honolulu des Nachts seine Hausthür oder sein Schlafzimmer. Raubanfälle oder Diebereien sollen dort so gut wie gar nicht vorkommen. Es mag dies daran liegen, daß es für einen Spitzbuben außerordentlich schwierig ist, von den Inseln zu entweichen, denn es wäre merkwürdig, wenn die zahlreichen Chinesen, Portugiesen, Mischlinge u.s.w., die doch die Ehrlichkeit gewiß nicht auf ihre Fahne geschrieben haben, in Hawaii samt und sonders Muster der Tugend geworden sind.

Die Führung des Haushalts ist in Honolulu recht kostspielig. Eine größere Familie, die zur besseren Gesellschaftsklasse gehört, ist gezwungen, mehrere chinesische Diener, einen Kutscher, Koch und Gärtner, die jeder einen Wochenlohn von 5 bis 7 Dollars erhalten, und außerdem noch eine Gouvernante und ein Kindermädchen anzustellen. Die Wäsche ist für Familien mit zahlreichen Kindern sehr teuer, da diese ihre Kleider wegen des feuchtwarmen Klimas täglich oft zwei Mal wechseln müssen. 500 bis 700 Stück Wäsche in einer Woche ist nichts Außergewöhnliches! Die laufenden Ausgaben stellen sich für eine solche Familie, die anständig Haus halten will, auf 10 000 bis 12 000 Dollars das Jahr. Alle feineren Lebensmittel werden aus San Francisco eingeführt. Die Preise von Fleisch, Federvieh, Gemüse, Butter und Eiern, von eingemachten Früchten u.s.w. sind sehr hoch. Unter den einheimischen Früchten sind Ananas und die wohlschmeckenden kleinen Erdbeeren besonders hervorzuheben. Letztere gleichen den deutschen Walderdbeeren und gelangen während zehn Monaten im Jahr zur Reife. –

Den Mittelpunkt für Tafelfreuden, Pokerspiel, zügellose Gelage u.s.w. bildet His Majesty, der aber in neuerer Zeit, infolge seiner etwas knapper gewordenen Geldmittel, nicht mehr so flott wie ehedem über die Stränge schlagen kann. David Kalakaua I. wurde nach dem Dahinscheiden seines Vorgängers Lunalilo durch den Einfluß der Weißen, insbesondere durch den der Missionäre, am 13. Februar 1874 zum Könige gewählt. Die alte Königsfamilie der Kamehamehas ist fast ausgestorben, weshalb zu einer Neuwahl geschritten wurde. Die Kanaken hätten gern die seitdem verstorbene, sehr beliebte Königin Emma, die Gemahlin des vorletzten Kamehameha, auf den Thron gesetzt, die aber den Weißen nicht genehm war. Die Wahl fiel auf Kalakaua, der von einem hohen Häuptling (Alii) abstammt. Von den Kanaken wird Kalakaua nicht besonders hoch geschätzt, aber sie geben sich mit ihm zufrieden, weil kein besserer Mann als er zu finden ist, der das Scepter Kamehamehas des Großen tragen kann. Auf den Sandwichinseln ist überdies der Einfluß der Amerikaner maßgebend, und da die große nordamerikanische Republik die Inseln nicht in Besitz nehmen will und gegen Kalakaua als Herrscher nichts einzuwenden hat, so sitzt dieser trotz seiner unwürdigen Amtsführung bis jetzt noch ziemlich sicher auf seinem Thrönchen.

