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Erster Theil

Riwalin und Blancheflur

Vorspiel

Die Welt, die draußen sich vermißt,
Gehört nicht eigen mir, das wißt.
Ich lasse die da draußen schalten,
Läßt sie die meine mich behalten,
Die draußen führt ein laut Geschrei
Und regt viel tausend Arm' und Hände;
Mit Dichten, Trachten, Schelmerei
Beginnt sie stets, bringt's nie zu Ende,
Indeß, vollendet im Gemüth
Vom Urbeginn, die Andre blüht!

Die Wunderros' im Wunderthale,
Geküßt vom ersten Sonnenstrahle! –
Die späteren sind ihr zu frech,
Sie thut davor ihr Haupt hinweg,
Verbirgt es in der Blätter Grünen,
Die spreiten ihm ein schirmend Dach;
Geschützet vor des Lichts Erkühnen
Verträumt die Rose so den Tag;
Erwacht zu Nacht; ihr hold Gesichte
Schaut wieder nach dem ersten Lichte.

Die Ros' in meines Herzens Thal,
Zu der sich immerdar nur stahl
Das zärteste, das frühste Leuchten
Des Sonnengotts im Morgenfeuchten;
Die zücht'ge Träumerin, versteckt
In bergend Laub und nie gefunden
Vom heißen Tag, zum Gruß geweckt
Allein vom Gruß der trautsten Stunden,
Die hohe, keusche Wunderblüt',
Ewig vollendet im Gemüth:

Das ist die schöne Welt der Liebe,
Das ist die Welt der schönen Liebe!
Der edlen Herzen nährend Brod,
Der süße Gram, die holde Noth!
In ihrem Zauberreiche stehen
Die Schmerzen in der Wonnen Pflicht;
Wem nie von Liebe Leid geschehen,
Geschah von Lieb' auch Liebes nicht.
Ist Einer, der um ihre Schmerzen
Nicht Alles trüg' in seinem Herzen?

In dieser Welt kein Leichenduft,
Stürzt' auch die Lieb' in Blut und Gruft!
Denn über Sarg und Bahre leise
Wacht auf des Sängers Liedesweise,
Und küßt der Todten Lippe warm,
Und weckt den Othem auf der Theuren,
Und nun erzählen Freud' und Harm
Die Opfer selbst in Abenteuren.
Was Laub' und Nacht allein gesehn,
Muß der Verklärten Mund gestehn.

Muß der Verklärten Mund gestehen!
Vom schüchtern-halben, frühsten Sehen,
Vom Seufzer, den er heimlich ihr
Als Boten sandte, und der schier
Noch wußte nicht, was er wol sage,
Und von dem Dolmetsch, ihrem Traum,
Von jenem höchsten Freudentage,
An dem ihn fast gestreift ihr Saum,
Von ihrem Meiden, ei, weshalben?
Von seinem Suchen, ach, deshalben!

Bis zu dem Finden dort im Haus
Des grünen Waldes, wo nicht aus
Sie weichen konnt' und mußt' in Zagen
Den Feuerblick des Aug's ertragen;
Bis zum verlegnen Stammelwort:
Ob nicht die Sonne herrlich scheine?
Ob nicht so traut der stille Ort?
Und ob sie lache oder weine?
Bis zu dem Druck, der Hand gereicht,
Da noch die Lippe bebend schweigt.

Bis zu dem Kuß, der Seel' und Sinne
Eintaucht ins Taumelmeer der Minne,
Bis zu dem Ruhen Brust an Brust,
Bis zu der höchsten Liebeslust,
Die sein Herz schickt in ihren Busen,
Und ihres setzt an seines Stell' –
Ach, Alles, Alles, was die Musen
Nie einem Dichter machten hell!
Was Laube nur und Nacht gesehen,
Muß der Verklärten Mund gestehen.

Gestand die schöne Julia, Romeo und Julia, Act III. Scene 2.
Was Keiner hörte, Keiner sah,
Dem großen Britten nicht, als leise
Beschwörend drang des Dichters Weise
In ihre goldne Sarges-Truh',
Darin sie schlummert mit dem Treuen:
Verschämte Sehnsucht nach der Ruh',
Die Liebe scheucht aus ihrem Scheuen –
Wer anders, als der Liebe Mund
Gab dies geheime Sehnen kund?

Gestand nicht von Fayel die Fraue Uhland's Romanze: Der Castellan von Couci.
Dem deutschen Mund in Schwabens Aue,
Deß Lied wie Luft der Alp so rein
Haucht in die deutschen Land hinein:
Als ich vom Herzen, ach! gezehret,
Dem niemals ich ein Zeichen gab,
Ward mir zum Tod die Brust beschweret,
Die Zähre rann die Wang' hinab –
Wo anders, als auf Liebesmunde
Sproß dieses ernsten Wunders Kunde?

Gestand dem Florentiner nicht Dante, Inferno, oant. 5.
Francesca, fern vom goldnen Licht,
Entflohn des Qualensturmes Blasen:
Im Lancelot wir einstens lasen,
Und als der Buhle, stolz und hehr,
Im Buche küßt die Königinne,
Da lasen Paul und ich nicht mehr –
Wer anders, als der Mund der Minne,
Noch minneglüh'nd im Höllenschlund,
Sprach, was nur dem Abyssus kund?

