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Zweites Kapitel.
Die wilden Völkerschaften Paraguays und die Eroberung des Landes durch die Spanier.

Paraguay war 1536, zur Zeit seiner Eroberung durch Alvaro Nuñez, von mehreren wilden Völkerschaften bewohnt, die sich hauptsächlich durch die Sprache unterschieden. Das Volk der Guaranis, das bei weitem zahlreichste derselben, bewohnte einen sehr ausgedehnten Landstrich, der sich von Guyana im Norden bis zur Mündung des Rio de la Plata im Süden erstreckte, im Osten vom Atlantischen Ozean, von den Anden im Westen begrenzt ward. Die Guaranis bevölkerten Brasilien, und mehrere andere Nationen wohnten in ihrer Mitte. Azara bemerkt, »daß man ganz Brasilien bereisen, nach Paraguay kommen, bis nach Buenos Aires gehen und nach Peru hinaufsteigen könne, ohne daß man die Sprache zu wechseln brauche«.

Die guaranische Nation bestand aus einer unendlichen Anzahl einzelner Clans, welche über diesen weiten Länderstrich zerstreut lebten. Viele Clans wohnten in Dörfern, welche am Rande der Wälder und längs der Flüsse gelegen waren. Ihre Angehörigen gewannen ihren Lebensunterhalt durch Jagd und Fischfang, durch das Einsammeln des massenhaft vorhandenen Honigs der wilden Bienen und durch einen Ackerbau, der noch in seinen ersten Anfängen lag. Sie pflanzten Maniok, aus dem sie Kassawa bereiteten, sie bauten Mais und ernteten nach Charlevoix zweimal im Jahre, sie züchteten Hühner, Gänse, Enten, Papageien, Schweine und Hunde. Sie bedienten sich als Waffen der dreikantigen Keule, Makana genannt, des Bogens, der wegen seiner Länge von sechs Fuß und der geringen Biegsamkeit des Holzes, aus dem er bestand, gespannt werden mußte, indem man das eine seiner Enden in den Boden steckte; mit großer Kraft schleuderten sie vier Fuß lange Wurfspieße und Tonkugeln (Bodoguen) von der Größe einer Nuß, welche hart gebrannt wurden und in einem Netze lagen. Auf eine Entfernung von dreißig Metern zerschmetterten sie mit diesen Kugeln ein Männerbein, sie töteten mit ihnen die Vögel im Fluge. Azara, der von 1781 bis 1801 in den Urwäldern Brasiliens und Paraguays lebte, kam in Berührung mit verkommenen Stämmen von Wilden, die von den Portugiesen und Spaniern verfolgt und gehetzt wurden. Er hat eine sehr geringe Meinung von den Guaranis, welche im freien Zustande in den Wäldern hausen, und versichert, sie ständen in geistiger Beziehung so tief, daß sie nicht über vier hinaus zählen könnten. Charlevoix behauptet dagegen, daß sie bis zu zwanzig zählten, was darüber war, bezeichneten sie als »viel«. Die Guaranis zählten, wie alle Wilden, an Fingern und Zehen; » petei« bezeichnete einen Finger, » mokoi« zwei, » m'bohapi« drei, » yrundi« vier, » peteipo« fünf oder eine Hand; » mokoipo« zehn oder zwei Hände. Azara fand die guaranische Sprache wortarm, guttural und mißtönend; Montoya, einer der ersten Missionare in Paraguay, der sie vollständig beherrschte, meint im Gegenteil, »daß sie sich mit den reichsten europäischen Sprachen messen könne an Harmonie der schönen und wohlklingenden Worte und der großen Genauigkeit der Ausdrücke: jede Bezeichnung war eine Definition und gab ein Bild«. Die Guaranis hatten eine leidenschaftliche Vorliebe für die Redekunst. Der beredtste unter den Kriegern konnte stets sicher sein, daß seine Meinung triumphieren werde.

