Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Siebentes Capitel.

Mohammed theilt seine Lehren im Geheimen und langsam mit. – Empfängt anderweitige Offenbarungen und Befehle. – Verkündigt es seiner Verwandtschaft. – In welcher Weise es aufgenommen wurde. – Begeisterte Ergebenheit Ali's. – Christliche Wunder.

Eine Zeit lang vertraute Mohammed seine Offenbarungen nur den Leuten seines eigenen Hauses. Der Allererste, welcher sich als Gläubiger bekannte, war sein Diener Zeid, ein Araber des Stammes Kalb. Dieser Jüngling war in der Kindheit auf einem Freibeuterzuge der Koreischiten gefangen worden und durch Kauf oder durchs Loos in Mohammeds Besitz gekommen. Als sein Vater mehrere Jahre nachher hörte, daß er sich in Mekka befände, so begab er sich dorthin und bot eine beträchtliche Summe für ihn als Lösegeld. »Wenn er es erwählt mit dir zu gehen,« sagte Mohammed, »so soll er ohne Lösegeld gehen; aber wenn er es erwählt bei mir zu bleiben, warum soll ich ihn nicht behalten?« Zeid zog es vor, zu bleiben, weil er, wie er sagte, immer mehr wie ein Sohn als wie ein Sclave behandelt worden wäre. Hierauf nahm ihn Mohammed öffentlich als Sohn an, und seitdem war er in diensteifriger Ergebenheit bei ihm geblieben. Bei Annahme des neuen Glaubens wurde er jetzt gänzlich frei; aber man wird finden, daß er lebenslänglich jene aufopfernde Anhänglichkeit bewahrte, welche seinen Bekennern und Anhängern einzuflößen, Mohammed die Gabe besessen zu haben scheint.

Die ersten Schritte Mohammeds auf der prophetischen Laufbahn waren gefahrvoll und ungewiß und wurden im Geheimen unternommen. Er hatte Feindseligkeiten auf jeder Seite zu befürchten; von seiner unmittelbaren Verwandtschaft, den Koreischiten der Linie Haschem, deren Macht und Glück mit der Abgötterei aufs Innigste zusammenhing; noch mehr von der eifersüchtigen Linie Abdo Schems's, welche lange mit Neid auf die Haschemiten geblickt hatte, und nun mit Ungestüm ein Geschrei über Abfall und Gottlosigkeit erheben würde, um sie aus dem Vorsteheramte an der Kaaba zu verdrängen. An der Spitze dieses mißgünstigen Zweiges Koreisch stand Abu Sofian, der Sohn Harb's, der Onkel Omeya's und Urenkel Abd Schems's. Er war ein fähiger und ehrgeiziger Mann, von großem Reichthum und Einfluß, und wird als einer der beharrlichsten und mächtigsten Gegner Mohammeds erfunden werden.

Unter diesen ungünstigen Umständen wurde der neue Glaube im Geheimen und langsam verbreitet, so daß während der ersten drei Jahre die Zahl der Bekehrten vierzig nicht überstieg; dies waren obendrein zum größten Theil junge Leute, Fremde und Sclaven. Ihre Versammlungen zum Gebete wurden im Verborgenen, entweder in dem Hause eines Eingeweihten oder in einer Höhle bei Mekka gehalten. Ihre Abgeschiedenheit schützte sie jedoch nicht gegen Gewaltthätigkeit. Ihre Versammlungen wurden entdeckt; ein Pöbelhaufe brach in ihre Versammlungen ein und ein Faustkampf folgte. Einer der Angreifer wurde am Kopfe von Saad, einem Waffenschmiede, verwundet; daher erntete dieser unter den Gläubigen den Ruhm, daß er von ihrer Zahl der Erste gewesen sei, welcher wegen des Islams Blut vergoß.

Einer der erbittertsten Gegner Mohammeds war sein Oheim Abu Lahab, ein reicher Mann, stolzen Gemüthes und reizbaren Temperaments. Sein Sohn Otha hatte Mohammeds dritte Tochter, Rokaia, geehelicht, so daß sie zwiefach verwandt waren. Abu Lahab war jedoch auch mit der Linie Schems verwandt, indem er Omm Jemil (Dschemil), die Schwester Abu Sofian's geheirathet hatte, und er stand arg unter dem Pantoffel seiner Gattin und seines Schwagers. Er verwarf das, was er die Ketzereien seines Neffen nannte, weil sie darauf berechnet wären, Unglück über ihr unmittelbares Geschlecht zu bringen und ihm die Feindschaft der übrigen Familien des Stammes Koreisch zuzuziehen. Mohammed war über den leidenschaftlichen Widerstand seines Oheims, welchen er den Aufreizungen seines Weibes Omm Jemil zuschrieb, höchlich betrübt. Er beklagte dies vorzüglich, weil dadurch das Glück seiner Tochter Rokaia beeinträchtigt wurde, deren Neigung zu seinen Lehren die Vorwürfe des Gatten und seiner Familie über sie brachte.