Von dem Vorgänger Kalakauas, dem Könige Lunalilo, erzählt man sich Geschichten, die kaum sauberer sind als die, welche das Sündenregister des jetzigen Kanakenherrschers bilden. Daß Lunalilo, trotz seiner wie es heißt hohen geistigen Anlagen, oft frühmorgens im Rinnstein lag und in den Palast getragen werden mußte, war das Geringste, was man ihm nachsagte. So etwas kommt bei dem gegenwärtigen Beherrscher der Sandwichinseln allerdings nicht vor, denn dieser läßt sich so leicht nicht unter den Tisch trinken. Die Liederlichkeit und Trunksucht und das in Geldangelegenheiten außerordentlich weite Gewissen Kalakauas sind sprichwörtlich geworden. Die Zeitungen in Honolulu reden ganz unverfroren über ihn und zwar in einer Sprache, die in Rußland den Herren Herausgebern unbedingt hundert Knutenhiebe und freie Beförderung nach Sibirien, in anderen monarchisch regierten Ländern zum mindesten eine Ausweisung verschaffen würde. Aber im Königreiche Hawaii kann man straflos alles mögliche mit Druckerschwärze in die Welt schicken. Spottgedichte auf Kalakaua werden in Honolulu in den Buchläden ohne Scheu verkauft. Von seinen krummen Geldgeschichten ist der zweimalige Verkauf derselben Opiumlizenz, jedesmal für sage 71 000 Dollars an zwei Chinesen kurz nacheinander, vielleicht die empörendste gewesen. Wie viel Kalakaua von dieser Summe selbst eingeheimst hat, läßt sich nicht nachweisen, da er anderen Leuten die Schuld in die Schuhe schob. Jedenfalls steckten er und seine Busenfreunde die doppelt erhobene Summe ganz ruhig in die Tasche, und der betrogene Mongole, welcher die Erlaubnis zum Opiumverkauf, über welche bereits verfügt worden war, rechtmäßig zu erwerben vermeinte, soll sich infolge des Schwindels sogar das Leben genommen haben. Dieser allem Rechtsgefühl Hohn sprechende Handel hätte sich allenfalls für einen chinesischen Mandarin oder für einen türkischen Pascha, nicht für den Herrscher des unter civilisierten Gesetzen regierten Königreichs Hawaii gepaßt.

Im Jahre 1887 trieb Kalakaua es so arg, daß unter den in Honolulu lebenden Weißen eine Revolution gegen ihn ausbrach, an deren Spitze die aus 2500 Mitgliedern bestehende sogenannte Reform-Partei stand, welche namentlich die unsinnigen Geldausgaben verringern wollte. Sein Hauptratgeber, ein gewisser Gibson, wurde fortgejagt und flüchtete nach San Francisco, wo der Biedermann bereits das Zeitliche gesegnet hat. Eine Massenversammlung der Bürger unterbreitete dem Könige eine Klageschrift, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Die bewaffnete Legion der Weißen (Honolulu Rifles) besetzte die Stadt. Als Kalakaua sein Kriegsheer von 75 Mann zur Verteidigung des Palastes herbeirief, meldeten sich von den kühnen Soldaten nur dreizehn Mann, von denen sich schließlich noch elf unsichtbar machten, so daß die zum Kampf bereite Armee gerade aus zwei Grenadieren bestand. Wohlweislich kroch Kalakaua nun zu Kreuz. Sein ganzes Ministerium mußte abdanken und einem anderen Platz machen, und er unterzeichnete ohne weitere Flausen (am 6. Juli 1887) die ihm vorgelegte neue Konstitution, welche seine Rechte bedeutend beschnitt. In seiner schriftlichen Antwort auf die Klageschrift bestritt er freilich die Gerechtigkeit der Anklage über die doppelt erhobene Opiumlizenz, erklärte sich aber bereit, die Entscheidung darüber dem neuen Ministerium zu überlassen, das die Zurückzahlung der in Frage stehenden Summe von verantwortlichen Personen anordnen sollte. Im Oktober 1888 entschied das Obergericht, daß die gesetzwidrig dem Chinesen abgenommenen 71 000 Dollars aus dem Vermögen des Königs zurückerstattet werden müßten, womit sich Kalakaua schließlich zufrieden gab.

