Ricarda Huch
Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri
Ricarda Huch

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Am Spätnachmittage des Tages, wo Confalonieri auf dem Spielberge ankommen sollte, saßen der oberste der Gefangenwärter, der alte Schiller, ein junger, namens Kral, und einer der wachehaltenden Soldaten im Zimmer des ersteren beim Wein zusammen und sprachen über den Grafen, von dem sie durch die italienischen Staatsgefangenen, seine Freunde, mancherlei gehört hatten. Diese hatten sich oftmals erkundigt, ob der Graf unterwegs seiner Krankheit erlegen sei oder ob er noch lebe, und hatten auf die Nachricht, daß er erwartet werde, eine Freude gezeigt, als ob er nicht käme, 164 um ihr Los zu teilen, sondern um ihnen Segen und Hilfe zu bringen. Der Franzose, erzählte Schiller, habe ihn so umarmt, daß er beinah umgefallen sei, und der kleine Pellico habe gefragt, was für Anstalten wir getroffen hätten, um einen solchen Herrn, der noch dazu krank sei und der aufmerksamsten Pflege bedürfe, zu empfangen. Hierüber lachte er auf eine besondere Weise in sich hinein, von der man zuerst nichts hörte, bis er darüber ins Husten geriet, das immer heftiger wurde und zuletzt, nach geräuschvollen Entladungen, mit einem drohenden Räuspern abschloß. Kral, ein Böhme, dessen breites unschönes Gesicht einen ängstlichen Ausdruck davon hatte, daß er beständig in Sorge war, es möchte ein Vorgesetzter in der Nähe sein und ihn auf einer ungeahnt hereinbrechenden Unvorschriftsmäßigkeit ertappen, hörte mit hingegebener Aufmerksamkeit zu, zwischendurch nach draußen horchend, ob dort alles still bleibe. Wenn der Graf wirklich so krank sei, sagte er, würde es gewiß bald aus mit ihm sein; er hätte eben erst ein böses Vorzeichen gesehen, wovon er nicht spräche, weil er wüßte, daß er ausgelacht werden würde. »Das wäre,« rief Schiller, »wenn ich in dieser verwünschten Spelunke nicht einmal über dich Kürbiskopf lachen sollte! Ich befehle dir augenblicklich, zu erzählen, was du dir ausgebrütet hast, und wenn es das faulste Luderzeug wäre, das jemals von einem deutschen Galgen heruntergeschnitten ist.« Kral schüttelte bekümmert den Kopf über die greulichen Ausdrücke, die Schiller eigens auswählte, um ihn zu necken, erzählte aber bereitwillig, als er vor einer Stunde das Zimmer des Grafen habe reinigen lassen, habe er zufällig durch das Fenster nach dem Friedhof hinuntergesehen und dort das weiße Häschen erblickt, an dessen Dasein er niemals so recht habe glauben wollen. Es sei auf dem Mäuerlein hingehuscht, das den Friedhof umgebe, und habe sich plötzlich aufgerichtet 165 und ein Männchen gegen ihn gemacht, gerade als ob es ihm etwas habe sagen wollen; da sei ihm ein Grauen angekommen, und er habe den Gefangenen, der das Reinigungsgeschäft besorgt habe, zur Eile angetrieben, um das Zimmer verlassen und Schiller aufsuchen zu können. Dem Soldaten Fritz, der erst seit kurzem auf dem Spielberg war, wurde zur Erklärung mitgeteilt, daß bei dem Tode des furchtbaren Trenck, der zu den Zeiten der Kaiserin Maria Theresia hier gefangen gesessen habe, das weiße Häschen zuerst erschienen sei und sich seitdem sehen lasse, wenn ein Todesfall bevorstehe, wie es denn auch vor dem Ende des jungen italienischen Grafen Oroboni sich gezeigt habe. »Dieses Häschen«, sagte Schiller gutmütig, »weiß, was sich schickt: für die gemeinen Verbrecher bemüht es sich nicht und ebensowenig für unsereinen; es spukt nur für bessere Leute, insbesondere für die Adligen, auch wenn sie mit dem Teufel im Bunde stehen, wie der Trenck.«

Fritz, ein junger Bayer mit hübschem, braunem, trotzigem Gesicht, sagte, er bedauere, daß er das vornehme Häschen nicht gesehen habe; er würde es erschossen und zum Essen hergerichtet haben, um zu sehen, ob sein Gespensterbraten ebenso wohlschmeckend sei wie ein natürlicher. Übrigens glaube er nicht daran, daß der Trenck mit dem Teufel im Bunde gestanden habe, da er sonst seine Künste wohl zuerst benützt habe, um aus dem scheußlichen Kerker zu entkommen.

