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VII. Kapitel
Selbstverneinung

a) Selbsterkenntnis, Selbstentzweiung

Die Möglichkeit der Selbsterkenntnis beruht auf der Zweiteiligkeit des Menschen. Durch die Spaltung des neutralen Kindes wird die Kreisform verlassen, der Mensch zunächst dezentralisiert. Seine männliche und weibliche, väterliche und mütterliche Wesenshälfte entfernen sich voneinander, so daß eine stets zunehmende Spannung, Bewußtwerden, Lieben entsteht, deren Äußerstes erreicht ist, wenn die beiden Wesenshälften zueinander im Brennpunkte stehen, d. h. wenn aus der Kreisform die Ellipse geworden ist, die Möglichkeit der Einheit in der Zweiheit. Ist dieser Punkt erreicht, so erblickt sich der Mensch im Spiegel, er erkennt sich.

Das ist im Leben der Menschheit, im Leben des Einzelnen, der verhängnisvolle Augenblick: was er erblickt, entscheidet über sein künftiges Leben. Es ist höchst merkwürdig, wie das richtige Sehen des kindlichen Geistes die Gefahr der Bespiegelung in der Volkssage begreift: Wenn ein junger Mensch, namentlich ein junges Mädchen, um Mitternacht in den Spiegel sieht, so sieht ihr der Tod oder der Teufel über die Schulter, oder sie sieht sonst etwas Entsetzliches, was sie niemand mehr mitteilen kann, denn sie wird vor Schrecken wahnsinnig; das eigene Antlitz ist ihr zum Medusengesicht geworden. Das Grauenhafte des sich Im-Spiegel-erblickens ist auch sonst von Dichtung und Sage mehrfach hervorgehoben, und jeder Mensch empfindet es; durchaus sinnvoll ist die volksmäßig erzieherische Tendenz gegen Neugierde und Eitelkeit. Für das unbefangene Kind sind Neugierde und Eitelkeit Begriffe, die sich decken. Die grausame Bestrafung von Neugierde oder Eitelkeit, die uns in mancher Sage befremdet, erklärt sich daraus, daß es sich um das Urverbrechen des Menschen handelt, wissend werden und sich selbst erkennen zu wollen, was gleichbedeutend ist mit aus Eins Zwei werden zu wollen. Mit der Selbsterkenntnis geht die Unschuld und Naivität, d. i. die Übereinstimmung mit der Natur, verloren. Der naive Mensch sieht sich von außen als etwas zur Natur Gehöriges, was unmittelbar sein ist, und wenn es ihm gefällt, so kommt es ihm nicht in den Sinn, dadurch eitel zu werden; der selbstbewußte Mensch sieht sich von innen als ihm gehörig, und seine Schönheit erscheint ihm als sein Verdienst, seine Häßlichkeit als sein Verbrechen. Nur der vollkommene Mensch dürfte sich ohne Schaden selbst von innen erkennen, aber es gibt keinen vollkommenen Menschen, und gerade seine Zweiheit, die das Erkennen möglich macht, ist eine wesentliche Unvollkommenheit. Nur Christus, die einzige vollkommene Person, durfte sich selbst erkennen.

Die Folge der Selbsterkenntnis ist Selbstvergötterung, Selbsthaß und Schuldbewußtsein. Ein Mensch, der nur Selbsthaß bei seinem Anblick empfände, würde wahnsinnig. Jeder, der es nicht wird, muß also notwendigerweise Selbsthaß empfinden, der mit Selbstvergötterung abwechselt; das verlangt nicht nur der Selbsterhaltungstrieb, sondern die hohe Entwicklungsstufe, die der Sichselbsterkennende erreicht hat, welche Bewunderung verlangt. Das Schuldbewußtsein ist das Bewußtsein, mit dem Sichselbsterkennen das erste göttliche Gebot übertreten zu haben; zu seinem Selbstschutze soll der Mensch sich nur von außen, nicht von innen sehen. Der Sichselbsterkennende und infolgedessen alles außer sich selbst Verneinende ist Luzifer, der mit Gott Entzweite, der sich wollend in die Hölle stürzt. Seine Gottähnlichkeit macht ihn zum Verbrecher am heiligen Geist, d. i. an der Natur.

Der naive Mensch kann wohl eine von ihm begangene Handlung als unrichtig erkennen, allenfalls bereuen, er kann aber niemals das dauernde Schuldbewußtsein empfinden, welches der Fluch des Selbstbewußtseins ist. Wie die Wonne der Selbstvergötterung, so ist ihm auch die Qual des Selbsthasses und des Schuldgefühls fremd, weil er sich in steter Übereinstimmung mit der Natur befindet. Das Schuldgefühl des Allzupersönlichen, Allzunegativen, Sichselbsterkennenden ist ein Gefühl von an der Natur begangener Schuld.