Azara schildert die Guaranis, die er kennenlernte, als furchtsam. Sogar wenn zehn von ihnen beieinander waren, wagten sie nicht, einem einzelnen Manne eines anderen wilden Indianerstammes gegenüberzutreten. Demersay bestätigt diese Ansicht, denn er versichert, daß sie, um den Verfolgungen der M'bayas zu entgehen, vor denen sie eine entsetzliche Furcht empfanden, weder Hunde noch Hühner züchteten, damit ihr Bellen beziehungsweise Gackern ihre Zufluchtsstätten nicht verrate. Die Missionare des achtzehnten Jahrhunderts rühmen dagegen den Mut der Guaranis, den sie sehr geschickt auszunützen verstanden. Wären sie vor der Eroberung des Landes durch die Spanier und Portugiesen tatsächlich so hasenherzig gewesen, wie Azara und Demersay sie schildern, so hätten sie sich niemals über einen so ausgedehnten Länderstrich verbreiten und gegen die anderen Stämme behaupten können, die neben ihnen und in ihrer Mitte wohnten, und deren kühne Tapferkeit von keinem Reisenden bestritten wird. Die moralische Entartung, welche die zivilisierten oder wieder in die Wildheit versunkenen Guaranis charakterisiert, gereicht dem zivilisatorischen Wirken der spanischen und portugiesischen Eroberer keineswegs zum Ruhme.

Es steht fest, daß zur Zeit, als Paraguay erobert wurde, die Guaranis die höchstentwickelte Völkerschaft der Gegend waren. Mehrere ihrer Stämme waren seßhaft und trieben einen primitiven Ackerbau. Diese Höhe der sozialen Entwicklung ermöglichte es, sie zur Arbeit anzuhalten und zu versklaven. Deshalb konnten die Portugiesen ihre guaranischen Gefangenen zu Sklaven machen. Die M'bayas ließen sich dagegen lieber ausrotten, als daß sie sich unter das Joch der Zwangsarbeit gebeugt hätten. Binnen wenigen Jahren gelang es den Portugiesen, alle Brasilien bewohnenden Guaranis der Sklaverei zu unterwerfen. Die Spanier sammelten in ebenso kurzer Zeit die Guaranis von Paraguay in vierzig Pueblos (bewohnten Orten) und zwangen sie, häusliche und landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten, »während«, wie Azara berichtet, »niemand die übrigen Indianer unterwerfen und in Niederlassungen sammeln konnte«. Sogar die Wilden hatten die Befähigung der Guaranis zur Arbeit ausgenutzt. Die M'bayas, welche sich für »die tapferste Nation der Welt hielten und auch für die edelste, großmütigste und treueste, wenn es sich darum handelte, ein gegebenes Wort zu halten«, und welche die Europäer gründlich verachteten, ließen ihre Ländereien durch Guaranis bestellen. »Allerdings war diese Sklaverei nicht hart,« bemerkt Azara, »der Guarani unterwirft sich ihr freiwillig und nimmt seine Freiheit zurück, wenn es ihm gut dünkt. Die M'bayas erteilen ihren Dienern nie Befehle; sie bedienen sich ihnen gegenüber nie eines befehlenden und antreibenden Tones ..., sie verlassen sich auf ihren guten Willen, begnügen sich mit dem, was sie aus eigenem Antrieb tun wollen, und teilen mit ihnen alles, was sie besitzen ... Ich habe gesehen, wie ein vor Kälte zitternder M'baya seinem guaranischen Sklaven die Decke überließ, die dieser ihm genommen hatte, ja er ließ sich nicht einmal merken, daß er gern selbst die Decke gehabt hätte ... Kein Kriegsgefangener will die M'bayas verlassen, obgleich sie zu Sklaven gemacht werden, nicht einmal die gefangenen spanischen Frauen, obgleich einige von diesen zur Zeit ihrer Entführung bereits erwachsen waren und Kinder hatten.«

Das so sanfte und lenksame guaranische Volk sollte in den christlichen »Missionen« eine weit härtere Sklaverei kennenlernen. Jedoch war die Behandlung, welche die Guaranis durch die Spanier und die Jesuiten in Paraguay erfuhren, noch milde im Vergleich mit dem Verfahren der Portugiesen in Brasilien.