Schiller zuckte die Achseln und meinte, man könne nicht wissen, wie es dazumal auf dem Spielberg zugegangen sei, und besonders was für ein Leben der Trenck geführt habe. Sein Hauptverbrechen sei nämlich das gewesen, daß er in die Kaiserin verliebt gewesen sei; wie nun aber kein Frauenzimmer einem Manne deswegen böse sei, und wenn es der Henker wäre, so habe Maria Theresia ihren Verehrer zwar ehrenhalber ins Gefängnis schicken müssen, ihm aber sonst 166 vielleicht das Leben nicht sauer gemacht. Zu essen habe er genug gehabt und auch ein Mädchen, die schöne Tochter eines Aufsehers, die ihm mit Haut und Haaren ergeben gewesen sei. Außerdem werde auch erzählt, daß er die Seelen der Mönche, die ihn täglich besucht hätten, dem Teufel hätte zuwenden wollen, und daß er zu dem Zweck Gelage mit ihnen gefeiert und ihnen allerlei Unfug und Unzucht beigebracht hätte. Andere freilich behaupteten das Umgekehrte, die Mönche hätten seine Seele bekehrt, weshalb auch das weiße Häschen erschienen sei, zum Zeichen, daß er seiner Sünde ledig geworden sei.

»So war er niemals ein rechter Mann, wenn er sich von den Pfaffen bekehren ließ,« sagte Fritz mit um so mehr Nachdruck, weil er wußte, daß er Kral, den er nicht leiden mochte, dadurch kränken würde. »Ihr redet so,« antwortete dieser, »weil Ihr das Unglück noch nicht kennengelernt habt. Was würde aus den elenden Leuten, die hier eingekerkert sind, wenn sie nicht auf Gott vertrauten und sich mit den Freuden des Himmels vertrösteten?« »Als Gefangenen freilich werdet Ihr mich niemals sehen!« sagte Fritz hochmütig. »Frei würde ich mich schon zu machen wissen, sei es lebendig oder tot.« Lebendig würde es einem hier wohl nicht gelingen, sagte Schiller. Vor dreißig Jahren, da habe einmal einer einen Fluchtversuch gemacht, sei aber erwischt, weil er ein Bein dabei gebrochen habe. Da seien ihm so viel Peitschenhiebe zur Strafe zuerkannt, daß er schon nach der ersten Hälfte gestorben sei. Wie sollte es jetzt einer bewerkstelligen zu entfliehen, mit all den Ketten und Eisengittern und Soldaten auf Schritt und Tritt? Es genüge nicht, wenn einer sich in eine Maus verwandeln könne, kaum ein Floh könne unvermerkt entschlüpfen. Viele hofften anstatt dessen auf Begnadigung, worauf der Graf Confalonieri freilich nicht zu 167 rechnen hätte. Mit dem sei es eine besondere Sache, der sei ein großer und unerschrockener Herr, der die Österreicher aus Italien habe vertreiben und das ganze Land habe freimachen wollen. Der Kaiser habe große Furcht vor ihm und habe ihm alle erdenklichen Ehren angeboten, wenn er sich zu ihm halten und seine Mitverschworenen verraten wolle; aber der Graf habe geschwiegen, und wenn einmal das Festungstor hinter ihm zugeschlagen sei, werde es sich nie mehr vor ihm auftun. Der werde deshalb vielleicht versuchen, auf eigene Hand davonzukommen, Geld genug habe er, um die Wächter zu bestechen, und Kral, der so habgierig sei, solle sich nur in acht nehmen, daß er sich nicht fangen lasse. Kral wurde dunkelrot vor Schreck und beklagte sich über die ungerechtfertigte Verleumdung, indem er ängstlich nach der Tür horchte; der alte Schiller kam darüber ins Lachen und Husten, als das schrille Läuten der Hausglocke ertönte und die Plaudernden aufschreckte.

