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VI.
Aus der Tiefe der Todes.

Und ob ich schon wanderte im finstern Thal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich.

Ps. 23, 4.

Den du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, mein Auge von den Thränen, meinen Fuß vom Gleiten.

Ps. 116, 8.

Mein Herz ängstet sich in meinem Leibe, und des Todes Furcht ist auf mich gefallen.

Ps. 55, 5.

Ich bin arm und elend, der HErr aber sorget für mich. Du bist mein Helfer und Erretter; mein Gott verziehe nicht!

Ps. 40, 18.

Was wird aus mir nach dem Tode? Wie wird es in der zukünftigen Welt sein? Wie soll ich mir den Himmel vorstellen? Werde ich fähig sein seine Seligkeit zu genießen? Werde ich dort ein Mensch sein oder nur ein Geist ohne Körper? – Darauf antwortet der Apostel Paulus, daß Christus, der Sohn Gottes, in die Herrlichkeit aufgenommen ward, nachdem Er im Fleisch Sich geoffenbart. Er sagt uns nicht, wie der Himmel ist, denn ob er gleich bis in den dritten Himmel entzückt ward, so ist es doch unaussprechlich gewesen, was er dort gesehen. Wir erfahren auch von ihm nichts über das zukünftige Leben. Alles, was er darüber sagt, ist: der Mensch Jesus Christus, der auf dieser Erde wandelte wie andere Menschen, ward in die Herrlichkeit aufgenommen, und Er hat Seinen menschlichen Geist, Sein menschliches Herz, Seinen menschlichen Leib nicht zurückgelassen. Er nahm mit Sich gen Himmel Seine ganze Menschheit, Geist, Seele und Leib, bis zu den Nägelmalen in Seinen heiligen Händen und Füßen und der Seitenwunde an Seinem heiligen Körper. Das ist genug für uns. Weil der Mensch Jesus Christus im Himmel ist, können wir Menschen auch gen Himmel aufgehoben werden. Denn wo Er ist, sollen wir sein. Und das wissen wir, daß wir ihm gleich werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.

*

Wenn du in Schrecken, Kummer und Sorge bist, ach, vielleicht in des Todes Rachen, weißt nicht, wohin dich wenden, dann wird der selige Gedanke: »Christus ist vom Tod erstanden« dir allein Trost und Stärke sein. Der HErr ist auferstanden, ein Mensch, mit Seinem menschlichen Körper und Geist, mit Seiner menschlichen Liebe und Freundlichkeit. So ist Er gen Himmel gefahren, und ist dort noch Mensch, wenn Er auch wahrhaftiger Gott ist von Ewigkeit her. Ja – Er stand vom Tode als Mensch auf, und darum kann Er mich verstehen und mit mir fühlen, jetzt im 19. Jahrhundert wie in alter Zeit, als Er in Judäa auf Erden wandelte. Wenn es im Tode dunkel um uns wird und die Welt vor unseren Augen schwindet, wenn wir davon müssen und wissen nicht wohin, und müssen alles zurücklassen, was wir kennen, lieben und verstehen, dann wird allein der Lichtgedanke: »Christus ist vom Tode auferstanden« uns bewahren vor dunklem Grübeln, vor Schrecken und Verzweiflung, oder vor stumpfer Gleichgültigkeit und vor dem Tode, den so viele sterben, dem Tode des unvernünftigen Tieres. Ja, Christus ist auferstanden, und ich werde auch auferstehen; Christus hat dem Tode für sich Selbst die Macht genommen und wird ihn für mich überwinden. Christus nahm Seinen menschlichen Körper und Geist aus dem Grabe mit zur rechten Hand Gottes, und Er wird mich am jüngsten Tage erwecken, auf daß ich auf ewig bei Ihm sein könne und Ihn sehen, wie Er ist. Ja, im Leben wie im Tode ist solcher Glaube das einzige, was uns erretten kann von Sünde, Verzagen und von dem Grauen vor dem unbekannten Jenseits.

*

Warum starb dieser? – so fragen wir oft. Der Tod jedes Menschenkindes muß seinen Grund, seinen endlichen Zweck haben, oder die Thatsache wäre einfach grauenerregend, Schriftzüge ohne Bedeutung, ein Skelett ohne Seele.