Das Leiden des sich Bespiegelnden, der, von seiner Schönheit ergriffen, vor den Spiegel gebannt bleibt, kann man die Selbstbezauberung (Narzißkrankheit) nennen. Es wäre falsch, wollte man seine Unfähigkeit, sich von seinem Spiegelbilde loszureißen, schlechtweg als Eitelkeit bezeichnen; er unterliegt vielmehr einer folgerichtigen Notwendigkeit.

Lieben heißt jemand als sein Ebenbild erkennen, geschlechtlich lieben, sein durch das Geschlecht entgegengesetztes Ebenbild lieben. Je mehr einer im anderen sein Ebenbild findet, desto inniger wird die Liebe sein. Das Aufhören der Liebe besteht darin, daß man sich als verschieden erkennt. Kann ein Mensch nicht lieben, so heißt das, daß er kein Ebenbild finden kann. Da nun die Liebe der inneren Spannung parallel geht, so muß das Liebesbedürfnis des auf der Spitze des Selbstbewußtseins angelangten außerordentlich stark sein; da er aber eine höchst ausgeprägte Persönlichkeit und höchst entwickelt ist, so ist es unendlich schwer für ihn, ein Ebenbild zu finden. Es ist, als hätte Gott den Übertreter des Verbotes der Selbsterkenntnis dazu verflucht, vor den Spiegel gezaubert zu bleiben, bis jemand ihn erlöste, den er schöner als sich selbst findet. Immer hofft er auf den Erlöser, glaubt ihn hundertmal entdeckt zu haben und findet sich immer wieder getäuscht; mit der wachsenden Zahl der Liebeserlebnisse, aus denen er nicht rein hervorgeht, wächst sowohl sein Selbsthaß wie seine Selbstvergötterung: er wird sich immer einziger und unentbehrlicher.

Eine andere Erscheinung der Selbsterkenntnis ist die Selbstverlarvung: der Mensch macht gewissermaßen sein Spiegelbild zu einer Maske oder Rüstung, hinter der er sich verlarvt. Die Scham, das Gebot übertreten und sich selbst erkannt und durch Selbstliebe eine Art seelischer Unzucht getrieben zu haben, veranlaßt ihn, sich zu verhüllen, damit die anderen es nicht bemerken. Ein sonderbares Symbol ist die Rüstung: die Ritter, welche eine solche trugen, legten sie zu ihrem Schutze an; aber wie man weiß, wurde sie die Ursache, daß die so viel schlechter geschützten Bauern die schwerfälligen Ritter von ihren Pferden auf die Erde werfen konnten, wo sie oft in ihren Rüstungen erstickten. So geht es dem Verlarvten, dessen verborgenes Feuer, allzulange von der Luft abgesperrt, endlich erstickt. Der Mensch, der, in seinem ästhetischen und sittlichen Gefühl erschreckt durch das übermäßige Hervordrängen seiner Persönlichkeit, dieselbe unwillkürlich in sich zurückzieht und verlarvt, verliert diese endlich ganz, er wird unter der Rüstung hohl und ist zuletzt nur noch Larve, sein eigenes Gespenst. Die Verlarvten, hochentwickelt und hochbegabt, schreiben, wenn sie Schriftsteller sind, einen erkünstelten Stil, der das Nichtmehrlebendigsein einer der Anlage nach mächtige Persönlichkeit bezeichnet. Ist die Verlarvung sehr stark, so kann jedes Sichäußern nur mit größter Mühe erzwungen werden, und die Fähigkeit dazu erlischt endlich ganz. Um den Preis des Verlustes der Persönlichkeit erkaufte sich der Verlarvte die Befreiung vom Größenwahn. Ein Beispiel, das sich sofort darbietet, ist C. F. Meyers Prosastil, der vielleicht anfänglich besticht, auf die Dauer aber nicht über die innere Hohlheit und Persönlichkeitslosigkeit hinwegtäuschen kann. Noch merkwürdiger ist der höchstverlarvte Stil des 17. Jahrhunderts, des großen Jahrhunderts der Selbstentzweiung und Selbstverneinung.

Ich möchte nun das innere Bild des selbstentzweiten Menschen näher betrachten.

Zwei elterliche Keime, von denen der eine positiv, der andere entsprechend negativ ist, verschmelzen leicht zu einer Einheit. Das Tier hat ein Zentrum, wodurch es das Unumstößliche erhält, was den Kulturmenschen entzückt; allerdings ist dies Zentrum kein bewußtes, geschweige denn ein selbstbewußtes Ich. Nachdem nun durch die Spaltung des neutralen Ich die kindliche Kreisform verlassen ist, kommt es darauf an, daß allmählich die Ellipse entsteht, die Form des Selbstbewußtseins; dies ist die höchste Zentralisation des sich entwickelnden Menschen, von welcher aus die Wiedervereinigung zur zweiten Kreisform, der des Alters, erfolgt. Die Ellipse ist die Form des handelnden und schaffenden Menschen und ersetzt die Kreisform bis auf den Unterschied, daß die Ellipse in der Spaltung verharrt, in Zeit und Raum, der Kreis in der Ganzheit, der Innerlichkeit, ist. Dieser Unterschied entspricht dem zwischen Leben und Tod, und der Lebendige wird die Form des Lebens sogar vorziehen. Es handelt sich also für den sich entwickelnden Menschen darum, die elliptische Form in sich zu erreichen, welche den verloren gegangenen Kreis ersetzt.

