Washington Irving
Gottfried Crayon's Skizzenbuch
Washington Irving

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Das Weib.

Des Meeres Schätze sind so köstlich nicht,
Als die verborgnen Freuden eines Mannes,
Die eines Weibes Lieb' umschließt. Ich fühle
Den Segen schon, wenn ich dem Hause nahe.
Welch' einen Zauber haucht die Ehe aus –
Ein Veilchenbett ist süßer nicht.
Middleton.

Ich habe oft Gelegenheit gehabt, die Stärke zu beobachten, mit welcher Frauen die größten Schläge des Schicksals ertragen. Die Unglücksfälle, welche eines Mannes Geist niederschmettern und ihn in den Staub dahinstrecken, scheinen alle die Kräfte des schwächeren Geschlechts hervorzurufen, und ihrem Charakter eine solche Unerschrockenheit und einen Schwung zu geben, welche sich zuweilen dem Erhabenen nähern. Nichts kann rührender sein, als ein sanftes, zartes weibliches Wesen zu sehen, welches, ganz Schwäche und Abhängigkeit, sich gegen jede gewöhnliche Härte empfindlich zeigte, als es noch auf der Bahn des Glücks wandelte, und das sich nun plötzlich in geistiger Kraft erhebt, um im Unglück der Trost und die Stütze des Gatten zu werden, und mit ungebeugter Festigkeit die bittersten Stürme des Mißgeschicks erträgt.

Wie die Rebe, welche lange ihr zierliches Laub um die Eiche gerankt hat und mit ihr zur Sonne emporgewachsen ist, sich, wenn der mächtige Baum vom Blitzstrahle getroffen wird, mit ihren liebkosenden Ranken um ihn klammert und seine zersplitterten Aeste zusammenzuhalten versucht: so wurde es von der weisen Vorsehung schön angeordnet, daß das Weib, nur abhängig und die Zierde des Mannes in seinen glücklicheren Stunden, seine Stütze und sein Trost wird, wenn er durch ein plötzliches Unglück gebeugt, sich in die schroffen Tiefen seines innersten Wesens hineinwindet, das sinkende Haupt zärtlich emporhaltend und das gebrochene Herz aufrichtend.

Ich wünschte einst einem Freunde Glück, der eine blühende, durch die liebevollste Neigung engverbundene Familie um sich hatte. »Ich kann Euch kein besseres Loos wünschen,« sagte er mit Wärme, »als Weib und Kinder zu haben, – wenn Ihr glücklich seid, theilen sie die Gaben desselben mit Euch, im Unglücke sind sie zu Eurem Troste da.« Auch habe ich in der That bemerkt, daß verheirathete Männer, wenn das Unglück sie heimsucht, weit leichter ihren vorigen Standpunkt in der Welt wieder einnehmen, als unverheirathete; theils, weil sie durch die Noth der hülflosen und geliebten Wesen, deren Erhaltung allein auf ihnen beruht, mehr zur Thätigkeit angespornt werden; besonders aber, weil ihr Muth durch häusliche Freuden erheitert und gestärkt, und ihre Achtung vor sich selbst immer lebendig erhalten wird, indem sie finden, daß, obgleich in der Außenwelt Alles Nacht und Demüthigung ist, es doch noch eine kleine Welt der Liebe zu Haus gibt, in der sie Alleinherrscher sind. Ein einzelner Mann verliert sich dagegen sehr leicht in Verschwendung und vernachlässigt sich selbst; er hält sich für einsam und verlassen, und sein Herz zerfällt in Trümmer, wie ein verlassenes Haus, weil ihm ein Bewohner abgeht.

Diese Bemerkungen erinnern mich an eine kleine Familiengeschichte, von welcher ich einst Zeuge war. Mein vertrauter Freund, Leslie, hatte ein schönes und gebildetes Mädchen geheirathet, die inmitten der großen Welt auferzogen war. Es ist wahr, sie hatte kein Vermögen; aber das meines Freundes war bedeutend, und er freute sich schon im Voraus darauf, sie allen zierlichen Beschäftigungen nachhängen zu lassen, und alle die zarten Neigungen und Launen zu befriedigen, welche eine Art von Zauber um das weibliche Geschlecht verbreiten. »Ihr Leben,« sagte er, »soll einem Feenmährchen gleichen.«