Warum starb er? – »Ich aber muß sein wie ein Stummer, der seinen Mund nicht aufthut, denn es ist alles Dein Wille.« So lautet der Begräbnispsalm der englischen Kirche. Laßt uns auch so beten: »Ich ward stumm«, nicht vor Wut oder Verzweiflung, sondern weil es Deine That war, und darum muß es wohlgethan sein. Es war nicht das Werk des Zufalls oder der Notwendigkeit; nein es war die That von dem Vater, ohne den kein Sperling zur Erde fällt, von dem Sohne, der am Kreuz starb in dem inbrünstigen Verlangen, zu retten, von dem heiligen Geist, der da ist der Lebensspender alles Geschaffenen. Es war die That unsres Gottes, dessen Freude das Leben ist und nicht der Tod, das Licht und nicht die Finsternis, die Ordnung und nicht die Gesetzlosigkeit, das Gute und nicht das Böse. Diese Seine That hatte einen Grund, eine Bedeutung, einen Endzweck, und dieser Zweck ist herrlich. Was Seine Absicht ist? Wir wissen es nicht, brauchen es auch nicht zu wissen. Uns mit Vermutungen, Voraussetzungen zu beschäftigen, das hieße sich einmischen in Dinge, die zu hoch für uns sind. So laßt uns stumm sein! Stumm, nicht aus Verzweiflung, sondern weil der Glaube uns die Lippen schließt. Stumm, nicht wie der Elende, welcher ermattet ist im Rufen nach der Hilfe, die nicht kommt, sondern stumm wie ein Kind, das zu der Mutter Füßen sitzt, zu ihrem Angesicht aufschaut, ihrem Walten zusieht – ohne es zu verstehen – dennoch sicher, daß alles in Liebe geschieht.

*

Wohl ist es wahr, daß in der Natur wie im Leben der einzelnen Menschen oft der Sonnenschein nach dem Sturm hervorbricht. Oft, sage ich – aber nicht immer; denn es ist eben so wahr, daß im Leben vieler Menschen Zeiten der Not kommen, wo Schlag auf Schlag, Welle auf Welle von den verschiedensten, unerwarteten Seiten einander folgen, bis alle Wogen Gottes über den Unglücklichen dahingegangen sind.

Wie armselig, wie hilflos erweisen sich doch in so dunklen Zeiten alle Versuche, auf sich selbst gestützt am Rande des Abgrundes im Sturm festzustehen, und durch die äußeren Verhältnisse zur Seelenstärke und Charakterfestigkeit zu gelangen.

Wohl scheint es einem Menschen leicht sich selbst zu erziehen, solange sein Leben bequem und glatt dahinfließt; wie aber, wenn er sich mit Macht in die dunklen Schickungen der Menschheit hineingeschleudert sieht, und durch Zweifel, Angst und finstern Schrecken aufgenommen in die Leidensverbrüderung, zu der die einfachste Arbeiterin ebenso gehört wie der geistreiche Mann, der seinen Einfluß noch auf die Seelen der kommenden Generationen ausübt.

Der Jude, der Heide ebenso wie der Christ, Männer der verschiedensten Religionen und Lebenszwecke – sei es Moses oder Sokrates, Augustin oder Muhamed, Dante oder Savonarola, Shakespeare oder Luther, Goethe oder Friedrich der Große – sie alle haben das Eine gemein, daß sie, einmal in ihrem Leben wenigstens, herabsteigen mußten zu dem bodenlosen Abgrund, und aus der tiefen Finsternis heraus die Frage aller Fragen stellen: »Giebt es einen Gott, und was hat Er mit mir vor?«

Wie aber, wenn einer, der selbst machtlos, sich in der Gewalt unsichtbarer, unvermeidlicher Mächte fühlt, nicht weiß, ob es der Zufall, die Notwendigkeit, oder ein böser Geist ist! Wird er Hilfe, Rettung finden, wenn er sich kalt und hart in sich selbst verschließt und ruft: »ich will's tragen und wenn das Weltall gegen mich aufstünde!« Wie tapfer das klingt, aber wer hat es durchgeführt?

