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Die Originale in Ludwigsburg

Ein Werklein, dessen Verlust ich mehr bedaure und das in jener Zeit auch während des Nähens und Musterkartenmachens ausgebrütet wurde, war in gereimten Versen, ein Gemälde von mehrern Originalen, die damals die weiten Straßen Ludwigsburgs durchwandelten.

Zu jener Zeit sah man in Ludwigsburg immer vormittags gegen zehn Uhr einen ungeheuer dicken unbeholfenen Mann, der in der Mitte der weiten Poststraße mehr gerutscht als gegangen kam, und sich schmunzelnd links nach dem Gasthof zum Bären wandte, wo er vor dem Mittagsessen jedesmal ein Voressen von einem halben Kalbsschlegel oder einer Platte voll Würste hielt und das gehörige Quantum Wein oder Bier dazu durch den Schlund hinabgoß. Dies war der wegen seines Magens sehr bekannte Brunnenmacher Kämpf von Ludwigsburg. Oft schoß an ihm, bis er das Ende der Straße und die Ecke, wo er sich zum Gasthof zum Bären umbog, erreichte, drei bis viermal in die Quere ein lichter Sonnenfaden vorüber, in welchem man bei näherer Betrachtung einen ganz dürren, schlanken, lang gezogenen Menschen in einem eng anliegenden weißen gestrickten Wämschen, an welches zugleich auch die langen weißen Beinkleider samt den Strümpfen angestrickt waren, erkannte. Es war dies der durch die Gassen von einem Hause in das andere pfeilschnell schießende Perückenmacher Fribolin.

Dieselbe Gasse konnte man jedesmal Schlag zwei Uhr einen andern Mann kommen sehen. Dieser war von vornehmerem Stande, mager, hochgestreckt mit dem Oberleib, in den Füßen etwas gebogen. Er hatte einen französischen Haarzopf und Toupet, silbergrauen Frack, gelbe lederne Beinkleider, Reitstiefel und Sporen an und trug in der einen Hand ein fischbeinernes Reitgertchen. Er hatte ganz die Stellung eines auf dem Pferde sitzenden schulgerechten Reiters, machte auch im Gehen, das bald schneller, bald langsamer war, ganz die Bewegung eines Reitenden, während er oft vor sich hinsprach: »Fort! fort! Schweißfuchs!«

Es war das ein gewisser Stiftungspfleger, den man in früheren Jahren um die gleiche Zeit hier einst diese Straße fast jede Woche auf einem andern abenteuerlichen Pferde reiten sah, der aber durch diesen öfteren Pferdewechsel im Vermögen sehr herunterkam, etwas irre wurde, das Spazierenreiten aber zur gewohnten Stunde auch ohne Pferd nicht mehr lassen konnte.

Nicht weit vom Gasthof zum Bären bemerkte man ein anderes Original, das dort sein eigenes Haus hatte. Dies Haus war daran zu erkennen, daß sich in seinem Hofe eine Miststätte befand, von solchem Alter und solcher Höhe, daß sie über das Dach des Hauses ragte. Der Inhaber hatte sie mit aller Mühe gesammelt und gebauet und pflegte ihrer mit der größten Sorgfalt. Nie durfte etwas von ihr weggenommen werden. Obgleich begütert, ohne Frau und Kinder, sah man ihn, einen kleinen magern alten Mann, in einem abgeschabten roten Rock mit verwitterten goldenen Borden, einem roten struppigen, hinten in einen Haarbeutel gebundenen Haare, einen runden Korb in der Hand auf der Straße hinter den Pferden hergehen und ihren Mist zu seinem Baue sammeln. War er nicht mit dieser Arbeit beschäftigt, so zeigte er sich in den Gasthöfen, drängte sich mit großer Unverschämtheit an alle Fremde und sprach von den herrlichen vergangenen Bratenszeiten unter Karl Herzog. (Ein echter Ludwigsburger sagt nie: Herzog Karl, sondern immer: Karl Herzog, wie sein Titel anfing: Karl Herzog zu Württemberg usw.) Er schimpfte frei in den buntesten Redensarten über alles, was nicht von »Karl Herzog« stammte, erzählte die skandalösesten Geschichten alter Zeit wie Tugenden und gebärdete sich oftmals auf das schamloseste. Man hieß ihn den »Jakobele«. Er soll zu jenen Bratenszeiten am Hofe die Stelle eines Hofnarren und in der Stadt die eines Spionen gespielt haben, und er war nun bei seinem Mistbaue, zu dem er verdammt zu sein schien, ein wahres Bild aus dem Hades.