Am 30. Juli 1889 fand eine Gegenrevolution in Honolulu statt, die aber ein schmähliches Ende nahm. Ein Mischling mit Namen Wilcox, der auf Kosten der hawaiischen Regierung in der Kriegsakademie in Mailand erzogen worden war, zettelte eine Verschwörung an, um den Eingeborenen die Regierungsgewalt, welche diesen von den Weißen so ziemlich genommen worden war, wieder in die Hände zu spielen. Er hatte etwa 250 Freiwillige bewaffnet, steckte sich in eine bunte italienische Uniform und besetzte bei Tagesanbruch den Palasthof. Eine Kanone, die innerhalb des von einer acht Fuß hohen festen Mauer eingeschlossenen Hofes stand, wurde auf die Stadt gerichtet, aber das Schloß, welches ein Lieutenant Parker mit wenigen Soldaten wacker verteidigte, vermochte Wilcox nicht in seine Gewalt zu bringen. Nach einiger Zeit nahmen fünf Deutschamerikaner den Kampf von den umliegenden Gebäuden auf und schossen die Bemannung des Geschützes nieder. Als die Honolulu Rifles sich jenen anschlossen, nahmen die meisten Rebellen Reißaus, oder sie ergaben sich, und schließlich flüchtete sich Wilcox mit 40 Mann, dem Reste seiner Bande, in das Bungalow, einen innerhalb der Ringmauer stehenden im indischen Stil erbauten Sommerpavillon der Königin. Mehrere Dynamitpatronen, die ein im Ballspiel geübter Amerikaner (ein berühmter Baseball Pitcher) geschickt vom Dache des Opernhauses auf das Dach des Bungalow schleuderte, wodurch dieses in Stücke gerissen ward, bewirkte die schleunige Übergabe des Restes der Aufrührer, die ein weißes Bettuch der Königin als Friedenszeichen aus einem Fenster flattern ließen. Der Verlust der Rebellen auf dem Schlachtfelde betrug 7 Tote und 12 Verwundete – sämtlich Kanaken.

Während des Kampfes hielt sich Kalakaua in seinem Boothause auf, wo er von 12 Veteranen seiner Leibgarde beschützt wurde. Daß er, wie manche behaupteten, bei dieser Revolution die Hand im Spiele hatte, ist sehr unwahrscheinlich, weil dieselbe sowohl gegen ihn als gegen seine weißen Ratgeber gerichtet war. Hieß es doch, Wilcox beabsichtige den König gefangen zu nehmen, ihn zur Abdankung zu Gunsten seiner Schwester Liliuokalani zu zwingen, die Konstitution zu ändern und ein neues Kabinett einzusetzen. Auch gab der König die feierliche Erklärung ab, daß er mit dem Herrn Wilcox nichts zu thun haben wolle. Wie dem auch sei: diese Revolution der Kanaken, die einen ausgezeichneten Text für eine opera bouffe abgeben würde, war sehr schlecht vorbereitet und konnte unmöglich gelingen. Nötigenfalls hätten die Marinemannschaften des im Hafen liegenden V. St. Kriegsdampfers Adams, die sofort nach dem amerikanischen Konsulat rückten und in der Stadt Patrouillendienste versahen, die Aufrührer zu Paaren getrieben. Unangenehme Nachklänge für die Aufrührer hatte die Empörung nicht. Wilcox, der heute in Honolulu wieder eine große Rolle spielt, wurde gar nicht bestraft, die Toten bestattete man, die Fensterscheiben wurden wieder eingesetzt – und damit war die Revolution der Kanaken zu Ende. Eine Folge der Wilcox-Revolution war die Beschränkung des hawaiischen Kriegsheeres von 75 auf 31 Mann im Mai 1890, da die Gefahr, welche dem Lande durch das Bestehen einer großen Armee drohte, augenscheinlich geworden war. Kalakaua gab, trotz seiner Neigung zur Entfaltung militärischen Pomps, mit anerkennenswerter Bereitwilligkeit seine Einwilligung zur Verkleinerung des Heeres um mehr als 50 Prozent, – ein nicht genug zu schätzendes Beispiel für die Abrüstung der gewaltigen stehenden Heere in Europa.

Kalakaua kam die zweite Revolution gewiß sehr ungelegen, denn er wünscht nichts mehr als daß man ihn in Ruhe lasse, damit er sich nach Herzenslust amüsieren kann. Daß seine Mittel ihm dies nicht mehr so erlauben, wie es früher der Fall war, ist heute seine größte Sorge. Trotz eines Jahreseinkommens von etwa 80 000 Dollars hat jener kaffeebraune König in der Südsee Schulden wie ein Major, die sich auf ungefähr 250 000 Dollars belaufen. Seit der ersten großen Revolution wird ihm jährlich eine Summe Geld von seinem Einkommen abgezogen, so daß er seine Schulden allmählich begleichen muß, was ihm gewiß sehr unbequem ist. –