Willst du von Liebe was verstehen,
Mußt du zum Born der Liebe gehen!
Was Liebe heißt und Liebe will,
Sagt nicht Prophete noch Sibyll'.
Im glühen Herzen ausgegohren
Wird hoher Minne Feuerwein,
Und rothe Lippen sind erkoren,
Die Kellnerinnen ihm zu sein.
Setz' an, trink aus mit tiefem Zuge!
Dann liesest du im Minnebuche.

Horcht auf! hört zu! Ein neues Lied!
Von alter Lust ein heißes Lied!
Gottfried von Straßburg hat's gesungen,
Ich sing' es nach in meiner Zungen.
Es hätte stets in mir geruht
Und wäre wol mit mir vermodert –
Doch plötzlich fühl' ich Jugendmuth
Und bin von Jugendglut durchlodert –
Zwei Kellnerinnen im Verein,
Sie schenkten mir vom frischen Wein!

Bacchantisch meine Saiten rauschen,
An dieses Lied mein Herz zu tauschen!
Ich sitz' in stiller Mitternacht,
Vom alten Schloßthor überdacht:
Das Korn weht über Hügeln! Oestlich
Steigt auf der Mond und küßt den Baum,
Balsam die Luft! Die Nacht so köstlich,
Wie eines sel'gen Gottes Traum!
Und Geisterpaare schweben, leichte,
Die Luft hindurch. Mein Ruf erreichte

Tristan, Isold'; Isold', Tristan,
Beglückt-Unsel'ge, Weib und Mann.
Mein Ruf erreichte auch die Spuren
Von Riwalin und Blanchefluren.
Die Lüfte wehn die Geister hin
Und wehn sie her – sie blicken schmerzlich!
Doch wie sie flattern her und hin,
Sie halten sich umschlungen herzlich.
Auf, Saiten, klingt! Von Liebe tönt,
Die noch der Grüfte Nacht verschönt!

*

Die Romanze

Auf einem Fest zu Tintayol
War Schloß und Hain der Freude voll.
Denn mancher Ritter, mancher starke,
War auf dem Fest von König Marke,
Und manche Dame hat zur Stell'
Der Schönheit Fahn' emporgerichtet,
Und mancher brave Ministrel
Chanson und Lai darauf gedichtet;
Ob Lanzen mehr zerbrachen, mehr
Verliebte Augen sprachen? Schwer
Ist das zu sagen. Marke wollte,
Daß dieses Fest in Jubel sollte
Vom goldnen Morgen rollen, bis
Hochmitternacht den Tag verhieß.
Tyost und Kampfspiel ging in Mahles
Genüsse über unter'm Zelt,
Zum Sinken dann des Abendstrahles
War schon des Reigens Lust bestellt,
Dann blüht erst rechter Anmuth Zieren
Von Damen auf und Cavalieren.

Was nur ein Herze mocht' erfreun,
Ward dargespendet dort in Treu'n:
Die allerliebsten Nachbarinnen
Den jungen Herrn zu stillen Minnen;
Den Alten, die nicht mehr bedacht
Auf Minne waren, Goldpokale,
Und wem der Becher Unlust macht,
Schachspiel und Brett im Nebensaale;
Musik und Speisen allerlei –
Wär' ich gewesen doch dabei!

Kein Glück auf Erden über Feste,
Geschmückt durch edle, feine Gäste!
Die Sorge scheint ein Traum, verjagt
Von schmeichlerischer Töne Macht;
Die Freude kam aus Himmelsfernen,
Und reget selbst des Feigsten Muth,
Du greifest nach des Himmels Sternen,
Steckst sie als Blumen an den Hut;
Vor allen Leuten, in dem Glanze,
Von hundert Kerzen, reicht zum Tanze,

Von der dich sonst die Parze bannt,
Dir heute doch die theure Hand.
Dein Feuer scheint aus ihren Mienen
Beim Schall der Cymbeln und Clarinen;
Der Blitz der Festeswonne strich
Verzehrend über alle Schranken;
Du sollst sie missen ewiglich,
Drei Stunden doch dem Glücke danken,
Sollst glücklich sein die kurze Spann',
Verbluten an den Wunden dann.

Jedoch von Wund' und Blut zurücke
Zu König Marke's Festesglücke!
Nur halb war' es ersproßt, wenn nicht
Ein zweiter König seine Pflicht
Geleistet hätt' in dem Bestreben,
Zu zeigen reicher Schätze Preis,
Wenn nicht auch er sein Fest gegeben,
Der schöne König blütenweiß,
Der König Lenz, der zaubergroße,
In seinem Kleid von Lilj' und Rose.

Das Fest des Königs Lenz umschlang
Mit Liebesarmen jeden Gang,
Den König Marke's Fest durch Fluren
Und Hallen nahm in lichten Spuren.
Den weichen Teppich sorglich hatt'
Er ausgebreitet weichen Füßen,
Das war die frische, grüne Matt',
Gestickt mit Blumen, mit den süßen;
Wo Damenblick' hinunter sahn,
Sahn schwesterlich sie Blumen an.

Mit Säulen ließ er sie umzirken,
Mit dunkeln Buchen, weißen Birken
Die grüne Matt', und Läubelein,
Die gaben einen frohen Schein,
Wie Prachttapeten aufgehangen,
Daß Säul' und Säule sei verknüpft,
Und dennoch werde von dem Prangen
Grüngoldner Lichterlein durchschlüpft;
Denn von der hohen Himmelsleuchte
Die neid'schen Wolken er verscheuchte.

