Henrik Ibsen
Kaiser und Galiläer
Henrik Ibsen

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Fünfter Akt

Ödes, steiniges Wüstenland ohne Bäume und Gras. Rechts das Zelt des Kaisers. Nachmittag.

Erschöpfte Soldaten haben scharenweise in der Ebene sich gelagert. Ab und zu ziehen Heeresabteilungen von links nach rechts vorüber. Vor dem Zelte gehen die Weisheitslehrer Priskos und Kytron mit mehreren andern vom Gefolge des Kaisers auf und ab, wartend in Spannung und Unruhe. Anatolos, der Hauptmann der Leibwache, steht mit Soldaten vor dem Zelteingang.

Kytron. Unfaßbar, wie lange dieser Kriegsrat dauert!

Priskos. Ja, wahrhaftig, man sollte meinen, es gäbe nur zwischen zwei Dingen die Wahl: zwischen Vorrücken oder Rückzug.

Kytron. Man kann nicht klug draus werden. – Sag' mir, guter Anatolos, warum, in der Götter Namen, rücken wir nicht vor?

Priskos. Ja, warum ängstigt man uns und macht hier mitten in der Wüste Halt?

Anatolos. Seht Ihr die zitternde Luftschicht unten am Himmelsrand im Norden und Osten und Süden?

Kytron. Jawohl, jawohl, – das ist die Hitze –

Anatolos. Die Ebene ist's, die brennt.

Priskos. Was sagst Du! Die Ebene brennt?

Kytron. Spaße doch nicht so unheimlich, guter Anatolos! Sag' uns – was ist das?

Anatolos. Die Ebene brennt, sag' ich. Da draußen, wo die Wüste aufhört, haben die Perser das Gras angesteckt. Wir können nicht weiter, bis der Erdboden sich abgekühlt hat.

Kytron, O, ist das nicht entsetzlich? Was für Barbaren! Zu solchen Mitteln zu greifen –!

Priskos. Aber dann ist ja keine Wahl. Ohne Lebensmittel, ohne Wasser – warum kehren wir nicht um?

Anatolos. Über den Tigris und Euphrat?

Kytron. Und die Flotte verbrannt! Wie führt man doch diesen Krieg! Ach, daß der Kaiser nicht einmal mehr an seine Freunde denkt! Wie soll ich wieder heimkommen?

Anatolos. Du wie wir andern, Freund!

Kytron. Wie Ihr andern? Wie Ihr andern! Ja, Ihr habt gut reden! Aber mit Euch ist es etwas anderes. Ihr seid Kriegsleute. Es ist Euer Beruf, gewisse Beschwerden zu ertragen, an die ich ganz und gar nicht gewöhnt bin. Ich bin dem Kaiser nicht gefolgt, um so viel Schlimmes durchzumachen. Hier werde ich von Mücken und Giftfliegen gepeinigt, – sieh her, wie meine Hände ausschauen!

Priskos. Ganz gewiß, nicht deswegen sind wir hergekommen. Wir haben es unternommen, dem Heere zu folgen, um Lobreden über die Siege zu verfassen, die der Kaiser zu gewinnen dachte. Was ist aus diesen Siegen geworden? Was hat man ausgerichtet in den sechs mühereichen Wochen seit dem Brande der Flotte? Man hat einige verlassene Städte elendester Art verheert. Man hat im Lager einige Gefangene vorgeführt, die der Vortrab gemacht haben sollte. Ich weiß freilich nicht, in welchen Schlachten das hätte geschehen sollen! Und mich deucht auch, jene Gefangenen sahen viel eher nach aufgegriffenen Hirten und Bauern aus –

Kytron. Und dann – wie konnte man nur die Flotte verbrennen! Sagte ich nicht gleich, das würde eine Quelle des Unglücks sein?

Anatolos. Das habe ich nun eben nicht gehört.

Kytron. Was? Sagte ich das nicht? Hast Du, Priskos, nicht gehört, wie ich es sagte?

Priskos. Ich weiß wahrhaftig nicht, Freund; aber ich weiß, daß ich selbst ohne jeden Erfolg gegen diese unglückselige Unternehmung geeifert habe. Ja, ich kann sagen, daß ich gegen den ganzen Kriegszug um diese Jahreszeit gewesen bin. Welche Übereilung! Wo hat nur der Kaiser seine Augen gehabt? Ist das derselbe Held, der mit so unermeßlichem Glück am Rheinstrom gekämpft hat? Sollte man nicht glauben, er wäre mit Blindheit geschlagen oder mit einer Geisteskrankheit?

Anatolos. Pst, pst, – was sind das für Reden!

Kytron. Ja, das war gewiß recht unziemlich gesprochen von unserm Priskos. Aber auch ich kann nicht leugnen, daß ich einen traurigen Mangel an Weisheit in einigen späteren Handlungen des gekrönten Weisheitsfreundes wahrnehme. Wie übereilt, sein Bild im Lager aufzustellen und sich verehren zu lassen, als ob er ein Gott sei! Wie unklug, so offen jenen seltsamen Lehrer von Nazareth zu verhöhnen, der doch, wie man sagen muß, über eine außerordentliche Macht gebietet, die sonst vielleicht in diesen gefahrvollen Verhältnissen uns zu statten gekommen wäre! Ah, da kommt Nevita selbst. Jetzt werden wir hören –

Der Heerführer Nevita kommt aus dem Zelte; im Eingang wendet er sich um und macht ein Zeichen ins Innere hinein; gleich darauf kommt der Leibarzt Oribases heraus.

Nevita zieht den Arzt beiseite. Sag' mir ehrlich, Oribases, – ist mit dem Verstand des Kaisers etwas nicht in Ordnung?

Oribases. Wie kommst Du darauf, Herr?

Nevita. Wie soll ich sonst sein Benehmen deuten?

Oribases. O, mein teurer Kaiser –!

Nevita. Oribases, Du darfst mir nichts verheimlichen.

Kytron nähert sich. O, tapferer Heerführer, wenn es nicht aufdringlich ist –

Nevita. Später, später!

Oribases zu Nevita. Sei ohne Sorge, Herr! Es wird kein Unglück geschehen. Eutherios und ich haben einander gelobt, ihn im Auge zu behalten.

Nevita. Ha, Du willst damit doch nicht sagen, daß –?

Oribases. In der letzten Nacht war er nahe daran, seinem Leben ein Ende zu machen. Glücklicherweise kam Eutherios hinzu –; o, sprich zu keinem davon!

Nevita. Laßt ihn nicht aus den Augen.

Priskos nähert sich. Es wäre uns ein großer Trost, zu erfahren, was der Kriegsrat –?

Nevita. Verzeih, ich habe mich um wichtige Dinge zu kümmern.

Er geht hinter das Zelt ab; der Kriegsoberst Jovian erscheint im selben Augenblick im Zelteingang.

Jovian ins Innere hinein. Soll geschehen, mein gnädiger Kaiser!

Kytron. Oh, höchst vortrefflicher Jovian! Nun? Ist der Rückzug beschlossen?

Jovian. Ich will keinem raten, es einen Rückzug zu nennen.

Er geht hinter das Zelt ab.

Kytron. O diese Kriegsleute! Die Seelenruhe eines Weisheitsfreundes gilt ihnen nichts. Ah!