Claus Spreckels, der schon öfters erwähnte »Zuckerkönig« in San Francisco, von dem Kalakaua für Rechnung des Königreichs Hawaii große Summen geliehen hatte, überwarf sich mit dem Beherrscher der Sandwichinseln, als dieser im Jahre 1887 zwei Millionen Dollars in London anstatt von ihm zu borgen versuchte. Der über die Winkelzüge seines königlichen Schuldners entrüstete Spreckels gab jenem einen Orden verächtlich zurück (Kalakaua ist mit Ordensverleihungen außerordentlich freigebig, namentlich wenn der Empfänger für die Auszeichnung bezahlen muß!) und sprach bei dieser Gelegenheit, während er dem Könige den rechten Zeigefinger vor die Nase hielt, die geflügelten Worte: »you lie, your Majesty!« – Etwas weniger schroff hatte Spreckels früher einmal über seinen königlichen Freund den Ausspruch gethan: »Der König ist ein ganz guter Kerl, aber er hat mehr Ähnlichkeit mit einem Schuljungen als mit einem Herrscher und Staatsmann.« Während einer Reihe von Jahren hatte der plattdeutsche californische Zuckerkönig sehr gute Geschäfte mit Kalakaua gemacht, worunter die Lieferung von einer Million Silberdollars, die Claus in San Francisco prägen ließ, nicht das schlechteste war. Für diese Silberdollars, welche nur einen Metallwert von ungefähr 85 Cents das Stück haben, erhielt Spreckels eine Million Dollars in sechsprozentigen hawaiischen Gold-Bonds. Als Kalakaua andere Verbindungen anknüpfte, war es mit der Freundschaft zwischen den beiden Königen natürlich vorbei.

Trotzdem Kalakaua jetzt nicht mehr die Mittel besitzt, um so kostspielige Feste wie ehedem zu veranstalten, läßt er doch keine Gelegenheit vorübergehen, um recht heitere Gesellschaftsabende und wüste Gelage anzuordnen. Das großartigste Fest fand zur Zeit der letzten Krönungsfeier im Februar 1883 statt, das volle vierzehn Tage dauerte, wobei die Schmausereien und zügellosen Ausschweifungen so gegen Anstand und Sitte verstießen, daß wohlweislich nur bei der eigentlichen Krönung den Weißen der Zutritt im Palast gestattet wurde. Die schmutzigen Vorgänge, welche sich damals im Königspalast unter den Kanaken abspielten, haben, wie man mir in Honolulu erzählte, schwerlich in der Neuzeit in irgend einem Lande der Welt ihresgleichen gefunden.

Heutzutage sind die Offiziere der im Hafen von Honolulu liegenden fremden Kriegsschiffe die bevorzugten Gäste Kalakauas, namentlich die Amerikaner, mit denen dieser sich möglichst gut zu stellen sucht. Nicht nur spielen die amerikanischen Seeoffiziere, die stets mit Geld reichlich versehen sind, gern Poker; Kalakaua weiß auch, daß der gerade in Honolulu anwesende Befehlshaber der amerikanischen Kriegsschiffe von seiner Regierung den Auftrag hat, jeden Staatsstreich und jede dort stattfindende Unruhe sofort mit Waffengewalt zu unterdrücken, und daß jener keinen Spaß versteht. Weht einmal das Sternenbanner über dem Palast und besetzen die Theerjacken Onkel Sams mit ihren Gattling-Kanonen die ihnen in Honolulu für einen solchen Fall längst angewiesenen Plätze, so ist es wohl mit der Herrlichkeit Kalakauas auf immer vorbei. In Honolulu sind die amerikanischen Seeoffiziere und Matrosen unter allen fremden Seeleuten weitaus die beliebtesten, weil sie ohne Ausnahme viel Geld ausgeben. Während von der Besatzung eines amerikanischen Kriegsdampfers mindestens 25 000 Dollars in einem Monat verausgabt werden, bringt es die Besatzung eines englischen Dampfers nur auf 4000, höchstens auf 5000 Dollars. Die russischen Seeoffiziere sind auch reichlich mit Geld versehen, und über einen »Chilenen«, der vor einigen Jahren Honolulu besuchte, war man des Lobes voll. Die Deutschen und Franzosen sind die allerschlechtesten Kunden.

