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7. Kapitel

Die seltsame Madame Clairon.

Der Portier bedeutete uns, Madame Claire Clairon sei stets erst nachmittags um drei Uhr zu sprechen, da sie nachts und bis in den Vormittag hinein sich dem Geschäft widme.

Madame bewohnte im übrigen, wie wir wußten, den zweiten Stock des Elite und sollte einfach fabelhaft luxuriös eingerichtet sein.

Wir hatten uns das Haus sehr genau von außen angesehen, und das, was uns aufstieß, war die Tatsache, daß es gleichfalls einen schmalen Seitenflügel hatte, der sich an die alte Festungsmauer anlehnte genau wie zweihundert Meter weiter der Harem-Flügel des Prunkbaus Zum Blauen Nil.

Harst übergab dem Portier seine Karte, auf die er ein paar Zeilen gekritzelt und die er in einen Umschlag getan hatte.

»In Sachen Weiße Schlange«,

– die Aufschrift sollte die schwarzhaarige Walküre ausnahmsweise schon um halb Zwei ermuntern.

Der Portier schnitt ein sehr zweifelhaftes Gesicht, worauf er läutete, worauf eine fesche Zofe erschien und wir gebeten wurden, droben im Salon der Wohnung zu warten.

Der Salon der Madame Clairon verriet Geschmack.

Das heißt, es war der Geschmack, wie man ihn dieser Schmierenherzogin zutrauen durfte.

Auf einem Damenschreibtisch stand ein Telefon.

Die Zofe war kaum wieder entschwebt, als Harald katzengleich zum Tische schlich und den Hörer abhob.

Er gab mir ein Zeichen, auf die Türen, die dichte Vorhänge hatten, aufzupassen.

Er horchte eine Weile, – dann war er wie ein Blitz wieder in der andern Ecke und nahm eins der auf dem Tischchen ausgelegten Bücher zur Hand. Ich richtete mich nach ihm, – wir horchten, und urplötzlich war die Zofe, zweifellos ein Halbblut, wieder da.

Das gepuderte Mädel mit dem huschenden Katzenblick knixte und meldete, Madame würde sich mit der Toilette beeilen ... Es würde jedoch noch eine halbe Stunde dauern.

»Macht nichts, Kleine ...«, meinte Harst mit einem Schmunzeln, als ob er die Kleine äußerst begehrenswert fände.

Sie kokettierte etwas und zog sich zurück. Die Tür fiel ins Schloß.

Harst war sofort auf den Beinen, öffnete dieselbe Flurtür ganz lautlos und horchte.

Selbst ich vernahm nun das Klirren der Glasscheiben der Etagentür. Das Mädel hatte die Wohnung verlassen.

Harald wagte jetzt etwas, das äußerst riskant war. Er öffnete die Tür zum Nebenraum, der als Bibliothek und Kontor, aber ebenfalls mit überladenem Luxus, eingerichtet war. Das dritte Zimmer war ein üppiger Schlafraum mit kostbarsten Möbeln, das Bett mit Betthimmel, der Frisiertisch – – alles modernste Stücke.

Das Bett war leer.

Harst hätte sich nun mit der Feststellung, daß Madame nicht geschlafen hatte (das Bett war zugedeckt) begnügen können.

Nein, er hob die Seidendecke ab und beschaute die Bettwäsche, brachte alles wieder in Ordnung und blickte sich in dem dämmerigen Räume suchend um.

Worauf er aus war, ahnte ich nicht.

Ich sollte es sofort erfahren.

Die eine Seitenwand ihres Zimmers stieß, ohne Tür, an den ominösen Seitenflügel. In der Mitte dieser Wand hing das Kolossalgemälde eines Herrn im Cut und Zylinder, – wahrscheinlich der etwas sagenhafte Gatte der Madame, von der niemand so recht wußte, ob sie Witwe oder geschieden oder ob die zugehörige Null von Mann noch irgendwo ein Schattendasein führte.