Kaiser Julian kommt aus dem Zelt, er ist bleich und abgemagert. Mit dem Kaiser zugleich kommen der Hausmeister Eutherios und mehrere Kriegsobersten; letztere gehen sogleich über die Ebene nach rechts ab.

Julian zu den Weisheitslehrern. Nun freuet Euch, meine Freunde! Jetzt wird bald alles gut.

Kytron. Ach, teuerster Herr, hast Du einen Ausweg gefunden?

Julian. Wir haben Auswege genug, Kytron; es gilt nur, den besten zu wählen. Jetzt wollen wir am Vormarsch des Heeres einige Änderungen treffen.

Priskos. O, gepriesen sei Deine Klugheit!

Julian. Dieser Marsch nach Osten, – er führt zu nichts.

Kytron. Nein, nein, das ist sicher!

Julian. Jetzt marschieren wir nach Norden, Kytron!

Kytron. Wie, Herr, – nach Norden?

Priskos. Also nicht westwärts?

Julian. Westwärts – nein. Auf keinen Fall westwärts. Das hätte der Flüsse wegen seine Schwierigkeiten. Und Ktesiphon müssen wir für später liegen lassen. Ohne Schiffe können wir nicht daran denken, die Stadt zu nehmen. Die Galiläer waren es, denen wir die Sache mit dem Schiffsbrand zu verdanken hatten; ich habe so dies und das bemerkt. – Wer darf das einen Rückzug nennen, wenn ich nordwärts marschiere? Was wißt Ihr von meinen Absichten? Das Heer der Perser steht da irgendwo im Norden; dessen sind wir nun ziemlich gewiß. Habe ich erst Sapores geschlagen –; das soll in einem Treffen geschehen –; im Lager der Perser werden wir unermeßliche Vorräte finden –. Wenn ich den Perserkönig als Gefangenen durch Antiochia und die übrigen Städte führe, so will ich doch sehen, ob die Bürger sich mir nicht unterwerfen.

Christliche Soldaten ziehen singend über die Ebene.
Die Axt an der Wurzel des Baumes ruht;
Die Zeder der Welt wird fallen.
Auf Golgatha schießt aus des Herren Blut
Die Palme, unsterblich vor allen.

Julian blickt ihnen nach. Immer singen die Galiläer. Lieder von Tod und Wunden und Schmerzen. Jene Weiber, die ich als Krankenpflegerinnen mitgenommen habe, – sie haben uns mehr Schaden als Nutzen gebracht. Sie haben die Soldaten seltsame Lieder gelehrt, die ich bis dahin nie vernommen hatte. – Doch ich will fortan keinen mehr wegen solcher Dinge bestrafen. Das führt nur zu noch größerer Verwirrung. Weißt Du, Priskos, was mit den Aufrührern geschah, die sich neulich weigerten, den Kaiserbildnissen die schuldige Ehrfurcht zu bezeugen?

Priskos. Neulich, Herr?

Julian. Als ich, um den Gleichgesinnten einen heilsamen Schreck einzujagen, etliche von diesen Menschen töten lassen wollte, da trat der Älteste vor und bat, unter lauten Freudenrufen, um die Erlaubnis, zuerst sterben zu dürfen. – Siehst Du, Priskos, – als ich das gestern erfuhr –

Priskos. Gestern! O Herr, Du irrst. Das ist vierzig Tage her.

Julian. So lange? Ja, ja, ja! Die Hebräer mußten vierzig Jahre in der Wüste wandern. Die Alten alle mußten aussterben. Es mußte ein neues Geschlecht heranwachsen; aber dies Geschlecht – merkt's Euch – dies Geschlecht kam hinein in das Land, das ihnen allen verheißen war.

Eutherios. Es ist hoch am Tage, Herr; – willst Du nicht an die Mahlzeit denken?

Julian. Noch nicht, mein Eutherios! Die Kasteiung des Fleisches dürfte allen Menschen heilsam sein. – Ja, ich sage Euch, wir müssen uns befleißen, ein neues Geschlecht zu werden. Ich kann nichts mehr mit Euch anfangen, so wie Ihr jetzt seid. Wollt Ihr heraus aus der Wüste, so müßt Ihr in einem reinen Leben wandeln. Seht die Galiläer an. Wir könnten gewisse Dinge von diesen Menschen lernen. Es gibt keine Notleidende und Hilflose unter ihnen; sie leben wie Brüder und Schwestern miteinander, – und jetzt mehr denn je, da ihre Widerspenstigkeit mich gezwungen hat, sie zu züchtigen. Diese Galiläer, wisset, haben etwas in ihrem Herzen, und ich wünschte sehnlich, Ihr möchtet das Euch aneignen. Ihr nennt Euch Nachfolger des Sokrates, des Platon, des Diogenes. Ist einer unter Euch, der um Platons willen freudig in den Tod gehen würde? Würde wohl unser Priskos seine linke Hand opfern für Sokrates? Würde Kytron etwa für Diogenes sich ein Ohr abhauen lassen? Ihr tätet es wahrhaftig nicht! Ich kenne Euch, Ihr übertünchten Gräber! Geht mir aus den Augen; – ich kann Euch nicht brauchen!

Die Weisheitslehrer gehen niedergeschlagen ab; die übrigen entfernen sich ebenfalls unter bekümmertem Flüstern; nur Oribases und Eutherios bleiben beim Kaiser zurück; Anatolos steht weiter hinten mit seinen Soldaten vor dem Zelt.

Julian. Wie seltsam! Wie unbegreiflich in seinem tiefsten Grunde! Oribases, – kannst Du mir dieses Rätsel lösen?

Oribases. Mein Kaiser, – was für ein Rätsel meinst Du?

Julian. Mit zwölf geringen Männern, Fischern, dumpfen Leuten, gründete er das.

Oribases. Ach, Herr, solche Gedanken entkräften Dich.

Julian. Und wer ist's, der es bis auf den heutigen Tag zusammenhält? Größtenteils Weiber und Geistesarme –

Oribases. Jawohl, Herr, – aber nun wird bald eine glückliche Wendung des Feldzuges –

Julian. Ganz gewiß, Oribases; sobald das Glück sich gewendet hat, wird alles gut werden. Das Reich des Zimmermannssohnes fällt in kurzer Zeit; das wissen wir wohl. So viele Jahre lang, als das Jahr Tage hat, soll er herrschen; und jetzt haben wir ja –

Eutherios. Mein geliebter Herr, würde ein Bad Dir nicht gut tun?

Julian. Meinst Du? – Du kannst gehen, Eutherios! Geh nur, geh! Ich habe mit Oribases zu reden.

Eutherios geht hinter das Zelt ab. Der Kaiser zieht Oribases auf die andere Seite hinüber.

Julian. Hat Eutherios Dir heute morgen etwas erzählt?

Oribases. Nein, Herr!

Julian. Hat er Dir nichts von der vergangenen Nacht erzählt –?

Oribases. Nein, mein Kaiser, – gar nichts. Eutherios ist sehr verschwiegen.

Julian. Sollte er Dir etwas erzählen, so darfst Du's nicht glauben. Es ist keineswegs so zugegangen, wie er sagt. Er selbst ist's, der mir nach dem Leben trachtet.

Oribases. Er, – Dein alter, treuer Diener?

Julian. Ich will ein Auge auf ihn haben.

Oribases. Das will ich auch.

Julian. Wir wollen beide ein Auge auf ihn haben.

Oribases. Herr, ich glaube, Du hast wenig Schlaf gehabt in der letzten Nacht.