Ging man einmal zufällig um Mitternacht noch durch die Schorndorfer Straße, die gegen Oßweil zum Kirchhofe an meiner Fabrik vorbeiführte, so konnte man manchmal einem kleinen abgezehrten totenbleichen Männlein begegnen, das ein schwarzes zerrissenes Mäntelchen umgeworfen hatte, unter dem es einen Pack Papier und Faßreife trug; auch hatte es einen Spaten auf der Schulter und eine Laterne in der Hand. Es war der damalige Totengräber, der dem Kirchhofe zuging. Dieser Mann legte sich nämlich schon seit Jahren auf die Kunst, das Fliegen zu erfinden, und arbeitete oft nächtlich ungestört im Totenhause bei der Laterne an einer Flugmaschine, die aber nie zustande kam. Daß er das Fliegen dennoch erfunden habe und fliegen könne, wurde ihm später zur fixen Idee. Er behauptete fest, er sei vom Kirchhof aus öfters in der Nacht nach Neckarweihingen, mit der Laterne in der Hand, geflogen. Der Flug über den Neckar habe ihn stets sehr angestrengt, denn da habe ihn das Wasser immer so angezogen. Ich sagte zu ihm: er werde wohl nur geträumt haben, daß er so fliegen könne, und wachend es glauben; da versetzte er: o nein, er habe zwar auch schon geträumt, er fliege; aber da habe er immer den Tag über Kummer gehabt.

Fliegen im Traume bedeute nicht, daß Kummer komme, sondern man habe Kummer, wenn man im Traume fliege. Diese Beobachtung erwies sich mir in meinem nachherigen Leben als sehr wahr. Er wurde durch seine Flugversuche arm, irre und starb im Elend. Das Männlein hieß Hartmayer; man nannte es aber Flugmayer.

Der närrische Hausschneider und Jung-Stillings Vorübergehen

Mit dem Comptoir-Gebäude der Tuchfabrik war das Waisenhaus und das Zuchthausgebäude und auch ein Gebäude für die Irren verbunden. Weiter oben stand die Kirche für all die Bewohner dieser Gebäude. Sie alle waren mit einer Mauer umschlossen und hatten nach innen Hofräume und Gärten, nach außen befand man sich in der langen sogenannten Schorndorfer Straße, die nach dem Kirchhofe und dem Dorfe Oßweil führte. Von der eigentlichen Stadt war man durch den Schloßgarten und links durch die langen Alleen abgeschlossen. Am Haupteingange besagter Gebäude, einer großen Türe, war rechts ein Zimmer angebracht, in welchem ein Schneidermeister mit seinen Gesellen arbeitete. Er hatte den Titel eines Hausschneiders und mußte zugleich den Portier machen und ein Augenmerk auf die Aus- und Eingehenden richten, denn dies war das einzige Tor (wenigstens für die Fußgänger), durch welches man in alle diese Gebäude und Anstalten kommen konnte. Der damalige Hausschneider hieß Noä. Durch Lesen aller möglichen Bücher aus der Leihbibliothek des Antiquars Nast hatte er einen Anstrich von Bildung erhalten; er verstieg sich sogar in die Schriften von Kant, fiel aber von dieser Höhe bald herab und blieb an den Schriften von Sintenis hängen. Er spielte den Freigeist und bekam einen lächerlichen Stolz. Dieser Noä kam eines Abends, als ich dichtend und nähend auf der Leiter saß, zu mir und erzählte: Soeben sei auch ein Schneider zum Tore herein, der mehr Aufsehen mache, als er verdiene; das sei einer, der lieber in der Hölle (der Sitz auf dem die Schneider sitzen und in den sie ihre Füße stecken, wird so genannt), aus der er hervorgegangen, hätte bleiben sollen, als daß er einem die Hölle mit seinen abergläubischen Schriften heiß mache. Da sei Sintenis, von dem man nicht so viel rede, ein höherer Geist. Er sehe aus wie ein verhungerter Schulmeister, mache den Augenschneider, wolle, selbst blind, Blinden den Star stechen. So machte er lange fort, bis ich endlich von ihm herausbrachte, daß Jung-Stilling mit seiner Gattin in Begleitung des Waisenpfarrers vor einer Stunde durch das Haus gegangen sei, um sich die Anstalten zeigen zu lassen.