Die christlichen Zivilisatoren hatten ihr zartes Gewissen durch die Erklärung beruhigt, daß die Indianer » gentes sin razon« (Leute ohne Vernunft) seien und Zwischenglieder zwischen Mensch und Tier bildeten. Der Bischof von Santa Marta, Franzisko Ortiz, meint in einer Denkschrift an den Hof von Madrid, »daß er infolge seiner Erfahrung, die er aus einem langjährigen Umgang mit den Rothäuten geschöpft habe, diese als dumme Geschöpfe betrachte, welche unfähig seien, die christliche Religion zu begreifen und ihre Vorschriften zu befolgen«. Dank der Energie und der Hingabe von Las Casas erkannte Papst Paul III. in seiner Bulle vom Jahre 1537 die Indianer als Menschen an. Trotzdem trat 1538 in Lima ein Konzil zusammen, um die Frage des Menschentums der Rothäute nochmals zu erörtern. Die Ansichten hierüber waren geteilt, doch wollte die Majorität gütigst gelten lassen, daß die Indianer genug Vernunft besäßen, um an den Sakramenten der Kirche teilnehmen zu können. Da aber zur Zeit des Todes Christi der Herrgott noch keine Ahnung von dem Vorhandensein Amerikas hatte, das ja Kolumbus erst fünfzehn Jahrhunderte später entdecken sollte, so hatte er auch keinen Apostel dorthin senden können, um die Völkerschaften des neuen Weltteiles zum Christentum zu bekehren. Der Kasus war schwierig. Man zog sich durch die Annahme aus der Verlegenheit, daß der heilige Thomas von Indien aus nach Amerika gelangt sei, wo man noch zahlreiche Spuren seines apostolischen Wirkens entdeckt haben wollte. Nachdem die Kirche das entscheidende Wort gesprochen hatte, bemühte sich der spanische Hof in sehr lobenswerter Weise, zu verhindern, daß die Indianer als Lasttiere behandelt und ausgerottet würden, wie dies das Los der Eingeborenen von Peru gewesen war. Die katholische Kirche trägt zum Teil mit die Verantwortlichkeit für die unmenschliche Grausamkeit der »Konquistadores« (spanischen Eroberer von Amerika); sie gab ihr einen Schein von Berechtigung, indem sie lange zögerte, die Rothäute als Menschen anzuerkennen.

Die Eroberer von Paraguay und den Ländereien am Rio de la Plata metzelten die Wilden nicht nieder, sondern unterwarfen sie einer milden Sklaverei. Sie bestimmten, daß jeder Indianerstamm, welcher ein spanisches Lager angreifen oder ihm irgenwelchen Schaden zufügen würde, zur Knechtschaft verurteilt sei. Alle seine Angehörigen mußten zeitlebens den Siegern dienen und eine » comendaria de yanaconas« bilden, das heißt sie wurden eine Art von Sklaven, die, an einen bestimmten Ort gefesselt, zu persönlichen Dienstleistungen verpflichtet waren. Aber die Komendarien (Komtureien, Lehnsgebiete) der Spanier unterscheiden sich wesentlich von denen der Portugiesen, denn bei den ersteren war es verboten, die Indianer zu verkaufen, zu mißhandeln, ja sogar wegen ihrer Führung, wegen Krankheit oder Alters fortzuschicken. Der Herr der Yanacona war verpflichtet, seine Sklaven zu kleiden, zu ernähren, zu pflegen, sie in der christlichen Religion zu unterweisen und ihnen ein Handwerk zu lehren. Man ersieht daraus, daß die spanische Regierung die Absicht hatte, die Indianer zu zivilisieren und gleichzeitig dem Zivilisator einen Vorteil zu verschaffen. Alle Jahre besuchten Inspektoren die Komtureien, ließen sich die Klagen der Indianer vortragen und untersuchten, ob die königlichen Vorschriften und Erlasse befolgt würden.

Wenn die Wilden nicht freiwillig einen festen Wohnsitz wählten und die spanische Oberhoheit anerkannten, so zwang man sie, wenn dies möglich war, einen Ort innerhalb ihres eigenen Gebiets zu wählen und dort ein Pueblo zu bilden, das nach europäischem Muster organisiert ward. Der Kazike, der Kriegshäuptling des Clans, ward zum » corregidor« oder obersten Beamten; der Alkalde (Bürgermeister, Gemeindevorsteher) und die übrigen Mitglieder des » cabilde« (Gemeinderats) wurden durch Wahl zu ihrem Amte bestimmt. Die in Pueblos lebenden Indianer wurden » mitayos« (dasselbe Wort wie das französische metayer, Halbpächter) genannt, die nur zwei Monate jährlich den Spaniern dienen mußten, die übrige Zeit waren sie frei und jeder Arbeit für ihre Herren enthoben. Frauen, junge Leute unter 18 Jahren und mehr als fünfzigjährige Personen, ebenso wie der Kazike, sein ältester Sohn und die Mitglieder des » cabilde« waren zu keinerlei Dienstleistungen verpflichtet. Die Komtureien der »Yanaconas« und »Mitayos« wurden an Spanier vergeben, welche man für ihre der Krone oder der Kolonie geleisteten Dienste belohnen wollte. Sie glichen den »Benefizien« (Lehen), welche die feudalen Kriegführer und Fürsten ihren getreuen Gefolgen zuerteilten.