Schiller nahm sein Schlüsselbund und stand nicht ohne Anstrengung auf, um sich in den Hof zu begeben; er war schmal gebaut und sehr groß und erschien auch so, obwohl er stark nach vornüber gebeugt ging. Nach einer halben Stunde kam er wieder, lautlos in sich hineinlachend, leerte geschwind ein Glas Wein und erzählte: »Das ist einer! Solch einen haben wir noch niemals gehabt! Wie er so bleich aus seiner Kutsche kam, da dachte ich: der steigt aus einem Sarg in den andern. Aber der stand da, als ob er mit dem Kopfe schon im Himmel wäre. Wißt ihr, er trägt seinen Kopf wie einer, der im trüben Wasser schwimmt und achtgibt, daß ihm der Schmutz nicht in den Mund fließt. Halt ihn nur hoch, dachte ich bei mir, hier wird es dir doch darüber zusammenschlagen. Erst verabschiedete sich der Herr von ihm, der ihn gebracht hatte, wie von einem Fürsten, dann klirrte ich mit meinen 168 Schlüsseln und sagte, er müsse mit mir kommen, und wunderte mich, was für ein Gesicht er machen würde. Er tat ganz unbefangen, wie wenn er im feinsten Hotel abgestiegen wäre und ich als der Oberkellner ihn in Empfang nähme und hinter mir noch eine ganze Schar von Kellnern stände, die dienerten und warteten, was der Herr Graf befehlen werde. Als es die Treppe hinaufging, legte er seine Hand auf meinen Arm und sagte, ich möchte langsam gehen, weil er erst kürzlich krank gewesen und von der Reise angegriffen sei.« Schiller zeigte die Stelle seines Armes, wo die Hand gelegen habe, und lachte unbändig; wenn er nicht die Nägel gesehen hätte, möchte er schwören, es wäre ein Handschuh darübergezogen gewesen. »Nun hättet ihr ihn aber sehen sollen, als ich seine Zelle aufmachte! Die andern, als ich sie zuerst in ihren Koben brachte, rangen die Hände und lamentierten und sperrten sich; aber er ging ruhig ans Fenster und sagte: ›Da ist eine schöne Aussicht.‹ Gewiß, Herr Graf, und die hohen Wandspiegel und die Armleuchter mit den Wachskerzen und die Perserteppiche sind auch schön und passen ausgezeichnet zu dem Spitzenhemde und dem feinen Tuchrock des Herrn Grafen. Der Herr Graf wünschte dann noch ein wenig zu Abend zu essen, und als ich sagte, die Stunde wäre vorbei, nach welcher nichts verabreicht würde, stutzte er ein ganz klein wenig und sagte dann: ›Ich sehe, daß ich in einem ordentlichen Hause bin.‹«

Kral sagte, beunruhigt und vorwurfsvoll, Schiller hätte dem armen Herrn, der sehr hungrig sein müsse, doch ein Stück von seinem eigenen Brot zustecken können, worüber dieser in unendliches Lachen und Husten geriet. »Er hat ja einen Krug Wasser,« sagte er, als er wieder sprechen konnte, »das hilft auch gegen den Hunger. Ich bin neugierig, was er sagen wird, wenn du ihm morgen früh die Suppe bringst: ›Die Schokolade ist ausgezeichnet! Das Gebäck ist vortrefflich! 169 Zerbrich das feine Porzellan nicht, kleiner Tölpel!‹ – und damit wirst du gemeint sein.«

Indessen stand Federigo am Fenster und sah auf die Landschaft hinunter, von der der Abend sanft die Farben wegzuhauchen begann. Der Felsen, der die Festung trägt, war mit Eichen, Buchen und Birken bewachsen, die noch unbelaubt waren; jenseits des Burggrabens sah man niedrige Häuser in Gärten, kahles Ackerland mit einzelnen Büschen und Bäumen dazwischen, weiterhin Wälder und Hügel. Durch die breite Ebene schlangen sich hie und da gewundene Straßen, die zu Häusergruppen und winzigen Dörfern führten oder sich in Gebüschen verloren. Der Anblick des weit ausgebreiteten Landes, wie er einen ähnlichen seit mehr als zwei Jahren nicht gehabt hatte, ergriff Federigo; zugleich mußte er an die Weide im Gefängnishofe in Mailand denken, und Tränen traten in seine Augen. Als er sich in das Zimmer zurückwendete, in dem es inzwischen dunkel geworden war, erschien es ihm wie eine Gruft; die Luft war moderig, wie sie es in Räumen ist, wohin die Sonne nicht scheint, die Wände waren weiß getüncht, und es war leer bis auf eine mit einem Strohsack bedeckte Pritsche, einen Tisch, einen Stuhl und einen Krug voll Wasser. Er versuchte, ob er auf dem Strohsack liegen könne: seine Glieder wurden steif und schmerzten; er stand mehrmals auf und ging in dem engen, dunklen Raume hin und her, bis die Müdigkeit ihn zwang, sich wieder hinzulegen. Der Schlaf hatte ihn doch endlich überrascht, als er infolge eines Geräusches aufwachte und neben sich zwei Männer sah, von denen einer eine Laterne trug, und die im Begriff waren, ihn aufzudecken und anzufassen. Nur halb wach, richtete er sich auf und rief: »Zurück von mir!« indem er einen drohenden Blick auf die Männer warf. Nun erst erkannte er in dem einen von ihnen den alten 170 Schiller, der entschuldigend sagte, dies wäre die nächtliche Visite, die die Pflicht hätte, sich zu überzeugen, daß seine Kette und das eiserne Gitter am Fenster noch in Ordnung wären. »Ja,« sagte Federigo, der sich wieder zurückgelegt hatte, »wenn ich recht fleißig gewesen wäre, so hätte ich vielleicht von heute abend bis jetzt alles auseinanderfeilen können.« Der alte Schiller schmunzelte und sagte scheinbar geringschätzig: »Mit den Händen!« indem er leise auf des Grafen rechte Hand klopfte, die auf der groben wollenen Decke lag und vor Erregung noch unmerklich zitterte.