Die Grundbedingung für die Herstellung der elliptischen Form ist eine gewisse Menge von Positivität, ein allzu großes Übergewicht an Negativität verhindert die Ausgleichungsmöglichkeit und damit die Möglichkeit für den Menschen, ein Ganzes zu werden.

In manchen Fällen ist der Überschuß an Negativität so stark, daß die Wesenshälften sich nicht vereinigen können, das Ich sich nicht bilden kann, sondern zerfällt. Ein solcher Mensch ist unheilbar geisteskrank ( Dementia praecox), er existiert nur noch räumlich, sein Seelisches ist in sein Inneres eingegangen, d. h. gestorben. Wenn das Ich nicht durchaus zerfällt, aber ein ganzes Ich auch nicht entsteht, oder nur augenblicksweise, so liegt ein entsprechender Grad von Geisteskrankheit vor. Es gibt unzählige Grade, und kein selbstbewußter Mensch ist ganz frei davon. Alle Geisteskrankheiten beruhen auf der Selbstentzweiung oder dem Überschuß an Negativität, abgesehen von solchen, die durch äußere Störungen herbeigeführt sind. Indessen wird sich vielleicht einmal herausstellen, daß auch die sogenannte Paralyse nichts anderes als die allgemeine Geisteskrankheit ist, mit dem Unterschiede, daß es nicht in der ersten, sondern in der zweiten Krise zur Katastrophe kommt, vielleicht auch durch andere mitwirkende Ursachen abgewandelt. Jedenfalls war Nietzsche, was für eine Bewandtnis es auch Mit der Paralyse gehabt haben mag, geisteskrank, d. h. an Selbstentzweiung krank, und seine bejahende Philosophie war der leidenschaftliche Protest seines Bewußtseins gegen die unbewußt von ihm ausgeübte Selbstverneinung.

Kann das neue Individuum, das heranwachsende Kind, die elterlichen Wesenshälften in seinem Innern nicht verbinden, so bleibt ihm nichts übrig, als sich mit der einen Wesenshälfte zu konstituieren. Der Sohn, als Geschlecht, also körperlich negativ, muß sich mit der mütterlichen Hälfte verbinden, die wenigstens durch ihr Geschlecht positiv ist; aus demselben Grunde die Tochter mit der väterlichen. Dies ist die (Quelle des Vaterhasses des Sohnes auf der einen, des Mutterhasses der Tochter auf der anderen Seite; das notdürftig konstruierte Ich steht seiner unverbundenen Hälfte, sich selbst, feindlich, negativ gegenüber.

Da der geisteskranke Mensch kein ganzes Ich geworden ist, keinen alle seine Wesenselemente zusammenfassenden Mittelpunkt hat, können diese selbständig werden und sich auf lehnen; daher die epileptischen und andere nervöse Zufälle. In den Lebensgeschichten der mittelalterlichen Heiligen finden sich dafür viele Beispiele. Die verschiedenartigen Krämpfe, von denen sie heimgesucht wurden, gaben von jeher Anlaß, ihre Heiligkeit in Zweifel zu ziehen. Mit richtigem Blick wurden sie als Anfechtungen des Teufels angesehen, die sich nach der Auffassung mancher Theologen mit dem Begriff von Heiligkeit nicht vereinigen ließen. Alle die Möglichkeiten von nervösen Lähmungen und Störungen, die die Geisteskrankheit, d. h. Selbstverneinung mit sich bringen kann, aufzuzählen, liegt nicht in der Absicht dieser Abhandlung.

Mit der Selbstentzweiung und Selbstverneinung ist Neigung zum Selbstmord immer verbunden; der höchste Grad der Selbstentzweiung ist ja ein unwillkürlicher Selbstmord, der bei den geringeren Graden durch die vorhandene Menge von Positivität verhindert wird.

Der griechische Mythos gibt uns in der Geschichte des Orestes das Vorbild der Geisteskrankheit: im Inneren des Sohnes vollzieht sich wiederholend die furchtbare Entzweiung der Eltern, die mit dem Morde des Vaters durch die Mutter endet; im Wahnsinn sich selbst, den Zerrissenen, und die Mutter hassend, tötete er sie.

Der Geisteskrankheit wesentlich ist also, daß sie in den Entwicklungsjahren auftritt; denn sie ist ja gar nichts anderes als die Personbildung auf abnormer Basis mit abnormen Mitteln. Es erklärt sich daraus die zunehmende Zahl der Schülerselbstmorde. In der zweiten Krise, den Rückentwicklungsjahren, tritt sie entsprechend wieder auf. Da die Personbildung mit den Spannungsverhältnissen, dem Grade des Selbstbewußtseins und der Sexualität zusammenhängt, so zeigen sich alle Symptome der Geisteskrankheit an der Persönlichkeit, am Selbstbewußtsein und der Sexualität; da die Person wesentlich wollend ist, außerdem an der Willenskraft.