Don Martinez de Yrala, welcher in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts Statthalter von Paraguay war, wollte das besondere Wohlgefallen der spanischen Krone gewinnen, deren Wünsche dahin gingen, daß die Zivilisation der Wilden, das heißt ihre Ansiedlung in Pueblos, deren Verhältnisse nach europäischem Vorbild geordnet wurden, beschleunigt werden sollte. Er hatte deshalb den sinnreichen Einfall, jedem einzelnen das Recht zuzugestehen, auf eigene Kosten neue Pueblos gründen oder den bereits bestehenden bis dahin noch frei gebliebene Indianer angliedern zu dürfen. Die Dienste der Eingeborenen, die jemand derart auf eigene Rechnung und Gefahr ansiedelte, sollten ihm auf Lebenszeit gehören, aber mit seinem Tode erlangten die Einwohner der Niederlassung ihre Freiheit zurück und hatten nur an den Staatsschatz eine Abgabe zu entrichten. Die Spanier veranstalteten nun wahre Jagden auf Wilde, gleich den Portugiesen und den »Mamulucos« von Sao Paolo, ein Sammelsurium von europäischen Banditen aller Nationen und Halbblutindianern, welche auf einem Felsen ein unzugängliches Raubnest erbaut und befestigt hatten, von dem aus sie die Gegend überfielen, die Indianer raubten, Männer und Kinder verkauften und einen Teil der Frauen als Konkubinen zurückbehielten. Die gehetzten und mißhandelten Wilden flohen in die Wälder, um sich der Macht der grausamen Zivilisatoren zu entziehen, und diese konnten, trotz der eifrigsten Bemühungen, in Paraguay nur gegen 40 Komtureien gründen, deren Bestand nur durch eine Schreckensherrschaft ohnegleichen erhalten wurde, und in denen häufige Aufstände ausbrachen. Die Wilden benutzten jede Gelegenheit, um zurück in die Wälder zu entfliehen, wo sie ihre wiedergewonnene Freiheit energisch verteidigten.

Die Jesuiten kamen gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts nach Paraguay, gerade zur Zeit, als die Menschenjagd in voller Blüte stand. Sie wurden die Verteidiger und Schützer der Indianer. Offen und rückhaltlos kritisierten sie die Handlungsweise der Spanier, klagten sie an, die Befehle der Krone zu mißachten und die Indianer der Komtureien als Sklaven zu betrachten, die sie ihrer Freiheit beraubten, mit Arbeit überbürdeten, zugrunde richteten und mißhandelten. Sie trugen ihre Anklagen bis vor den König von Spanien, dem stets ein Jesuit als Beichtvater zur Seite stand. Sie schilderten ihm die Barbareien, welche gegen die Wilden verübt wurden, denen jede religiöse Belehrung vorenthalten blieb; die schamlosen Sitten der Europäer, die Härte und Grausamkeit ihrer Herrschaft, welche die Rothäute zugrunde richtete oder zur Empörung und Flucht trieb. Sie erklärten, daß die verübten Brutalitäten die Bekehrung der Indianer hinderten, daß diesen das bloße Wort Spanier ein Greuel sei, und daß sie sich lieber vernichten ließen, ehe sie sich unter der Herrschaft der Kolonialregierung in Pueblos ansiedelten. Die Jesuiten erboten sich, die Wilden durch Sanftmut und Überredung zu bekehren und in Dörfern seßhaft zu machen.