Das Bild in breitem Goldrahmen schien mit vier vergoldeten Haken allseits befestigt zu sein.

Mit starkem Herzklopfen beobachtete ich, wie Harst mit Seelenruhe an den Haken herumfingerte. Plötzlich glitt das Bild in die Höhe, und dahinter kam eine einfache Holztür zum Vorschein, die nur etwas Wertvolles an sich hatte, ein Patentschloß mit Buchstaben.

Harst zuckte die Achseln, ließ das Gemälde wieder herabgleiten und winkte mir.

Wir saßen dann abermals im Salon Sessel an Sessel, und er flüsterte mir ins Ohr:

»Erstens, – das Telefon ... Es war eine bloße Vermutung von mir, Madame könnte nicht im Hause sein. Ich belauschte so die Zofe, die ihre Herrin übrigens mit du ansprach und ihr sichtlich erregt mitteilte, wir seien da und sie habe meinen Brief geöffnet, es stände etwas von weißer Schlange darin, und Madame sollte schleunigst kommen. – Die Antwort Madames war ein kräftiger Fluch: »Ich komme, Celeste.« – Zweitens: Das Prunkbett in Madames Schlafzimmer wird nie benutzt, die Seidenbezüge zeigen noch die Falten und Kniffe frischer Stücke, und das Bett riecht nicht nach Benutztwerden. Mithin schläft Madame niemals hier. – Drittens: Das Gemälde hat mich endlich auf einen Gedanken gebracht, der etwas abenteuerlich sein mag, aber durchaus im Bereiche des Möglichen liegt. – – Still jetzt. Zu viel wollen wir nicht miteinander tuscheln, wir werden bestimmt beobachtet, vorhin klirrte die Glastür wieder ...«

Minuten später trat die Erwartete ein. Madame Clairon war wie immer in großer Toilette. Daß auch sie etwas Negerblut in den Adern hatte, bewiesen schon ihre Augen und Fingernägel. Bisher war uns das zweifelhafte Vergnügen nicht zuteil geworden, diese Walküre persönlich unter die Lupe nehmen zu können.

Nun, es gab da allerlei zu sehen. Der Juwelenladen, den sie mit sich herumschleppte, interessierte mich weniger als das eine fast bescheiden anmutende Armband, – – eine weiße Schlange!! Genau, wie Percy Wendnor es beschrieben hatte.

»Womit kann ich dienen?«, fragte die Walküre steif, nachdem sie Platz genommen hatte.

»Mit einer Kleinigkeit nur, Madame ...« Harst war die Liebenswürdigkeit selbst. »Bei Ihnen wohnt ein Mr. Wendnor, hier im Hotel ... Wir lernten ihn zufällig kennen ... Er soll abgereist sein.«

»Er ist abgereist.« Madame hatte einen Baß, der Angst erregte. Ihre Glotzaugen suchten Harald zu hypnotisieren. »Weshalb fragen Sie danach, Mr. Harst? Sie haben mir doch eine Karte geschickt, auf der Sie etwas von einer weißen Schlange vermerkten.«

»Natürlich. Beides hängt ja innigst zusammen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Ich ja. Wendnor ist der weißen Schlange wegen abgereist. – Wer holte sein Gepäck?« – Harst ging also ganz unvermittelt zum Angriff über.

Madame wurde unruhig. »Haben Sie ein Recht, derartige Fragen zu stellen, Mr. Harst?«

»Ja. Hier sehen Sie einen Ausweis des Polizeimajors Ali Mansur. Wir stehen zur Zeit in Polizeidiensten.« – Den Ausweis hatte Fred morgens besorgen müssen.

Die Walküre beleckte sich die tadellos getuschten Lippen, und ihr schwammiges Gesicht zerfloß vor Unterwürfigkeit. »Das ist natürlich etwas anderes, Mr. Harst ... Wendnor schickte einen Zettel, daß ihm sein Gepäck nach Kairo nachgesandt werben sollte.«

»Ist das schon geschehen?«

»Nein ...«

»Dann führen Sie uns bitte sofort auf Wendnors Zimmer ... – Keine Ausflüchte Madame. Die Sache ist bitter-ernst, der weißen Schlange werden in kurzem alle Giftzähne gezogen werden ...«

Frau Clairon betupfte sich die Stirn ...