Nein – es giebt nur ein Entrinnen, einen Spalt, durch den wir Licht sehen, einen Felsen, auf dem unsere Füße sicheren Standort finden können, selbst im Abgrund, und das ist der Glaube, der durch Überzeugung gewonnene, durch den heiligen Geist eingegebene, weder durch Disputieren noch durch Studium erlangte Glaube, daß die Wogen Gottes Wogen sind, und daß, ob wir in die tiefste Hölle müßten, Er auch da ist; es ist der Glaube, der uns sagt, daß nicht wir uns selbst erziehen, sondern daß Gott uns erzieht, daß diese scheinbar unzusammenhängenden Schicksalsschläge: der Sturm, der dem Erdbeben, das Erdbeben, das dem Feuer folgt, als ob alle Bosheit der Dämonen gegen uns losgelassen sei, in Gottes Gedanken einen tiefen, geistigen Zusammenhang haben, eine organische Einheit, einen Endzweck, ob wir es auch nicht sehen. Es ist der Glaube, daß Gott alle diese Trübsalsschläge so rasch auf einander folgen läßt, um unsern alten Menschen zu brechen, bis endlich die Seele in einer großen, mannigfachen Krisis, die uns lang erscheint, aber, mit der Ewigkeit verglichen, kurz ist, dem Golde gleich, wird: Von Trübsalshitze rot durchglüht, gebadet in dem Strome heißer Thränen, und von dem Hammer des Geschicks gebracht in edle Form.

*

Jesus ist der Erretter, der Befreier, der Heiland für Seele und Leib. Auf Erden wird kein Weh empfunden, keine Thräne vergossen, ohne daß Er darüber trauerte. Was ist es nun, das Ihn abhält, auch jetzt jede Krankheit zu heilen, jedes Leid zu sänftigen, jede Thräne abzuwischen? Wir können es nicht wissen. Aber das können wir sagen: Es ist Sein Wille, daß keiner umkomme; Er ist noch immer bereit, die Kranken zu heilen, den Aussatz zu reinigen, die Teufel auszutreiben, die Unwissenden zu lehren, die gebrochenen Herzen zu verbinden. Das können wir sagen: so wird Er fort und fort thun, Jahr auf Jahr, Geschlecht auf Geschlecht. Wir sagen auf Grund der Schrift, daß Christus stärker ist als der Teufel; daß Er und alle wahrhaft guten Menschen, die Weisen und Großen vor Gottes Angesicht, deren Aussprüche und Schriften uns als kostbare, stärkende und heilende Vermächtnisse geblieben sind – daß diese gekämpft haben, noch kämpfen und kämpfen werden bis zum Ende, gegen Teufel und Sünde, Bedrückung, Elend, Krankheit und alles, was Gottes schöne Erde verunstaltet. Auch dies können wir sagen, daß sie endlich siegen werden, weil Christus stärker ist als der Teufel, das Gute stärker als das Böse, das Licht stärker als die Finsternis.

Ja, Christi Königreich ist ein Reich des Heils und der Erlösung für Leib und Seele, und es wird überwinden, es wird wachsen, bis die Reiche der Welt Königreiche Gottes und Seines Christus geworden sind. Christus regiert und wird regieren, bis Er alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gethan hat, und der letzte Feind, der überwunden wird, ist der Tod. Ja, der Tod ist Sein Feind, den Er überwunden hat, dadurch, daß er von den Toten auferstand; und es kommt der Tag, wenn der Tod nicht mehr sein wird, noch Krankheit, noch Sorge, wenn Gott abwischen wird alle Thränen von ihren Augen. Ich sage es wieder und wieder – vergeßt es nie – Christus ist König und Sein Reich ist ein Reich des Heils, des Lebens und der Erlösung von allem Übel. So ist es gewesen fort und fort, vom ersten Male an, da unser Herr den Aussätzigen von Galiläa heilte – so wird es sein bis zum Ende der Welt.