Die Gastmähler im Palast werden bald zu Ehren dieses, bald zu Ehren jenes Seeoffiziers veranstaltet. Auch giebt die königliche Kapelle ihnen zu Ehren mitunter ein Konzert, was allemal vorher durch die Zeitungen bekannt gemacht wird. Bei den Tanzvergnügungen (Hops) im Hawaiian Hotel spielen die fremden Offiziere die Hauptrolle. Kalakaua erscheint dort auch, und zwar im schwarzen Gehrock und ohne Orden, und läßt sich die Fremden vorstellen. Jedermann redet ihn« Your Majesty« an, und zwar ganz vertraulich, wie man z.B. jemanden in Amerika »Captain« oder »Colonel« betitelt, ohne dabei an Ehrfurcht zu denken. Fremde zu empfangen, hat Kalakaua bei seinen Besuchen in den Vereinigten Staaten und während seiner Reise um die Welt (im Jahre 1881) an den auswärtigen Höfen gut gelernt. Er spricht fließend englisch, und seine stattliche Erscheinung, sein würdevolles Benehmen, das er bei solchen Gelegenheiten hervorkehrt, haben schon manchen, der seine Eigentümlichkeiten nicht kennt, für ihn eingenommen. Kalakaua, der am 16. November 1836 geboren wurde, sieht noch sehr rüstig aus, und man könnte ihn für einen Vierziger halten. Noch besser als er versteht sein Ceremonienmeister J-au-kéa die Würde zu wahren. J-au-kéa ist ein Mischling-Kanake von auffallend männlicher Schönheit. Im Umgang zeigt er seine aristokratische Manieren. Eine Stellung als Ceremonienmeister würde er an jedem europäischen Hofe mit Glanz ausfüllen.

Die Königswürde wird dem Beherrscher der Sandwichinseln mitunter recht lästig, und in lustiger Gesellschaft entpuppt er sich als der wahre Prinz Heinz. Einen praktischen Scherz nimmt er durchaus nicht übel, weshalb er den Amerikanern, die ihn sozusagen auf Du und Du behandeln, auch gut gefällt. »He is a splendid fellow!« (er ist ein prächtiger Kerl) hörte ich öfters bemerken. Eines Abends hatte ich bei einem großen Ballfest im Hawaiian Hotel, wobei auch Kalakaua anwesend war, als Zuschauer auf der Veranda Platz genommen. Ich bewunderte die bunt schillernden Gewänder und die Junonischen Gestalten der weißen und der bräunlich angehauchten, mit Rosen geschmückten Damen der feinen Welt Honolulus, das farbenreiche Gepränge in den von elektrischen Glühlampen erleuchteten Räumen und das Menschengewoge, und lauschte den Tanzweisen des vortrefflichen Orchesters – als der König in meiner Nähe in eins der offen stehenden kleinen Gemächer trat, wo ein halbes Dutzend mit Wein gefüllte Karaffen, Gläser u.s.w. auf einem kleinen Tisch standen. His Majesty öffnete nacheinander drei Flaschen, roch hinein und steckte die Glaspfropfen mit sichtlichem Widerwillen wieder in den Hals derselben, denn Sherry und Port war entschieden nicht, was er suchte. Mit den Fingern laut schnippend rief er einem chinesischen Aufwärter zu: »John, bring me some Gin!« was der schlitzäugige Mongole denn auch prompt besorgte. Nachher setzte sich Kalakaua mit einigen Amerikanern in dasselbe Zimmer, spielte dort bei offenen Thüren Poker, trank Champagner, riß Witze u.s.w., ohne der während der Tanzpausen oft auf der Veranda dicht bei ihm vorbei wandelnden Ballgesellschaft die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Der an der Flasche riechende König der Sandwichinseln ist mir lebhaft in der Erinnerung geblieben. Er trinkt nur Gin und Sekt, wovon er unglaubliche Massen zu vertilgen vermag.