Julian. Ja.

Oribases will reden, aber besinnt sich.

Julian. Weißt Du, woher es kam, daß ich nicht schlafen konnte?

Oribases. Nein, mein Kaiser.

Julian. Der Sieger von der mulvischen Brücke war bei mir.

Oribases. Der große Konstantin.

Julian. Ja. Die letzten Nächte habe ich keine Ruhe gehabt vor diesem Schatten. Er kommt kurz nach Mitternacht und geht erst gegen Morgen wieder.

Oribases. Herr, es ist der Vollmond; der hat immer eine seltsame Wirkung auf Dein Gemüt ausgeübt.

Julian. Nach der Meinung der Alten pflegen solcherlei Gesichte – –. Wo bleibt nur Maximos? Aber auf ihre Meinung ist gar nichts zu geben. Wir sehen doch, sie haben so und so oft geirrt. Selbst was sie von den Göttern erzählen, dürfen wir nicht ohne weiteres glauben; auch das nicht von den Schatten und den anderen Mächten, die über dem Wohl und Wehe der Menschen walten. Was wissen wir von diesen Mächten! Wir wissen nichts, Oribases, – abgesehen von ihrer Launenhaftigkeit und Unbeständigkeit, – Eigenschaften, für die wir ziemlich sichere Zeugnisse haben. – Ich wünschte, Maximos käme. – – Vor sich hin. Hier? Nicht hier zieht das gefahrdrohende Unwetter herauf. Es sollte ja doch in den phrygischen Gegenden sein –

Oribases. Welche Gegenden, Herr, – und was für ein Unwetter?

Julian. O, nichts – nichts.

Nevita kommt von der rechten Seite der Ebene. Soeben, mein Kaiser, hat sich das Heer in Marsch gesetzt –

Julian. Nordwärts?

Nevita stutzt. Versteht sich, Herr!

Julian. Wir hätten doch auf Maximos warten sollen –

Nevita. Was soll das heißen, mein Kaiser! Hier ist auf nichts mehr zu warten. Wir sind ohne Lebensmittel; versprengte feindliche Reiterhaufen zeigen sich bereits im Osten wie im Süden –

Julian. Ja, ja, wir müssen vorwärts, – gen Norden. Nun kommt Maximos gleich. Ich habe vom Nachtrab die etruskischen Wahrsager holen lassen; sie sollen noch einmal versuchen – –. Auch etliche Magier habe ich aufgreifen lassen; sie behaupten, in der chaldäischen Geheimlehre wohlerfahren zu sein. Unsere eigenen Priester suchen an neun verschiedenen Stellen nach Wahrzeichen –

Nevita. Herr, wie auch die Zeichen ausfallen mögen, – ich sage Dir, wir müssen vorwärts. Auf die Soldaten ist kein Verlaß mehr; sie wissen recht gut, daß es unsere einzige Rettung ist, die armenischen Berge zu erreichen.

Julian. Dahin wollen wir, Nevita, – wie auch die Zeichen ausfallen. Aber es ist doch eine große Beruhigung, zu wissen, daß man handelt gleichsam nach gemeinschaftlicher Erwägung mit jenen unergründlichen Mächten, die, wenn sie wollen, so außerordentlich tief in das Schicksal eines Menschen eingreifen können.

Nevita verläßt ihn und sagt kurz und gebieterisch: Anatolos, brich des Kaisers Zelt ab. Er flüstert dem Hauptmann der Leibwache einige Worte zu und geht rechts hinaus.

Julian. Alle Zeichen in diesen vierzig Tagen waren unglückverheißend; und das gerade beweist, daß man ihnen vertrauen darf; denn in dieser ganzen Zeit wurde unsere Sache nur wenig gefördert. Aber siehst Du wohl, mein Oribases, – nun, da ich ein neues Unternehmen vorhabe –. Ah, Maximos!

Maximos kommt aus dem Innern der Ebene. Das Heer ist schon auf dem Marsche, Herr; steig zu Pferde!

Julian. Die Zeichen – die Zeichen?

Maximos. Ei, was – die Zeichen! Frag' nicht nach den Zeichen.

Julian. Sprich! Ich will wissen, was sie geantwortet haben.

Maximos. Alle Zeichen schweigen.

Julian. Schweigen?

Maximos. Ich war bei den Priestern; die Eingeweide der Opfertiere gewährten keinerlei Zeichen. Ich war bei den etruskischen Gauklern; der Vögel Flug und Schrei sagte ihnen nichts. Bei den Magiern war ich auch; ihre Schriften gaben keine Antwort. Und ich selbst –

Julian. Du selbst, mein Maximos?

Maximos. Jetzt kann ich es Dir sagen. Ich habe in dieser Nacht die Stellung der Sterne erforscht. Sie verkündeten mir nichts, Julian!

Julian. Nichts. – Schweigen – Schweigen –, als ob die Sonnenscheibe sich verfinstern wollte. Allein! Keine Brücke mehr zwischen mir und den Geistern. – Wo bist Du nun, Du weiße, segelschimmernde Flotte, die kam und ging im Tagesglanze und Botschaft trug zwischen Himmel und Erde? – Die Flotte ist verbrannt! Auch diese Flotte ist verbrannt. O, alle meine schimmernden Schiffe! – Oder wie, Maximos, – was dünket Dich –?

Maximos. Ich glaube an Dich.

Julian. Ja, ja, – tu das!

Maximos. Der Weltwille hat seine Macht in Deine Hand gelegt, – darum schweigt er.

Julian. So wollen wir es deuten. Und wir müssen danach handeln, – obwohl wir am liebsten gewünscht hätten, daß –. Dieses Schweigen! So ganz allein zu stehen! – Doch es gibt noch andere, von denen man auch sagen muß, daß sie nahezu allein stehen. Die Galiläer. Sie haben nur den einen Gott; und ein Gott ist ja doch so gut wie kein Gott. – Wie geht es nur zu, daß wir Tag für Tag diese Menschen sehen – –?

Anatolos, der inzwischen das Zelt hat abbrechen lassen. Mein Kaiser, jetzt mußt Du zu Pferde. Ich darf Dich nicht länger hier zurücklassen.

Julian. Jawohl, nun will ich zu Pferde. Wo habt Ihr meinen guten Babylonios? Seht her, mit dem Schwerte in der Hand, – kommt, teure Freunde!

Alle gehen rechts ab.


Sumpfige Waldgegend.

Ein düsteres, stillstehendes Gewässer zwischen den Bäumen. Wachtfeuer in der Ferne. Mondscheinnacht mit jagenden Wolken.

Einige Soldaten stehen im Vordergrunde Wache.

Makrina und die Weiber singen draußen links.
Weh' uns! Weh'!
Der Zorn Gottes schwebt
Über allem, was da lebt;
Er will, daß es vergeh'.

Ein Soldat horchend. Pst! Hört Ihr? Da hinten singen die galiläischen Weiber.

Ein zweiter Soldat. Sie singen wie die Eulen und Nachtschwalben.

Ein dritter Soldat. Und doch möchte ich gern bei ihnen sein. Es ist sicherer bei den Galiläern als bei uns. Der Gott der Galiläer ist stärker als unsere Götter.

Der erste Soldat. Der Kaiser hat die Götter erzürnt, das ist die Geschichte. Wie konnte es ihm nur einfallen, sich an die Stelle der Götter zu setzen?