Turnierten nun die Herrn, wie frohn
Schien dazu König Lenzens Sonn'!
Und wenn Geläut anhob der Becher,
Verklärte Becher sie und Zecher;
Und wenn ein Busen liebesiech
Einsamen Schritten folgte, zarten,
Und ihnen nach zum Hügel stieg,
Deß Heimlichkeiten Birken wahrten,
Und Buchen mit dem Blätterschlei'r,
Wie wurd' ihm kühner dort und frei'r!

Denn unter Birken, unter Buchen
Regt' auf ein Haschen und ein Suchen
Und der Natur Fandango, mild
Der König Lenz, so hulderfüllt.
Die Schatten haschten nach den Lichtern,
Die stellten sich, als ob sie flöhn,
Und thaten unter Blättern schüchtern
Dann doch mit ihren Haschern schön;
Und Farbenkinder gaben Kunde
Vom blätterüberhüllten Bunde.

Es wühlten Lüfte lechzend heiß
Im Kelch der Waldeslilien weiß
Und küßten mit verliebtem Beben
Zu Düften wach ihr tiefstes Leben.
Die Düfte fliegen zu dem Born,
Der zwischen Felsen steht, ein Knappe,
Da fühlt er an den Füßen Sporn
Und rufet: Fels, sei du mein Rappe!
Es wird der Damm hinweggedrängt,
Hinab auf schwarzem Felsen sprengt

Der schäumende Gesell! Er eilet,
Von grünen Ufern nicht verweilet.
Das einz'ge Ziel ist, das er sucht,
An Weibes Leib der Minne Frucht.
Da sieht er fern die Oreade
Im Schlummer üppig hingestreckt,
Der Westwind hat als wie zum Bade
All' ihre Reize aufgedeckt,
Und wehet nach dem sanften Schooße
Iris und Crocus hin und Moose.

Erzitternd bis zum Munde, haucht
Er Bläschen auf und kocht und raucht,
Und schießet in das Blumenbecken
Inbrünstig wild. Und sie, voll Schrecken,
Fühlt sich erobert halb im Traum,
Umstrickt von seinen starken Armen.
Fühlt in des weichen Schooßes Raum
Den Stürmer schwelchen ohn' Erbarmen;
Sie möchte gegen solche Wuth
Gern fassen einen zorn'gen Muth,

Doch bald gefällt ihr die Vermählung,
Ihr Innerstes durchrinnt Beseelung,
Denn still, wie ein besänftigt Kind,
Füllt er das Becken, wallt gelind,
Und schmeichelt ihren Blumenborden
Und tränkt die ganze bunte Schaar;
Ihr treuer Mann ist er geworden,
Sie sind vereint für immerdar.
In seinem Spiegel schaut mit Lüsten
Sich Oreas von Haupt zu Brüsten.

So trieb dort jede Creatur
In den Fandango der Natur
Der König Lenz. – Er selbst indessen
Hat auch sein Bräutlein nicht vergessen.
Die Erd' ist die verschämte Braut,
Er webet über ihr belebend –
Habt ihr Allegri's Zeus Das berühmte Bild des Correggio: Jupiter und Io. geschaut,
Als Wolke Io überschwebend,
Mit Nebellüften, sehnsuchtsfeucht,
In ihre Hüften eingebeugt?

Kein Plätzchen ist am schönen Leibe,
Das nicht zur Braut, das nicht zum Weibe
Die Götterwolke küßt! Und süß
Wie Honig vom Hymettus, süß,
Daß keine Wort' es sagen können,
Blickt aus den Dünsten ein Gesicht
Auf seines Opfers schmachtend Brennen
Zu sterben an der Wollust Pflicht,
Besiegt, verklärt, durchschau'rt, erwärmet –
So hält auch Lenz die Erd' umarmet.

Da, wo die Oreas umfängt
Den Mann, zur klaren Ruh' gedrängt –
Mit anderm Wort: am Wasserspiegel,
Rings eingedeicht vom Blumenhügel,
Stand von Parmenien Riwalin,
Entflohn dem Tanz in Pavillone,
Ein junger, scharfer Paladin,
Vergleichbar Philipp's Göttersohne;
Kein Speer, der nicht an ihm zerspellt',
Und er besaß die ganze Welt

In seinen kühnlichen Gedanken,
In seinem Muthe sonder Schranken!
So Einer derer, die das Licht
Des Monds mit zürnendem Gesicht
Betrachten, weil dem höchsten Schwunge
Mond immer noch zu fern sich wies.
Sein Wappen war ein Löw' im Sprunge,
Und: Kein Entrinnen! die Devis'.
Der stolze Recke, Alles wagend,
Steht nun am Wasser blöde, zagend.

Sieht er etwan ein Ungeheu'r,
Ein kraftentraffend Abenteu'r?
Ach nein! Ihm gegenüber stehet
Am Ulmenbaume, grün umwehet
Vom Eppich, der bis zu der Kron'
Des Stammes die inn'gen Ranken dränget,
Kein Feind, bewehrt, voll Grimm und Hohn,
Der blut'gen Kampf und Mord verhänget;
Da steht ein schüchtern Fräulein nur,
Des Königs Schwester, Blancheflur.

Die weiche, weiße, volle Schöne,
Gepriesen durch des Liedes Söhne
Als eine weiße Rose, die
Natur schalkhaft, voll Ironie
Auf alabasterweißen Wangen
Anhauchte mit dem zärtsten Roth,
Daß nicht zu sehn, wo angefangen
Der Kuß, den ihr der Hauch entbot,
Wo sich der Unschuld Weiß verlieret
Und heimlich Wünschen röthlich zieret.