Die Entrüstung, daß er sich von Schergen überfallen und untersuchen lassen mußte wie ein gefährlicher Übeltäter, ließ ihn nicht wieder zur Ruhe kommen, und überwältigte ihn doch die Erschöpfung, so schreckte ihn das harte Rufen der sich ablösenden Wachen auf. Als er endlich eben wieder eingeschlafen war, erweckte ihn zum zweiten Male ein Geräusch, ein anhaltendes, dumpfes Rasseln und Brausen, das dadurch entstand, daß die gemeinen Verbrecher, die zwei Stockwerke tiefer schliefen, gleichzeitig aufstanden, um an die Arbeit geführt zu werden, und mit ihren Ketten durcheinanderklirrten und sprachen. Je weniger er sich das Getöse erklären konnte, desto mehr erregte es seine gereizten Nerven; es war, als erhöben sich in den Wurzeln des furchtbaren Gebäudes die Gebeine derer, die hier begraben starben, ein Chor von Verdammten, die die erlittene Qual um diese Stunde erneuerten. Es war fünf Uhr; eine Stunde später kamen Schiller und Kral mit einem Stück schwarzen Brotes und einem eisernen Teller voll Mehlsuppe, in der ein hölzerner Löffel lag. Während Confalonieri ein paar Schluck davon versuchte und einige Brocken Brot aß, betrachtete Schiller ihn von der Seite und sagte streng: »Die Suppe ist gut!« »Sehr gut, und das Brot nicht minder,« sagte Federigo ernsthaft, indem er beides 171 zurückschob; »ich werde meinen Magen allmählich daran gewöhnen.« Schiller, der des Morgens in übler Laune zu sein pflegte, bis er zum ersten Frühstück ein Glas Wein getrunken hatte, brummte unzufrieden, vor Mittag gebe es nichts anderes. Als er mit Kral draußen war und dieser schüchtern vorbrachte, der kranke Herr müsse doch irgend etwas zu essen bekommen, herrschte der Alte ihn an, er solle schweigen. Er habe doch gehört, daß der Herr die Suppe gut gefunden habe! Außerdem habe jeder hier die Freiheit zu verhungern. Aber das sei auch die einzige! Übrigens solle keiner sich rühren! Kral ließ den Kopf hängen und ging seiner Arbeit nach; um neun Uhr jedoch winkte Schiller ihm, in sein Zimmer zu kommen. Dort nahm er aus einem Eckschrank eine Flasche Wein, goß sich ein Glas ein und leerte es mit einem Zuge, schloß dann den Schrank wieder und sagte, während sein Gesicht sich rötete und seine Augen zu blinken anfingen: »Der Graf gefällt mir. Ein Edelmann fragt nicht nach Brot und Fleisch, sondern nach Blut und Ehre. Der, wenns ihm schlecht geht, betrinkt sich nicht wie unsereiner, sondern beißt die Zähne zusammen und schluckt es trocken hinunter. Man muß von oben heruntersehen, wenn man ein Edelmann sein will.« »Das tut er,« sagte Kral, der aus seinen hellblauen Augen staunend zu dem Alten aufsah; »ich komme mir neben ihm wie eine Maus vor.« Hierüber lachte Schiller ungeheuer; plötzlich jedoch veränderte er den Ton und wetterte: »Marsch an die Arbeit! Hier sind keine Maulaffen feil! Und daß ich nirgends einen Lärm oder eine Ungehörigkeit vernehme! Hier muß es wie im Grabe sein!« Dann ließ er die Unterlippe hängen und ging, die struppigen Brauen böse zusammenziehend und laut mit den Schlüsseln klirrend, an seine Arbeit.