Der dritte Soldat. Schlimmer ist, daß er den Gott der Galiläer erzürnt hat. Wißt Ihr nicht, – es wird als ganz sicher erzählt, – daß er und sein Hexenmeister in einer der letzten Nächte einer schwangeren Frau den Bauch aufgeschnitten haben, um aus ihren Eingeweiden zu weissagen?

Der erste Soldat. Ja, aber ich glaube nicht daran. Jedenfalls ist es kein Griechenweib gewesen; es muß ein Barbarenweib gewesen sein.

Der dritte Soldat. Es heißt, der Gott der Galiläer nähme sich auch der Barbaren an; und wenn dem so ist, dann werden wir's zu spüren kriegen.

Der zweite Soldat. Ach was, – der Kaiser ist ein großer Krieger.

Der erste Soldat. König Sapores soll auch ein großer Krieger sein.

Der zweite Soldat. Glaubst Du, daß es das ganze Perserheer ist, das wir vor uns haben?

Der erste Soldat. Einige sagen, es soll nur der Vortrab sein, – keiner weiß es ganz genau.

Der dritte Soldat. Ich wünschte, ich wäre drüben bei den Galiläern.

Der erste Soldat. Willst Du auch abfallen?

Der dritte Soldat. Es fallen ja so viele ab. In den letzten Tagen haben –

Der erste Soldat ruft in das Dunkel hinaus: Halt – halt! Wer da?

Eine Stimme. Freunde von den Vorposten!

Etliche Soldaten erscheinen zwischen den Bäumen mit dem Kappadocier Agathon in ihrer Mitte.

Der zweite Soldat. Hoho, – einer, der hat ausreißen wollen!

Einer von den Kommenden. Nein, er hat den Verstand verloren.

Agathon. Ich habe nicht den Verstand verloren. Ach, um Gottes großer Barmherzigkeit willen – laßt mich los!

Der Soldat von den Vorposten. Er sagt, er wollte ein Tier mit sieben Köpfen töten.

Agathon. Ja, ja, das will ich. Ach, laßt mich doch los! Seht Ihr diesen Speer? Wißt Ihr, was das für ein Speer ist? Mit diesem Speer will ich das Tier mit den sieben Köpfen töten, und dann bekomme ich meine Seele wieder. Christus selber hat es mir versprochen. Er war bei mir in dieser Nacht.

Der erste Soldat. Hunger und Müdigkeit sind's, die seine Sinne verwirrt haben.

Einer von den Kommenden. Ins Lager mit ihm! Da kann er ausschlafen.

Agathon. Laßt mich los! Ach, wenn Ihr wüßtet, was das für ein Speer ist!

Die Soldaten führen ihn im Vordergrunde rechts ab.

Der dritte Soldat. Was mochte er nur mit dem Tier meinen?

Der erste Soldat. Es sind galiläische Geheimnisse. Dergleichen haben sie viel untereinander.

Der Hausmeister Eutherios und der Leibarzt Oribases kommen schnell und spähend von oben rechts.

Eutherios. Siehst Du ihn nicht?

Oribases. Nein. – He, Soldaten! – Sagt mir, gute Freunde, ging hier jemand vorbei?

Der erste Soldat. Ja, eine Abteilung Speerwerfer.

Oribases. Gut, gut! Und sonst niemand? Keiner von den hohen Herren? Keiner von den Heerführern?

Die Soldaten. Nein, – niemand.

Oribases. Also nicht hier! Eutherios, wie konntest Du –?

Eutherios. Ja, wie konnte ich –? Wie konnte ich –? Seit drei Nächten haben sich meine alten Augen nicht geschlossen –

Oribases zu den Soldaten. Ihr müßt uns suchen helfen. Ich fordere es in des obersten Feldherrn eigenem Namen. Verteilt Euch zwischen den Bäumen; und findet Ihr einen von den vornehmen Herren, so meldet es bei dem Wachtfeuer da hinten.

Die Soldaten. Soll geschehen, Herr!

Sie gehen alle auf verschiedenen Wegen links ab. Bald darauf erscheint Kaiser Julian hinter einem Baume rechts. Er horcht, sieht sich um und winkt nach hinten.

Julian. Pst! Komm hervor, Maximos! Sie haben uns nicht gesehen.

Maximos von derselben Seite. Einer von ihnen war Oribases.

Julian. Ja, ja. Er wie Eutherios behalten mich im Auge. Sie bilden sich gar ein, daß – –. Hat keiner von ihnen Dir etwas gesagt?

Maximos. Nein, mein Julian! Aber warum weckst Du mich auf? Und was willst Du hier in der dunklen Nacht?

Julian. Ich möchte zum letzten Mal allein mit Dir sein, mein geliebter Lehrer!

Maximos. Nicht zum letzten Mal, Julian!

Julian. Sieh dieses schwarze Gewässer. Glaubst Du, – wenn ich spurlos von der Erde verschwände, und mein Körper niemals aufgefunden würde, und niemand erführe, wo ich geblieben bin – glaubst Du nicht, daß sich dann die Sage verbreiten würde, Hermes wäre zu mir gekommen und hätte mich entführt, und ich wäre aufgenommen in die Gemeinschaft der Götter?

Maximos. Die Zeit ist nahe, da die Menschen nicht zu sterben brauchen, um als Götter auf Erden zu leben.

Julian. Heimweh verzehrt mich, Maximos, – Heimweh nach dem Licht und der Sonne und allen Sternen.

Maximos. O, ich beschwöre Dich, – denk nicht an so traurige Dinge. Das Perserheer steht Dir gerade gegenüber. Morgen wird es zu einer Schlacht kommen. Du wirst siegen –

Julian. Ich – siegen? Du weißt nicht, wer vor einer Stunde bei mir war.

Maximos. Wer war bei Dir?

Julian. Ich war in Schlaf gesunken auf meinem Lager im Zelte. Da wurde ich durch einen grellen rötlichen Schein geweckt, der sozusagen durch meine geschlossenen Augenlider hindurchschnitt. Ich sah empor und erblickte eine Gestalt, die im Zelte stand. Sie trug ein langes Gewand, das vom Scheitel zu beiden Seiten herabfiel, so daß das Antlitz frei war.

Maximos. Kanntest Du diese Gestalt?

Julian. Es war dasselbe Antlitz, das ich vor vielen Jahren in jener Nacht zu Ephesus im Lichte sah, – in jener Nacht, da wir mit den beiden anderen ein Symposion hielten.

Maximos. Der Geist des Reiches.

Julian. Nur einmal noch hat er sich seitdem mir gezeigt – in Gallien, – bei einer Gelegenheit, an die ich nicht denken mag.

Maximos. Hat er gesprochen?

Julian. Nein. Es schien, als wollte er sprechen; aber er sprach nicht. Er stand unbeweglich da und sah mich an. Sein Antlitz war bleich und verzerrt. Auf einmal schlug er mit beiden Armen das Gewand über dem Kopf zusammen, verhüllte sein Gesicht und ging quer durch die Zeltwand hinaus.

Maximos. Die Entscheidung steht vor der Tür.

Julian. Ja, sicherlich steht sie vor der Tür.

Maximos. Nicht verzagt, Julian. Der Wollende siegt.