Selbst die Verschiedenheit ihrer Charaktere brachte ein harmonisches Ganze hervor: er hatte eine romantische und etwas ernste Stimmung; sie war ganz Leben und Fröhlichkeit. Ich habe oft das stumme Entzücken bemerkt, mit welchem er in der Gesellschaft, deren Wonne sie durch ihre glänzenden Gaben war, auf sie blickte; und wie, mitten unter dem Beifall, ihr Auge sich nach ihm wandte, als suche sie nur bei ihm Gunst und Zufriedenheit. Wenn sie sich auf seinen Arm lehnte, bildete ihr zarter Wuchs einen schönen Gegensatz mit seiner hohen, männlichen Gestalt. Das liebevoll vertrauende Wesen, mit dem sie zu ihm hinauf sah, schien eine Glut triumphirenden Stolzes und reger Zärtlichkeit anzufachen, als ob er seine schöne Bürde gerade ihrer Hülflosigkeit willen liebte. Nie betrat ein Paar den blumigen Pfad einer frühen und wohlzusammenstimmenden Ehe mit einer schöneren Aussicht auf Glück.

Mein Freund hatte indeß das Unglück gehabt, sein Vermögen in großen Speculationen anzulegen, und kaum war er einige Monate verheirathet gewesen, als es ihm durch eine Reihe unerwarteter Unfälle entrissen ward, und er sich beinahe in Dürftigkeit versetzt fand. Eine Zeitlang hielt er seine Lage geheim, und ging mit bleichem Gesicht und brechendem Herzen umher. Sein Leben war eine fortdauernde Todesqual, und was es noch unerträglicher machte, war die Nothwendigkeit, in Gegenwart seines Weibes eine lächelnde Miene anzunehmen; denn er konnte es nicht über sich vermögen, sie mit der Nachricht von dem Vorgefallenen niederzuschmettern. Sie sah jedoch mit dem durchdringenden Blick der Liebe, daß nicht Alles war, wie es sein sollte. Sie bemerkte sein verändertes Aussehen und seine unterdrückten Seufzer, und seine krankhaften und nichtigen Versuche, Fröhlichkeit zu heucheln, konnten sie nicht täuschen. Sie bot ihre ganze Munterkeit, alle ihre zärtlichen Schmeicheleien auf, ihn dem Glücke wieder zu gewinnen; allein sie drückte dadurch den Pfeil nur desto tiefer in seine Seele. Je mehr er Ursache sah, sie zu lieben, desto quälender ward ihm der Gedanke, sie unglücklich zu machen. Nur noch wenige Zeit, dachte er, und das Lächeln wird von dieser Wange verschwinden – der Gesang wird von diesen Lippen wegsterben – der Glanz dieser Augen vom Gram verlöscht werden – und das fröhliche Herz, welches jetzt in diesem Busen leicht schlägt, wird von den Sorgen und dem Elende der Welt, wie das meinige, niedergedrückt werden.

Endlich kam er eines Tages zu mir, und erzählte mir seine ganze Lage im Tone der tiefsten Verzweiflung. Als ich ihn angehört hatte, fragte ich ihn: »Weiß Eure Gattin um alles dieses?« – Bei dieser Frage brach er in einen Thränenstrom aus. »Ums Himmelswillen,« rief er, »wenn Ihr nur einiges Mitleid mit mir habt, so erwähnet meines Weibes nicht; der Gedanke an sie bringt mich beinahe zum Wahnsinn!«

»Und warum?« erwiederte ich. »Sie muß es früher oder später erfahren, und diese Nachricht kann sie auf eine schrecklichere Weise treffen, als wenn Ihr selbst ihr dieselbe mittheilt; denn die Töne Derer, die wir lieben, mildern die unangenehmsten Botschaften. Außerdem beraubt Ihr Euch des Trostes ihrer Theilnahme; und nicht allein das, Ihr könnt so das einzige Band zerreißen, das Herzen an einander fesseln kann – eine rückhaltslose Gemeinschaft von Gedanken und Gefühlen. Sie wird es bald bemerken, daß etwas insgeheim an Euerm Herzen nagt; und wahre Liebe duldet keine Zurückhaltung; sie fühlt sich zurückgesetzt und gekränkt, selbst wenn der Kummer Derjenigen, die sie liebt, ihr verhehlt wird.«