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Die geistige Herrlichkeit, die auf Christi Angesicht bei Seiner Verklärung ausgegossen war, zeigte den Jüngern, daß Seine Macht im Geist der Liebe, der Weisheit und der Schönheit lag, Ihm von Gott ohne Maß verliehen. Dabei mußten auch die Jünger erkennen, daß es einen geistigen Leib giebt, einen Leib, wie jeder von uns ihn empfangen wird, wenn wir in Christo erfunden werden bei der Auferstehung der Gerechten; ein Leib, der nicht des Menschen Geist verhüllt und verbirgt wie hienieden, wenn unsere Hütte gebrechlich wird unter Unruhe und Sorgen des Erdenlebens, unter Krankheit und Alter – nein, ein geistlicher Leib – ein Leib, der von unserm Geiste erfüllt und durchdrungen, diesem Geist völlig gehorsam sein wird, ein Leib, der die Herrlichkeit unseres Geistes durchscheinen lassen wird, wie die Herrlichkeit von Christi Geist bei Seiner Verklärung sich an Seinem Leibe offenbarte. »Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden: denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist« (1. Joh. 3, 7).

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Unser Glaubensbekenntnis sagt: »Ich glaube an eine Auferstehung des Fleisches.« Die Bibel selbst lehrt uns den beseligenden Glauben: daß wir – ein jeder von uns – als menschliche Wesen Teil haben werden an diesem herrlichen Tage, nicht nur als körperlose Geister (von denen die Schrift, dem HErrn sei Dank, wenig oder gar nicht spricht), sondern als wirkliche, lebende, menschliche Wesen, mit neuen verklärten Leibern, unter einem neuen Himmel, auf einer neuen Erde. Darum sagt auch David: » Mein Fleisch wird sicher liegen.« Merke wohl! Nicht allein meine Seele, mein Geist, sondern mein Fleisch. Denn der HErr, der nicht allein gestorben ist, sondern wieder auferstand mit Seinem Leibe, wird unsere Leiber auferwecken, nach der Wirkung, damit Er kann auch alle Dinge Ihm unterthänig machen. Und dann wird die Eigenart eines jeden unter uns, Körper, Seele und Geist, zur vollkommenen Entfaltung und Seligkeit gelangen, in des HErrn ewiger, unwandelbarer Herrlichkeit. Solches ist unsere Hoffnung.

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Die da sterben in der Furcht Gottes und im Glauben an Jesum Christum, schmecken den Tod nicht in Wirklichkeit. Für sie giebt es keinen Tod, nur einen Wechsel des Orts, einen Wechsel des Zustandes; sie gehen sofort über in ein neues Leben, mit allen ihren Kräften, ihren unveränderten Gefühlen, noch als dieselben lebenden, denkenden, thätigen Wesen, die sie hier auf Erden waren. – Sie dürfen ruhen – ja, sie werden ruhen, wenn sie der Ruhe bedürfen. Aber worin besteht dieses Ruhen? Nicht in Trägheit, sondern in Frieden des Geistes. Ach, auszuruhen von Sünde, Leid, Furcht, Zweifel und Sorge, ist das nicht wahre Ruhe? Vor allem auszuruhen von dieser tiefsten Ermattung und Entmutigung: seine Pflicht erkennen und nicht fähig sein, sie zu erfüllen.

Das ist wahre Ruhe, die Ruhe des Gottes, der fort und fort wirkt, und ist doch in ewiger Ruhe; wie die Sterne über unsern Häuptern sich fort und fort bewegen, wohl tausend Meilen an einem Tage, und sind doch in vollkommener Ruhe, weil sie in voller Harmonie ihre Bahn wandeln, das Gesetz, was Gott ihnen gegeben hat, also erfüllend. Vollkommene Ruhe in vollkommener Arbeit – darin besteht sicher das Ausruhen der seligen Geister bis zur endlichen Vollendung, wenn Christus die Zahl seiner Auserwählten um sich versammelt haben wird.

Und da es so ist – welcher Trost für uns, die wir sterben müssen, welcher Trost für uns, die wir anderer Sterben sahen, wenn dieser Tod nur eine neue Geburt ist in höheres Leben hinein; wenn das einzige, was sich in uns verändert, unser Leib ist, unsere Schale, unsere Hülse – eine Veränderung, wie sie über die Schlange kommt, wenn sie ihre alte Haut abwirft und frisch und erneut daraus hervorgeht, oder wie die kriechende Raupe, die ihr Gefängnis sprengt und als herrlicher Schmetterling ihre Flügel der Sonne entgegenbreitet. Wo ist dann des Todes Stachel, wenn der Tod an uns nichts vernichten und der Verwesung anheimgeben kann, was unsere Freunde lieb hatten, nichts von dem, womit wir Gott und Menschen dienen konnten? Wo ist des Grabes Sieg, wenn, weit entfernt uns gefangen zu halten, es uns befreit von dem, was uns fesselt und zu Boden drückt – von dem irdischen Leib?