Im Reigentanz erschrak gar sehr
Schön Blancheflur und eilt' hieher.
Sie eilte heimlich fort, im Sinnen,
Am Hügel Ruhe zu gewinnen.
Warum erschrak die Schöne denn?
Ich weiß es nicht. Das aber weiß ich,
Wer ihr in Eile nachzugehn
Die raschen Füße brauchte fleißig.
Vom Schreck beim Tanz erholet kaum
Erschrickt sie neu am Ulmenbaum;

Erschrickt sie, da sie um sich wendet.
Ist noch nicht meine Angst geendet?
Ruft sie. – Hat mich eu'r leerer Zorn
Zu seinem Spiele auserkor'n? –
Mein Zorn? fragt seine Lipp' und zittert;
Mein Zorn? ein Ton, gedämpft vom Schmerz.
Die adlige Gestalt, erschüttert
Preßt sie die Hand aufs heft'ge Herz.
Ich könnte, Dame, euch verklagen,
Von Zürnen wüßt' ich nicht zu sagen.

Hab' ich, versetzt sie, mich verfehlt
In irgend einer Pflicht, gezählt
Zur Courtoisie der Damenpflichten?
Ich denk's, Herr Riwalin, mit nichten.
Ward eurer tapfern Siegesfaust
Mit Schärp' und Schleife nicht gedanket?
Credenzt' ich nicht, wenn ihr geschmaust,
Jedweden Becher, den ihr tranket?
Versagt' ich einen Tanz euch wol
Auf unserm Fest zu Tintayol? –

Wenn ihr gedankt dem Sieg des Speeres
Mit Schleif' und Schärpe, wollt' ich Mehres!
Credenztet ihr den Becher, sehr,
Sehr schön war das! Doch wollt' ich mehr.
Flog ich mit euch im raschen Reigen,
War ich entzückt und wollte mehr!
Wie huldvoll Blancheflur's Bezeigen,
Das Herz des Riwalin rief: Mehr! –
So gab mit Worten dort, mit wen'gen,
Antwort der Ritter von Parmenien.

Und er fuhr fort: Doch ihr seid Eis
Und Keine, die von Mehrem weiß!
Wo dräut der Mohr, daß ich mich messe
Mit ihm, bis ich den Boden messe?
Wo blinkt der Streich, der tödtlich trifft?
Wo schrein des Kriegesgottes Rosse?
Wo wird gebraut das schärfste Gift?
Wo schwirr'n die wüthendsten Geschosse?
Ich flüchte zu Geschoß und Streich
Aus glutentflammenden Winters Reich!

Wer gab euch kalten Zauberinnen
Das Recht, im Spiele zu gewinnen,
Im kalten Spiele, unser Herz,
Damit zu treiben kalten Scherz?
Kein Spiel ist, dem die Regel fehle:
Gleich soll'n der Spieler Sätze sein –
Ihr spielt mit uns um unsre Seele
Und setzet nichts dagegen ein.
Doch zürn' ich nicht, wenn ich mich härme,
Denn wisset ihr, wovon ich schwärme? –

Er schweigt und senkt die Augen. Sie
Schweigt ebenfalls. Ich sage: Nie
War noch ein Mann verirret weiter.
Sah schwarz, wo Alles lachte heiter!
Sie konnte wol mit vollem Fug
Beleidigt sein von seinen Worten,
Doch schien sie's nicht. Es schlich ein Zug
Des Lächelns um die Rosenpforten
Der Lippen, wie ein schelm'scher Wicht,
Der von der Burg Geheimniß spricht.

So lächelnd, schickt ihr blaues Auge
Den Blick nach ihm, der wie vom Rauche
Der schwarzen Kunst berückt, der Thor,
Zu Boden sieht, anstatt empor.
Dann bricht die weiße Hand vom Baume
Ein Reislein grünen Eppichs fort,
Sie küßt es, und der Lippen Saume
Entschlüpft das leise Flüsterwort:
Ob ich, du Reis, deß Liebes-Ranken
So zärtlich um die Ulme ranken,

Ob ich wol weiß, wenn er sich härmt,
Wie dieses thut, wovon er schwärmt? –
Und bis zum Busen purpurglühend,
Zu lautem Ton die Stimme mühend,
Spricht sie sodann verschämt und scheu:
Habt mir den liebsten Freund verwundet,
Ihr stolzer, ritterlicher Leu,
Die Strafe wird Euch noch gestundet,
Doch irrt, Herr Riwalin, Ihr sehr,
Klagt Ihr mich an, verlangt Ihr mehr. –

Erstaunt horcht er dem Räthsel, flüchtig
Schwebt sie vorüber ihm, sehnsüchtig
Beugt er das Knie, rührt ihr Gewand,
Der Eppich fällt aus ihrer Hand –
Und weichend ruft sie: Dieses Gleichniß
Schickt Euch mein Freund, den Ihr versehrt,
Und ich, ich bring' es Euch zum Zeugniß,
Daß Ihr mit Unrecht Euch beschwert! –
Sie eilt davon auf Rehesfüßen;
Er küßt's, und seine Zähren fließen

Aus Wimpern, überschwell'nd von Glück,
Von neuem Glück, von goldnem Glück!
Noch eben rings umschnürt von Nattern,
Befreit die Sinne jauchzend flattern;
Er hält des Räthsels Lösung ja,
Er kennt den Freund, den er verwundet,
Obschon er nimmer vor ihn sah,
Und der ihm doch die Strafe stundet,
Vielmehr entzückend Gleichniß gibt –
Es ist ihr Herze, das er liebt;

Ihr Herze ist der Freund, der wunde,
Verwund't von ihm zu guter Stunde,
Er schickt ein Gleichniß wunderhold
Wie eine Frau zahlt Minnesold.
Denn gleich dem Eppich, welcher sendet
Den Trieb bis in der Ulme Mark
Und mit ihr lebt und mit ihr endet,
Liebt eine Fraue bis zum Sarg.
Sie lebt von ihres Liebsten Leben,
Stirbt, wenn sie auf die Bahr' ihn heben.