»Ach, mein Freund! bedenkt, welch ein Schlag alle ihre künftigen Aussichten dadurch trifft – wie ich ihre Seele zu Boden schmettern muß, wenn ich ihr sage, daß ihr Gatte ein Bettler ist! daß sie alle feineren Genüsse des Lebens – alle Freuden der Gesellschaft verlieren – mit mir in Dürftigkeit und Dunkel sich zurückziehen muß. Ihr sagen zu müssen, daß ich sie aus der Sphäre herabgezogen habe, in der sie sich hätte in beständigem Glanze fortbewegen können – das Licht jedes Auges – die Bewunderung eines jeden Herzens! – Wie kann sie die Armuth ertragen? sie ist in allen Bequemlichkeiten des Reichthums aufgewachsen. Wie kann sie Zurücksetzung ertragen? sie war der Abgott der Gesellschaft. O! es wird ihr Herz brechen – es wird ihr Herz brechen!«

Ich sah, daß sein Schmerz beredt ward, und ließ ihn sich aussprechen; denn der Kummer erleichtert sich durch Worte. Als sein Paroxysmus sich gelegt hatte, und er in düsteres Schweigen zurückgefallen war, nahm ich die Unterhaltung unvermerkt wieder auf, und drang in ihn, seinem Weibe auf einmal seine Lage zu eröffnen. Er schüttelte traurig, aber entschieden den Kopf.

»Aber, wie wollt Ihr es vor ihr verbergen? Es ist nothwendig, daß sie es erfahre, damit Ihr die gehörigen Schritte thun könnet, Eure Verhältnisse zu ändern. Ihr müsset eine andere Lebensart beginnen – nein,« – ich sah, daß ein Zug der Trauer über sein Gesicht streifte – »laßt Euch das nicht betrüben. Ich bin überzeugt, Ihr habt nie Euer Glück in den äußeren Schein gesetzt. – Ihr habt noch Freunde, welche deswegen nicht schlimmer von Euch denken werden, weil Ihr eine weniger glänzende Wohnung habt: und in der That es bedarf keines Palastes, um mit Maria glücklich zu sein.«

»Ich könnte mit ihr,« rief er krampfhaft aus, »in einer Hütte glücklich sein! – Ich könnte mit ihr mich zur Armuth und in den Staub erniedrigen! – Ich könnte – ich könnte – der Himmel segne sie! der Himmel segne sie!« – rief er, sich dem Ausbruche des Schmerzes und der Zärtlichkeit überlassend.

»Und glaubt mir, mein Freund,« sagte ich, indem ich aufstand und ihn herzlich bei der Hand nahm: »glaubt mir, sie wird eben so mit Euch leben können. Ja, noch mehr: es wird dieß für sie eine Quelle des Stolzes und des Triumphs sein – es wird alle die verborgenen Kräfte und das glühende Mitgefühl ihres Wesens aufregen; denn sie wird sich freuen, durch die That beweisen zu können, daß sie Euch um Eurer selbst willen liebt. In jedem ächten Frauenherzen ist ein Funken himmlischen Feuers, der im hellen Tageslichte des Glückes erstorben schläft; der aber in der düstern Stunde des Mißgeschicks aufglimmt, und glänzt und in helle Flammen aufschlägt. Kein Mann weiß, was ihm das Weib seines Herzens ist – kein Mann weiß, was er für einen Schutzengel an ihr hat – bis er mit ihr durch die Feuerprobe dieser Welt gegangen.«

Es lag etwas in dem Ernste meines Wesens und in dem Bildlichen meiner Sprache, das die aufgeregte Einbildungskraft Leslie's in Anspruch nahm. Ich kannte den Hörer, mit dem ich zu thun hatte, und indem ich den Eindruck verfolgte, den ich auf ihn gemacht hatte, schloß ich damit, daß ich ihn überredete, nach Hause zu gehen und sein betrübtes Herz vor seinem Weibe auszuschütten.

Ich muß gestehen, daß ich, alles dessen ungeachtet, was ich gesagt habe, eine kleine Besorgniß wegen des Ausgangs der Sache fühlte. Wer kann auf die Seelenstärke einer Frau bauen, deren ganzes Leben ein Kreis von Vergnügungen gewesen ist? Ihr fröhlicher Geist konnte sich vor dem finstern, abwärts führenden Pfade niedriger Demüthigung entsetzen, der ihm plötzlich gezeigt wurde, und an die sonnigen Gegenden sich anschließen wollen, in denen er bisher geschwelgt hatte. Ueberdieß ist im Modeleben das Verarmen mit so vielen bittern Kränkungen verbunden, wovon man bei den andern Ständen nichts weiß. – Kurz, ich konnte einer Zusammenkunft mit Leslie am nächsten Morgen nicht ohne Aengstlichkeit entgegen sehen. Er hatte ihr Alles erzählt.