Da die Geisteskrankheit in den Entwicklungsjahren auftritt, so kann man die, die daran leiden, auch permanente Jünglinge nennen. Sie behalten zeitlebens gewisse Eigenschaften, die der Jünglingsstufe eigen sind: das Schweifende, Unbeständige, Haltlose, Träumerische, dem praktischen Leben Fremde. Mit der zweiten Krise gehen sie sofort ins Alter über, ohne eigentlich jemals Mann und Vater geworden zu sein.

Wie die Frau ihrem Wesen nach kein Verbrecher, so kann sie ihrem Wesen nach nicht geisteskrank sein: beides, Verbrechen und Geisteskrankheit, beruhen auf einem Übermaß von Negativität, und die Frau ist ihrem Wesen nach positiv. Indessen, da auch die Frau den ganzen Kreis des Bewußtseins zu durchlaufen hat, so wird es mit zunehmender Kultur auch weibliche Verbrecher und weibliche Geisteskranke geben; immerhin ist die Frau durch ihr Geschlecht, welches positiv ist, verhältnismäßig geschützt.

An einem gewissen Grade von Übernegativität leiden eine große Anzahl moderner Menschen, und die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit ist nicht leicht zu ziehen. Gleichmäßige Heiterkeit ist wohl am ersten als ein Zeichen von gutverteilter Positivität und Negativität anzusehen, wenn sie nicht das Wesen des Kindischen hat. Starke und häufige Stimmungswechsel sind ein Zeichen von Halbheit. Der gesunde Stimmungswechsel ist so, daß am Morgen die Negativität, in Form von geistiger Regsamkeit und einem gewissen Selbstgefühl, aus dem neutralisierenden Bade des Schlafes hervorgeht und bis gegen Mittag steigt, nachmittags einer gewissen Unterspannung Platz macht, bis am Abend die wieder etwas zunehmende Negativität eine neutrale Stimmung hervorbringt, die in den Schlaf überleitet. Dieser Verlauf entspricht dem jeder Entwicklung, auch in der anorganischen Natur. Nach der positiven ruhevollen Nacht beginnt der Tag unschuldig heiter, wird dann immer tätiger und feuriger, bis um Mittag Bewölkung eintritt; der Nachmittag bringt Schwüle und Schwere, Untätigkeit, der Abend endlich neues, aber gemildertes Leben und Auflösung alles Widerstreits in himmlische Klarheit. »Heiter und ruhig ist dann das Alter«, dichtete der unglückliche Hölderlin.

Wie der nicht ganz im Besitz seines Ich, seiner Person befindliche Mensch gewissermaßen immer eine Rolle spielt, so ist der Schauspielerberuf der eigentliche Beruf des selbstentzweiten Menschen. Schauspieler sind diejenigen Menschen, die der Maske bedürfen, um ihre Persönlichkeit darstellen zu können, also nur halb zustande gekommene Personen. Die Maske wirkt wie der Alkohol, der durch Verstärkung der Negativität den für gewöhnlich fehlenden Ausgleich herbeiführt. Schauspieler sind ursprünglich destruktive Menschen, die an Selbstverneinung leiden; ihre Negativität ist gelähmt, daher befinden sie sich meistens im Zustande der Unterspannung und fühlen sich halb. Die Maske gibt ihnen auf Augenblicke die Möglichkeit, ganz sie selbst bzw. ihre Vorfahren zu sein: sie rasen, zerstören, gebärden sich wild-leidenschaftlich, wie jene getan haben und wie sie tun möchten. In der Zwischenzeit sind sie eigentlich maskiert, da ja ihr wahres Wesen Maske geworden ist. Nur mittelst einer von außen aufgesetzten Persönlichkeit kommen sie vorübergehend in den Besitz ihrer eigenen. Der eigentliche wahre Schauspieler leidet also an einem gewissen Grad von Geisteskrankheit. Mit dem Entstehen des Dramas im 17. Jahrhundert tauchen auch die ersten Schauspieler auf.