»Wie Sie befehlen, Mr. Harst ... Ich werde läuten ... Der Kellner wird ...«

»Halt!«

Harst hatte blitzschnell zugepackt.

»Halt, – es ist ja fabelhaft, wie viele Druckknöpfe hier unter der Tischplatte angebracht sind ...« Er hatte sich gebückt ... »Gleich fünf Stück, und jeder in verschiedener Farbe ... Sogar an einem Salontischchen ... – Nein, Sie sollen uns persönlich Wendnors Zimmer zeigen ... – Vorwärts!«

Das Weib, das sicherlich aus den Südstaaten Amerikas stammte und den Gerüchten nach in New Orleans ein sehr zweifelhaftes Lokal besessen haben sollte, gehorchte widerwillig. –

Ich muß mich kürzer fassen, denn das Problem Weiße Schlange erfordert noch viel Papier und Nerven.

In Wendnors Wohnsalon lag auf dem Schreibtisch mitten auf der grünen Löschblattunterlage ein Ding, das Madame Clairon eiligst mit ihrem Taschentuch zu bedecken suchte.

Es gelang ihr nicht, Harst schob sie beiseite und hob die merkwürdige aus Papier geschnittene Spirale empor.

Es war eine Spirale in Schlangenform, den Kopf zierten drei weiße Emaillepünktchen: Ersatz für die Diamanten des Armbandes!

Harald pfiff leise durch die Zähne. »Schau' an, – – eine Warnung der weißen Schlange für Wendnor!!« Er faßte die so harmlos wirkende Papierspirale am Schwanzende, so daß der andere Teil, durch die Emaillepünktchen beschwert, nach unten hing.

Madame Clairon sank mit einem asthmatischem Seufzer in den Schreibsessel, Ihr Gesicht war aschgrau, und die durch die Schweißperlen längst verlaufene Schminke tropfte in rosigen Bächlein auf ihren Busenausschnitt.

Harst betrachtete sie mit jenem still sinnenden Blick, der schon so manchen Uebeltäter zum Geständnis gezwungen hat.

»Ja, die weiße Schlange ... Ein schauerliches Sudan-Märchen, Madame ... Zwölf reiche Fremde verschwinden in zwei Jahren ... Und seit etwa zwei Jahren sind auch Sie hier ansässig ... Merkwürdig!!« Er ließ die Spirale auf und ab wippen ... »Sehr merkwürdig! Sehr unheimlich! Aber man darf sich dadurch die kühle Logik nicht trüben lassen. Nein ... Das wäre verfehlt, etwa anzunehmen, daß Ihr trostloser Zustand, Madame, nur auf den Fund dieser Papierschlange zurückzuführen wäre ... Meine ursprüngliche Kombination ist falsch ... Dieses kleine Untier aus Papier sollte ... – er sprach plötzlich mit eisiger Schärfe – »sollte ... töten und zwar mich oder Schraut oder vielleicht auch andere unbequeme Leute ... – Bitte, Madame, wollen Sie einmal freundlichst den Papierkopf befühlen ... Die blanken weißen Emailletröpfchen sind nämlich noch feucht ... – Bitte, fassen Sie den Papierkopf an, ... wenn auch die harmlosen Farbtupfen zerdrückt werden ... Bitte!!«

»Ich ... tue es nicht!« kreischte das Weib halb von Sinnen ...

»Also ... Gift! Natürlich ein Hautgift das ..., – wollen mal sehen ...«

Er nahm sein Messer und schabte eines der Pünktchen weg.

In der »Emaille« lag ein winziger Metallknopf ähnlich einem Reißnagel, die haarfeine Spitze nach oben.

Neben uns ein schwerer Krach.

Madame lag bewußtlos auf dem Teppich.


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