Ich hatte damals von Stilling noch weniger gelesen als der Schneidermeister, aber dennoch trieb es mich von der Leiter, den Mann zu sehen. Ich trat in den Hof hinaus, und da kam er gerade mit seiner Gattin, in Begleitung des Waisenpfarrers Schöll, im Rückwege begriffen, die Allee von der Waisenhauskirche herab. Ich stellte mich unter das Tor, und die lange interessante Gestalt mit der eigenen hohen Stirne, der Adlernase und den Liebe und Sanftmut strahlenden Augen, zog an mir ganz nahe vorüber und prägte sich mir tief ins Gemüt ein. Ich sah ihn da zum ersten- und zum letztenmal, ihn, den ich in späteren Jahren, und als er nicht mehr auf Erden war, erst kennen und verehren lernte. Dennoch trachtete ich auch da noch nicht, seine Schriften kennenzulernen, obgleich ich schon damals, wenn auch nicht seinen christlichen, doch seinen pythagoräischen und platonischen Glauben an eine Seelenwanderung der Geister und an ein Mittelreich hatte. Aber des Schneiders Spott über diesen Mann konnte ich, als ich sein Auge gesehen, nicht mehr ertragen; ich kehrte ihm, sooft er wieder von ihm zu reden anfing, den Rücken.

Später, als ich schon in Tübingen war, erschien dieser Schneidermeister auf einmal zu Pferde bei einem Manöver der königlichen Truppen, in Gegenwart des Königs, unter der Generalität. Man merkte, daß es mit dem Schneider nicht richtig war, und er wurde auf Befehl des Königs aus dem Sattel gehoben und nach Zwiefalten, wo sich später das Irrenhaus befand, zu besserer Verwahrung und Versorgung transportiert, wo er starb.

Jung-Stilling hatte, als ich ihn damals in Ludwigsburg sah, den blinden Instrumentenmacher Käferle, jedoch ohne Erfolg, operiert. Dieser war in früher Jugend erblindet und zwar auf eine Weise, daß er keinen Schein mehr behielt; dennoch wurde er ein bedeutender mechanischer Künstler, und seine Klaviere, Flügel usw. waren lange Zeit im In- und Auslande sehr gesucht. Das Gefühl hatte bei ihm so sehr die Stelle des Auges vertreten, daß er im polierten Holze jeden Fleck, jede Mißfarbe zu erkennen und zu verbessern im Stande war. Sein mechanisches Genie und seine Liebe zur Tonkunst ging auf zwei seiner Söhne über.

Die Irren

Das Irrenhaus, das, wie schon gesagt, in gleicher Ummauerung mit der Tuchfabrik stand, war meinem Schlafgemache so nahe, daß ich oft vor dem Singen, Lachen, Fluchen und Toben seiner armen Bewohner nicht in Schlaf kommen konnte. Ganze Nächte hindurch hörte ich da oft den Gesang einer wahnsinnigen Frau, der nur in den Worten: »Ririroldidi« bestand. Sie sang dieses Unwort immerwährend in gleicher Modulation fort, wobei sie ohne Aussetzen mit dem Fuße auf den Boden stampfte. Erst gegen Tag hörte man die Töne immer schwächer und schwächer, wo sich endlich Schlaf und Erschöpfung ihrer zu erbarmen schienen. Ein anderer Wahnsinniger schrie die ganze Nacht fort die Worte: »Totenköpfe und Krautsalat« und rasselte dazu mit den Ketten; denn da schloß man die Tobsüchtigen noch an. Dazwischen hörte man oft Töne, als schlüge er den Kopf gewaltsam an die Wand.