Julian. Und was gewinnt der Sieger? Ist es der Mühe wert, zu siegen? Was hat der macedonische Alexander, was hat Julius Cäsar gewonnen? Die Griechen und Römer sprechen von ihrem Ruhm mit kalter Bewunderung, – während der andere, der Galiläer, der Zimmermannssohn, in warmen gläubigen Menschenherzen als der König der Liebe thront. – Wo ist er jetzt? – Ist er noch anderswo tätig seit der Zeit, da das auf Golgatha geschah? – Ich träumte jüngst von ihm. Ich träumte, ich hätte mir die ganze Erde unterworfen. Ich gebot, des Galiläers Gedächtnis sollte ausgelöscht sein auf Erden, und es war ausgelöscht. – Da kamen die Geister und dienten mir, und sie banden mir Schwingen an die Schultern, und ich schwang mich hinaus in den endlosen Raum, bis ich meinen Fuß auf eine andere Erde setzte. – Es war eine andere Erde als meine. Ihre Rundung war größer; die hatte einen gelberen Lichtglanz, und mehrere Mondscheiben drehten sich um sie. – Da sah ich hernieder auf meine eigene Erde, des Kaisers Erde, die ich galiläerlos gemacht hatte, und ich fand, daß alles, was ich getan hatte, sehr gut war. – Aber sieh, mein Maximos, – da kam auf der fremden Erde, wo ich stand, ein Zug an mir vorbei. Es waren Kriegsleute und Richter und Henker an der Spitze, und weinende Frauen folgten dem Zuge. Und siehe da, – inmitten der langsam schreitenden Schar ging leibhaftig der Galiläer und trug ein Kreuz auf dem Rücken. Da rief ich ihm zu und sprach: Wohin, Galiläer? Er aber wandte sein Antlitz mir zu, lächelte, nickte langsam und sagte: Zur Schädelstätte! – Wo ist er jetzt? Sollte jenes auf Golgatha bei Jerusalem nur eine Schaustellung gewesen sein, veranstaltet sozusagen auf der Durchreise durch eine Landstadt in einer freien Stunde? – Geht und geht er und leidet und stirbt und siegt er wieder und immer wieder von einer Erde zur anderen? – O könnte ich die Welt vernichten! Maximos, – gibt es kein Gift, kein verzehrendes Feuer, das das Geschaffene vernichten kann, wie es an jenem Tage geschah, da einsam der Geist über den Wassern schwebte?

Maximos. Ich höre Lärm bei den Wachtposten. Komm, Julian –

Julian. Sich vorzustellen, daß Jahrhunderte auf Jahrhunderte folgen werden, und daß immerdar Menschen leben werden, die wissen, daß ich es war, der unterlag, und er, der siegte! – Ich will nicht unterliegen! Ich bin jung; ich bin unverwundbar; – das dritte Reich ist nahe –. Mit einem lauten Schrei. Da steht er!

Maximos. Wer? Wo?

Julian. Siehst Du ihn? Da zwischen den Baumstämmen, – mit Krone und Purpurmantel –

Maximos. Es ist der Mond, der im Wasser funkelt. Komm, – komm, mein Julian!

Julian geht drohend auf das Gesicht zu. Hebe Dich von mir! Du bist tot! Dein Reich ist vorbei. Herunter mit dem Gauklermantel, Zimmermannssohn! – Was tust Du hier? Was zimmerst Du da? – Ha!

Hausmeister Eutherios von links. Alle Götter seien gepriesen! – Oribases, – hierher, hierher!

Julian. Wo ist er hin?

Oribases von links. Ist er da?

Eutherios. Ja. – O mein heißgeliebter Kaiser!

Julian. Wer sagte da: ich zimmere des Kaisers Sarg?

Oribases. Was meinst Du, Herr?

Julian. Wer sprach da, frage ich! Wer war es, der da sagte: ich zimmere des Kaisers Sarg?

Oribases. Folge mir ins Zelt, – ich beschwöre Dich!

Lärm und Geschrei wird in der Ferne laut.

Maximos. Kriegsgeschrei! Die Perser überfallen uns –

Eutherios. Die Vorposten sind schon in vollem Kampf.

Oribases. Der Feind ist im Lager! – Ach, Herr, Du bist waffenlos –

Julian. Ich will den Göttern opfern.

Maximos. Welchen Göttern, Du Tor? Wo sind sie, – und was sind sie?

Julian. Ich will diesen oder jenen opfern. Ich will vielen opfern. Einer oder der andere muß mich doch erhören. Ich will etwas anrufen außer mir und über mir –

Oribases. Hier ist nicht ein Augenblick Zeit zu verlieren –!

Julian. Ha, – saht Ihr die brennende Fackel hinter der Wolke? Sie flammte auf und erlosch im selben Augenblick. Eine Botschaft von den Geistern! Ein schimmerndes Schiff zwischen Himmel und Erde! – Meinen Schild – mein Schwert! Er eilt rechts hinaus, Oribases und Eutherios folgen ihm.

Maximos ruft. Kaiser, Kaiser, – kämpfe nicht in dieser Nacht! Rechts ab.


Offene Ebene mit einem Dorf in der Entfernung.

Tagesgrauen und neblige Luft.

Schlachtgetümmel. Geschrei und Waffenlärm draußen auf der Ebene. Im Vordergrunde römische Speerschleuderer unter der Anführung Ammians im Kampfe mit den persischen Bogenschützen. Die letzteren werden allmählich nach links zurückgeworfen.

Ammian. Recht so! Drauflos! Stecht sie nieder! Laßt ihnen keine Zeit zum Schusse!

Heerführer Nevita mit Gefolge von rechts. Du hältst Dich gut, Ammian!

Ammian. O, Herr, warum kommen die Reiter nicht zu Hilfe?

Nevita. Das ist unmöglich. Die Perser haben Elefanten in der vordersten Reihe. Der bloße Geruch macht die Pferde scheu. Stecht zu – stecht zu! Von unten herauf, Freunde, – unter die Brustplatten!

Der Weisheitslehrer Kytron im Nachtgewande, mit Büchern und Papierrollen beladen, von rechts. Ach, daß ich mitten in diese Greuel hinein geraten mußte!

Nevita. Hast Du den Kaiser gesehen, Freund?

Kytron. Ja, aber er beachtet mich nicht. Ach, ich bitte demütigst um einen Trupp Kriegsknechte, die mich beschützen können!

Nevita zu seinen Begleitern. Sie weichen. Die Schildträger sollen vorrücken.

Kytron. Du hörst mich nicht, Herr! Es ist im höchsten Grade wichtig, daß ich nicht zu Schaden komme; meine Schrift »Über die Ruhe der Seele in schwierigen Lagen« ist noch nicht fertig –

Nevita wie oben. Die Perser haben auf dem rechten Flügel Verstärkung bekommen. Sie dringen wieder vor.

Kytron. Dringen vor? O diese blutige Mordgier! Ein Pfeil! Er hätte mich beinah getroffen! Wie unverschämt sie schießen, – sie achten nicht Leib noch Leben! Er flüchtet im Vordergrunde links hinaus.

Nevita. Der Kampf steht. Es geht weder vorwärts noch rückwärts. Zum Hauptmann Fromentinos, der mit einer neuen Schar von rechts kommt. Heda, Hauptmann! Hast Du den Kaiser gesehen?

Fromentinos. Ja, Herr; er kämpft an der Spitze der weißen Reiter.

Nevita. Unverwundet?

Fromentinos. Er scheint unverwundbar. Pfeile und Wurfspeere biegen aus, wo er sich zeigt.