In Rücklaufszeiten, wo ein sehr hoher Grad von Selbstbewußtsein, also Negativität, erreicht ist, gibt es eine Menge von sowohl ganz geisteskranken Menschen wie von solchen, die an einem leichten Grade von Geisteskrankheit leiden. Sie können in der zwischen der ersten und zweiten Krise liegenden Spanne Zeit, die das sich entwickelnde Leben umfaßt, als leidlich gesunde Menschen figurieren, die höchstens durch Ungewöhnlichkeit auffallen, sei es, daß diese mehr den Eindruck des Absonderlichen oder des Hervorragenden macht. Sie sind kenntlich an einer gewissen Gefühlskälte, an einer eigentümlich starken Unpersönlichkeit bei äußerlich stark vorhandener Persönlichkeit, an einer über das Natürliche hinausgehenden Zurückhaltung und Gebärdenlosigkeit. Ein unsichtbarer Mantel scheint sie zu umgeben, der sie von der Außenwelt trennt und durch den sie selbst nicht hindurch können. Zum Handeln oder Sichentschließen sind sie mehr oder weniger unfähig, und die Möglichkeit zu allerhand Umkehrungen (Perversitäten) ist gegeben. Es besteht demnach eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem geisteskranken, dem dekadenten und dem vollendeten Menschen, die darauf beruht, daß sie alle sich in ihr Inneres zurückgezogen haben, daß sie alle am Ende einer Entwicklung stehen. Geisteskrankheit und Dekadenz beruhen eben beide auf zuviel Geistigkeit, richtiger gesagt auf Geistigkeit, die nicht durch Natur (Positivität) im Gleichgewicht gehalten wird. Der Unterschied ist der, daß der dekadente wie der geisteskranke Mensch die Natur verloren, der vollendete sie überwunden hat. Zwischen den Dekadenten und den Geisteskranken ist der Unterschied, daß die Abnormität des Dekadenten sozusagen normal ist, als durch die rückläufige Epoche bedingt, in der sie erscheinen, während bei den Geisteskranken die Möglichkeit einer wenigstens teilweisen oder vorübergehenden Gesundung vorliegt.

b) Unfruchtbarkeit

Melancholie und Neigung zum Selbstmord sind bei Geisteskranken immer vorhanden, was sich, da Geisteskrankheit wesentlich Selbstverneinung ist, von selbst versteht. Ob es einen auf äußeren Ursachen beruhenden Selbstmord gibt, ist schwer zu entscheiden; meistens wird es sich um Fälle handeln, wo die Vorbedingung der selbstverneinenden Verfassung Unterernährung ist. Unterernährung nämlich führt von außen her Negativität herbei, die ebenso wie die, welche infolge natürlicher Entwicklung entstanden ist, Verbrechen, Geisteskrankheit, Selbstverneinung im Gefolge hat. Durch gute Ernährung könnten viele Verbrechen und viel Geisteskrankheit verhindert werden.

Die dem Menschen ganz unbewußt sich in ihm selbst vollziehende Selbstverneinung ist die Unfruchtbarkeit. Sie entsteht dadurch, daß die zweite Krise, die der Wiedervereinigung, zu früh eintritt, so nämlich, daß die erste sofort in die zweite übergeht und infolgedessen der Jüngling, bevor er noch ganz männliche Person geworden ist, verweiblicht, das Mädchen, bevor es noch ganz weibliche Person geworden ist, vermännlicht. Äußerlich stellt sich die zu frühe Verweiblichung des Jünglings als Dickwerden dar, die Vermännlichung des Mädchens als Schlankbleiben. Gewisse Geschlechtsanzeichen kommen nicht zur Entwicklung; so weitet sich namentlich das Becken nicht in erforderlichem Maße, wodurch die Mädchen zum Gebären mehr oder weniger untauglich werden. Es ist falsch, von Mannweibern zu reden, solche gibt es nicht, außerdem als Mißgeburt; es gibt indessen Jünglingsfrauen, d. h. Frauen, deren Entwicklung auf einer Stufe stehen geblieben ist, wo der Geschlechtscharakter noch schwankend war. Zwischen ihnen und dem entsprechenden Manne ist der Unterschied vorhanden, daß das Mädchen durch die Vermännlichung geistig produktiv wird, der Mann durch Verweiblichung geistig unproduktiv. Die jünglingshaften Mädchen haben die Möglichkeit, Künstler zu werden. Daß sie es im allgemeinen doch nicht werden, kommt daher, daß sie in rückläufigen Zeiten auftreten, wo durch die allzu weitgehende Vergeistigung keine starke Natur mehr vorhanden ist. Sie haben dann wohl Ideen zu Kunstwerken und gewisse lyrische persönliche Möglichkeiten; aber das unbewußte Machen, das organische Bilden, das ins Geistige übertragene Gebären ist ihnen versagt. Sie liefern in diesem Falle die wenig sympathische Erscheinung von Menschen, die fortwährend Anläufe zum Schaffen nehmen und nichts erreichen, die sich als Künstler fühlen und gebärden, aber denen gerade das fehlt, was zuletzt den Künstler ausmacht, das Können. Ist also theoretisch die Möglichkeit des schaffenden Künstlers auf dieser Basis nicht ausgeschlossen, so werden doch im allgemeinen in diesen Rücklaufstypen nicht alle drei Wesensteile gleich stark vertreten, und zwar entwicklungsfähig vertreten sein.

Der zu früh verweiblichte Jüngling beginnt mit rhythmischen Produktionen, die sich durch weibliche Zartheit und etwas Vergeistigtes auszeichnen. Bald jedoch versiegt die anmutige Quelle und macht, da auf künstlerische Betätigung gewöhnlich nicht verzichtet wird, seichten Wiederholungen oder auf grobe Effekte gerichteten Werken Platz. In der neueren Literatur sind viele Beispiele für derartige Erscheinungen.