Der Schein des Mondes und besonders der zunehmende Mond steigerte jedesmal bei allen diese Schauertöne und nächtliche Unruhe, in welche öfters in Frühlingsnächten der Schlag einer Nachtigall von den benachbarten Schloßgärten und der Lindenallee wie besänftigend erklang. Ich besuchte die Unglücklichen auch oftmals in ihren Zellen und wurde ihnen bald bekannt und freundlich. Das Spiel meiner Maultrommel machte bei vielen einen guten Eindruck, und ich vermochte oft Tobende durch Worte und Anschauen zu besänftigen. Es tut mir leid, daß ich meine Beobachtungen an vielen dieser Unglücklichen damals nicht niederschrieb. Meine Neigung und einiges Geschick, mit Geisteskranken umzugehen, was ich später erproben mußte, war mir wohl von der Natur von Geburt aus zugeteilt.

Großen Anteil nahm ich besonders an einem noch jugendlichen Manne, der, wie ich glaube, seine Erziehung auch in der Karlsschule erhalten hatte; er hieß von S-r, ist aber mit einem andern seines Namens, der später in ähnliche Zustände kam, nicht zu verwechseln. Er war von kleiner Statur, hatte einen feinen Körperbau, eine zarte Stimme, und sah mit funkelnden grauen Augen mißtrauisch um sich, – und je nachdem ein Mensch kam, schloß er die Augen – denn er hatte die fixe Idee, man wolle ihn vergiften, und das könne selbst durch Blicke geschehen. Es hieß, er sei durch unglückliche Liebe in Irrsein verfallen. Ich brachte es durch einige Besuche bei ihm bald so weit, daß er vor mir die Augen offen hielt und mich ohne Mißtrauen ansah. Als er einmal aus Furcht, vergiftet zu werden, mehrere Tage lang durchaus nichts mehr aß, holte mich sein Diener zu ihm, und ich brachte ihn dadurch zum Speisen, daß ich ihm den Vorschlag machte: wir wollten abwechslungsweise, zuerst ich einen Schub, dann er einen Schub seiner Suppe mit dem gleichen Löffel zu uns nehmen, bis das Schüsselchen geleert sei. Dies geschah, mußte aber nach einigen Tagen, da er nur unter dieser Bedingung wieder speisen wollte, von mir wiederholt werden. Nach eingetretener Verschlimmerung half aber auch dies Auskunftsmittel nicht mehr, und er hatte schon fast acht Tage lang alle Speise versagt. Ich war bei ihm, er war wie ein Gerippe, bleifarben im Gesicht, hatte eingefallene Augen und schien gar nicht mehr auf den Füßen stehen zu können. Ich sprach ihm vergebens zu, er erwiderte immer: »Alles ist vergiftet.« Da sprang er auf einmal, wie mit der letzten Lebenskraft, auf das Kämmerchen seines Dieners zu, in dem ein Kanarienvogel in einem Käfig saß, riß diesen heraus und hatte ihn mit einem Schluck mit Federn und Gebein im Magen, indem er schrie: »Der ist nicht vergiftet, ha! ha!« Er war auf sein Bett zurückgefallen, das Verschlingen des Vogels war so schnell geschehen, daß der Diener das Ohr horchend auf den Magen des Herrn legte und behauptete, man höre den Vogel noch in ihm flattern. In der Nacht starb er. Er hatte einige Tage zuvor noch sein Testament niedergeschrieben, in welchem er dem Fürsten von Thum und Taxis seine Gebeine zu Stockknöpfen und Billardkugeln vermachte.

Handarbeiten und weitere Beschäftigung meines Geistes während derselben

Zu den Unglücklichen des Zuchthauses führte mich später, als ich auf die Fabrikation des Tuches aufmerksam gemacht werden sollte, oft mein Geschäft (denn hier war die Spinnanstalt), aber sie waren mir immer ein höchst trauriger, unheimlicher Anblick, ich konnte mich bei ihnen nicht wie bei den Irren verweilen, ich konnte nicht versuchen, sie zu bekehren, ich suchte immer so bald wie möglich wieder von ihnen zu kommen. Das Wehgeschrei solcher, die, beim Empfang und beim Gehen, den sogenannten Willkomm und Abschied, in ein Holz gespannt, durch Schläge erhielten, weckte mich, ging ich durch diese Gänge, oft aus Dichterträumen auf.