Ammian ruft aus dem Schlachtgetümmel, rückwärts gewendet: Zu Hilfe! Wir können uns nicht länger halten!

Nevita. Vorwärts, mein kühner Fromentinos!

Fromentinos zu den Soldaten. Schließt Euch, und auf sie los, Ihr Griechen!! Er eilt Ammian zu Hilfe; der Kampf tritt etwas zurück.

Anatolos, Hauptmann der Leibwache, mit einigen Leuten von rechts. Ist der Kaiser nicht hier?

Nevita. Der Kaiser! Sollst Du nicht für den Kaiser einstehen?

Anatolos. Sein Roß wurde ihm unterm Leib erschossen, – es entstand ein furchtbares Gedränge; es war unmöglich, bis zu ihm vorzudringen –

Nevita. Ha, glaubst Du, daß er zu Schaden gekommen ist?

Anatolos. Nein, ich glaube nicht. Man rief sich zu, er wäre unverletzt, aber –

Mehrere vom Gefolge des Heerführers. Da ist er! Da ist er!

Kaiser Julian, ohne Helm und Rüstung, nur mit Schwert und Schild, begleitet von kaiserlichen Haustruppen, kommt von rechts.

Julian. Gut, daß ich Dich gefunden habe, Nevita!

Nevita. Oh, Herr, – ohne Waffenkleid; wie unvorsichtig –!

Julian. In diesen Gegenden versehrt mich keine Waffe. Aber geh, Nevita; übernimm den Oberbefehl; das Roß wurde mir unter dem Leib erschossen und –

Nevita. Mein Kaiser, so bist du doch zu Schaden gekommen?

Julian. Nein, nur ein Stoß gegen den Kopf; ein leichter Schwindel. Geh, geh – –. Was ist das? Es dringen so viele seltsame Scharen mitten unter uns ein.

Nevita leise. Anatolos, Du stehst mir für den Kaiser ein.

Anatolos. Sei unbesorgt, Herr!

Nevita geht mit seinen Begleitern rechts ab. Julian, Anatolos und einige von den Haustruppen bleiben zurück. Der Kampf auf der Ebene entfernt sich mehr und mehr.

Julian. Wieviel von den Unseren, glaubst Du, sind gefallen, Anatolos?

Anatolos. Gewiß nicht wenig, Herr; aber ich bin sicher, daß von den Persern noch mehr gefallen sind.

Julian. Jawohl; aber es sind doch viele gefallen, Griechen wie Römer. Meinst Du nicht?

Anatolos. Mein Kaiser, Dir ist gewiß nicht wohl. Dein Antlitz ist ganz bleich –

Julian. Siehst Du sie, die dort liegen, – einige auf dem Rücken, andere vornüber mit ausgestreckten Armen? Die sind doch wohl alle tot?

Anatolos. Ja, Herr, – ohne Zweifel.

Julian. Sie sind tot, ja! Sie wissen also nichts, – nichts von der Niederlage in Jerusalem, noch etwas von den anderen Niederlagen. – Glaubst Du nicht, Anatolos, daß noch weit mehr Griechen fallen werden in dieser Schlacht?

Anatolos. Herr, wir wollen hoffen, daß die blutigste Arbeit getan ist.

Julian. Es werden noch viele, viele fallen, sage ich! Aber das verschlägt nichts. Was hilft es, daß viele fallen? Es kommt doch auf die Nachwelt – –. Sag' mir, Anatolos, wie meinst Du, dachte Kaiser Caligula sich jenes Schwert?

Anatolos. Was für ein Schwert, Herr?

Julian. Du weißt, er wünschte sich ein Schwert, durch das er mit einem einzigen Hieb –

Anatolos. Hör' das Kampfgeschrei, Herr! Jetzt, bin ich sicher, weichen die Perser.

Julian horcht. Was ist das für ein Gesang in der Luft?

Anatolos. Herr, erlaube, daß ich Oribases hole, oder noch besser, – komm, komm: Du bist krank!

Julian. Es ist Gesang in der Luft! Kannst Du ihn nicht hören?

Anatolos. Wenn dem so ist, dann sind es die Galiläer –

Julian. Ja, gewiß sind es die Galiläer. Hahaha, sie kämpfen in unseren Reihen und sehen nicht, wer auf der anderen Seite steht. Toren Ihr, alle miteinander! Wo ist Nevita? Warum geht er gegen die Perser? Sieht er nicht, daß die Perser nicht die gefährlichsten sind? – Ihr verratet mich alle.

Anatolos leise zu einem Soldaten. Eil' ins Lager – hol' den Leibarzt des Kaisers! Der Soldat geht rechts ab.

Julian. Was für ein Gewirr von Scharen! Glaubst Du, sie haben uns bemerkt, Anatolos?

Anatolos. Wer, Herr? Wo?

Julian. Siehst Du sie nicht, – da – hoch oben und in weiter Ferne! Du lügst! Du siehst sie recht gut!

Anatolos. Bei den ewigen Göttern, es sind nur die Morgenwolken; es ist der anbrechende Tag.

Julian. Es sind die Heerscharen des Galiläers, sage ich Dir! Sieh, – die in den rotverbrämten Kleidern, das sind die, die den Bluttod erlitten haben. Singende Weiber umringen sie und flechten Bogenstränge aus ihrem langen, ausgerissenen Haar. Kinder sind in ihrem Geleite und drehen Steinschleudern aus ihren herausgewundenen Gedärmen. Brennende Fackeln –! Tausendfältig – zahllos! Sie richten ihren Weg just hierher! Alle blicken auf mich, – alle gehen gerade auf mich los!

Anatolos. Es sind die Perser, Herr! Unsere Reihen wanken –

Julian. Sie sollen nicht wanken! – Ihr sollt nicht! Steht fest, Griechen! Steht, steht, Römer! Heute müssen wir die Welt befreien!

Der Kampf hat sich unterdessen wieder über die Ebene nach vorn hingezogen. Julian stürzt sich mit erhobenem Schwert in das wildeste Schlachtgetümmel. Allgemeine Verwirrung.

Anatolos ruft nach rechts. Zu Hilfe! Der Kaiser ist in höchster Gefahr!

Julian mitten unter den Kämpfenden. Ich sehe ihn – ich sehe ihn! Ein längeres Schwert! Wer kann mir ein längeres Schwert leihen?

Voranstürmende Soldaten von rechts. Mit Christus für den Kaiser!

Der Soldat Agathon unter den Kommenden. Mit Christus für Christus!

Er wirft seinen Speer; der streift den Kaiser am Arm und bohrt sich ihm in die Seite.

Julian. Ah! Er faßt in das Speereisen, um es herauszuziehen, schneidet sich aber dabei in die Hand, stößt einen lauten Schrei aus und sinkt um.

Agathon ruft im Gedränge. Die Römerlanze von Golgatha!

Er stürzt sich waffenlos mitten unter die Perser; man sieht, wie er niedergemacht wird.

Verworrenes Geschrei. Der Kaiser! Ist der Kaiser verwundet?

Julian versucht sich zu erheben, sinkt aber zurück und ruft: Du hast gesiegt, Galiläer!

Viele Stimmen. Der Kaiser ist gefallen!

Anatolos. Der Kaiser ist verwundet! Schützt ihn, – schützt ihn, im Namen der Götter!