»Und wie benahm sie sich dabei?«

»Wie ein Engel! Es schien fast eine Erleichterung für ihr Gemüth zu sein, denn sie schlang ihre Arme um meinen Nacken, und fragte mich, ob das Alles sei, was mich in der letzten Zeit so unglücklich gemacht habe? Aber das arme Kind,« setzte er hinzu, »kann die wirkliche Veränderung, die jetzt eintreten muß, nicht ertragen. Sie hat nur einen ganz allgemeinen Begriff von Armuth; sie hat nur davon in Dichtungen gelesen, wo jene stets mit der Liebe Hand in Hand geht. Sie fühlt bis jetzt noch keine Entbehrung, sie vermißt noch nicht die gewohnten Bequemlichkeiten oder feineren Genüsse. Wenn wir wirklich dahin kommen werden, die gemeinen Sorgen, die kleinen Entbehrungen, die einzelnen Erniedrigungen der Armuth zu erfahren – erst dann wird die wahre Prüfung eintreten.«

»Aber,« sagte ich, »wenn Ihr das Schwerste überstanden habt, ihr das Geheimniß zu eröffnen, so laßt die Welt dasselbe auch, je eher, desto besser kennen. Die Eröffnung mag demüthigend sein; allein es ist dann eine einmalige Qual und bald vorüber, während Ihr sie, im entgegengesetzten Falle, in jeder Stunde des Tags zum Voraus erduldet. Nicht die Armuth sowohl, als der Schein ist es, der einen zu Grunde gerichteten Mann quält – der Kampf zwischen einem stolzen Sinn und einem leeren Beutel – das Bemühen, einen nichtigen Schein zu erhalten, der bald vorüber gehen muß. Habt nur den Muth, Euch arm zu zeigen, und Ihr nehmt der Armuth ihren schärfsten Stachel.«

In dieser Hinsicht fand ich Leslie vollkommen vorbereitet. Er selbst hatte keinen falschen Stolz, und was seine Gattin betrifft, so besaß sie keine andere Sorge, als sich ihrem veränderten Schicksal anzupassen.

Nach einigen Tagen kam er Abends zu mir. Er hatte sein Wohnhaus geräumt und ein kleines Bauernhaus, wenige Meilen von der Stadt, eingenommen. Den ganzen Tag war er beschäftigt gewesen, Möbel hinauszusenden. Die neue Einrichtung bedurfte nur sehr wenige Gegenstände, und diese von der einfachsten Art. Das ganze glänzende Geräthe in seiner vorigen Wohnung war verkauft worden, die Harfe seiner Gattin ausgenommen. Diese, sagte er, sei mit dem ganzen Wesen ihrer selbst zu innig verschwistert, sie gehöre zu der Geschichte ihrer gegenseitigen Liebe; denn einige der süßesten Augenblicke ihres zärtlichen Verhältnisses wären die gewesen, wo er sich über das Instrument hingelehnt, und den schmelzenden Tönen ihrer Stimme gelauscht hätte. Ich konnte nicht umhin, über diesen Zug der romantischen Galanterie eines liebenden Gatten zu lächeln.

Er war jetzt im Begriff, nach der ländlichen Wohnung hinauszugehen, wo seine Gattin bereits den ganzen Tag über die Einrichtung derselben geleitet hatte. Meine Gefühle waren in dem Verlauf dieser Familiengeschichte stärker erregt worden, und da es ein schöner Abend war, erbot ich mich, ihn zu begleiten.

Er war ermüdet durch die Anstrengungen des Tages, und versank, als wir hinausgingen, in eine Art düstern Nachdenkens.

»Arme Marie!« entschlüpfte endlich, mit einem tiefen Seufzer, seinen Lippen.