Diese und andere Ursachen zur Besorgniß drückten seine Lebensgeister nieder und vermehrten die Unruhe seines Gemüthes. Er wurde abgemattet und hager und war mehr und mehr Anfällen von Geistesabwesenheit ausgesetzt. Diejenigen von seinen Verwandten, welche ihm anhingen, bemerkten sein verändertes Aussehen und befürchteten den Ausbruch einer Krankheit; andere beschuldigten ihn spöttisch der Verstandesverwirrung; unter diesen Spöttern stand obenan seines Oheims Weib, Omm Jemil, die Schwester Abu Sofian's.

Das Ergebniß dieses in Unordnung gerathenen Geistes- und Körperzustandes war eine abermalige Vision oder Offenbarung, durch welche ihm aufgetragen wurde, »aufzustehen, zu predigen und den Herrn zu verherrlichen.« Er war jetzt im Begriffe, öffentlich und sonder Scheu seine Lehren zu verkündigen, damit anhebend bei seiner Verwandtschaft und seinem Stamme. Demnach forderte er im vierten Jahre seiner sogenannten Sendung alle Koreischiten der Familie Haschem's auf, auf dem Hügel Safa in der Nähe Mekkas mit ihm zusammenzutreffen, wo er ihnen Gegenstände, welche ihre Wohlfahrt beträfen, bekannt machen würde. Demgemäß versammelten sie sich dort, und mit ihnen kam Mohammeds feindseliger Oheim Abu Lahab nebst seinem höhnischen Weibe Omm Jemil. Kaum hatte der Prophet angefangen über seine Sendung zu sprechen und seine Offenbarungen mitzutheilen, als Abu Lahab in Wuth auffuhr, ihn schmähte, weil er sie wegen eines so nichtigen Geschwätzes zusammengerufen hätte; er ergriff einen Stein und wollte ihn nach demselben schleudern. Mohammed warf einen vernichtenden Blick auf ihn, verfluchte die auf diese Weise zur Drohung erhobene Hand und prophezeihte ihm die Verdammung zum Feuer der Gehenna mit der Versicherung, sein Weib Omm Jemil würde die Dornbündel hinzutragen, mit denen das Feuer entzündet werden würde.

Die Versammlung brach in Verwirrung auf. Abu Lahab und sein Weib, ergrimmt über die gegen sie ausgesprochene Verfluchung, zwangen ihren Sohn Otha, seine Gattin Rokaia zu verstoßen, und sandten sie weinend zu Mohammed zurück. Sie wurde jedoch bald entschädigt, da sie einen Gatten des wahren Glaubens erhielt, indem sie von Mohammeds eifrigem Schüler Othman Ibn Affan sehr gern zum Weibe genommen wurde.

Durchaus nicht entmuthigt durch das Fehlschlagen des ersten Versuchs, berief Mohammed eine zweite Versammlung der Haschemiten in seinem eigenen Hause, wo er, nachdem er sie mit Lammfleisch bewirthet und ihnen Milch zu trinken gegeben hatte, abermals auftrat und seine vom Himmel empfangenen Offenbarungen unumwunden verkündigte, sowie den göttlichen Befehl, diese den Angehörigen seines unmittelbaren Geschlechtes mitzutheilen.

»O Kinder Abd al Motallebs«, rief er mit Begeisterung »euch unter allen Menschen hat Allah diese überaus kostbaren Güter bestimmt. In seinem Namen biete ich euch die Segnungen dieser und die endlosen Freuden der andern Welt an. Wer von euch will die Last meiner Arbeit theilen? Wer will mein Bruder, mein Stellvertreter, mein Vezier sein?«

Alle verharrten in Schweigen; Einige wunderten sich, Andere lächelten ungläubig und spöttisch. Endlich erhob sich Ali mit jugendlichem Feuer und bot sich zum Dienste des Propheten an, obgleich er seine Jugend und körperliche Schwäche mit Bescheidenheit anerkannte. Mohammed schlang die Arme um den edelmüthigen Jüngling und drückte ihn an seine Brust. »Sehet meinen Bruder, meinen Vezier, meinen Stellvertreter,« rief er aus, »mögen Alle seinen Worten lauschen und ihm gehorchen!«

Der feurige Ausspruch eines Bürschleins wie Ali wurde jedoch durch ein wegwerfendes Gelächter der Koreischiten beantwortet; sie verspotteten Abu Taleb, den Vater des jugendlichen Proselyten (Neubekehrten), weil er sich nun vor seinem Sohne beugen und ihm Gehorsam leisten müßte.