Wie die Vermännlichung des Weibes im Einzelleben erst gegen das Ende ihres Lebens, mit der zweiten Krise, eintritt, so erscheint das Jünglingsweib am Ende der Entwicklung eines Volkes und es bleibt ihr infolgedessen nicht viel Zeit zur Entwicklung. Nähme die Verengerung des Beckens ständig zu oder würde sie allgemein, so müßte das betreffende Volk aussterben.

Man sollte im allgemeinen die Natur und ihre Absichten besser verstehen und sich mehr nach ihr richten. Frauen, die tote Kinder zur Welt bringen oder die nicht auf natürliche Art mehr gebären können, weil sie zu eng gebaut sind, sollten die Geburt nicht erzwingen; denn im allgemeinen werden sich die der Natur abgezwungenen Wesen als lebensunfähig erweisen, die Selbstverneinung, die schon in den Eltern sich aussprach, wird in ihnen noch nachdrücklicher erscheinen. Ebenso sollte man Geisteskranke, die die Nahrung verweigern, nicht künstlich am Leben erhalten, und Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, nur dann davon zurückhalten, wenn man zugleich willens ist, sie zu heilen oder zu stützen. Kurz, wo entseelte Natur bzw. denaturierter Geist sich deutlich selbst verneint, sollte man sie nicht gewaltsam wieder in die Entwicklung hineinzerren.

Gleichzeitig darf man nie den in der Natur liegenden Trieb zur Regeneration, zur Selbstergänzung und Selbstvervollkommnung vergessen. Wie von außen her durch Verbindung mit positiven Menschen Regeneration herbeigeführt werden kann, so von innen her durch innerliche Verbindung mit positiven Kräften. In der ersten großen Zeit der Selbstverneinung sprachen die Protestanten von der Notwendigkeit, den alten Adam sterben und den neuen durch innere Wiedergeburt auferstehen zu lassen. Diese der bewußten Selbstverneinung folgende bewußte Selbstbejahung ist der Weg, den alle der Natur bzw. dem Geiste Entfremdeten, wenn sie leben wollen, gehen müssen.

c) Heilung und Vorbeugung

Da das Wesen der Geisteskrankheit ein Zuviel an Negativität ist, so müssen die Heilungsversuche sich auf Zuführen von Positivität gründen. Der nächstliegende Gedanke ist, vorausgesetzt, es handle sich um einen kranken Mann, daß, da die Frau als Geschlechtswesen positiv ist, ihm durch Liebe Positivität zugeführt werden könne. Dies ist aber nur unter großen Vorbehalten richtig. Erstens kann bei einer kultivierten Frau leicht das Negative im Geistigen überwiegen, wodurch das Positive des Geschlechtes eventuell ganz aufgehoben würde. Es müßte also an eine primitive Frau gedacht werden, der wiederum die notwendige Überlegenheit fehlt. Einzig die echt weibliche, nicht selbstbewußte, aber bewußte Frau, durch Sittlichkeit und Mütterlichkeit überlegene, könnte entsprechen. Sie ist aber in Rücklaufszeiten eine sehr seltene Erscheinung. Im ganzen ist sexuelle Liebe für Geisteskranke sehr gefährlich, da sie ihre Negativität erregt und ihren Zustand verschlimmert, es sei denn, daß durch die Geschlechtsliebe positive Kräfte erregt werden, Mitleid oder Bewunderung, der Wunsch zu helfen oder zu dienen.

Der Stolz des übernegativen Mannes weist in der Regel das Positive im Menschen zurück und nimmt es nur von der Natur an. Diese, als rein positiv und unbewußt, erniedrigt ihn durch ihre Gabe nicht, während er dem unter ihm stehenden Menschen nicht verpflichtet sein will, ihn im Gegenteil haßt, weil er sich ihm wider Willen verpflichtet fühlt. Je näher ein positiver Mensch der Natur steht, je unbewußter er ist, desto eher wird der Kranke geneigt sein, von ihm die Wohltat des Positiven anzunehmen; denn ihm gegenüber fühlt er sich trotzdem als der Gebende.