Er stellt sich mit Verzweiflung den vordringenden Persern entgegen. Der Kaiser wird ohnmächtig fortgetragen. In demselben Augenblick kommt der Kriegsoberst Jovian mit neuen Scharen über die Ebene herbei.

Jovian. Vorwärts, – vorwärts, gläubige Brüder! Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!

Weichende Soldaten rufen ihm zu: Er ist gefallen! Der Kaiser ist gefallen!

Jovian. Gefallen! O du gewaltiger Gott der Rache! Vorwärts, vorwärts! Der Herr will, daß sein Volk lebe! Ich sehe den Himmel offen; ich sehe Engel mit flammenden Schwertern –!

Soldaten voranstürmend. Christus ist unter uns!

Ammians Scharen. Der Galiläergott ist unter uns! Schließt Euch dicht um ihn! Er ist der Stärkste!

Wildes Schlachtgetümmel. Jovian dringt in die feindlichen Reihen ein. Sonnenaufgang. Die Perser fliehen nach allen Seiten davon.


Das kaiserliche Zelt

mit verdecktem Eingang im Hintergrunde. Heller Tag. Julian liegt bewußtlos auf seinem Lager. Die Wunden an seiner rechten Seite, Arm und Hand sind verbunden. Dicht bei ihm stehen der Leibarzt Oribases und Makrina nebst dem Hausmeister Eutherios. Weiter hinten Basilios von Cäsarea und der Weisheitslehrer Priskos. Am Fuße des Bettes steht der Mystiker Maximos.

Makrina. Es kommt wieder Blut. Ich muß die Binde fester anlegen.

Oribases. Hab' Dank, Du gütiges Weib; Deine sorglichen Hände kamen uns recht zu statten.

Eutherios. Lebt er wirklich noch?

Oribases. Gewiß lebt er noch.

Eutherios. Aber er atmet ja nicht.

Oribases. O doch, er atmet.

Hauptmann Ammian kommt leise mit dem Schwert und Schild des Kaisers herein, legt sie ab und bleibt am Vorhang stehen.

Priskos. Ach, guter Hauptmann, wie stehen die Sachen draußen?

Ammian. Besser als hier. Ist er schon –?

Priskos. Nein, nein, – noch nicht. Aber ist es sicher, daß wir die Perser zurückgeworfen haben?

Ammian. Ja, ganz und gar. Kriegsoberst Jovian hat sie in die Flucht geschlagen. Eben kommen drei vornehme Gesandte des Königs Sapores ins Lager und bitten um Waffenstillstand.

Priskos. Und glaubst Du, daß Nevita darauf eingeht?

Ammian. Nevita hat den Oberbefehl Jovian übergeben. Alle scharen sich um Jovian. Alle sehen in ihm den einzigen Retter –

Oribases. Sprecht leise, – er rührt sich.

Ammian. Rührt sich? Erwacht vielleicht zum Bewußtsein? Ach, wenn er das erleben müßte!

Eutherios. Was, Ammian?

Ammian. Soldaten wie Führer beraten sich über die Wahl des neuen Kaisers.

Priskos. Was sagst Du da!

Eutherios. O, diese schamlose Ungeduld!

Ammian. Die gefahrvolle Lage des Heeres entschuldigt es zum Teil; und doch –

Makrina. Er erwacht – er schlägt die Augen auf –

Julian liegt eine Weile still da und blickt die Umstehenden mild an.

Oribases. Herr, kennst Du mich?

Julian. Ja, sehr wohl, mein Oribases.

Oribases. Lieg nur still.

Julian. Still liegen? Woran erinnerst Du mich? Ich muß auf!

Oribases. Unmöglich, Herr; ich flehe Dich an –

Julian. Ich muß auf, sage ich. Wie kann ich jetzt still liegen? Ich muß Sapores aufs Haupt schlagen.

Eutherios. Sapores ist geschlagen, Herr! Er hat Gesandte ins Lager geschickt und bittet um Waffenstillstand.

Julian. Hat er das wirklich? Das ist mir sehr lieb. – Über ihn hab' ich also doch gesiegt. – Aber keinen Waffenstillstand. Ich will ihn ganz zu Boden werfen. – Ha, wo habe ich meinen Schild? Sollte ich den Schild verloren haben?

Ammian. Nein, mein Kaiser, – hier ist Dein Schild und auch Dein Schwert.

Julian. Das ist mir in Wahrheit sehr lieb. Mein guter Schild. Ich wüßte ihn ungern in den Händen der Barbaren. Reicht ihn mir her –

Makrina. O Herr, er ist Dir jetzt zu schwer!

Julian. Ach, – Du? Du hast recht, fromme Makrina! Er ist wohl etwas zu schwer. – Legt ihn vor mich hin, so daß ich ihn sehen kann. Wie? Bist Du's, Ammian? Hältst Du Wache bei mir? Wo ist Anatolos?

Ammian. Herr, der ist jetzt bei den Seligen.

Julian. Gefallen? Der treue Anatolos für mich gefallen! – Bei den Seligen, sagst Du? Hm! – Ein Freund weniger. Ach, mein Maximos! – Ich will heute die Gesandten des Perserkönigs nicht empfangen. Sie wollen mir ja doch nur die Zeit stehlen. Aber ich gehe auf keinen Vergleich ein. Ich will den Sieg mit dem äußersten Nachdruck ausnützen. Das Heer soll sich wieder gen Ktesiphon wenden.

Oribases. Unmöglich jetzt, o Herr; denk an Deine Wunden.

Julian. Meine Wunden werden bald geheilt sein. Nicht wahr, Oribases, – versprichst Du mir nicht –?

Oribases. Vor allen Dingen Ruhe, Herr!

Julian. Welch höchst unglücklicher Zufall! Und das gerade jetzt, da so viele wichtige Dinge auf mich einstürmen. Ich kann diese Sachen nicht in Nevitas Hände legen. In solchen Dingen habe ich kein Vertrauen zu ihm, ebensowenig zu den andern. All das muß ich selbst –. Ich fühle mich wirklich ein bißchen matt. Höchst verdrießlich! – Sag' mir, Ammian, wie heißt jene unheilvolle Stelle?

Ammian. Welche Stelle, mein gnädiger Kaiser?

Julian. Jene Stelle, wo der persische Wurfspeer mich getroffen hat?

Ammian. Sie heißt nach der Landstadt Phrygia –

Maximos. Ah!

Julian. Wie heißt sie –? Wie, sagtest Du, heißt die Gegend?

Ammian. Herr, sie heißt nach der Landstadt da unten die phrygische Gegend.

Julian. Ah, Maximos – Maximos!

Maximos. Betrogen! Er verhüllt sein Antlitz und sinkt am Fuß des Bettes nieder.

Oribases. Mein Kaiser, was erregt Dir diese Angst?

Julian. Nichts, – nichts. – Phrygia? Ja so? – Nevita und die andern sollen doch die Sachen in ihre Hand nehmen. Geh und sag' ihnen –

Ammian. Herr, sie haben wohl schon in Deinem Namen –

Julian. Haben sie das? Ja, ja, so ist es gut. – Der Weltwille hat mir eine Falle gestellt, Maximos!

Makrina. Deine Wunde bricht auf, Herr!

Julian. Ach, Oribases, warum wolltest Du mir das verheimlichen?

Oribases. Was sollte ich verheimlichen wollen, mein Kaiser?

Julian. Ich muß fort. Warum hast Du mir das nicht gleich gesagt?

Oribases. O mein Kaiser!