Gelegentlich veranstaltet Kalakaua für gewählte Gäste eine Abendunterhaltung in seinem Boothause, wobei es herrlich und in Freuden hergeht. Champagner fließt dort in Strömen, Poker wird bis an den hellen Morgen gespielt, und die Hula-Hulas sorgen für das verfeinerte Vergnügen. Der Tanz dieser kaffeebraunen Schönen ist das Gemeinste, was mir je vorgekommen. Die Tanzmädchen, welche das Haupt und die nackten Schultern mit Rosen und Epheu umwunden haben, tragen in der Regel ein breites scharlachenes Gürtelband. Der fast entblößte Busen lugt verführerisch zwischen Rosen und Jasminen hervor. Sie tanzen erst langsam, dann bei lebhafterer Musik immer rascher mit schlangenartigen Bewegungen gegeneinander hin und her. Die zitternden Glieder, die Zuckungen und namentlich die immer stärker werdenden Bewegungen der Bauchmuskeln sind ganz unbeschreiblich. Dabei greifen die Kanakamädchen fortwährend mit den Händen in die leere Luft, als wollten sie jemanden umarmen. Der Tanz gipfelt in einer Verzückung und Raserei, die den höchsten Grad der Sinnlichkeit kennzeichnet. Die Tarantella-Tänzerinnen auf Capri sind im Vergleich mit den Hula-Hulas sittsame Jungfrauen, ein Cancan ist das reine Menuett! Kalakaua wirft den angeheiterten Schönen gelegentlich einen Silberdollar vom Pokertisch zu, seine Gäste folgen seinem Beispiel, und wenn der lichte Tag frühmorgens in die Fenster des Boothauses schaut, so ist dort eine zügellose Wirtschaft, an welcher Sardanapal seine helle Freude gehabt hätte. In einer nur den Fremden zugänglichen, einsam liegenden Badeanstalt, die man über einen langen Holzsteg erreicht, wird auch allabends ein Hula-Hula aufgeführt, bei welchem sich die Kanakamädchen aber nicht mit Rosen schmücken und wo möglich noch gemeiner tanzen als im königlichen Boothause. Hula-Hula ist allerdings durch die Gesetze verboten, – um der Moral nicht zu schaden! Der König und die Fremden bilden jedoch in dieser Beziehung eine Ausnahme.

Bei den kaum minder interessanten Luau-Festen der Eingeborenen sind Kalakaua, die Prinzen und die Damen des königlichen Hauses gern gesehene Gäste. Die Kanaken sitzen bei einem Luau im Kreise mit untergeschlagenen Beinen auf der Erde und gebrauchen beim Verspeisen der auf dem Boden zwischen Farnblättern und Blumen ausgebreiteten Gerichte statt Messer und Gabel nur ihre höchsteigenen Finger. Poi, Krabben, rohe Fische, Früchte aller Art und namentlich die in Gruben zwischen Blättern und heißen Steinen gebackenen saftigen jungen Pudel, Spanferkel und gemästete haarlose hawaiische Hunde, die mit Poi gefüllt sind, bilden die bevorzugten Gerichte. Während die Kanaken und die eingeladenen Gäste sich mit Tahiti-Limonade begnügen, trinkt Kalakaua Sekt. Zum Schluß eines Luau wird ein Hula-Hula getanzt, aber etwas sittsamer, als im königlichen Boothause. –

Am 31. Dezember holte mein alter Freund Paul mich zu einer Spazierfahrt nach Waikiki ab, wo wir die prächtigen Landsitze und die tropischen Parks einiger reichen Honoluluer in Augenschein nahmen und überall gastfreundschaftlich aufgenommen wurden. Plötzlich erinnerte mein Begleiter sich daran, daß heute der Geburtstag der Königin Kapiolani sei und forderte mich auf, mit ihm der hohen Frau einen Glückwunsch Besuch abzustatten. Wir waren allerdings beide für einen solchen Besuch nicht vorbereitet, und ich trug weder Frack noch weiße Halsbinde, sondern nur einen einfachen Reiseanzug aus blauem Flanell. Aber das that nichts zur Sache; die Königin, meinte Paul, würde über unser schlichtes Äußeres gütig hinwegsehen.

Bald befanden wir uns vor einem ziemlich gewöhnlich aussehenden Landhause und ließen uns durch einen jungen olivenfarbigen Kanaken, den Paul mit Prinz anredete, anmelden. Nachdem wir eine Zeitlang im geräumigen Vorzimmer gewartet und dort die hübschen Matten, das kunstvolle Flechtwerk, die Verzierungen aus Palmblättern, die Vasen, Nippsachen, Bilder u.s.w. gemustert hatten, trat die Gemahlin des großen Kalakaua in die Stube und stellte sich wie eine Bildsäule nahe bei der Thür auf. Die Königin war in ein loses Gewand aus billigem schwarzen Baumwollenstoff gekleidet und trug einen großen Epheukranz, von welchem zwei dicke grüne Stränge vorne über ihr Kleid bis fast auf den Boden herabfielen, um Hals und Busen. Königlich sah Kapiolani nun freilich nicht aus, aber die einfache Frau machte doch einen ganz guten Eindruck auf mich, als sie uns freundlich anlächelte.