Aber auch der Direktor der Fabrik mußte mich oft aus meinen Träumen durch unpoetische Anweisungen, weil ich nun einmal ein Kaufmann werden sollte, wecken. Er lehrte mich das Ellenmaß kennen, nicht daß er mich damit schlug, sondern er erklärte mir seine Einteilungen und lehrte mich die Tücher messen, in Ballen packen und auf die Ballen das Fabrikzeichen und die Nummer mit dem dicken, in Tinte getauchten Pinsel malen, in welch letzterem Geschäfte ich ihn aber selbst, kraft meiner Malerkunst, übertraf; denn ich machte oft noch zum Überflusse einen Lorbeerkranz um das Fabrikzeichen oder das Ludwigsburger Stadtwappen, einen Adler, oder drei Hirschhörner auf die Ballen. Das Auspacken und Auswiegen der Indigofäßchen war auch keine freudige Beschäftigung. Der blaue Staub drang sogar durch die Kleider, und ich lief im Gesicht und am ganzen Leibe blau an. Am schwersten fiel mir aber das Ausmessen des Tuches beim Handverkaufe, zu dem ich später auch angewiesen wurde, und noch mehr das Berechnen der an Mann gebrachten Ellen. Es mag sein, daß hier oft eine halbe Elle für eine Viertel gezählt und statt sechs Gulden fünf Gulden berechnet wurden. Das Zählen des Geldes wollte auch nicht begriffen werden, und ich lernte es bis auf den heutigen Tag noch nicht. Das machte oft unter Zank und Streit Erwachen aus allen Dichterträumen. »Studieren Sie nur recht den Nelkenbrecher und Büsching in Ihren Freistunden«, wurde mir oft gesagt. Ich las diese Bücher auch, aber machte während des Lesens Verse und schrieb einmal, ganz in Gedanken, in das Briefkopierbuch gleich nach Kopierung eines italienischen Briefes Verse auf den Hund des Direktors ein, die mir während des Kopierens beigefallen waren. In meiner nächsten Umgebung war niemand, der Sinn für Poesie hatte; dagegen war im Waisenhause (das, wie gesagt, auch in dieser Ummauerung sich befand) ein junger Lehrer, mit Namen Lehrer, der für Poesie, Musik und Malerei vielen Sinn hatte und selbst ein guter Musiker und besonders ein vortrefflicher Landschaftsmaler war. Er war älter als ich, aber doch schloß ich mich an ihn sehr an. Er hatte an meinen Versen immer große Freude, ich teilte ihm alle mit und schenkte ihm ganze Bücher voll, wogegen er mich öfters mit Tonsetzungen derselben erfreute. Dieser vortreffliche Mensch gereichte mir in diesen Tagen geistiger Gefangenschaft zum großen Troste und erschien mir oft noch im späten Alter freundlich im Traume. Er starb als geschätzter Stadtschullehrer in Ludwigsburg.

Auch ein lieber Mensch befand sich, nicht auf dem Comptoir, sondern unter den Fabrikarbeitern. Er war Tuchscherermeister und hieß Kubier. Ihm verdankte die Fabrik die erste Einrichtung von Tuchschermaschinen, die er in Brünn kennenlernte. Ich hielt mich oft in seiner Werkstätte auf und lernte von ihm das Tuchscheren vermittelst der Maschine sehr bald. Dagegen erfreute ich ihn oft durch meine elektrischen Versuche, und er war mir in Erbauung einer neuen Elektrisiermaschine mit mannigfaltigem Apparat sehr behülflich. Auch in meine Leidenschaft, die ich für Anbringung und Errichtung einer Camera obscura, wo ich mich nur befand, hatte, ging er ein, und wir errichteten in einem Kämmerchen, vor welchem alle Bewohner dieser Räume, die noch frei gehen durften, Fabrikarbeiter, Waisenkinder, Züchtlinge und Irren, vorüberzogen, eine vortreffliche Camera obscura und hatten an Sonntagen stundenlang unsere Freude an dem bunten lichten Gewimmel im kleinen auf dem ausgespannten Papiere.


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