Basilios von Cäsarea. Julian – Julian!

Er wirft sich weinend am Bette nieder.

Julian. Basilios, – Freund, Bruder, – wir beide haben schöne Tage zusammen verlebt. – – – Ihr sollt nicht weinen, weil ich in so jungem Alter von Euch gehe. Es ist nicht immer ein Zeichen vom Übelwollen der Schicksalsmächte, wenn sie einen Menschen in so jungen Jahren von hinnen nehmen. Was heißt denn: sterben? Ist es etwas anderes als seine Schuld entrichten dem ewig wechselnden Reich des Staubes! Keine Klagen! Lieben wir nicht alle die Weisheit? Und lehrt uns nicht die Weisheit, daß die höchste Glückseligkeit mit dem Leben der Seele und nicht des Leibes verbunden ist? Insofern haben die Galiläer recht, obwohl –; aber davon wollen wir nicht sprechen. Hätten die Mächte des Lebens und des Todes mir vergönnt, eine gewisse Schrift zu vollenden, so glaube ich wohl, wäre es mir geglückt, zu –

Oribases. O mein Kaiser, ermüdet Dich das lange Sprechen nicht?

Julian. Nein, nein. Ich fühle mich sehr leicht und frei!

Basilios. Julian, geliebter Bruder, – hast Du nichts zu widerrufen?

Julian. Ich wüßte wahrlich nicht, was das sein sollte.

Basilios. Bereust Du nichts, Julian?

Julian. Ich habe nichts zu bereuen. Die Macht, die die Umstände in meine Hand legten, und die eine Ausstrahlung des Göttlichen ist, die bin ich mir bewußt nach besten Kräften gebraucht zu haben. Ich habe nie jemand zu nahe treten wollen. Dieser Feldzug hatte gute und zureichende Gründe; und wenn einzelne meinen sollten, ich hätte nicht alle Erwartungen erfüllt, so müssen sie billigerweise bedenken, daß es eine geheimnisvolle Macht über uns gibt, und daß diese Macht in wesentlichem Maße über den Ausfall der menschlichen Unternehmungen entscheidet.

Makrina leise zu Oribases. Horch, horch, wie schwer sein Atem geht.

Oribases. Die Sprache verläßt ihn bald.

Julian. Für die Wahl eines Nachfolgers wage ich keinen Rat zu geben. – Du, Eutherios, sollst mein Hab und Gut unter die verteilen, die mir am nächsten standen. Ich hinterlasse nicht viel; denn immer hat es mich bedünkt, daß ein rechter Weisheitsfreund –. Was ist das? Geht die Sonne schon unter?

Oribases. Ganz und gar nicht, mein Kaiser; es ist noch heller Tag.

Julian. Seltsam. Mir ist, als würde es mir so finster vor den Augen. – Ja, die Weisheit – die Weisheit. Halte fest an ihr, guter Priskos! Aber sei stets gerüstet gegen etwas Unergründliches außer Dir, das – –. Ist Maximos fort?

Maximos. Nein, mein Bruder!

Julian. Mir brennt der Schlund. Könnt Ihr mich nicht laben?

Makrina. Einen Trunk Wasser, Herr! Sie hält ihm eine Schale an die Lippen.

Oribases flüstert Makrina zu: Seine Wunde blutet innerlich.

Julian. Weint nicht. Kein Grieche soll weinen um meinetwillen; ich steige zu den Sternen auf – –. Schöne Tempel – Bilder, – aber so fern, so, fern!

Makrina. Wovon spricht er?

Oribases. Ich weiß nicht; ich glaube nicht, daß er noch bei Besinnung ist.

Julian mit geschlossenen Augen. Alexander durfte Einzug halten – in Babylon. – Ich will auch – –. Schöne, laubbekränzte Jünglinge, – tanzende Mädchen; – aber so fern, so fern – –. Schöne Erde, – schönes Erdenleben –. Er reißt die Augen weit auf. O, Sonne, Sonne, warum betrogst Du mich? Er sinkt zusammen.

Oribases nach einer Pause. Das war der Tod.

Die Umstehenden. Tot – tot!

Oribases. Ja, jetzt ist er tot.

Basilios und Makrina knien im Gebet. Eutherios verhüllt sein Haupt. Trommel- und Hörnerklang wird in der Ferne laut.

Rufe aus dem Lager. Es lebe Kaiser Jovian!

Oribases. Ach, habt Ihr den Ruf gehört?

Ammian. Der Kriegsoberst Jovian wird zum Kaiser ausgerufen.

Maximos lacht. Der Galiläer Jovian! Ja – ja – ja!

Oribases. Diese schändliche Hast! Noch ehe sie wußten, daß –

Priskos. Jovian, – dieser siegreiche Held, der uns alle errettet hat! Kaiser Jovian ist gewiß eine Lobrede wert. Ich will nicht hoffen, daß der schlaue Kytron schon –. Er geht eilig ab.

Basilios. Vergessen, ehe noch Deine Hand erkaltet ist! Und um dieser gebrechlichen Herrlichkeit willen verkauftest Du Deine unsterbliche Seele!

Maximos steht auf. Der Weltwille wird Rechenschaft geben für Julians Seele.

Makrina. Lästere nicht; obschon Du diesen Toten gewißlich geliebt hast –

Maximos nähert sich der Leiche. Ihn geliebt und ihn verlockt. – Nein, nicht ich! – Verlockt wie Kain! Verlockt wie Judas! – – Euer Gott ist ein verschwenderischer Gott, Ihr Galiläer! Er braucht viele Seelen! – Warst Du auch diesmal nicht der rechte, – Du Schlachtopfer der Notwendigkeit? – Was ist das Leben wert? Alles ist Spiel und Tand! – Wollen heißt wollen müssen. – O, mein Geliebter, – alle Zeichen betrogen mich, alle Wunderstimmen sprachen mit zwei Zungen, so daß ich glaubte, in Dir den Versöhner der beiden Reiche zu sehen. – Das dritte Reich wird kommen! Der Menschengeist wird sein Erbe wieder in Besitz nehmen, – und dann sollen Sühnopfer flammen für Dich und Deine zwei Genossen beim Symposion. Er geht.

Makrina steht auf, bleich. Basilios – verstandest Du des Heiden Rede?

Basilios. Nein, – aber groß und strahlend geht es vor meinen Augen auf, daß hier ein herrliches, zerstörtes Werkzeug des Herrn liegt.

Makrina. Ja, in Wahrheit, ein köstliches und kostbares Werkzeug.

Basilios. Christus, Christus, – wo war Dein Volk, daß es nicht Deinen offenbaren Ratschluß sah? Kaiser Julian war uns eine Zuchtrute, – nicht zum Tode, sondern zur Auferstehung.

Makrina. Das Geheimnis der Auserwählung ist furchtbar. Was wissen wir –?

Basilios. Steht nicht geschrieben: Es werden gemacht Gefäße zu Unehren und Gefäße zur Verherrlichung?

Makrina. Ach, Bruder, laß uns diesen Abgrund nicht zu Ende denken. Sie beugt sich über den Leichnam und deckt sein Antlitz zu. – Irrende Menschenseele, – mußtest Du irren, so wird es Dir gewißlich zugute gerechnet werden an jenem großen Tage, wenn der Gewaltige kommt in der Wolke, um Recht zu sprechen über die lebendigen Toten und die toten Lebendigen! – –

 


 


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