Federigo fühlte sich außerordentlich schwach durch den Mangel an Schlaf und Nahrung und erregt durch die 172 Einsicht, daß er hier nicht als ein Staatsgefangener, sondern als ein Sträfling zu gelten schien. Im Zimmer auf und ab gehend erwog er, wie sich sein Leben und das seiner Freunde gestalten würde, wenn dieser Grundsatz wirklich durchgeführt werden sollte: mit den Wärtern wollte er nicht darüber sprechen, sondern den Vorsteher um eine Unterredung bitten und sich wenigstens Gewißheit verschaffen. Bald ermattet blieb er am Fenster stehen und sah hinaus: der Himmel war voll grauer Wolken, die sich nicht bewegten, und auf den Dächern und Bäumen lagen Fetzen grauen Schnees, die nach dem letzten Tauwetter zurückgeblieben sein mochten; es sah so aus, als wäre es immer so gewesen und würde immer so sein. Federigo war im Begriff, sich wieder vom Fenster abzuwenden, als er einen weichen, flötenden Ton hörte, der ihn als etwas Vertrautes wehmütig ans Herz rührte; er horchte auf und unterschied deutlich die Melodie der alten Arie: »O Richard, mein König, die Welt verläßt dich!« die er im Gefängnis von Mailand so viele Male von Andryane gehört hatte. Das Fenster öffnend, rief er: »Alexander!« laut genug, daß der im Gange patrouillierende Soldat es hörte und zu schelten anfing. Schiller, der dazukam, ging in Federigos Zimmer und brummte: Was für ein Lärmen das wäre! Wenn man die Italiener gewähren ließe, würde es im Gefängnis bald zugehen wie in einem Opernhause. Das gehe nicht an; hier müsse es wie im Grabe sein. »Und Ihr seid der Totengräber,« entgegnete Federigo ruhig. Schiller unterdrückte eine Anwandlung zum Lachen und knurrte weiter: Für den Totengräber wäre Graf und Bettler eins, hier müsse einer schweigen wie der andere, hier dürfe keiner aus Mutwillen das Fenster aufmachen, dazu heizte man nicht. Confalonieri zog die Augenbrauen hoch, betrachtete Schiller verwundert und sagte: »Mir scheint, daß niemand so viel Lärm 173 macht wie Sie;« worauf dieser hinausging, indem er die Tür zuschlug. Nach einer Weile kam er wieder, ein Weißbrot in der Hand und sagte: »Wenn ich vorhin grob war, so geschah das mit Vorbedacht meines Amtes wegen. Wäre ich es nicht, so hätten wir alle den Teufel im Nacken. Künftig gebt selbst acht, daß Euch die Soldaten nicht hören, und jetzt nehmet dies Brötchen an zum Zeichen, daß Ihr mir nicht zürnt; denn Ihr müßt Hunger haben.« Confalonieri nahm die Hand des Alten und sagte: »So geht es, wenn ein guter Mann ein übles Amt bekleidet. Das Brot nehme ich nicht, weil ich mir nichts heimlich aneignen will, was mir nicht bestimmt ist; anstatt dessen bitte ich Euch, mir einen Arzt zu schicken, der mir verordnen wird, was mir zuträglich ist.« Der Arzt, sagte Schiller, käme nur des Donnerstags, jetzt aber wäre Dienstag; bis dahin könne der Graf doch nicht ohne zu essen leben, und er suchte ihm nochmals das Brot aufzudrängen. »Ich werde mich bemühen, künftig nur des Donnerstags krank zu werden,« versetzte Confalonieri; »inzwischen wird mich Gott aus Gnade erhalten. Das Brot nehme ich nicht an, aber ich versichere Euch, daß mir niemals eines so gut geschmeckt hat wie dies, welches ich nicht gegessen habe.«

Am folgenden Tage forderte Schiller den Grafen auf, ihm zu folgen, weil er sich den Anzug und die Kette der Anstalt müsse anlegen lassen; die Kette sei leichter als seine, vom Anzuge hingegen wisse er nichts Vorteilhaftes zu sagen. Die vorgeschriebene Kleidung bestand aus einem groben wollenen Hemd und einem ebensolchen Anzuge, der weiß und braun gefärbt war, so daß die beiden Seiten wechselsweise zueinander paßten, wie es zuweilen bei den Kleidern der Bajazzi der Fall ist. Federigo stutzte, als er die Sträflingstracht sah, und überlegte, ob er sich gutwillig dazu bequemen solle, sie anzulegen; denn dadurch erkannte er die Maßregel an, die er 174 für unberechtigt hielt; aber die Erwägung, daß Widerstand aussichtslos sein würde, zumal seine Kameraden sich schon gefügt hatten, gab den Ausschlag. Als er fertig war, sagte er, an dem scheckigen Anzug heruntersehend, zu Schiller: »Es kommt vor, daß ein Hanswurst im Königsmantel geht; warum sollte nicht einmal ein Verständiger eine Narrenjacke oder ein ehrlicher Mann ein Sträflingskleid tragen?« Als Schiller dies am Abend seinem Schützling Kral erzählte, erschrak der fast über den Mut des Grafen, eine so verwegene Rede in Gegenwart Schillers zu führen, der sie hätte weitererzählen können. »Der?« sagte Schiller. »Er kennt mich, als wenn ich fünfundzwanzig Jahre unter ihm gedient hätte. Während du seinen Ohren etwas sagst, lesen seine Augen, was du denkst.« »Seltsame Augen hat er,« bestätigte Kral. »Das erstemal, als ich ihm die Suppe brachte, hat er mich angesehen, als wäre ich gar nicht da, so daß ich Lust bekam, mich nach mir selber umzusehen; aber heute hat er mir einen Blick gegeben, daß mir das Herz klopfte.« »Ich will dir etwas sagen,« begann Schiller, indem er sich über den Tisch beugte und belehrend den Finger hob, »er küßt mit den Augen. Er ist ein gefährlicher Mensch, und du sollst dich vor ihm hüten; denn wenn er von dir verlangte, du möchtest ihn ans Tor begleiten, er wolle ein wenig spazierengehen, so könntest du keinen Widerstand leisten. Ich dagegen bin alt und fest wie Eisen; ich werde schon mit ihm fertig werden.« Kral empfand einen unbestimmten Schrecken, sowohl vor den Gefahren, die ihm drohten, wie vor der harten Behandlung, die Schiller dem Grafen könnte angedeihen lassen. »Kürbis!« schalt dieser, »kennst du den alten Schiller noch nicht? Seine Pflicht kommt zuerst! Daran ist nicht zu rütteln! Aber abgesehen davon ist ein Ehrenmann in seinen Händen gut aufgehoben.«

