Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Neunzehntes Capitel.

Mohammeds wachsende Macht. – Sein Zorn wider die Juden. – Angriff auf eine arabische Frau durch den jüdischen Stamm Kainoka. – Ein Aufruhr. – Die Beni Kainoka fliehen in ihre Burgen. – Ihre Unterjochung und Bestrafung durch Gütereinziehung und Verbannung. – Othmans Verheirathung mit des Propheten Tochter Omm Kolthum und des Propheten mit Hafza.

Die Schlacht von Beder hatte Mohammeds Stellung vollständig geändert; er war jetzt das triumphirende Oberhaupt einer wachsenden Macht. Die abgöttischen Stämme Arabiens wurden leicht zu einem Glauben bekehrt, welcher ihren räuberischen Neigungen schmeichelte, und der bei alle dem bezeugte, daß er sie nur zur ursprünglichen Religion ihrer Altvordern zurückführen wollte. Daher machte die erste Schaar, welche mit der Beute eines Feldlagers zu den Thoren Medinas einzog, fast alle seine heidnischen Bewohner zu Gläubigen und gab Mohammed die Gewalt in der Stadt. Seine Sprache wurde jetzt eine andere, und er redete wie ein Gesetzgeber und Oberherr. Das erste Zeugniß von dieser Gesinnungsänderung hatte man in der Behandlung der Juden, von denen es drei vornehme und mächtige Familien in Medina gab.

Alle Zugeständnisse, welche er diesem hartnäckigen Geschlechte gemacht hatte, hatten sich fruchtlos erwiesen; sie verharrten nicht allein starrsinnig im Unglauben, sondern behandelten ihn und seine Lehren mit Spott. Aßma, Merwans Tochter, eine jüdische Dichterin, schrieb Satyren gegen ihn. Sie wurde von einem seiner fanatischen Schüler ermordet. Abu Afak, ein Israelit, ein hundert und zwanzig Jahre alt, wurde ebenfalls getödtet, weil er sich in Satyren wider Mohammed ergangen hatte. Kaab Ibn Aschraf, ein anderer jüdischer Dichter, reiste nach der Schlacht am Beder nach Mekka, und versuchte die Koreischiten zur Rache aufzureizen, indem er Verse vortrug, in denen er die Tugenden pries und den Tod beklagte von denen ihres Stammes, welche in der Schlacht gefallen waren. So groß war seine Verblendung, daß er diese Verse öffentlich und in Gegenwart einiger Anhänger des Propheten, welche mit den Erschlagenen verwandt waren, nach seiner Rückkehr nach Medina vortrug. Aufgestachelt durch diese gehässige Feindseligkeit, rief Mohammed eines Tages im Zorne aus: »Wer wird mich von diesem Sohne Aschraf's befreien?« Wenige Tage darauf bezahlte Kaab seine Dichtung mit dem Leben; von einem eifrigen Ansaren des awsitischen Stammes wurde er ermordet.