Aber obgleich die Lehren Mohammeds auf diese Weise von seinen Verwandten und Freunden ungünstig aufgenommen wurden, so fanden sie doch unter dem Volke im Allgemeinen und besonders unter den Frauen Beifall, welche stets geneigt sind eine verfolgte Sache in Schutz zu nehmen. Auch unter den Juden hingen ihm viele eine Zeit lang an; aber als sie merkten, daß er seinen Schülern gestattete, das Fleisch des Kameels und von andern in ihrem Gesetze verbotenen Thieren zu essen, so zogen sie sich zurück und verwarfen seine Religion als unrein.

Mohammed ließ jetzt alle Zurückhaltung fahren oder er wurde vielmehr mit wachsender Begeisterung erfüllt und ging offen und ernstlich vorwärts, indem er seine Lehren verkündigte und sich für einen Propheten ausgab, welcher von Gott gesendet wäre, der Abgötterei ein Ende zu machen und die Strenge des jüdischen und christlichen Gesetzes zu mildern. Die Hügel Safa und Kubeis, geheiligt durch die Sagen von Hagar und Ismael, waren seine Lieblingsplätze zum Predigen und der Berg Hara war sein Sinai, wohin er sich gelegentlich, bei Anfällen von Erregung und Begeisterung zurückzog, um mit neuen Offenbarungen des Korans aus seiner Einsiedlerhöhle hervorzutreten.

Die guten alten christlichen Schriftsteller erzählen, wenn sie von der Ankunft desjenigen handeln, welchen sie den arabischen Feind der Kirche nennen, abergläubische Geschichten von verschiedenen, um diese Zeit geschehenen Vorzeichen, als von schrecklichen Vorläufern von Unruhen, um die Welt in Aufregung zu versetzen. In Konstantinopel, dem Sitze der christlichen Herrschaft in damaliger Zeit, kamen mehrere ungestaltete Geburten und wundersame Erscheinungen vor, welche in die Herzen aller Zuschauer Muthlosigkeit pflanzten. Bei gewissen religiösen Processionen in jener Gegend bewegten sich vorgeblich plötzlich die Kreuze von selbst, wurden heftig hin und her gebogen und verursachten Bestürzung und Schrecken. Auch der Nil, dieser alte Vater der Wunder, brachte zwei häßliche Gestalten, anscheinlich Mann und Weib hervor, welche aus seinen Gewässern heraufstiegen, eine Zeit lang mit schrecklichem Blicke um sich starrten und wieder unter die Wogen hinabsanken. Einen ganzen Tag schien die Sonne um ein Dritttheil ihres gewöhnlichen Umfangs vermindert zu sein und warf bleiche und düstere Strahlen. Während einer mondlosen Nacht glühte ein Feuerschein über den Himmel hin und blutige Lanzen glänzten in der Luft.

Alle diese und verschiedene andere ähnliche Wunder wurden als Vorzeichen kommender Unruhen gedeutet. Die alten Diener Gottes schüttelten traurig ihre Häupter und prophezeihten, daß das Reich des Antichrists nahe wäre nebst gewaltiger Verfolgung des christlichen Glaubens und großer Verwüstung der christlichen Kirche; und solchen heiligen Männern, welche durch die Prüfungen und Anfechtungen des Glaubens gegangen sind, fügt der ehrwürdige Pater Jayme Bleda hinzu, ist es gegeben, diese geheimnißvollen Anzeichen, welche dem Unglücke der Kirche vorangehen, zu verstehen und auszulegen, gleichwie es den alten Seeleuten gegeben ist, das kommende Ungewitter, welches ihr Fahrzeug überwältigen wird, in den Zeichen der Luft, des Himmels und der Tiefe zu lesen.

Viele von diesen heiligen Männern wurden vor der Erfüllung ihrer Weissagungen zur Herrlichkeit versammelt. Dort mögen sie, friedlich in dem reinen Himmel wohnend, mit Theilnahme auf die Verheerungen der christlichen Welt nieder geblickt haben, gleichwie man auf die Ungewitter, welche mächtige Schiffe zertrümmernd und stolze Thürme niederwerfend über die Erde und das Meer hinziehen, von den heitern Höhen der Berge niederschaut.


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