Der sogenannte Weiberhaß ist immer ein Zeichen von dem, was man gewöhnlich Sinnlichkeit nennt, d. h. starker Negativität. Die Negativität des Mannes verlangt zum Ausgleich die Positivität des primitiven Weibes, deshalb sind übernegative, einseitig männliche, geistige Männer gegen die geistige Ausbildung der Frau, weil sie instinktiv fürchten, den ihnen notwendigen Ausgleich zu verlieren. Väterliche Männer dagegen, weil sie bereits selbstergänzt sind, d. h. Positivität in sich haben, leiden die geistige Ausbildung der Frau gern, befördern sie sogar, weil ihre Positivität dadurch ausgeglichen wird. Der übernegative Mann liebt nun aber das positive Weib durchaus nicht, vielmehr haßt er es, und zwar gerade weil er ihrer bedarf und sie ihn herabzieht. Seine Pflicht, sie zu sich heraufzuziehen, erfüllt er nicht, weil sie ja dann kein Ausgleich mehr für ihn wäre und sich ihm widersetzen könnte. Sein Stolz haßt den Zeugen seiner Bedürftigkeit. Das Negative muß seine Negation zunächst gegen das Positive wenden, das es momentan aufhebt. Bei den höchst negativen Männern der semitischen Stämme finden sich viele hierher gehörige Beispiele, klassisch ist das des Sultans, der jede Nacht eine Sklavin zu sich nimmt und am Morgen töten läßt, bis die märchenkundige Scheherazade, die »von Mut und Geist strahlte und mit den glänzenden Worten der Dichter reden konnte«, ihn aus einer Nacht in die nächste hinübertäuschte, d. h. mit ihrem gesunden Maß von Negativität seine Positivität erregt und ein über die rein sinnliche Liebe hinausgehendes Gefühl in ihm erweckt. Wo der Mann übermäßig negativ ist, ist die Stellung der Frau niedrig, je mehr der Mann androgyn ist, desto höher ist die Stellung der Frau.

Da das Wesen des Lebens beständige Bewegung und Veränderung ist, so wechselt auch der Spannungsgrad im Innern des Menschen beständig, und Liebe kann immer in Haß oder Gleichgültigkeit umschlagen. Dies trifft besonders für den geisteskranken, im labilen Gleichgewicht befindlichen Menschen zu, bei dem Überspannung und Unterspannung wechseln, heftiges Liebesbedürfnis mit stumpfer Gleichgültigkeit. Wird die Überspannung so groß, daß keine Ausgleichungsmöglichkeit vorhanden ist, so schlägt die Liebe in Haß um, wird was anzieht zugleich abgelehnt. Das Übermaß an Negativität macht den damit behafteten Mann zur Ehe ungeeignet, er leidet an Ehescheu, d. h. seine Negativität oder Übergeistigkeit macht den inneren und äußeren Ausgleich schwierig bis unmöglich. Dies ist also eine mittelbare, auf übermäßiger Negativität oder Männlichkeit beruhende Unfruchtbarkeit; von der unmittelbaren, auf zu früh sich einstellender Positivität beruhenden, ist vorher gehandelt worden.

Indessen ist der Mensch nicht auf persönliche Mitteilung von Positivität allein angewiesen. Hat er sich auch von der Natur losgerissen, so ist er doch, sei der Faden auch noch so dünn, mit ihr verbunden, und ihre balsamische Kraft umströmt ihn beständig. Auf zwei Wegen kann jeder zu ihr gelangen, entweder unmittelbar durch die Vegetation und das Tier, oder mittelbar durch die durch den menschlichen Geist hindurchgegangene Natur, Kunst. Wie heilsam der Aufenthalt in der Natur und der Umgang mit Tieren auf leidende Menschen wirkt, ist bekannt; es gibt aber solche, die der reinen, unverwandelten Natur nicht zugänglich sind, sondern sie sich durch die Kunst vermitteln lassen müssen. Hier kommt wieder zunächst die positivste der Künste, die Architektur, in Betracht, die ganz aus dem Unbewußten hervorgeht. Ein vollendetes Bauwerk umfängt die Seele so mächtig, daß sie im Schoße der Natur oder der schaffenden Hand Gottes zu liegen glaubt und ihren bzw. seinen belebenden Hauch verspürt. Instinktiv wird der Kranke innerhalb der Architektur die positive Antike, die die reine Form zum Ausdruck bringt, der negativen, höchst bewegten, titanischen Gotik vorziehen, die ihn eventuell sogar abstoßen muß. Unfehlbar wird es ihn zu derjenigen Kunst und zu denjenigen Kunstwerken hinziehen, die ihm die ersehnte positive Ergänzung geben. Das Persönliche, Lyrische, Formlose, Erregende wird stets weniger in Betracht kommen als das Gebundene, Typische, Architektonische. Auch von Religion und Wissenschaft kommt nur die positive Seite in Betracht, die synthetische. Wie die Liebe, kann auch die Religion durch ihre negative, persönliche Seite für Leidende höchst gefährlich werden, was sich in allen möglichen Formen des religiösen Wahnsinns offenbart.

Durch die Einsicht in das Wesen der Krankheit allein kann die Krankheit, da sie ein Konstitutionsfehler ist, nicht gehoben werden, vielmehr kann unvollkommene Einsicht verwirren und schädlich wirken. Vollkommene Einsicht kann aber gut sein, wenn sie mit Zuführung von Positivität verbunden ist, und diese unmittelbar zu geben sollte der Seelenarzt imstande sein. Außer der Einsicht in das Wesen der Krankheit sollte er körperlich und geistig über ein namhaftes Maß von Positivität verfügen, das sich dem Kranken unmittelbar im Umgange mit ihm mitteilt.