Der Prinz übernahm die Rolle eines Dolmetschers, da die Königin der englischen Sprache nicht mächtig ist. Als er ihr meine Anrede ins Hawaiische übersetzte, »daß ich mich über ihr gutes Aussehen freue und wünsche. Sie möge ihren Geburtstag noch oft und in bester Gesundheit feiern«, ließ sie mir ihren Dank für meinen Besuch und für den Glückwunsch verdolmetschen, und nahm auch meine Entschuldigung wegen des blauen Flanellanzugs gnädig auf. Paul, der ihr eine ähnliche Ansprache durch den Prinzen zukommen ließ, schenkte ihr darauf zu meinem nicht geringen Erstaunen ein Fünf-Dollargoldstück zum Geburtstag, eine Aufmerksamkeit, welche die Königin freudig überraschte. Paul rannte mir zu, ich brauche ihr kein Geld zu geben. Es fiel mir auch gar nicht ein, der Königin, die ein jährliches Nadelgeld von 20 000 Dollars von ihren getreuen Unterthanen erhält und große Reichtümer besitzt, fünf Dollars zum Geburtstag zu schenken. So viel war mir der Besuch nicht wert! Das Geschenk sollte, wie mein Begleiter mir später mitteilte, eine gute Vorbedeutung sein. Die Kanaken bringen bei einem solchen Geburtstagsbesuch stets kleine Gaben mit, die sie der Königin zu Füßen legen: Hühner, Gänse und Enten, Eier, Bananen und andere tropische Früchte u. dergl. m. Mitunter trägt eine alte Kanakafrau ihr Lieblingsschwein, ein wohlgenährtes Ferkel, im Arm. Der sauber gewaschene kleine Grunzer wird nach den üblichen Glückwünschen und Verbeugungen vor der Königin auf den Teppich gesetzt, worauf er quiekend und schnüffelnd unter das Sopha oder aus der Thür läuft. Kapiolani schlägt kein Geschenk aus und freut sich, daß ihr treues Volk sie an ihrem Geburtstage nicht vergessen hat.

Die Neujahrsnacht verbrachte ich in dem gastlichen Hause eines deutschen Kaufmanns. Einen stärkeren Gegensatz, als die soeben beschriebene Vorstellung bei der Königin und diese gesellige Zusammenkunft, kann man sich kaum denken. Hier saß ich in einem ganz allerliebst in altdeutschem Stil eingerichteten kleinen Trinkzimmer unter liebenswürdigen Landsleuten, die meinen Bericht über den Geburtstagsbesuch bei Kapiolani mit fröhlichem Gelächter vernahmen. Wir tranken treffliche Rheinweine und gutes deutsches Bier und ließen die alte Heimat hoch leben. Mein Wirt erzählte, daß Kalakaua ihn einst in diesem selben altdeutschen Stübchen besuchte und den Rheinwein, der ihm eingeschenkt wurde, verächtlich zurückwies. His Majesty verlangte Gin und gab sich nicht eher zufrieden, bis eine Flasche Schiedam aus der Stadt geholt wurde. Die Jahreswende feierten wir mit dem Singen deutscher Lieder, mit Musik, Tanz und Gläserklang im Familienkreise meines liebenswürdigen Gastgebers.

Am Neujahrstage war großer Empfang im Palast Jolani. Jeder in Honolulu anwesende Fremde, der im Besitze eines Fracks war und den Wunsch hegte, Kalakaua vorgestellt zu werden, konnte diese Gelegenheit benutzen, den Herrscher der Sandwichinseln persönlich kennen zu lernen. Selbstverständlich war ich keiner von den letzten, der seinen Schniepel hervorholte und in einer Droschke nach dem Palast fuhr. Als ich dort anlangte, spielte die königliche Kapelle muntere Weisen im Palastgarten. Vor den weit geöffneten Thoren standen zwei braune Schildwachen in nagelneuen Uniformen. Ohne alle Förmlichkeiten stieg ich in Begleitung meines Freundes Paul, der mit mir gekommen war, die breite Freitreppe zur großen Vorhalle des Palastes hinan, wo eine zahlreiche Gesellschaft von angesehenen Bürgern der Stadt Honolulu, Offizieren der fremden Kriegsschiffe, Konsuln, Ministern, Reisenden u.s.w. in Uniform oder Frack auf und ab wandelte, während der höfliche Oberst Jaukéa seiner Thätigkeit als Hofceremonienmeister mit gewohnter Würde oblag.