Den Jesuiten zog ihr mutiges Eintreten zugunsten der Eingeborenen den Haß und die Feindschaft aller europäischen Ansiedler zu. Diese untersagten ihnen, ihre Dörfer zu betreten, und verweigerten ihnen alle Nahrungsmittel, selbst in der größten Bedrängnis. Die Missionare der Gesellschaft Jesu, welche die guaranische Sprache erlernten – was vor ihnen noch kein katholischer Geistlicher getan –, begaben sich in die Wälder und lebten inmitten der Indianer, welche erfahren hatten, mit welchem Wohlwollen sich die Patres ihrer annahmen. Als Freunde wurden sie von den Wilden empfangen, welche sonst die Europäer flohen und selbst diejenigen des eigenen Stammes töteten, die jenen als Dolmetscher dienten. Die beiden ersten Missionare, Mazeta und Cataldino, lebten in den Wäldern unter den Guaranis und rieten ihnen, sich zusammenzuschließen, um zu einer Macht zu werden, die fähig sei, ihren Verfolgern Widerstand zu leisten und ihre Freiheit zu verteidigen. Die genannten beiden Männer boten alles auf, um das Vertrauen und die Sympathie der Rothäute zu gewinnen. Da sie deren leidenschaftliche Liebe für die Musik kannten, so fuhren sie unter Gesängen durch die Ströme, die Indianer begleiteten ihre Piroge längs des Ufers oder schwammen hinterdrein. Hatten sie auf diese Weise eine größere Anzahl von Eingeborenen zusammengebracht, so legten die Missionare ihr Schiff an und erklärten die Wahrheiten der christlichen Religion – so melden wenigstens die »erbaulichen Briefe«. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß sie zu den Guaranis von der schlechten Behandlung sprachen, der diese preisgegeben waren; vom Glücke, das sie unter ihrer väterlichen Leitung genießen würden, und daß sie die Wunder rühmten, die sie selbst vollbringen konnten. »Der Glaube«, sagt Charlevoix, »erneute in diesen barbarischen Gegenden die Wunder, welche die Fabel von Amphion und Orpheus berichtet.«

Die Missionare ließen sich angelegen sein, die Kaziken und Häuptlinge der Clans durch Geschenke und Versprechungen zu gewinnen und sie dadurch zu fesseln, daß sie ihnen eine heilsame Furcht vor ihrer geheimnisvollen Macht einflößten. Charlevoix erzählt mit ganz außergewöhnlicher Naivität, daß ein Kazike, welcher die Taufe empfangen hatte, aber sich weigerte, den Vorstellungen und Ermahnungen der beiden Jesuitenväter Gehorsam zu leisten, und seine Nebenfrauen wieder zu sich nahm, eine exemplarische Strafe erhielt. »Er verbrannte lebendig in seiner Hütte und lehrte dadurch die neuen Christen, daß es im Himmel einen starken, eifrigen Gott gibt und daß man nicht ungestraft die Mahnungen verachtet, welche uns seine Diener in seinem Namen erteilen.« Wahrscheinlich war der hier wörtlich wiedergegebene Satz von den Jesuiten Mazeta und Cataldino anläßlich des Ereignisses gesprochen und ausgelegt worden. Um die Indianer einzuschüchtern, hatten sie ohne Zweifel den unglücklichen Kaziken berauscht und ermordet, um ihn dann zur größeren Ehre Gottes zu schmoren. Es ist doch ziemlich unwahrscheinlich, daß ein kräftiger, gewandter Wilder nicht hätte aus einer kleinen brennenden Hütte entkommen können. Der Dechant der Kathedrale von Cordova konnte mit Recht sagen, daß die Jesuiten im Sinne und Geiste der Lehren des Neuen Testaments wirkten. In den Wäldern der Neuen Welt veranstalteten sie eine Neuauflage des Wunders, durch welches der heilige Petrus Ananias und sein Weib Sapphira bestrafte, welche, »weil sie dem Heiligen Geist gelogen und der Gemeinschaft der Gläubigen nicht den vollen Preis ihrer Güter gegeben hatten«, vom Zorne Gottes getötet, das heißt umgebracht wurden. »So daß die Gläubigen eine große Furcht ankam, wie alle, die von diesen Dingen hörten,« fügt, wie Charlevoix, der Verfasser der Apostelgeschichte hinzu.

Die Gesellschaft Jesu triumphierte über jeden Widerstand, den ihr die Spanier auf den Kolonien entgegensetzten. Franzisko Alfaro, Statthalter von Paraguay, proklamierte im Jahre 1612 im Namen der Krone einen Erlaß, welcher streng verbot, Indianer zu jagen, um sie in Pueblos anzusiedeln, und erklärte, daß fernerhin keine Komtureien mehr verliehen werden würden. Allein schon zwei Jahre vorher waren die Jesuiten die Herren der Situation geworden und hatten den Grund zu ihrem Reiche dadurch gelegt, daß sie an die Stelle der weltlichen Häupter und Beamten in einer großen Anzahl von Komtureien getreten waren, an deren Umgestaltung sie nun gingen.


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