Was etwaige Vorbeugung der Geisteskrankheit betrifft, so ist dieses scheinbar sehr leicht zu erreichen: es brauchten ja nur harmonische Ehen geschlossen zu werden. Jede Heirat, die ohne innere Übereinstimmung, nur aus äußeren Gründen geschlossen wird, wäre als ein Verbrechen an der Nachkommenschaft zu betrachten. Da nun aber die Geisteskrankheit eine Begleiterscheinung hoher Kultur ist und auf einem Überschuß an Negativität in beiden Geschlechtern beruht, so ist diese Übereinstimmung gerade in Zeiten hoher Kultur gar nicht oder nur schwer zu erzielen, und unharmonische Ehen und Geisteskrankheit sind eben zwei aus derselben Grundlage erwachsende, notwendig miteinander verbundene Erscheinungen.

Immerhin kann doch das Bewußtsein helfend eingreifen. Der normale, ungespaltene Mensch darf seinem Instinkt trauen, der ihn unfehlbar zu den ihm dienlichen Quellen zieht ( Quo dii vocant eundum); den in sich selbst entzweiten Menschen hingegen zieht es nach zwei entgegengesetzten Richtungen, und was er auch wählen möge, wird er doch nie ganz das Rechte wählen. Den selbstentzweiten Mann zieht es einerseits zur typischen, positiven, andererseits zur persönlichen, negativen Frau. Dies ist des modernen Mannes ewiges Liebeserlebnis, das nicht zum Heile der Literatur immer wieder von ihm abgehandelt wird. Sieht man aber ein, daß, wo Zerrissenheit herrscht, nur das vorwiegend positive, typische Weib helfen kann, so muß man sich eben darnach einrichten.

Es ist interessant, wie die Griechen, die mit ihrer unbewußt gewachsenen Kultur gewissermaßen ein Vorspiel zu allen bewußten Kulturen gaben, dies Problem lösten. Sie machten die bewußte neutrale Frau, das sittliche Weib, zur Mutter ihrer Kinder, die überpositiven, noch tierhaften Weiber hielten sie als Sklavinnen, und die selbstbewußten, persönlichen, negativen waren Hetären, die Geliebten, die Liebe selbständig erwiderten und geistige Interessen teilten. Ist nun diese Einteilung in einem modernen Staate auch nicht durchzuführen, wenigstens nicht, bis nicht eine ganz andere Schätzung der Frau sich ausgebildet hätte, so muß man es doch lächerlich finden, wenn umgekehrt verfahren und gerade die Frau zur Mutter der Kinder gemacht wird, die sich am wenigsten dazu eignet. Im allgemeinen will zwar in dieser Hinsicht der Mann das Richtige; aber nur zu oft gibt doch irgendwelche Berechnung den Ausschlag. Vor allen Dingen dürfte der Mann weder die positive noch die negative Frau mißachten, wenn er das Gute, das sie ihm gibt, genießen will; er vergiftet sich dadurch die Speise, von der er leben soll. Ferner wäre in rückläufigen Zeiten die Verheiratung mit positiven Frauen, also mit den Frauen der unteren Stände, die sonst nicht ratsam ist, sehr am Platze, da durch sie ein starker Zufluß von Positivität gegeben wäre. Liebesverhältnisse mit diesen Mädchen zu haben und diese womöglich ohne Folgen zu lassen oder die daraus hervorgehenden Linder im Dunkeln aufwachsen zu lassen, ist das verkehrteste, was instinktlos gewordene, übergeistige Männer tun können. Männer, die es stark zu den Frauen der unteren Stände hinzieht, haben viel Positivität nötig und können sicherlich am ehesten mit solchen Frauen lebensfähige Kinder erzeugen.

Daß es überkultivierte Frauen zu primitiven Männern zieht, wird auch schon vielfach beobachtet, und sie sollten sich ebensowenig scheuen, solche zu heiraten, wenn sie nur Geisteskraft genug in sich fühlen, sie zu sich emporzuziehen; denn diese Pflicht übernimmt jeder Höherentwickelte gegenüber einem noch Unentwickelten. Die ganz denaturierten Amerikaner soll es zu den Negern ziehen; ob dahin eine Regenerationsmöglichkeit liegt, ist allerdings fraglich.

Außer der Verheiratung mit den unteren Schichten des Volkes ist auch die Verheiratung mit primitiven Völkerschaften möglich. Verbindungen zwischen abendländischen Menschen und den verschiedenen östlichen Völkern, die dem Abendlande gegenüber noch primitiv sind, können deshalb sehr segensreich sein. Sie würden demselben Zweck dienen, wie ehemals die Einfälle der Barbaren in das römische Reich.

In allen Rücklaufszeiten wird Rückkehr zur Natur gepredigt; aber diese Rückkehr besteht nicht darin, daß man allerhand äußere Merkmale hoher Kultur, Luxus, moderne Kleidung u. dgl. ablegt, sondern daß man sich das positive einverleibt, sei es von außen oder von innen, durch die Natur oder durch den Geist.


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