»Was ist mit ihr?« fragte ich, »ist ihr etwas begegnet?«

»Wie,« sagte er, indem er mir einen ungeduldigen Blick zuwarf, »ist es Nichts für sie, in einer so ärmlichen Lage zu leben – in ein elendes Bauernhaus eingesperrt zu sein – sich genöthigt zu sehen, beinahe die geringsten Dienste in ihrer armseligen Wohnung zu verrichten?«

»Hat sie sich denn über die Veränderung betrübt?«

»Betrübt? sie war die Sanftmuth und gute Laune selbst. In der That, sie erscheint heiterer, als ich sie je gekannt habe; sie ist gegen mich ganz Liebe, Zärtlichkeit und Trost gewesen!«

»Bewundernswerthes Kind!« rief ich aus. »Ihr nennet Euch arm, mein Freund; Ihr wart nie so reich – Ihr kanntet nie die unermeßlichen Schätze der Trefflichkeit, welche Ihr an diesem Weibe besaßt.«

»O, mein Freund, wenn nur diese erste Zusammenkunft in der Hütte vorüber wäre, ich würde mich dann, glaube ich, ganz getröstet fühlen können. Allein dieß ist ihr erster Tag, wo die wirkliche Erfahrung sie trifft; sie hat eine schlechte Wohnung beziehen müssen – sie hat den ganzen Tag mit der Anordnung der elenden Ausstattung derselben zu thun gehabt – sie hat, zum ersten Male, die Beschwerden häuslicher Beschäftigungen kennen lernen – sie hat, zum ersten Male, eine Häuslichkeit um sich gesehen, der es an allem Zierlichen, beinahe an aller Bequemlichkeit, gebricht; und sie sitzt vielleicht jetzt erschöpft und muthlos nieder, über dem Anblick der künftigen Armuth brütend.«

Es war ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit in diesem Gemälde, welcher ich nicht widersprechen konnte, und so schritten wir schweigend weiter.

Nachdem wir, von der Hauptstraße uns wendend, einen schmalen Pfad eingeschlagen hatten, welcher von wilden Bäumen so dicht beschattet war, daß er ihm den Charakter gänzlicher Abgeschlossenheit gab, sahen wir die Hütte vor uns liegen. Dem Aeußern nach war sie bescheiden genug für den schäferlichsten Dichter; und doch hatte sie dabei ein gefällig ländliches Ansehen. Das eine Ende hatte ein wilder Weinstock mit seinem reichen Laube umrankt; einige Bäume neigten ihre Zweige anmuthvoll darüber hin; und ich bemerkte mehrere Blumentöpfe, die mit Geschmack an der Thür und auf dem Rasenplatze vor dem Hause, aufgestellt waren. Eine kleine Gartenthüre öffnete einen Fußweg, der sich durch Gesträuche nach der Thür hinwand. In dem Augenblicke, wo wir näher traten, hörten wir den Klang von Musik – Leslie ergriff meinen Arm; wir blieben stehen und horchten. Es war Mariens Stimme, die, mit der rührendsten Einfachheit, ein kleines Lied sang, das ihr Gatte vorzüglich gern hatte.

Ich fühlte Leslie's Hand auf meinem Arme zittern. Er trat näher, um besser zu hören. Sein Tritt verursachte ein Geräusch auf dem Kiespfad. Ein heiteres, schönes Gesicht schaute einen Augenblick aus dem Fenster und verschwand, – ein leichter Tritt ließ sich hören – und Marie hüpfte uns entgegen. Sie trug einen netten, weißen, ländlichen Anzug; einige wenige Feldblumen waren in ihr schönes Haar geflochten; frische Röthe lag auf ihren Wangen; ihr ganzes Gesicht strahlte von Heiterkeit – ich hatte sie nie so schön gesehen.

»Mein lieber Georg,« rief sie aus, »ich bin so froh, daß Du endlich kommst! Ich habe geharrt und gewartet auf Dich; ich bin den Fußweg hinuntergelaufen und habe nach dir ausgesehen. Ich habe einen Tisch unter einen schönen Baum hinter dein Häuschen gesetzt, und habe einige der köstlichsten Erdbeeren gesucht, denn ich weiß, Du liebst sie – und wir haben so herrlichen Rahm – und Alles ist so angenehm und ruhig hier – O!« sagte sie, indem sie ihren Arm in den seinigen legte, und ihm heiter ins Gesicht blickte – »O, wir werden so glücklich sein!«

Der arme Leslie war überwältigt. Er nahm sie an seine Brust, – er schlang seinen Arm um sie, – er küßte sie wieder und wieder – er konnte nicht reden, aber Thränen strömten in seine Augen; und er hat mich oft versichert, daß, ob es ihm gleich in der Welt seitdem wieder gut ergangen, und sein Leben in der That ein sehr glückliches gewesen ist, er doch nie einen Augenblick so seltenen Glückes gehabt hat.


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