Der Empfang fand im prächtigen, mit Blumen und tropischen Pflanzen geschmückten Thronsaal statt, wo an den hohen Wänden die Bilder der Kamehamehas und anderer Mitglieder der königlichen Familie in riesigen Goldrahmen hingen. An einem Ende des Thronsaals stand Kalakaua, seine breite Brust mit Orden geschmückt, neben ihm die Königin Kapiolani in einem mit großen bunten Blumen bestickten dunkelvioletten Seidenkleide. Unter den Anwesenden glänzten Sr. Excellenz John Owen Dominis, ein grauhaariger berühmter Pokerspieler, Befehlshaber des hawaiischen Heeres und Gouverneur der Insel Oahu, in voller Uniform, mit Goldschnüren und schweren Epauletten, die Prinzessin Liliuokalani (Schwester des Königs, Gemahlin von Dominis und Thronerbin) und die Prinzessin Victoria-Kawekiu-Kaiulani-Lunalilo-Kalaninui-Ahilapalapa (Tochter der verstorbenen Prinzessin Likelike und gewöhnlich kurzweg Prinzessin Kaiulani genannt), die Oberrichter und Minister. Der schöne Jaukéa, mit dem ich bereits bekannt geworden war, stellte die Fremden dem Könige und seiner Gemahlin vor. Eine Verbeugung der so Geehrten, ein würdevoller Gruß des Königs und mitunter einige nichtssagende Worte – das war alles. Kalakaua, der so stundenlang dastehen mußte, während sich die Bürger Honolulus und die Fremden der Reihe nach vor ihm verbeugten, sah ziemlich gelangweilt aus; Kapiolani hatte für jedermann ein freundliches Lächeln.

Nach der Vorstellung beim Herrscherpaar wanderte ich durch die Säle und bewunderte die wahrhaft fürstliche Ausstattung derselben, wobei ich nicht umhin konnte, das kleine Inselreich zu bedauern, das die gewaltigen Ausgaben für diese Pracht hatte herbeischaffen müssen, bloß damit ein Schlemmer auf dem Thrönchen seinen Größenwahn befriedigen konnte. Mein Freund Paul störte meinen polizeiwidrigen Gedankengang, indem er mich aufforderte, ihm in den Bankettsaal zu folgen, wo mir der König eine Privataudienz geben wollte. Paul, der früher in Hawaii Justizminister war und mit Kalakaua auf freundschaftlichem Fuße stand, stellte mich diesem als »Kollegen Ihrer Majestät« vor, Die ja auch mitunter Verse mache. Ich glaube, daß ich bei dieser grausamen Anspielung auf ein Talent, das heutzutage am liebsten im Verborgenen blüht, ein wenig errötete; auch schien Kalakaua von seiner Stellung als Dichter durchaus nicht erbaut zu sein. Wir wechselten einige höfliche Worte, und zum Schluß der Audienz geruhte die hawaiische Majestät, mich – und wen ich sonst von meinen Freunden mitbringen wollte! – zu einem Hofball und zu einem Hula-Hula im Boothause einzuladen.

Den Rest des Tages benutzten der Ex-Minister und ich dazu, Neujahrsbesuche zu machen. Wir kutschierten von einer Wohnung angesehener Honoluluer nach der anderen, besuchten den chinesischen und den japanischen Konsul und wurden überall mit der größten Liebenswürdigkeit empfangen. In jedem Hause mußten wir das neue Jahr mit Cocktails und Champagner einsegnen. Als der Abend heranrückte, weigerte ich mich bestimmt, weitere Besuche zu machen und noch mehr Gläser auf das Wohl Hawaiis zu leeren, obgleich Paul der Meinung war, daß die paar Dutzend Cocktails und Gläser Sekt, welche jeder von uns seit Mittag genossen hatte, in Honolulu gar keine Rolle spielten.


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