Doktor Bayer, welcher die italienischen Staatsgefangenen 175 zu behandeln hatte, erledigte seine Besuche schleunig, als ob er etwas Entscheidendes versäumte; denn da er nicht ungutmütig war, fürchtete er, wenn er die Klagen ausführlich anhörte und den Jammer sähe, würde er sich Zugeständnisse und Bewilligungen entschlüpfen lassen, die an höchster Stelle Mißfallen erregen und eine unerträgliche Ungnade auf ihn herabziehen würden. Von Confalonieri wußte er schon aus vorausgeschickten Berichten Bescheid und verordnete ihm sofort einen Strohsack zum Schlafen und die Krankenkost, die etwas zuträglicher als die allgemeine, aber noch weniger reichlich war; hierzu war er befugt und kargte um so weniger damit, als er hoffte, dem Klagenden auf diese Weise den Mund zu stopfen. Federigos Behauptung dagegen, er müsse zur Belebung des Herzens eine Tasse Kaffee trinken, das sei Arznei für ihn, deren sein Organismus bedürfe, setzte ihn in Verlegenheit; er sagte, daß er das wohl einsähe, daß er aber zuvor die Allerhöchste Bestätigung einer solchen Verordnung nachsuchen müsse. »Ich wüßte nicht,« sagte Federigo, »was Gott dagegen haben sollte, wenn Sie mir eine Tasse Kaffee verordnen. Sind Sie aber gewohnt, über Ihre ärztlichen Maßnahmen Erleuchtung im Gebet zu suchen, so tun Sie es bitte auf der Stelle, damit ich die Entscheidung sofort erfahre.« Während Schiller, der den Arzt hineingeführt hatte, entzückt in sich hineinhustete, stand der Doktor verblüfft auf der Schwelle, ungewiß ob der Graf ihn verspottete oder ob seine ungenügende Bekanntschaft mit der deutschen Sprache ein Mißverständnis veranlaßt habe. Seine Erklärung, er habe in diesem Falle nicht an Gott, sondern an die Kaiserliche Majestät gedacht, empfing Federigo unbefangen, meinte aber, der Doktor möge doch, wenn er einer Bestätigung bedürfe, zunächst mit der Gottes vorliebnehmen, der allgegenwärtig sei, während der Kaiser weit entfernt wohne. Nun, 176 nun, sagte der Doktor lächelnd, es wäre eine Neuerung; aber er wäre kein Pedant, und so solle der Graf denn seinen Kaffee trinken, ohne jedoch zu vergessen, daß es nur bis auf weiteres sei.

In jeder Woche einmal erfolgte ein Besuch des Vorstehers, Hauptmann Smertschek. Confalonieri sagte ihm, daß er an seine Frau zu schreiben wünsche; in welcher Form dies geschehen könne; ob etwa die Briefe, welche aus- und eingingen, einer Kontrolle unterworfen wären. In das nicht gerade verfeinerte, aber angenehme Gesicht des Hauptmanns trat ein ängstlicher Zug, indem er sagte, dies betreffend habe er die strengsten Befehle erhalten, von den italienischen Staatsgefangenen dürfe keiner weder Briefe erhalten noch absenden, und auch mündliche Nachrichten über das Ergehen der Familie dürften ihnen nur auf besonderen Befehl des Kaisers mitgeteilt werden. Auf die Frage des Grafen, ob diese Maßregel für alle zu schwerem Kerker Verurteilten gelte, nahm die Nervosität des Hauptmanns sichtlich zu; er sagte mit einer gewissen Erregung, daß nicht nur die Gefangenen, sondern daß auch er sich dem fügen müsse, was der Kaiser zu befehlen für gut finde; daß die ewigen Quengeleien zu nichts führten und daß ein Mann besser tue, sich in das Unvermeidliche zu schicken. Übrigens sei er überzeugt, wenn etwas Besonderes in den Familien der Gefangenen vorfiele, würden sie davon in Kenntnis gesetzt werden, und umgekehrt; dafür bürge ihm die Milde des Kaisers.