*

Zwischenspiel

Ich muß das Abenteuer unterbrechen,
Weil mir der Busen zu gewaltig klopft,
Und fremd Geschick und Glücke zu besprechen,
Indeß das Heiligthum der Seele tropft
Vom Thränenguß aus heil'ger Wonne Bächen,
Dem lange jeder Zugang war verstopft,
Bis seine Flut die Krustenwand durchsintert,
In der das Leben starr mich eingewintert.

O sel'ger Augenblick, wenn nun die Binde
Dem Flügelgotte von der Stirne fällt,
Und Liebe, gleich dem neugebornen Kinde
Uns zuruft: Seht, ich bin ja auf der Welt!
Vor zwei Secunden hielt des Orcus Rinde
Es noch umfaßt, den Larven zugesellt,
Und zwei Secunden später liegt ein Engel
Gesendet da trostreich ins Land der Mängel.

Denn wer in Wahrheit liebet, der verzaget,
Daß Eros aufgeweckt den Anteros.
Die Lieb' ist Demuth! Und sie sagt und klaget:
Bin ich wol würdig, des Olymps Genoß
Zu werden? wo die goldne Schwelle raget,
Dem Krug zu nahn, aus dem der Nektar floß?
So klagt die wahre Lieb', hofft kein Erbarmen,
Und – jubelt plötzlich in den weichsten Armen!

Zwei weichste Arme halten sanft umfangen
Die größte Welt, die Welt, die ewig schön,
Zwei Augen sind wie Sonnen aufgegangen
Ob dieser Welt! Wie glänzt, wie blüht sie schön!
Des Mädchens Othem fächelnd kommt gegangen
Gleich Gottes Hauch in diese Welt so schön;
Sechs Tage gnügten kaum dem Schöpfungstriebe,
Ein Augenblick erschafft die Welt der Liebe!

Ich habe ihn erlebt! – Und welche Farben
Ich ihn zu malen wähle, sie sind todt!
Mir scheinet der Azur ein graues Darben,
Blind der Demant und kalt das Morgenroth;
Ja, griff' ich kühnlich nach den Feuergarben,
Die Phaeton zu nah der Erde bot,
Verzeichnet würd' ich nur zu haben meinen
Den Augenblick, der Liebe läßt erscheinen.

Nur Einen gibt's, der sich mit ihm vergleichet,
Doch dieser keimet auf der Erde nicht;
Er sprießet erst, wenn das Hienieden weichet,
Im Paradies, im unvermischten Licht. –
Ein Zweifler stirbt. Die hohle Wang' erbleichet,
Der Busen röchelt und das Auge bricht
Des frommen Zweiflers, welcher nicht aus Tücke,
Nein, ehrlich zweifelte am ew'gen Glücke.

Er hat geforscht sein Leben lang und konnte
Mit dem Verstande reißen nicht das Netz
Des Widerspruchs, so flicht das allgewohnte,
Der Sterblichkeit toddrohende Gesetz;
Und daß er sich in Gottes Sonne sonnte,
War ihm der Tugend volles Lohnen stets;
Nun stirbt er. – Und ein Jenseits dünkt ihm Dichtung
Er schaudert, keucht: Wie herb ist die Vernichtung!

Verzweiflung schreiet aus des Leichnams Zügen,
Die Seele aber hebt ein Engelchor
Ins Empyräum, zu der Heil'gen Flügen
Am Thron des sündenlosen Lamms empor;
Erwacht von des Verstandes grimmen Lügen,
Durchschwebet trunken sie das Jaspisthor.
Sie ruft: Ich lebe, schwimm' in Lebens Bade!
Drauf singt der Himmelschor: Du hast's aus Gnade!

So bricht die Lieb' aus Gnaden auf zum Leben,
Und allen wünsch' ich ihren Augenblick;
Ich wünsche ihn der Guten gutem Streben,
Und auch den Bösen wünsche ich sein Glück.
Denn wem er seinen Segen hat gegeben,
Der weicht gewiß vom Laster gleich zurück;
Er krönt mit einem immergrünen Kranze.
Entsagen mußt' ich... Dennoch – – – Zur Romanze! –

*

Die Schöne kehrt zum Pavillon,
Da ist das schöne Fest entflohn
Und ließ zurück ein tolles Wirren,
Ein Rennen, Rufen, Lärmen, Schwirren.
Es rennen Ritter nach dem Stall,
Es rufen Ritter nach der Rüstung,
Die larmen mit gewaltigem Schall,
Die schwirrn gepanzert von der Brüstung
Des Saals herunter, drin der Wein
Versprengte seinen goldnen Schein.

Denn umgestürzt ist mancher Becher,
Und aufgestört manch alter Zecher!
Manch Ritter hat noch einen Schuh
Vom Tanz am rechten Fuß; dazu
Am linken Schienen, Stiefel, Sporen,
Trägt Eisenhelm und Seidenkleid;
Ein tauber Geiger geigt verloren
Noch seinen Walzer, ohne Neid
Auf Trombenschmettern, Roßgestampfe,
Das draußen mahnt zu Marsch und Kampfe.