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Der Tod ist kein Tod, wenn er an uns nichts zerstört, als das, was uns vom Leben der Vollkommenheit ausschließt. Der Tod ist kein Tod, wenn er uns in einem Augenblick aus der Finsternis in das Licht versetzt, aus der Schwachheit in die Kraft, aus der Sündhaftigkeit in die Heiligkeit. Der Tod ist kein Tod, wenn er uns näher zu Christo bringt, der die Quelle alles Lebens ist, wenn er unsern Glauben in Schauen umwandelt, und wir Den sehen dürfen, an den wir geglaubt.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns denen wiedergiebt, die wir geliebt und verloren haben, für die wir gelebt, für die ferner zu leben unser Sehnen ist. Der Tod ist kein Tod, wenn er das Kind mit der Mutter vereint, die ihm vorangegangen. Der Tod ist kein Tod, wenn er von der Mutter für immer alle Mutterängste und -sorgen nimmt, und läßt sie in dem Gnadenantlitz ihres Heilands die Bürgschaft finden, daß, die sie zurücklassen mußte, sicher geborgen sind, geborgen mit Christo vor allen Zufälligkeiten und Gefahren dieses vergänglichen Lebens.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns befreit von Zweifel und Furcht, Zufall und Wechsel, Raum und Zeit und allem, was Raum und Zeit hervorbringen und zerstören. Ja, der Tod ist kein Tod; denn Christus hat dem Tode die Macht genommen für sich selbst und für die, welche Ihm vertrauen.

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Schauet die Lilien auf dem Felde.« Wir müssen unsres HErrn Worte genau betrachten. Er spricht von den Lilien, jenen seltsamen Pflanzen, welche im Lenz zu tausenden an den Bergabhängen des Morgenlandes zur Blüte gelangen. Den Winter über sind sie tot, unscheinbare Wurzeln, in der Erde verborgen. Aber kaum, daß die Frühjahrssonne auf ihre Gräber scheint, kommen sie hervor in überraschender Schönheit und neuem Leben, und jedes Saatkorn nimmt seine eigentümliche, besondere Gestalt an. Gesäet in Unehre, stehen sie auf in Herrlichkeit, zart und lieblich in ihrer Färbung, erfüllen sie die Luft mit ihrem süßen Duft, würdig den Engeln als Blumenkrone zu dienen, Gleichnisse der Unsterblichkeit. »Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen.« So ist's auch mit der Auferstehung der Toten. Siehe – nicht ohne göttliche Vorsehung tritt das gesegnete Osterfest in die Jahreszeit, wo die Erde den Winterschlaf abschüttelt, wo die Vögel zurückkehren um unter uns zu singen und ihr Heim zu bauen, die Blumen zu neuem Blühen erwachen, wo jedes Saatkorn, das in die Erde fiel um zu sterben, nun wieder mit einem neuen Leib ersteht. Sie alle legen Zeugnis ab von der Auferstehung Christi, und so ein Zeugnis, daß wir auch wieder auferstehen werden, daß ein Tag kommen wird, wo das Leben den Tod, das Licht die Finsternis, Gerechtigkeit die Sünde, Freude das Leid überwinden, und die seufzende Kreatur frei werden wird vom Dienst des vergänglichen Wesens, zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

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Von Gottes ewigem, allumfassenden Herzen, der Quelle alles Lebens sind wir ausgegangen, hindurchgerettet aus selbstsüchtiger, stürmischer Jugendzeit, durch späte Buße und heiße Reuethränen, getragen durch nicht ganz vergeudete Mannesjahre, um endlich durch gebrechliches, fröstelndes Greisenalter zurückzukehren – von woher wir gekommen – noch einmal zu Gottes Herzen, um wieder von da auszugehen, ach wir hoffen es, mit neuem Wissen, neuem Können, frischer Kraft, zu edlem Wirken.

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