»So,« sagte Confalonieri; »es wurde wenigstens in Mailand bekannt, daß der junge Graf Oroboni gestorben war.« Er setzte höflich hinzu, daß er nichts anderes beabsichtigt habe, als sich nach den bestehenden Vorschriften zu erkundigen, daß er zwar ihre Härte beklage, aber weit davon entfernt sei, den Hauptmann dafür verantwortlich zu 177 machen. Dieser fing an, sich wieder zu beruhigen, und sagte, er wisse schon, daß der Graf ein einsichtiger Mann sei, der sich beherrschen könne. Leider wären nicht alle die Italiener so; da hätte zum Beispiel der junge Pallavicino dem Wärter die Schüssel mit Suppe vor die Füße geworfen, hätte den Wasserkrug zerschmettert und dergleichen Kindereien mehr. Wie er sich dabei verhalten solle? Es widerstrebe ihm, gebildete Menschen wie Tiere an die Kette zu legen; er sei kein Barbar, aber er müsse doch die vorgeschriebene Ordnung aufrechterhalten. Confalonieri bat ihn, Nachsicht zu haben; sie hätten als politische Gefangene nicht erwartet, wie gemeine Verbrecher behandelt zu werden, und würden sich allmählich in ihre Lage finden. Er sei überzeugt, alle seine Gefährten erkennten die Menschlichkeit an, mit der ihr Unglück von ihm und auch von den Wärtern geachtet würde. Ach, man möchte es nicht glauben, sagte der Hauptmann, der nun mitteilsam wurde, er sei oft schlimmer daran als die Gefangenen, die sich für so sehr bedauernswert hielten. Wo er sich zeigte, Klagen und Vorwürfe, Seufzen und Stöhnen! Als ob er an ihrem Unglück schuld sei und ihr Los ändern könne! Und in seinem eigenen Hause sei es nicht viel besser. Da setze seine Frau das Lied fort, indem sie die armen Italiener beklage und ihn zu dieser und jener Vergünstigung bewegen wolle, was für ihn, wenn er sie gewährte, die schwersten Folgen haben könnte. Dabei sei sie selber, die arme Frau, schwerkrank an der Schwindsucht und könne nicht mehr lange leben; sie sei jetzt leichter als sein zehnjähriges Töchterchen, und wenn er sie bei gutem Wetter in den Garten trage und wieder ins Haus, so komme es ihm vor, als habe er kein Fleisch und Bein, sondern die leeren Gewänder auf den Armen. So etwas sei ein Unglück für den Haushalt, zumal wenn die Frau so sanft und freundlich wie seine sei; niemals habe er ein ungütiges 178 Wort von ihr gehört; gegen die Kinder und die Dienstboten sei sie zwar allzu nachsichtig gewesen, einer müsse doch schelten und strafen, und so fiele es denn auf ihn, der es auch nicht zum Vergnügen tue. Er putze auch den Schiller von Zeit zu Zeit ordentlich herunter; denn der sei ein dickköpfiger Schweizer und würde keinen Herrgott mehr über sich erkennen, wenn er ihn nicht zuweilen tüchtig zusammenschimpfte.

Der Sträfling, der die Zimmer der italienischen Gefangenen zu reinigen hatte, war ein Zigeuner, der vor einer Reihe von Jahren wegen Schmuggelns zu einer längeren Haft verurteilt worden war. Als er frei geworden war, erfuhr er, daß seine Frau ihm inzwischen untreu gewesen sei, und beschloß, um sich zu rächen, sie auf grausame Weise zu ermorden. Er band sie auf einem Stuhle fest, begoß sie mit Petroleum, das er anzündete, und hätte sie verbrennen lassen, wenn nicht Leute dazu gekommen wären, die die Unglückliche mit lebensgefährlichen Brandwunden losmachten. Er wurde nun zu zwanzig Jahren schweren Kerkers auf dem Spielberg verurteilt, von denen er jetzt schon mehrere abgebüßt hatte. Da er sich still und gehorsam verhielt, und da sich außerdem die ersten Anzeichen der Brustkrankheit bei ihm meldeten, wurde er zu der leichten Arbeit des Zimmerreinigens verwendet. Er hatte ein gelbes, von Pockennarben entstelltes Gesicht, das ohnehin in allen Zügen von phantastischer Häßlichkeit war; um so mehr fiel die Schönheit seiner schwarzen Augen auf, und auch die schlanke Zierlichkeit und Biegsamkeit seiner Gestalt konnte die plumpe Sträflingskleidung nicht ganz verdecken. Er hieß Olah, war aber von Maroncelli Kaliban benannt worden, weil er ihn an jenes märchenhafte Scheusal aus dem Shakespeareschen Schauspiel erinnerte. Confalonieri war etwa drei Tage auf dem Spielberge, als Kaliban ihm beim Reinigen des Zimmers einen Zettel zeigte und, indem 179 er sein starres Gesicht zu einem Grinsen verzog und mit den Augen zwinkerte, denselben unter den Wasserkrug schob. Es zeigte sich, daß es ein zusammengefalteter Brief Pellicos war, in dem er Federigo begrüßte, sich erkundigte, wie er die Qualen der Gefangenschaft ertrüge, und ihm mitteilte, daß, wenn er Neigung hätte, ihm zu antworten, Kaliban den Verkehr bereitwillig besorgen würde, ohne daß Verrat von ihm zu befürchten sei. Ein Stück Papier und ein Bleistiftstümpfchen lagen daneben.