Nach Frühlingswehn ein Sturm und Braus
Ist König Marke's festlich Haus.
Und vor dem Sturme in der Ecke
Geduckt, gleich Tauben im Verstecke,
Wenn das Gewitter toset, sitzt
Der holden Damen banger Reigen,
Spang' und Demant am Busen blitzt
Den Busen selber drückt das Schweigen;
Das Schweigen wurde lauter nicht,
Schlich dort vorbei manch junger Wicht.

Die schöne Blancheflur tritt zagend
Zur Schaar der Damen, rufet fragend:
Welch Mißgeschicke hat verstört
Das Fest, und Lust in Leid gekehrt?
Und eine spricht: Als wir im Tanze
Die allerschönste Tour gemacht,
Ihr kennt sie wol, die mit dem Kranze,
Kam ein versprengter Mann gejagt,
Rief: König Mark, in deinen Gauen
Ist Irlands Kriegeszug zu schauen!

Und auseinander flog die Tour,
Und gleich erscholl der Ritter Schwur:
Wir woll'n bei König Marke tanzen,
Wir woll'n ihm dienen auch mit Lanzen!
Das ist's, warum wir ducken hier,
Warum der Geiger geigt alleine,
Warum des Tanzes Putz und Zier
Sich dorten mischt dem Waffenscheine;
Seitdem des Kampfes Tromb' erscholl,
Ward stumm das Fest zu Tintayol.

Doch kommt zur Brüstung, laßt uns sehen,
Wie unsern Rittern Waffen stehen!
Schon sind sie reisig, wollen fort,
Wir spenden ihnen Gruß und Wort. –
Die Damen heben sich und treten
Zum Rande hin des Pavillons;
Von unten schmettern die Trompeten,
Die Ritter harr'n des letzten Lohns
Für Minnedienst. Auf ihrem Stahle
Flammt rothe Glut vom Abendstrahle.

Rothglüh'nde Panzer, unten zieh'nd,
Rothglüh'nde Wangen, oben blüh'nd!
Von rothen Lippen fällt Gekose
Auf Panzer nieder, gleich der Rose,
Womit ein schönes, zartes Kind,
Das durch das Gitterfenster schaute,
Sagt: Sangst mit nichten in den Wind,
Du Jüngling drunten mit der Laute!
Begrüßt sie Alle sprengend hin:
Der Letzte war Herr Riwalin.

Er blickt hinauf und hebt den Eppich,
Sie schauet vor sich auf den Teppich.
Er drückt das Blatt an seinen Mund,
Gesandt von ihrem Freund, der wund.
Nun ist der Freund erst wund zum Sterben
Und keines Lautes mächtig mehr;
Wie heiß auch Riwalin mag werben
Um einen Gruß, sie zagt zu sehr!
Er mißt, was Alle sich gewannen,
Grußlos jagt Riwalin von dannen.

O traurig Meiden, was man liebt!
O traur'ger Bleiben deß, der liebt!
Die Welt umscherzet den, der meidet;
Was bleibet dem, der bleibend leidet?
Es schmeichelt um die wunde Brust
Des Meidenden der Hauch der Ferne;
Dem Bleibenden ist nur bewußt,
Daß losch das Licht der Sonn' und Sterne,
Weil er im dunkeln Kerker zagt,
In dem die Oede an ihm nagt.

Held Riwalin ritt fürder traurig,
Wie war's um Blanchefluren schaurig!
Sie hatt' ihr Herz und hatt' es nicht,
Stand sie in klarer Liebespflicht?
War sie vertraut dem Mann, dem trauten?
Sah jener Hügel einen Bund?
Wird ihren doppeldeutigen Lauten
Auslegung geben Mund auf Mund?
So frug sie sich die Nacht; sie brannte
Nach Antwort, die – der Tod nur kannte.

Die Nacht war lang, zu kurz doch viel
Für all ihr schmerzlich Fragenspiel.
Die Meistrin wollte sie entkleiden,
Sie aber fürchtete zu scheiden
Von den Gewanden, drauf sein Blick
Geruhet mit so zorn'gem Flehen,
Von Ringen, Spangen, jedem Stück,
Um das noch seine Seufzer wehen!
In Kleidern sank sie auf den Flaum,
Und wacht' und träumte wachen Traum.

Bis sich ein matter, dumpfer Schlummer
Erbarmte über ihren Kummer.
Sie schlief, die Wang' im schönen Arm,
Ein hingestreckter Liebesharm. –
Die Schatten wichen. Morgenröthe
Bot guten Morgen aller Welt,
Da tönte wieder die Trompete –
Doch Trauertöne sind gesellt
Zu Trauertönen; Todesweise
Klang zu dem Fenster langsam, leise.

Schön Blancheflur erwachte, sprang
Zum Fenster hin und bleicht' und sank
In ihren Arm der Meisterinne,
Ohnmacht umfing die armen Sinne.
Denn der Trompeten Todesweis
In aller Ritter Klage stimmte,
Die drunten schlossen trüben Kreis
Um einen Wunden, der sich krümmte
Vor Schmerz auf grüner Bahre Zweig –
Sie hatt' erkannt den Wunden gleich,

Trotz seiner armen Wangen Blässe,
Trotz tiefem Streich, trotz blut'ger Nässe
Am edeln Haupte, die da quoll
Aus offnen Adern leidevoll!
Es sagt und klagt der Ritter Lippe:
Der grimme Irland beißt den Sand,
Doch nahm der Tod mit seiner Hippe
Für diesen Sieg ein theures Pfand!
Der Ruf wird tapfre That vermelden,
Wer aber rettet unsern Helden?