Endlich trat ein Vorfall ein, welcher Mohammeds Groll wider die Juden in offene Feindseligkeit ausbrechen ließ. Eine Frau eines arabischen Hirtenstammes, welche Milch nach der Stadt brachte, befand sich eines Tages in dem Viertel, welches von den Beni Kainoka oder den Kindern Kainokas, einer der drei vornehmen Judenfamilien, bewohnt wurde. Hier wurde sie von einer Anzahl junger Israeliten angeredet, welche sie baten, ihr Gesicht zu entschleiern, da sie ihre Schönheit hatten preisen hören. Die Frau verweigerte eine Handlung, welche den Schicklichkeitsgesetzen ihres Volkes entgegen war. Ein junger Goldschmied, dessen Werkstelle ganz in der Nähe war, befestigte heimlich das Ende ihres Schleiers an die Bank, auf welcher sie saß, so daß, wenn sie zum Fortgehen aufstand, die Decke zurückblieb und ihr Gesicht den Blicken blos gestellt wurde. Darüber entstand unter den jungen Israeliten Gelächter und Spott, und die Frau stand verlegen und beschämt in der Mitte. Ein gegenwärtiger Mosleme, welchen die ihr zugefügte Beschämung ärgerte, zog das Schwert und stieß es dem Goldschmiede durch den Leib; er seinerseits wurde augenblicklich von den Israeliten erschlagen. Die Moslemen des benachbarten Viertels eilten zu den Waffen, die Beni Kainoka thaten dasselbe; aber da sie in der Minderzahl waren, flohen sie in ein befestigtes Schloß. Mohammed mischte sich ein, um den Aufstand zu dämpfen; da er jedoch im Allgemeinen wider die Juden aufgebracht war, so bestand er darauf, daß der beleidigende Stamm sofort den Islam annehmen sollte. Sie schützten den Vertrag vor, welchen er bei seiner Ankunft in Medina mit ihnen gemacht hatte, und nach welchem die Uebung ihrer Religion ihnen gestattet war; aber er ließ sich von seinem Vorsatze nicht abbringen. Eine Zeit lang verweigerten die Beni Kainoka die Unterwerfung und blieben hartnäckig, obgleich sie in ihre Burg eingeschlossen waren; endlich zwang sie der Hunger zur Ergebung. Abdallah Ibn Obba Solûl, der Führer der Khazraditen, welcher Beschützer dieses jüdischen Stammes war, trat zu ihren Gunsten vermittelnd ein und verhinderte es, daß sie über die Klinge springen mußten; ihre Güter wurden jedoch eingezogen, und sie selbst, sieben hundert an der Zahl, wurden nach Syrien verbannt.

Die Waffen und Reichthümer, welche aus dieser Einziehung Mohammed und seinen Anhängern zufielen, waren von großem Vortheil in den nachfolgenden Glaubenskriegen. Unter den Waffen, welche auf Mohammeds Antheil fielen, werden drei Schwerter aufgeführt, nämlich Medham, der Scharfe, Al Battar, der Schneidende und Hatef, der Todbringer; ferner zwei Lanzen, Al Monthari, der Zerstreuer, und Al Monthawi, der Zerstörer; ein silberner Harnisch, Al Fadha, und ein anderer Al Saadia genannt, soll von Saul dem David gegeben worden sein, als er im Begriffe war mit Goliath zu kämpfen; dazu kam ein Bogen, Al Catum oder der Feste geheißen, der aber seinem Namen nicht entsprach, denn in der ersten Schlacht, in welcher er sich desselben bediente, zog er ihn mit solcher Gewalt auf, daß er in Stücke zerbrach. Ueberhaupt gebrauchte er die arabischen Bogen mit geeigneten Pfeilen und Lanzen und untersagte seinen Anhängern den Gebrauch der persischen.

Mohammed suchte jetzt nicht länger die Juden zu gewinnen; sie wurden im Gegentheile Gegenstand seiner religiösen Feindseligkeit. Er widerrief die Anordnung, nach welcher er Jerusalem zum Kebla oder zum Gebetspuncte gemacht hatte, und setzte Mekka an dessen Stelle; dahin wenden seitdem die Mohammedaner stets das Gesicht, wenn sie ihre Andacht verrichten.

Der Tod Rokaia's, der Tochter des Propheten, war von ihrem Gatten Othman geziemend betrauert worden. Um den Letzteren wegen seines Verlustes zu trösten, bot ihm sein Waffenbruder Omar im Laufe des Jahres seine Tochter Hafza zum Weibe an. Sie war die Wittwe Habasch's, eines Suhamiten, achtzehn Jahre alt und von reizender Schönheit; dennoch wich Othman der Partie aus. Omar war über die Geringschätzung, welche seiner Tochter und ihm widerfuhr, aufgebracht und beklagte sich darüber bei Mohammed. »Bekümmere dich nicht deshalb, Omar,« entgegnete ihm der Prophet, »ein besseres Weib ist für Othman bestimmt und ein besserer Gatte für deine Tochter.« Er gab wirklich die eigene Tochter Omm Kolthum dem Othman und nahm die schöne Hafza sich zum Weibe. Durch diese politischen Verbindungen fesselte er Beide, Othman und Omar, fester an seine Seite, während er die eigene Neigung für weibliche Schönheit befriedigte. Hafza war nächst Ayescha die begünstigste unter seinen Frauen und hatte den Koffer mit den Suren und Versen des Korans, wie sie geoffenbaret wurden, in Verwahrung.


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