Federigo war erfreut, mit seinen Gefährten und namentlich mit Pellico in Verbindung treten zu können; er schrieb sofort einen langen Brief, in dem er allerlei aus Mailand erzählte, wovon er glaubte, daß es Silvio interessieren könne; dann erinnerte er an die Zeit, wo sie mit andern, jetzt weit entfernten Freunden den »Conciliatore«, jene Zeitschrift herausgaben, durch die sie Italien anregen und erheben wollten, und schlug vor, daß sie jetzt etwas Ähnliches für sich selbst unternehmen könnten. Jeder könne sich über einen Gegenstand verbreiten, der ihm am Herzen liege, oder die Kenntnisse mitteilen, die er besäße; es würde eine ansehnliche Zeitung entstehen, und jeder von ihnen könnte zugleich sich ausgeben und von den andern aufnehmen. Pellico solle vor allem die reichliche Muße benutzen, um die dichterischen Ideen auszuführen, mit denen er sich früher getragen, ohne sie bei seinen vielfachen andern Pflichten vollenden zu können.

Mit einer gewissen Unruhe wartete er darauf, Kaliban den Brief geben zu können; in dem Augenblick aber, wo dieser ihn erwartungsvoll und aufmunternd anblinzelte, um das Papier in Empfang zu nehmen, ekelte es ihn plötzlich so stark davor, mit dem verbrecherischen Geschöpf eine verbotene Heimlichkeit zu unterhalten, daß er die Hand, in der er das zusammengefaltete Blatt schon bereithielt, zurückzog und den 180 Elenden mit einem Blick ansah, der die vertrauliche Gebärde untersagte. Als um fünf Uhr das frische Wasser für die Nacht gebracht worden war und Federigo sich in der Dämmerung allein fand, war er geneigt, seine Handlungsweise zu bereuen. Er malte sich aus, wie Pellico seine Antwort erwartet hatte, welche Enttäuschung, was für Befürchtungen ihr Ausbleiben in ihm erregen mußte. Er hatte an die Möglichkeit gedacht, Schiller oder Kral um die Vermittlung des Verkehrs zu ersuchen; aber er sah ein, daß er das nicht tun konnte, ohne sie in einen peinlichen Zwiespalt zu versetzen. Schiller war der heimliche Betrieb wohl kaum entgangen, und er übersah ihn absichtlich; sollte an seiner Empfindlichkeit etwas scheitern, was niemandem schadete und für ihn und seine Gefährten von großer Wichtigkeit war?

Am folgenden Morgen benutzte er einen Augenblick, wo er mit Kaliban allein war, um ihn zu fragen, ob er den Brief bestellen wolle. Er könne ihm keine Belohnung dafür anbieten und ihn auch nicht schützen, wenn er ertappt und zu einer vermutlich sehr harten Strafe verurteilt werde. »Macht nichts,« sagte Kaliban, und auf Federigos weitere Frage, warum er es denn tue, antwortete er, zu seinem Vergnügen, wobei sich ein listiges Funkeln in seine stumpfen, schwarzen Augen stahl. Augenscheinlich bewog ihn nicht Mitgefühl mit den Gefangenen zu den Diensten, die er ihnen leistete, sondern er befriedigte dadurch einen Trieb, auf Schleichwegen zu gehen und den Behörden etwas ihrer Aufsicht Unterstelltes zu entziehen. Es kostete dem Grafen jetzt weniger Überwindung als zuvor, ihm den Brief zu geben; ja, er fühlte sich zu dem Fremdling hingezogen wie zu einem hübschen Tier der Wildnis, das man an sich gewöhnen möchte. Der Ausdruck schwermütiger Gleichgültigkeit in seinen Augen, als er an eine etwaige harte Strafe dachte, die er sich zuziehen könnte, hatte 181 sich Federigo besonders eingeprägt; es reizte ihn zu erfahren, ob es etwas gebe, was diese Seele in Lust oder Unlust versetzen könnte, und was das sei. Schiller konnte darüber keine Auskunft geben: er sah in Kaliban eine für gewöhnlich unschädliche Bestie, die böse wird und beißt, wenn man sie auf den Schwanz tritt, und verstand weder das Interesse des Grafen, noch billigte er es.

Federigos Vorschlag wurde von seinen Gefährten freudig aufgenommen, und jeder bemühte sich, etwas zustande zu bringen. Maroncelli konnte nicht Papier genug für seine literarischen und ästhetischen Abhandlungen aufbringen; Pellico dagegen klagte, daß die Gedanken und Bilder ihm nicht zufließen wollten, ja daß ihn zu keinem Entwurf ein zwingendes Gefühl triebe. Er beschränkte sich zunächst auf persönliche Mitteilungen, wie auch Andryane tat, der sich mit den verwegensten Plänen trug, ein Wiedersehen mit dem verehrten Freunde zu erzwingen.

 


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