So tönt die Klag' um Riwalin,
Sie tragen zu der Kammer ihn,
Zur Siechenkammer, drin das Letzte
Erleiden soll der Schwerverletzte.
So rasch noch nie getroffen ward
Ein halberschloss'nes Minneleben!
Geschick, das sonst der Blüte harrt,
Hat hier der Knospe Tod gegeben;
Sie sah des Tages Leuchten nie,
Und eh' sie aufbrach, welkte sie.

Wer lud dich, Tod! zum muntern Feste?
Dich Rauhen unter art'ge Gäste?
Wie schmetterte dein wilder Gruß
Danieder Liebesschwur und Kuß,
Die sich von rothen Lippen wollten
Erheben, wollten suchen gehn
Nach ihren Brüderlein, die sollten
Zur süßesten Sippschaft sich verstehn!
Ich klag' um Riwalin, den Starken,
Klag' um die Schwester mehr von Marke'n.

Die Meisterin ihr Haupt bestrich
Mit Salben, und die Ohnmacht wich.
Entsetzet fiel der Blick, der erste,
Hinab, wo sie gesehn das Schwerste.
Sie ächzt' und rief: Wo ist er? wo?
Die Meistrin zeigte nach der Kammer.
Bei ihm, bei ihm nur werd' ich froh! –
Ach, Fräulein, Euch verstört der Jammer! –
Nein, auch von todter Liebesbrust
Trinkt Liebe sel'ge Liebeslust!

Führ' mich zu ihm! – Wie soll ich führen? –
Ich kann nicht, du mußt's erspüren. –
Das ist kein sitt'ger Jungfrau'ngang. –
Ich bin sein Weib, und er ist krank!
Blieb er gesund mit muntern Augen,
Blieb ich in Schämen still gefaßt;
Nun aber kühnlich in mich saugen
Muß ich den Hauch deß, der erblaßt!
Vielleicht ist nur ein Hauch noch seine,
Und der gehört mir, ist der meine.

Sie zog die Meisterin und zog –
Und führst mich nicht, so geh' ich doch!
Die alte Meisterin sprach stille:
Gescheh' der Irren irrer Wille!
Er stirbt ja, das ist offenbar,
In ihm weht nur ein schwacher Odem,
Hier bringt das Sehen nicht Gefahr,
Was bei Gesunden war' verboten.
Sie hieß die Arme sitzen; dann
Sprach sie: Ich bring' Euch zu dem Mann.

Sie ging und holt' ein Fläschchen, helle
Von Gold ein Becherlein zur Stelle,
Goß aus dem Fläschchen ein, und Duft
Arabiens durchfloß die Luft.
Den Heiltrank sollt Ihr zu ihm tragen,
Als Aerztin mögt Ihr zu ihm gehn;
Nun will ich Eure Glieder schlagen
In Stoffe, die der Aerztin stehn.
Sie nahm aus einem Schrank, gewaltig,
Kapp', Fürtuch und den Mantel faltig.

Mit weiten Mantels brauner Woll'
Umschlug den Leib sie, weiß und voll;
Im Fürtuch brachte sie zu Rüste
Das Klopfen unruhwacher Brüste.
Die Kappe sie aufs Haupt ihr warf,
Die tief hinunter fiel zum Rücken;
Kein Späher konnte, noch so scharf,
Hals, Lock' und Antlitz nun erblicken;
Bedeckt vom Anzug weit und los,
Glich Blancheflur der Ros' im Moos.

Die Meistrin hob den Becher, führte
Die Aerztin, welche selber spürte
Des grimmsten Fiebers brennend Leid
Im Herzen, unter Falten weit.
Doch ging sie aufrecht und versagte
Zu lehnen an die Meisterin;
Sie nahm den Becher, aber dachte
Nicht an den Trank – an Riwalin.
O glüh'nde Minn', in dich verloren,
Welch Ziel hat deine Brunst erkoren!

So ging voran die Meistrin treu,
So folgte Blancheflur ohne Scheu.
Sie stiegen viele Stufen nieder,
Dann kamen sie zu Stufen wieder,
Die leiteten an eine Pfort'
Ins Schloß gesperrt mit leichter Klammer
Nun standen sie vor trübem Ort,
Vor Riwalinens Siechenkammer;
Die Meistrin that die Pforte weit,
Und Blancheflur trat still bei Seit'.

Ums Siechenbett in einer Nische
Versammelt war die tapfre, frische
Gesellenschaft, die Ritterschaar,
Noch nicht einmal des Panzers bar.
Die Meistrin rief: Ihr Ritter, weichet
Vor bess'rer Sorge, weis'rer Pfleg'!
Es naht die Aerztin, welche reichet
Den Trank, der einzig mag hinweg
Gefahr des schwarzen Todes räumen,
Doch muß er wirken ohne Säumen,

In Still' und einsam. Denn die Kur
Der hohen Kunst wirkt einsam nur!
Gleich folgten auch die Ritter billig
Und gingen aus der Kammer willig
An Blanchefluren rasch vorbei,
Die ohne Regung stand verhüllet.
Es war' ihr, glaub' ich, einerlei
Gewesen, wäre sie enthüllet.
Die Meistrin schritt hinab zur Flur,
Hinein zur Kammer Blancheflur.

Und als sie sah das grüne Bette,
Das Lager und die Leidenstätte,
Und als sie sah den bleichen Mann,
Deß Schläfe rothes Blut entrann,
Den bleichen Mund, der Wangen Schöne
Erblichen nun zu mattem Weiß,
Und als sie hörte das Gestöhne
Aus seinem Busen fiebernd heiß,
Und als sie sah die beiden Hände
Verschränkt zum Beten vor dem Ende:

Da warf sie hin den Becher, daß
Zum Estrich floß sein kostbar Naß,
Vom Haupt die Kappe ab der Alten,
Daß lösend sich die Locken wallten,
Da warf sie ab das Fürtuch breit
Von weißer Brüste Hügelklüften,
Da warf sie ab den Mantel weit
Von schlankem Leib, von runden Hüften,
Da sprang aus dunkler Hüll' herfür
Schön Blancheflur in ihrer Zier,

Wie aus der Nacht, gewitterträchtig,
Der junge Morgen springet mächtig –
Es säumen rothe Streifen Licht
Sein liebes, irres Angesicht;
Vom Wetter geht ein wildes Wehen
Durch seine Glieder süß und weich,
Und milde, einzelne Tropfen flehen
Um Lösung von dem stürm'schen Reich: –
Vom Liebesblitz so nachgewitternd,
Entzückt, verzweifelnd, muthig, zitternd,

Und roth und bleich, bewölkt und klar,
Erst thränenreich, dann thränenbar
Sinkt, hingeschmiegt die weichen Glieder,
Am Bett die kranke Aerztin nieder.
Sie trennt der Hände Knoten, drängt
Sich in des Siechen Todesbeten,
Sie fordert, daß er ihrer denkt,
Eh er vor Gott den Herrn will treten,
Sie preßt die Hände, blickt auf ihn,
Und schluchzt und flüstert! Riwalin!

Und er sieht auf! Er sieht die Weiche,
Die Weiße! Nach dem Todesstreiche
Vom Herzen noch vergessen nie
In seinen Schmerzen! – Er sieht Sie!
Der Streich hat wol das Haupt getroffen,
Nicht traf das Herze Irlands Schwert,
Am Haupte klafft die Wunde offen,
Das Herz, das Herz blieb unversehrt!
Drin glimmt ein kleiner Lebensfunken,
Den bläset an die Liebe trunken.

Denn er sieht Sie! Was vor ihm wich,
Bringt ihm der Tod nun königlich.
Womit gekargt des Festes Stunden,
Verschwenden ihm ja Blut und Wunden.
Der Funken glüht mit Allgewalt
Vom Herzen in die müden Sinne;
In einer Stunde ist er kalt,
Die Stunde will und heischt die Minne.
Sie zwingt den Tod, zwingt die Natur,
Er schluchzt und flüstert: Blancheflur!

O heißer Minne loher Zunder!
O heil'ges, hehres Liebeswunder!
Mit starkem Arm, mit letzter Kraft
Hat er ans Herze sich gerafft
Schön Blancheflur! Und die gebrochen
Schon waren fast, die Augen, und
Der blasse Mund, es ward gesprochen
Von ihnen, als sei er gesund.
Er lechzete, der Mann vom Weibe
Zu werden am geliebten Leibe.

Mitleidig sah der Tod selbst an
Den ihm verfallnen kühnen Mann;
Der küßte hunderttausend Stunden
Die Liebst' in jener einz'gen Stunden!
Mit Riesenschritten ist gereist
Die Minne, die nicht durfte stocken;
Sie mischten Athem, Kuß und Geist,
Er wühlt' und spielt' in ihren Locken;
Und auf ging in des Tages Pracht
Der Stern der stillen Hochzeitnacht.

*

Nachspiel

Was nicht gethan die Meisterin, thu' ich!
Ich zieh' die Pforte zu, dann setz' ich mich
Ein zücht'ger Hüter auf der Kammer Schwelle,
Daß unbelauschet ströme drin die Welle
Des Stromes, welcher sich
Entrann dem Bächlein, jach, gewaltiglich!

Versenkt im Wunderstrome sind die drinne,
Auf künft'ge Zeit gelenkt sind meine Sinne!
Die drinnen wissen nichts von Welt und Zeit,
Mein Brautlied der Betrachtung ist geweiht,
Welch eine Frucht gewinne
Sich wol der Fleiß der stürmevollsten Minne.

O Blancheflur, du Rose weiß, die brach
Des Liebsten Hand an seinem Todestag!
O Riwalin, dein Will' ist nun ergangen,
Die Liebe gab, die Liebe hat empfangen,
Ich aber denke nach,
Ob je ein Paar wie das im Thorus lag.

Tristan, du armes Kind, das aus den Wehen
Der weißen Wittwenrose soll entstehen,
Aus Tod brach dir dein junges Leben auf!
Ach, schlimme Sterne zeigen dir den Lauf!
Der Tod wird mit dir gehen
Durch Tag und Nacht, durch Wald und Thal und Höhen;

Durch Weidlust, durch Triumph ob stolzem Feind,
Durch Zähren, so die höchste Wonne weint;
Durch Küsse, so dir gibt die blond' Isolde,
So dir Isolde Weißhand gibt, die holde!
Doch hast du einen Freund,
Der's treu und ehrlich mit dir, Tristan, meint.

Der Freund bin ich. Es sollen dich begleiten
Mein tapfrer Sinn und meine guten Saiten.
Weicht ihr zurück, die leider ihr so prüd,
Daß euch nur freut die Liebe, welche müd'!
Wir schürzen uns und schreiten
Auf schmalem Pfad durch nackte Seltsamkeiten.

* * *


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